„Kornwalzer-Skandal“ – Versionsunterschied

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Der '''Kornwalzer-Skandal''' war ein großer [[Korruption|Korruptionsskandal]] im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]], der von 1913 bis 1914 die deutsche [[Öffentlichkeit]] beschäftigte. Die Firma [[Friedrich Krupp AG]] hatte jahrelang Beamte der Heeresverwaltung bestochen, um an interne Informationen über die Produkte von Konkurrenzfirmen zu gelangen.
Der '''Kornwalzer-Skandal''' war ein großer [[Korruption]]sskandal im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]], der von 1913 bis 1914 die deutsche [[Öffentlichkeit]] beschäftigte. Die Firma [[Friedrich Krupp AG]] hatte jahrelang Beamte der Heeresverwaltung bestochen, um an interne Informationen über die Produkte von Konkurrenzfirmen zu gelangen.


== Aufdeckung ==
== Vorgänge ==
Um den Kontakt zu Behörden und Ministerien zu pflegen, verfügte der [[Essen]]er Krupp-Konzern über ein Büro in Berlin. Um diese Beziehungen auszubauen, stellte man 1906 Maximilian Brandt als „Bureauvorsteher“ für Berlin ein, der bis dahin in der Essener Zentrale tätig gewesen war. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit in der Berliner Depotverwaltung der Artilierieprüfungskommission erschien Brandt als besonders geeignet, Kontakte zur Heeresverwaltung zu knüpfen.
Der Skandal beruhte auf Informationen des [[Whistleblower]]s Metzen, der im September 1912 als Direktor der Berliner Krupp-Büros entlassen wurde. Dieser spielte im November 1912 in einem anonymen Umschlag an den Abgeordneten der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] im [[Reichstag]] [[Karl Liebknecht]] 17 Geheimberichte des Kruppangestellten Maximilian Brandt an die Konzernzentrale in [[Essen]] zu. Diese enthielten Informationen über Preisangebote von Krupps Konkurrenten, deren Konstruktionspläne und den Ablauf der Versuche mit ihren Waffen. Diese Geheimberichte hatten den internen Namen „Kornwalzer“.


Dies gelang ihm auch. So traf er sich mit mindestens acht Angehörigen der Feldzeugmeisterei, der Artillerieprüfungskommission und der Abteilung des Kriegsministeriums für die Fuß- und Feldartillerie regelmäßig in Gaststätten.<ref>Bösch, S. 347–348.</ref> Die Informationen, die er dabei erhielt, schickte er in Berichten an das Essener Direktorium. Zur Verschleierung trugen sie die interne Bezeichnung „Kornwalzer“ und wurden meist ohne Unterschrift und Adresse mit der Aufschrift „geheim“ gemeinsam mit anderen Briefen in einem Umschlag verschickt. Sie enthielten neben Preisangeboten von Konkurrenten, wie der [[Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb|Phoenix AG]] oder der [[Rheinmetall|Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik]] auch Information zu den Konstruktionen sowie den Vorführungen der Konkurrenzprodukte. Des Weiteren beschrieben sie auch Entscheidungskriterien der Heeresverwaltung bei Auftragsvergaben, Lieferschwierigkeiten von Konkurrenten und zukünftige Bedürfnisse des Heeres.<ref>Bösch, S. 351–352.</ref>
Liebknecht übergab das Material zuerst an den Kriegsminister [[Josias von Heeringen]]. Daraufhin wurden am 7. Februar 1913 Brandt und mehrere Angehörige der Militärverwaltung verhaftet und bei der Konzernzentrale in Essen Durchsuchungen durchgeführt und Beschlagnahmungen vorgenommen. Dabei wurden 741 weitere Geheimberichte gefunden.


Die Gegenleistung, die die Informanten erhielten, waren vergleichsweise gering. So wurden einige nur zum Essen eingeladen oder bekamen Theaterkarten geschenkt. Andere erhielten für interessante Nachrichten Beträge zwischen 10 und 20 Mark. Zudem machte Brandt zu Weihnachten Geldgeschenke von bis zu 100 Mark und gewährte Darlehen im Umfang von bis zu 1000 Mark, die jedoch meist zurückgezahlt wurden. Die Geschenke gab es dabei oft nicht als direkte Gegenleistung, sondern eher als beiläufig. Dies trug dazu bei, dem Vorgang des Verbotene zu nehmen. Neben den monetären Vergünstigung eröffnete Brandt seinen Informanten auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft, wie er sie gemacht hatte. In mindestens einem Fall soll es durch ein von ihm erstellten Gutachten auch dazu gekommen sein.<ref>Bösch, S. 349–350.</ref>
Am 18. April 1913 machte Liebknecht die Affäre im Reichstag öffentlich. Die Veröffentlichung schlug hohe Wellen und noch in der Nacht reiste [[Alfred Hugenberg]] nach Berlin, um die Gegenkampagne zu organisieren. Liebknecht und Hugenberg wurden die Wortführer in der sich anschließenden öffentlichen Debatte.


== Aufdeckung ==
Im Leitartikel, der am 27./28. August 1913 im [[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]] erschien, führte Liebknecht über [[Gustav Krupp von Bohlen und Halbach|Krupp]] aus:
Anfang November 1912 erhielt Karl Liebknecht, Abgeordneter der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] im [[Reichstag]], einen Umschlag, der 17 „Kornwalzer“-Berichte und ein anonymes Anschreiben enthielt.<ref name="Bösch337">Bösch, S. 337–338.</ref> Er stammte sehr wahrscheinlich von Wilhelm<ref>[[Manfred Rasch]]: ''Adlige Unternehmer am Ende der Wilhelminischen Epoche.'' In [[Hartmut Berghoff]], [[Jürgen Kocka]], [[Dieter Ziegler (Historiker)|Dieter Ziegler]] (Hrsg.): ''Wirtschaft im Zeitalter der Extreme. Beiträge zur Unternehmensgeschichte Deutschlands und Österreichs''. [[Verlag C.H. Beck]], 2010, S. 41 ([https://books.google.de/books?id=GTilgKwBueQC&pg=PA41 online] bei [[Google Books]]).</ref> von Metzen, einem ehemaligen Mitarbeit von Krupp, der im September 1912 entlassen worden war. Dieser bestritt die Versendung später zwar vor Gericht und beschuldigte Brandt, allerdings fand man bei ihm Kopien der an Liebknecht verschickten Berichte.<ref>Bösch, S. 354.</ref> Liebknecht übergab das Material zuerst an den Kriegsminister [[Josias von Heeringen]]. Daraufhin wurden am 7. Februar 1913 Brandt und mehrere Angehörige der Militärverwaltung verhaftet und bei der Konzernzentrale in Essen Durchsuchungen durchgeführt und Beschlagnahmungen vorgenommen. Dabei wurden 741 weitere Geheimberichte gefunden.<ref name="Bösch337" /> Zudem wurde Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm]] frühzeitig über den „Verrat militärischer Geheimnisse durch verbrecherische Methoden“ informiert. Die Öffentlichkeit erfuhr jedoch nichts über die Ermittlungen und Verhaftungen.<ref name="Bösch356">Bösch, S. 356–357.</ref>


Aus diesem Grund machte Liebknecht am 18. April 1913 die Affäre im Reichstag während einer Diskussion über den [[Wehretat]] öffentlich. Dabei war er zunächst zurückhaltend und lobte den Kriegsminister für sein Durchgreifen.<ref name="Bösch356" /> Erst am folgenden Tag spitzte er die Diskussion durch den Ausspruch „Es handelt sich hier um ein Panama, schlimmer als Panama.“ zu, mit dem er die Affäre mit dem [[Panamaskandal]] verglich, der damals ein geflügeltes Wort für Korruption in größerem Umfang war.<ref>Bösch S. 338</ref>
{{Zitat|Das Idol des Hurrapatriotismus, der im Nimbus einer schrankenlosen Gnade, ja Liebe der kaiserlichen Majestät verklärte Krupp, die Zierde und der Ruhm Deutschlands, der heiligste Nationalheilige, lag im Staub niederer kapitalistischer Menschlichkeit.|ref=<ref>Liebknecht contra Rüstungskapital, S. 63.</ref>}}


== Reaktionen ==
Die Empörung ging so weit, dass die Nationalliberalen und das Zentrum eine Resolution im Reichstag einbrachten, die eine staatliche Rüstungsindustrie forderte.
Kriegsminister von Heeringen gab die Ermittlungen zu, bestritt aber den Geheimnisverrat und lobte die Verdienste Krupps. Zudem könne er sich nicht zu einem laufenden Verfahren äußern und hätte auch keine Informationen dazu. In allen Reichstagsparteien bestand Konsens darüber, dass die Vergehen, falls zutreffend, hart bestraft werden müssten. Die Empörung ging so weit, dass eine von [[Nationalliberalismus|Nationalliberalen]] und dem [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]] im Juli eingebrachte Resolution im Reichstag angenommen wurde, die forderte, dass die Beschaffung von Kriegsmaterialien durch reichseigene technische Institute erfolgen soll. Auf die Forderung aller Reichstagsfraktionen mit Ausnahme der [[Konservatismus|Konservativen]] nach einer [[Enquete-Kommission|Enquete]] ging die Regierung durch die Schaffung einer ''Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen'' ein, in der neben Regierungs- und Parteivertretern auch Vertreter der Wirtschaft sitzen sollten.<ref>Bösch, S. 358–359.</ref>


Sowohl Krupp als auch die Regierung schickten noch am Abend der Bekanntmachung der Affäre über die Nachrichtenagentur [[Wolffs Telegraphisches Bureau|W.T.B.]] Pressemitteilungen an die Zeitungen. Die Regierung wiederholte darin inhaltlich die Äußerungungen des Kriegsministers. Krupp versuchte die Affäre runterzuspielen, indem die Vorgänge als branchenüblich und zudem als unbedeutend dargestellt wurden. Zudem betonte das Unternehmen, dass die Konzernleitung erst durch die Polizei von den Vorgängen erfahren hätte und sofort alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hätte. Noch in der Nacht der Veröffentlichung reiste [[Alfred Hugenberg]], der Vorsitzende des Krupp-Direktoriums, nach Berlin, um die Gegenkampagne zu organisieren. In einem wenige Tage später veröffentlichten Interview versuchte auch er die Affäre herunterzuspielen. Zudem bestritt er wahrheitswidrig, dass er die Geheimberichte kenne. Außerdem versuchte er den Skandal moralisch umzudeuten und mittels persönlicher Angriffe aus dem „Fall Krupp“ einen „Fall Liebknecht“ machen. Liebknecht antworte darauf direkt im [[Vorwärts (Deutschland)|Vorwärts]], sodass die Affäre wie ein persönliches Duell zwischen ihm und Hugenberg erschien.<ref>Bösch, S. 359–361.</ref>
Hugenberg bestritt, dass er diese Geheimberichte kenne, aber es wurden Berichte mit seiner Abzeichnung gefunden. Die Gegenseite betonte, dass die Bestechungssummen sehr klein waren, es sich um normale Informationen, keineswegs um Geheimnisse gehandelt habe und die Konzernleitung nichts davon gewusst hätte. Statt von Korruption sprach sie von „Schwatzhaftigkeit“. Insgesamt wollten sie mittels persönlicher Angriffe aus dem „Fall Krupp“ einen „Fall Liebknecht“ machen.
Im Leitartikel, der am 27./28. August 1913 im Vorwärts erschien, führte Liebknecht über [[Gustav Krupp von Bohlen und Halbach|Krupp]] aus:


{{Zitat|Das Idol des Hurrapatriotismus, der im Nimbus einer schrankenlosen Gnade, ja Liebe der kaiserlichen Majestät verklärte Krupp, die Zierde und der Ruhm Deutschlands, der heiligste Nationalheilige, lag im Staub niederer kapitalistischer Menschlichkeit.|ref=<ref>Liebknecht contra Rüstungskapital, S. 63.</ref>}}
Die "Deutsche Zeitung" meinte:

Auch die konservative Presse versuchte den Skandal umzudeuten. So schrieb die ''Deutsche Zeitung'':


{{Zitat|Das Unerhörteste, das Beschämendste aber ist, daß die bei uns infolge der nationalen Dummheit der Deutschen viel zu verbreitete Presse der roten und goldenen Internationale es wagen darf, jeden in der Öffentlichkeit tätigen patriotischen Deutschen als einen bezahlten Agenten der 'Panzerplattenfabrikanten', als 'Prozentpatrioten' zu begeifern. Also, wer seinen Staat, wer sein Volk mit heißem Herzen liebt [...] der darf von einem lauten Chor elender Kläffer [...] in den Staub der Gemeinheit gezogen werden, ohne daß ein Schrei der Empörung darüber durch die Volksgemeinschaft gellt!|ref=<ref>Klaus Wernecke, Peter Heller: ''Der vergessene Führer Alfred Hugenberg''. Hamburg 1982, S. 52.</ref>}}
{{Zitat|Das Unerhörteste, das Beschämendste aber ist, daß die bei uns infolge der nationalen Dummheit der Deutschen viel zu verbreitete Presse der roten und goldenen Internationale es wagen darf, jeden in der Öffentlichkeit tätigen patriotischen Deutschen als einen bezahlten Agenten der 'Panzerplattenfabrikanten', als 'Prozentpatrioten' zu begeifern. Also, wer seinen Staat, wer sein Volk mit heißem Herzen liebt [...] der darf von einem lauten Chor elender Kläffer [...] in den Staub der Gemeinheit gezogen werden, ohne daß ein Schrei der Empörung darüber durch die Volksgemeinschaft gellt!|ref=<ref>Klaus Wernecke, Peter Heller: ''Der vergessene Führer Alfred Hugenberg''. Hamburg 1982, S. 52.</ref>}}
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Der Krupp-Direktor Dreger forderte Liebknecht sogar zum Duell heraus.
Der Krupp-Direktor Dreger forderte Liebknecht sogar zum Duell heraus.


Die Berichterstattungen im Zuge des Prozesses gegen die Informanten Brandts empörten sich vor allem über die geringen Summe, die die Militärbeamten für ihre Informationen erhalten hatten. So schrieb die [[B.Z. am Mittag]]:
== Erster Krupp-Prozess ==

Vom 31. Juli 1913 bis 5. August 1913 fand der erste Prozess gegen sieben Offiziere der Heeresverwaltung statt. Dafür wurde ein so kleiner Sitzungssaal gewählt, dass aus Platzgründen lediglich zwölf ausgewählte Journalisten teilnehmen konnten.
{{Zitat|Das hat wohl niemand für möglich gehalten, daß man in Preußen richtiggehende Staatsgeheimnisse zu wahren Schleuderpreisen kaufen kann. Zehn bis zwanzig Mark und gelegentlich ein warmes Abendbrot im „Rheingold“ hat Herr Brandt dem Zeugleutnant Schleuder und Genossen für interessante Nachrichten aus dem Ministerium der Landesverteidigung gezahlt.|ref=<ref>B.Z. am Mittag, Nr. 181, 5. 8. 1913, zitiert in Bösch, S. 364.</ref>}}

== Prozess gegen Offiziere ==
Vom 31. Juli 1913 bis 5. August 1913 fand der erste Prozess gegen sieben Offiziere der Heeresverwaltung statt. Ihnen wurde militärischem [[Geheimnisverrat]], [[Bestechlichkeit]] und [[Gehorsamsverweigerung|Ungehorsam gegen militärische Befehle]] in etwa 900 Fällen vorgeworfen. Der Prozess war zwar öffentlich, allerdings wählte man einen so kleinen Sitzungssaal, dass aus Platzgründen lediglich zwölf ausgewählte Journalisten teilnehmen konnten. Dies sollte auch nach Ansicht des Historikers [[Frank Bösch]] die geringe Bedeutung des Prozesses hervorheben. Die Inhalte der „Kornwalzer“-Berichte wurden nur in kurzen Auszügen vorgestellt. Dies und der Ausschluss von Journalisten bei einigen Aussagen aufgrund von militärischer Geheimhaltung, wertete den Prozess jedoch auf und erhöhte das öffentliche Interesse.<ref>Bösch, S. 361–362.</ref>

Die Angeklagten gaben zwar die Preisgabe von Informationen zu, zeigten aber ein geringes Unrechtsbewusstsein. So sagte einer der Offiziere aus:

{{Zitat|Ich habe es nur getan, weil ich bei der ganzen Stellung der Firma Krupp das Gefühl hatte, Krupp und der Staat seien eins.|ref=<ref>Bösch, S. 351.</ref>}}

Zudem sei Brandt besser informiert gewesen als ihre Vorgesetzten. Deshalb seien ihnen die Informationen nicht geheim vorgekommen. Brandt und die zuständigen Krupp-Direktoren sagten in dem Prozess nur als Zeugen aus. Brandt bestätigte dabei die Aussagen der Offiziere, indem er damit prahlte, dass es für ihn in Berlin keine militärischen Geheimnisse gegeben hätte. Die Direktoren sagten aus, dass die Informationen zu keinen finanziellen Vorteilen für Krupp geführt hätten. Die Aussagen wurden von der Anklage zurückgewiesen. So betonte ein Sachverständiger der Heeresverwaltung, dass es auch für Krupp Militärgeheimnisse gäbe, zu denen aus gutem Grund auch die Preise der Konkurrenz gehörten.<ref>Bösch, S. 363.</ref>


Obwohl das Militärstrafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft bei schwerer Korruption und bis zu drei Jahre Haft bei minder schweren Fällen vorsah, erhielten die Offiziere lediglich Haftstrafen von drei Wochen Arrest bis sechs Monaten Gefängnis, die unter den Forderungen der Anklage lagen. Drei Angeklagte wurden aus dem Dienst entlassen. Diese Strafen wurde in der Presse als gering betrachtet.<ref>Bösch, S. 364.</ref>
Einer der Offiziere sagte dabei aus:


== Prozess gegen Krupp-Mitarbeiter ==
{{Zitat|Ich habe es nur getan, weil ich bei der ganzen Stellung der Firma Krupp das Gefühl hatte, Krupp und der Staat seien eins|ref=<ref>Bösch, S. 351.</ref>}}
Vom 28. Oktober bis 8. November 1913 fand der Prozess gegen die Firma Krupp statt. Die Anklageschrift richtete sich zunächst gegen sechs Krupp-Direktoren, darunter Hugenberg, aber die Anwälte Krupps erreichten, dass neben Brandt lediglich der Krupp-Direktor Eccius angeklagt wurde. Die Strategie Krupps blieb dieselbe wie im vorangegangenen Prozess. Die Bedeutung der „Kornwalzer“-Berichte wurden heruntergespielt. Außerdem hätten sie eher zur Senkung von Preisen beigetragen. Dadurch sei weder dem Staat ein Schaden, noch dem Unternehmen ein Vorteil entstanden. Zudem würden auch Konkurrenten bei Krupp spionieren. Die Verteidigung sprach von Korruption von „Schwatzhaftigkeit“. Eccius erklärte, er habe vergessen, mit wem er über die Berichte gesprochen hätte. Die anderen Direktoren, die nur als Zeugen aussagen mussten, gaben an, zu beschäftigt gewesen zu sein, um die Berichte zu lesen. Diese Aussagen wurden vom Gericht jedoch angezweifelt.


Während des Prozess wurde die Aufklärung weiterer Vergehen unterbunden. So wurde Karl Liebknecht bei seiner Zeugenvernehmung sofort das Wort abgeschnitten, als er darlegen wollte, dass Brandt auch geheime Informationen aus dem Reichsmarineamt erhielt und Krupp ausländische Zeitungen besteche.
Obwohl das Militärstrafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft bei schwerer Korruption und bis zu drei Jahre Haft bei minder schweren Fällen vorsah, erhielten die Offiziere lediglich Haftstrafen von drei Wochen Arrest bis sechs Monaten Gefängnis.


Die Urteile fielen auch in diesem Prozess sehr milde aus. So wurde Brandt wegen fortgesetzter Bestechung lediglich zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, die er mit der Untersuchungshaft bereits abgesessen hatte. Die Höchstrafe für aktive Bestechung lag bei fünf Jahren. Der Krupp-Direktor Eccius erhielt wegen Beihilfe zur fortgesetzten Bestechung eine Geldstrafe in Höhe von 1200 Mark. Die Verfahrenskosten übernahm der Staat.<ref>Bösch, S. 367–371.</ref>
== Zweiter Krupp-Prozess ==
Vom 28. Oktober bis 8. November 1913 fand der Prozess gegen die Firma Krupp statt. Die Anklageschrift richtete sich zunächst gegen sechs Krupp-Direktoren, darunter Hugenberg, aber die Anwälte Krupps erreichten, dass neben Brandt lediglich der Krupp-Direktor Eccius angeklagt wurde.


== Folgen ==
Karl Liebknecht wurde bei seiner Zeugenvernehmung sofort das Wort abgeschnitten, als er darlegen wollte, dass Brandt auch geheime Informationen aus dem Reichsmarineamt erhielt und Krupp ausländische Zeitungen besteche.
Die Arbeit der kurz nach Bekanntwerden des Skandals eingesetzten ''Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen'' wurde von der Regierung stark behindert und blieb weitestgehend ergebnislos. So wurde der von der SPD als Kommissionsmitglied vorgeschlagene Liebknecht abgelehnt, worauf sich die SPD komplett aus der Kommission zurückzog. Trotz Diskussionen in der Kommission hielt die Regierung an Krupp als Produzenten fest. 1914 gab auch der linke Parteiflügel des Zentrums um [[Matthias Erzberger]] die Forderung nach einer staatlichen Militärproduktion auf.<ref>Bösch, S. 372–373.</ref>


Krupp drängte nach dem zweiten Prozess auf die Rückgabe der „Kornwalzer“-Berichte, um sie nach eigener Aussage „im Interesse der Landesverteidigung unter Aufsicht zu verbrennen“. Diese Vernichtung erfolgte auch schnell.<ref>Bösch, S. 375.</ref>
Laut den unveröffentlichten Memoiren des Krupp-Direktors Haux informierten sich die vorgeladenen Krupp-Direktoren mittels Trinkgeldern bei den Gerichtsdienern über die Aussagen der anderen Zeugen.


Für die beteiligten Krupp-Mitarbeiter hatte die Affäre keine negativen Konsequenzen. Eccius schied zwar aufgrund seinem schlechten gesundheitlichen Zustand aus dem Direktorium aus, blieb dem Unternehmen jedoch freundschaftlich verbunden. So hatte Krupp auch seine Geldstrafe und seine Auslagen übernommen. Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] arbeitete er in der Presseabteilung des [[Großer Generalstab|Großen Generalstabes]]. Brandt wurde zwar entlassen, aber unter der Bedingung, sich neue Anstellungen von Krupp genehmigen zu lassen, großzügig abgefunden. Später wurde er Leiter der vom Kriegsministerium geschaffenen Hanfabrechnungsstelle und kehrte damit in eine Position als Vermittler zwischen Verwaltung und Wirtschaft zurück.<ref name="Bösch373">Bösch, S. 373–375.</ref>
Brandt wurde lediglich zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der Krupp-Direktor Eccius wurde lediglich zu 1200 Mark Geldstrafe verurteilt.


Die verurteilten Offiziere erhielten aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs und ihrer Einberufung die Chance auf einen Neuanfang im Militär.<ref name="Bösch373" /> Der Krieg war auch ein Grund dafür, dass der Skandal bald in Vergessenheit geriet.<ref>Bösch, S. 377.</ref>
Die Inhalte der Kornwalzer wurden vor der Öffentlichkeit weitgehend geheim gehalten und auf Druck von Krupp vernichtet.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Frank Bösch: ''Krupps Kornwalzer, Formen und Wahrnehmungen von Korruption im Kaiserreich''. In: Historische Zeitschrift Band 281 (2005) Sonderdruck, S. 337–379. (Quelle für den Artikel)
* [[Frank Bösch]]: ''Krupps Kornwalzer, Formen und Wahrnehmungen von Korruption im Kaiserreich''. In: ''[[Historische Zeitschrift]]'' Band 281 (2005) Sonderdruck, S. 337–379 ([https://zeitgeschichte-digital.de/doks/frontdoor/deliver/index/docId/652/file/b%c3%b6sch_krupps_kornwalzer_2005_de.pdf pdf]). (Quelle für den Artikel)
* Werner Otto: ''Liebknecht contra Rüstungskapital, Karl Liebknechts Kampf gegen Krupp, Imperialismus und Kriegsgefahr 1913/1914''. Berlin 1961. (Enthält Reden und Artikel Liebknechts zum Thema)
* Werner Otto: ''Liebknecht contra Rüstungskapital, Karl Liebknechts Kampf gegen Krupp, Imperialismus und Kriegsgefahr 1913/1914''. Berlin 1961. (Enthält Reden und Artikel Liebknechts zum Thema)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
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[[Kategorie:Skandal]]
[[Kategorie:Skandal]]

Version vom 17. Mai 2018, 19:40 Uhr

Der Kornwalzer-Skandal war ein großer Korruptionsskandal im Deutschen Kaiserreich, der von 1913 bis 1914 die deutsche Öffentlichkeit beschäftigte. Die Firma Friedrich Krupp AG hatte jahrelang Beamte der Heeresverwaltung bestochen, um an interne Informationen über die Produkte von Konkurrenzfirmen zu gelangen.

Vorgänge

Um den Kontakt zu Behörden und Ministerien zu pflegen, verfügte der Essener Krupp-Konzern über ein Büro in Berlin. Um diese Beziehungen auszubauen, stellte man 1906 Maximilian Brandt als „Bureauvorsteher“ für Berlin ein, der bis dahin in der Essener Zentrale tätig gewesen war. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit in der Berliner Depotverwaltung der Artilierieprüfungskommission erschien Brandt als besonders geeignet, Kontakte zur Heeresverwaltung zu knüpfen.

Dies gelang ihm auch. So traf er sich mit mindestens acht Angehörigen der Feldzeugmeisterei, der Artillerieprüfungskommission und der Abteilung des Kriegsministeriums für die Fuß- und Feldartillerie regelmäßig in Gaststätten.[1] Die Informationen, die er dabei erhielt, schickte er in Berichten an das Essener Direktorium. Zur Verschleierung trugen sie die interne Bezeichnung „Kornwalzer“ und wurden meist ohne Unterschrift und Adresse mit der Aufschrift „geheim“ gemeinsam mit anderen Briefen in einem Umschlag verschickt. Sie enthielten neben Preisangeboten von Konkurrenten, wie der Phoenix AG oder der Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik auch Information zu den Konstruktionen sowie den Vorführungen der Konkurrenzprodukte. Des Weiteren beschrieben sie auch Entscheidungskriterien der Heeresverwaltung bei Auftragsvergaben, Lieferschwierigkeiten von Konkurrenten und zukünftige Bedürfnisse des Heeres.[2]

Die Gegenleistung, die die Informanten erhielten, waren vergleichsweise gering. So wurden einige nur zum Essen eingeladen oder bekamen Theaterkarten geschenkt. Andere erhielten für interessante Nachrichten Beträge zwischen 10 und 20 Mark. Zudem machte Brandt zu Weihnachten Geldgeschenke von bis zu 100 Mark und gewährte Darlehen im Umfang von bis zu 1000 Mark, die jedoch meist zurückgezahlt wurden. Die Geschenke gab es dabei oft nicht als direkte Gegenleistung, sondern eher als beiläufig. Dies trug dazu bei, dem Vorgang des Verbotene zu nehmen. Neben den monetären Vergünstigung eröffnete Brandt seinen Informanten auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft, wie er sie gemacht hatte. In mindestens einem Fall soll es durch ein von ihm erstellten Gutachten auch dazu gekommen sein.[3]

Aufdeckung

Anfang November 1912 erhielt Karl Liebknecht, Abgeordneter der SPD im Reichstag, einen Umschlag, der 17 „Kornwalzer“-Berichte und ein anonymes Anschreiben enthielt.[4] Er stammte sehr wahrscheinlich von Wilhelm[5] von Metzen, einem ehemaligen Mitarbeit von Krupp, der im September 1912 entlassen worden war. Dieser bestritt die Versendung später zwar vor Gericht und beschuldigte Brandt, allerdings fand man bei ihm Kopien der an Liebknecht verschickten Berichte.[6] Liebknecht übergab das Material zuerst an den Kriegsminister Josias von Heeringen. Daraufhin wurden am 7. Februar 1913 Brandt und mehrere Angehörige der Militärverwaltung verhaftet und bei der Konzernzentrale in Essen Durchsuchungen durchgeführt und Beschlagnahmungen vorgenommen. Dabei wurden 741 weitere Geheimberichte gefunden.[4] Zudem wurde Kaiser Wilhelm frühzeitig über den „Verrat militärischer Geheimnisse durch verbrecherische Methoden“ informiert. Die Öffentlichkeit erfuhr jedoch nichts über die Ermittlungen und Verhaftungen.[7]

Aus diesem Grund machte Liebknecht am 18. April 1913 die Affäre im Reichstag während einer Diskussion über den Wehretat öffentlich. Dabei war er zunächst zurückhaltend und lobte den Kriegsminister für sein Durchgreifen.[7] Erst am folgenden Tag spitzte er die Diskussion durch den Ausspruch „Es handelt sich hier um ein Panama, schlimmer als Panama.“ zu, mit dem er die Affäre mit dem Panamaskandal verglich, der damals ein geflügeltes Wort für Korruption in größerem Umfang war.[8]

Reaktionen

Kriegsminister von Heeringen gab die Ermittlungen zu, bestritt aber den Geheimnisverrat und lobte die Verdienste Krupps. Zudem könne er sich nicht zu einem laufenden Verfahren äußern und hätte auch keine Informationen dazu. In allen Reichstagsparteien bestand Konsens darüber, dass die Vergehen, falls zutreffend, hart bestraft werden müssten. Die Empörung ging so weit, dass eine von Nationalliberalen und dem Zentrum im Juli eingebrachte Resolution im Reichstag angenommen wurde, die forderte, dass die Beschaffung von Kriegsmaterialien durch reichseigene technische Institute erfolgen soll. Auf die Forderung aller Reichstagsfraktionen mit Ausnahme der Konservativen nach einer Enquete ging die Regierung durch die Schaffung einer Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen ein, in der neben Regierungs- und Parteivertretern auch Vertreter der Wirtschaft sitzen sollten.[9]

Sowohl Krupp als auch die Regierung schickten noch am Abend der Bekanntmachung der Affäre über die Nachrichtenagentur W.T.B. Pressemitteilungen an die Zeitungen. Die Regierung wiederholte darin inhaltlich die Äußerungungen des Kriegsministers. Krupp versuchte die Affäre runterzuspielen, indem die Vorgänge als branchenüblich und zudem als unbedeutend dargestellt wurden. Zudem betonte das Unternehmen, dass die Konzernleitung erst durch die Polizei von den Vorgängen erfahren hätte und sofort alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hätte. Noch in der Nacht der Veröffentlichung reiste Alfred Hugenberg, der Vorsitzende des Krupp-Direktoriums, nach Berlin, um die Gegenkampagne zu organisieren. In einem wenige Tage später veröffentlichten Interview versuchte auch er die Affäre herunterzuspielen. Zudem bestritt er wahrheitswidrig, dass er die Geheimberichte kenne. Außerdem versuchte er den Skandal moralisch umzudeuten und mittels persönlicher Angriffe aus dem „Fall Krupp“ einen „Fall Liebknecht“ machen. Liebknecht antworte darauf direkt im Vorwärts, sodass die Affäre wie ein persönliches Duell zwischen ihm und Hugenberg erschien.[10] Im Leitartikel, der am 27./28. August 1913 im Vorwärts erschien, führte Liebknecht über Krupp aus:

„Das Idol des Hurrapatriotismus, der im Nimbus einer schrankenlosen Gnade, ja Liebe der kaiserlichen Majestät verklärte Krupp, die Zierde und der Ruhm Deutschlands, der heiligste Nationalheilige, lag im Staub niederer kapitalistischer Menschlichkeit.“[11]

Auch die konservative Presse versuchte den Skandal umzudeuten. So schrieb die Deutsche Zeitung:

„Das Unerhörteste, das Beschämendste aber ist, daß die bei uns infolge der nationalen Dummheit der Deutschen viel zu verbreitete Presse der roten und goldenen Internationale es wagen darf, jeden in der Öffentlichkeit tätigen patriotischen Deutschen als einen bezahlten Agenten der 'Panzerplattenfabrikanten', als 'Prozentpatrioten' zu begeifern. Also, wer seinen Staat, wer sein Volk mit heißem Herzen liebt [...] der darf von einem lauten Chor elender Kläffer [...] in den Staub der Gemeinheit gezogen werden, ohne daß ein Schrei der Empörung darüber durch die Volksgemeinschaft gellt!“[12]

Der Krupp-Direktor Dreger forderte Liebknecht sogar zum Duell heraus.

Die Berichterstattungen im Zuge des Prozesses gegen die Informanten Brandts empörten sich vor allem über die geringen Summe, die die Militärbeamten für ihre Informationen erhalten hatten. So schrieb die B.Z. am Mittag:

„Das hat wohl niemand für möglich gehalten, daß man in Preußen richtiggehende Staatsgeheimnisse zu wahren Schleuderpreisen kaufen kann. Zehn bis zwanzig Mark und gelegentlich ein warmes Abendbrot im „Rheingold“ hat Herr Brandt dem Zeugleutnant Schleuder und Genossen für interessante Nachrichten aus dem Ministerium der Landesverteidigung gezahlt.“[13]

Prozess gegen Offiziere

Vom 31. Juli 1913 bis 5. August 1913 fand der erste Prozess gegen sieben Offiziere der Heeresverwaltung statt. Ihnen wurde militärischem Geheimnisverrat, Bestechlichkeit und Ungehorsam gegen militärische Befehle in etwa 900 Fällen vorgeworfen. Der Prozess war zwar öffentlich, allerdings wählte man einen so kleinen Sitzungssaal, dass aus Platzgründen lediglich zwölf ausgewählte Journalisten teilnehmen konnten. Dies sollte auch nach Ansicht des Historikers Frank Bösch die geringe Bedeutung des Prozesses hervorheben. Die Inhalte der „Kornwalzer“-Berichte wurden nur in kurzen Auszügen vorgestellt. Dies und der Ausschluss von Journalisten bei einigen Aussagen aufgrund von militärischer Geheimhaltung, wertete den Prozess jedoch auf und erhöhte das öffentliche Interesse.[14]

Die Angeklagten gaben zwar die Preisgabe von Informationen zu, zeigten aber ein geringes Unrechtsbewusstsein. So sagte einer der Offiziere aus:

„Ich habe es nur getan, weil ich bei der ganzen Stellung der Firma Krupp das Gefühl hatte, Krupp und der Staat seien eins.“[15]

Zudem sei Brandt besser informiert gewesen als ihre Vorgesetzten. Deshalb seien ihnen die Informationen nicht geheim vorgekommen. Brandt und die zuständigen Krupp-Direktoren sagten in dem Prozess nur als Zeugen aus. Brandt bestätigte dabei die Aussagen der Offiziere, indem er damit prahlte, dass es für ihn in Berlin keine militärischen Geheimnisse gegeben hätte. Die Direktoren sagten aus, dass die Informationen zu keinen finanziellen Vorteilen für Krupp geführt hätten. Die Aussagen wurden von der Anklage zurückgewiesen. So betonte ein Sachverständiger der Heeresverwaltung, dass es auch für Krupp Militärgeheimnisse gäbe, zu denen aus gutem Grund auch die Preise der Konkurrenz gehörten.[16]

Obwohl das Militärstrafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft bei schwerer Korruption und bis zu drei Jahre Haft bei minder schweren Fällen vorsah, erhielten die Offiziere lediglich Haftstrafen von drei Wochen Arrest bis sechs Monaten Gefängnis, die unter den Forderungen der Anklage lagen. Drei Angeklagte wurden aus dem Dienst entlassen. Diese Strafen wurde in der Presse als gering betrachtet.[17]

Prozess gegen Krupp-Mitarbeiter

Vom 28. Oktober bis 8. November 1913 fand der Prozess gegen die Firma Krupp statt. Die Anklageschrift richtete sich zunächst gegen sechs Krupp-Direktoren, darunter Hugenberg, aber die Anwälte Krupps erreichten, dass neben Brandt lediglich der Krupp-Direktor Eccius angeklagt wurde. Die Strategie Krupps blieb dieselbe wie im vorangegangenen Prozess. Die Bedeutung der „Kornwalzer“-Berichte wurden heruntergespielt. Außerdem hätten sie eher zur Senkung von Preisen beigetragen. Dadurch sei weder dem Staat ein Schaden, noch dem Unternehmen ein Vorteil entstanden. Zudem würden auch Konkurrenten bei Krupp spionieren. Die Verteidigung sprach von Korruption von „Schwatzhaftigkeit“. Eccius erklärte, er habe vergessen, mit wem er über die Berichte gesprochen hätte. Die anderen Direktoren, die nur als Zeugen aussagen mussten, gaben an, zu beschäftigt gewesen zu sein, um die Berichte zu lesen. Diese Aussagen wurden vom Gericht jedoch angezweifelt.

Während des Prozess wurde die Aufklärung weiterer Vergehen unterbunden. So wurde Karl Liebknecht bei seiner Zeugenvernehmung sofort das Wort abgeschnitten, als er darlegen wollte, dass Brandt auch geheime Informationen aus dem Reichsmarineamt erhielt und Krupp ausländische Zeitungen besteche.

Die Urteile fielen auch in diesem Prozess sehr milde aus. So wurde Brandt wegen fortgesetzter Bestechung lediglich zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, die er mit der Untersuchungshaft bereits abgesessen hatte. Die Höchstrafe für aktive Bestechung lag bei fünf Jahren. Der Krupp-Direktor Eccius erhielt wegen Beihilfe zur fortgesetzten Bestechung eine Geldstrafe in Höhe von 1200 Mark. Die Verfahrenskosten übernahm der Staat.[18]

Folgen

Die Arbeit der kurz nach Bekanntwerden des Skandals eingesetzten Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen wurde von der Regierung stark behindert und blieb weitestgehend ergebnislos. So wurde der von der SPD als Kommissionsmitglied vorgeschlagene Liebknecht abgelehnt, worauf sich die SPD komplett aus der Kommission zurückzog. Trotz Diskussionen in der Kommission hielt die Regierung an Krupp als Produzenten fest. 1914 gab auch der linke Parteiflügel des Zentrums um Matthias Erzberger die Forderung nach einer staatlichen Militärproduktion auf.[19]

Krupp drängte nach dem zweiten Prozess auf die Rückgabe der „Kornwalzer“-Berichte, um sie nach eigener Aussage „im Interesse der Landesverteidigung unter Aufsicht zu verbrennen“. Diese Vernichtung erfolgte auch schnell.[20]

Für die beteiligten Krupp-Mitarbeiter hatte die Affäre keine negativen Konsequenzen. Eccius schied zwar aufgrund seinem schlechten gesundheitlichen Zustand aus dem Direktorium aus, blieb dem Unternehmen jedoch freundschaftlich verbunden. So hatte Krupp auch seine Geldstrafe und seine Auslagen übernommen. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er in der Presseabteilung des Großen Generalstabes. Brandt wurde zwar entlassen, aber unter der Bedingung, sich neue Anstellungen von Krupp genehmigen zu lassen, großzügig abgefunden. Später wurde er Leiter der vom Kriegsministerium geschaffenen Hanfabrechnungsstelle und kehrte damit in eine Position als Vermittler zwischen Verwaltung und Wirtschaft zurück.[21]

Die verurteilten Offiziere erhielten aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs und ihrer Einberufung die Chance auf einen Neuanfang im Militär.[21] Der Krieg war auch ein Grund dafür, dass der Skandal bald in Vergessenheit geriet.[22]

Literatur

  • Frank Bösch: Krupps Kornwalzer, Formen und Wahrnehmungen von Korruption im Kaiserreich. In: Historische Zeitschrift Band 281 (2005) Sonderdruck, S. 337–379 (pdf). (Quelle für den Artikel)
  • Werner Otto: Liebknecht contra Rüstungskapital, Karl Liebknechts Kampf gegen Krupp, Imperialismus und Kriegsgefahr 1913/1914. Berlin 1961. (Enthält Reden und Artikel Liebknechts zum Thema)

Einzelnachweise

  1. Bösch, S. 347–348.
  2. Bösch, S. 351–352.
  3. Bösch, S. 349–350.
  4. a b Bösch, S. 337–338.
  5. Manfred Rasch: Adlige Unternehmer am Ende der Wilhelminischen Epoche. In Hartmut Berghoff, Jürgen Kocka, Dieter Ziegler (Hrsg.): Wirtschaft im Zeitalter der Extreme. Beiträge zur Unternehmensgeschichte Deutschlands und Österreichs. Verlag C.H. Beck, 2010, S. 41 (online bei Google Books).
  6. Bösch, S. 354.
  7. a b Bösch, S. 356–357.
  8. Bösch S. 338
  9. Bösch, S. 358–359.
  10. Bösch, S. 359–361.
  11. Liebknecht contra Rüstungskapital, S. 63.
  12. Klaus Wernecke, Peter Heller: Der vergessene Führer Alfred Hugenberg. Hamburg 1982, S. 52.
  13. B.Z. am Mittag, Nr. 181, 5. 8. 1913, zitiert in Bösch, S. 364.
  14. Bösch, S. 361–362.
  15. Bösch, S. 351.
  16. Bösch, S. 363.
  17. Bösch, S. 364.
  18. Bösch, S. 367–371.
  19. Bösch, S. 372–373.
  20. Bösch, S. 375.
  21. a b Bösch, S. 373–375.
  22. Bösch, S. 377.