Das Geld (1983)

Film
Titel Das Geld
Originaltitel L’Argent
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 1983
Länge 85 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Robert Bresson
Drehbuch Robert Bresson
Produktion Jean-Marc Henchoz
Musik Johann Sebastian Bach
Kamera Pasqualino De Santis,
Emmanuel Machuel
Schnitt Jean-François Naudon
Besetzung

Das Geld (Originaltitel: L’Argent) ist ein französischer Film aus dem Jahre 1983. Regie führte Robert Bresson. Die literarische Vorlage ist die Erzählung Der gefälschte Kupon von Leo Tolstoi.

Handlung

Ein gefälschter 500-Franc-Schein gerät in Umlauf. Der Heizölfahrer Yvon gerät durch eine Lieferung an ein Photogeschäft in Besitz der gefälschten Banknote. Als er in einem Restaurant seine Rechnung mit der Fälschung bezahlt, gerät er nun selbst in Verdacht, das Geld gefälscht zu haben. Für Yvon tut sich eine Abwärtsspirale auf, er verliert seine Arbeit, kommt ins Gefängnis, sein Kind stirbt und seine Frau verlässt ihn. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wird Yvon selbst zum Verbrecher.

Rezeption

Ralf Zwiebel, Lehranalytiker am Alexander-Mitscherlich-Institut und vormals Professor für Psychoanalytische Psychologie an der Universität Kassel legte 2013 unter dem Titel Geld und Gewalt eine ausführliche Filmanalyse auf psychoanalytischer Grundlage vor.[2] Dabei handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Vortrags, den er 2011 auf der Jahrestagung der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) hielt, die sich unter dem Titel Die phantastische Macht des Geldes[3] auch den psychoanalytischen Perspektiven von Geld in der Kunst widmete.

Zwiebel stellt zunächst sein eigenes »Arbeitsmodell« vor, das ihn bei seiner Analyse des Films leite. Es beinhalte Antworten auf die Fragen, was ein Film – „psychoanalytisch betrachtet“ – sei, wie sich Filmkunst und Psychoanalyse, die „unterschiedliche, aber vergleichbare Zugänge zur Lebenswirklichkeit der Menschen darstellen“, dialogisch aufeinander beziehen könnten und wie man „zu plausiblen und nicht zu »wilden« Interpretationen“ komme.[4] Zum Erhalt der „Komplexität des Films“ und seiner „unabschließbbaren Deutungsoptionen“ sollten möglichst viele Kontexte miteinander verbunden werden und sich aufeinander beziehen.[5]

Geld sei „Hauptdarsteller des Films“,[6] alle Szenen seien auf irgendeine Weise über das Geld miteinander verknüpft. Der Film sei laut Zwiebel „radikal antipsychologisch“, weil er keinerlei „Deutungen der Verhaltensweisen der Protagonisten“ liefere, „keine biographischen Hintergründe, keine Erklärungen für die Motivationen“ ihres Handelns.[7] Man sei geneigt zu glauben, es handele sich um den „erbarmungslosen Ablauf eines schicksalhaften Geschehens“, das „eher eine existentielle als eine psychologische Dimension“ habe.[8] Bresson würde seine Zuschauer mit ihren gängigen Erwartungen enttäuschen: „Sein Film wie auch seine anderen Filme sind eher karg, manche fast anti-narrativ, laden wenig zur Identifikation ein und sind nicht selten frustrierend für den Zuschauer.“[9] Gleichwohl werde Bresson „als einer der großen Filmkünstler der Filmgeschichte betrachtet“. Einige seiner Filme würden „als die besten Filme aller Zeiten eingestuft“, etwa, so Zwiebel, der Film Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen aus dem Jahr 1956 oder Zum Beispiel Balthasar (1966).[10]

Zur Entstehungsgeschichte zitiert Zwiebel Bresson:[11]

„Mein Film wird ein erstes Mal geboren in meinem Kopf, stirbt auf Papier; wird wiedererweckt durch die lebenden Personen und die wirklichen Gegenstände, die ich verwende, die getötet werden auf Filmmaterial, aber die, in eine bestimmte Ordnung gebracht und auf eine Leinwand projiziert, wieder aufleben wie Blumen im Wasser.“

Robert Bresson: Notizen zum Kinematographen[12]

Auf der Suche nach einem zentralen Thema – einer Art rotem Faden in Bressons Filmen – teilt Zwiebel seinen Eindruck mit, die Filme griffen „die menschliche, existentielle Grundsituation“ auf, also Einsamkeit, Verzweiflung, „das Böse und die Schuld sowie die absolute Ungewissheit, ob es so etwas wie eine Erlösung oder Vergebung geben“ könne.

Seiner Zusammenfassung der Handlung – mit seinen Bildern würde Bresson „auf eine fast kalte Weise den offenbar schicksalhaften Gang der Ereignisse“ aufzeigen – schließt Zwiebel den Hinweis auf die Risiken eines Deutungsversuchs an, die er insbesondere in der Gefahr sieht, einem »furor interpretandi« zu erliegen.[13] Die Deutung, „wie der Zusammenhang zwischen dem Geld und der Gewalt zu verstehen“ sei, überlasse Bresson, der „jegliche eigene, explizite Deutung“ verweigere, dem Zuschauer.[14] Letztlich könne es aber „keine schlüssige, endgültige Deutung des Films geben“.[15]

Zwiebel zitiert Michael Haneke, der „Reduktion und Auslassung“ im Werk von Bresson als „Zauberschlüssel zur Aktivierung des Betrachters“ herausgestellt habe.[16] Haneke sehe in dem Protagonisten keinen „zur Identifikation anstiftenden Charakter“, sondern eine Art Projektionsfläche, die mit „den Gedanken und Gefühlen des Zuschauers“ gefüllt würden.[17]

Sich auf Rolf Dobelli und eine seiner FAZ-Kolumnen (Klarer Denken) beziehend, der den Einfluss von Personen auf Ereignisse gegenüber Dingen oder situativen Momenten regelmäßig für überschätzt halte, widmet Zwiebel in seiner Filmrezeption den Dingen besondere Aufmerksamkeit.[18] Beispielsweise würden halbgeöffnete Türen in keinem anderen Film Bressons eine so herausgehobene Rolle wie in diesem Film spielen. Am Geld würden unter Zwiebels psychoanalytischer Perspektive Sehnsüchte und Enttäuschungen am Primärobjekt abgehandelt.[19] Es gehe um Unbehagen und den Umgang der Menschen mit ihrem subjektiv erlebten Unbehagen, was für die Zuschauer des Films bedeuten würde, „sich den versagenden Aspekten des Films auszusetzen“.

Anlässlich der Preisverleihung bei den Filmfestspielen in Cannes im Jahr 1983, habe es einen Eklat gegeben, weil es, so Zwiebel, zu einer „starken Polarisierung des Publikums in Buh-Rufer und Bravo-Rufer“ gekommen sei.[20]

Kritik

„In seiner fatalistisch anmutenden Radikalität und pessimistischen Gesamtvision drängt der Film auf Reflexion darüber, wie die ideelle Gegenwelt der geistig-seelischen Krise der Menschheit gedacht bzw. vorgestellt werden könnte. Dieser Impetus ist nicht zuletzt aus der formalästhetischen Vollkommenheit abzuleiten, die den Film wie schon viele frühere Filme Bressons auszeichnet, und die in ihrer Reduktion der Formelemente eine mystische Qualität erreicht.“

„Robert Bresson ist Mitte siebzig; ‚Das Geld‘ ist, fast fünfzig Jahre nach seinem ersten, sein vierzehnter Film; mit dem Hochmut, dem Ernst und der Unbeirrbarkeit eines Eremiten hat er sein Leben lang daran gearbeitet, das schmutzige Mischmaschmedium Film zu säubern, zu einer ‚reinen‘ Kunst der Bilder und Töne zu raffinieren: durch Verzicht.“

Auszeichnungen

Literatur

  • Volker Pantenburg: Robert Bressons Film »Das Geld« (»L’argent«), Beitrag für das Magazin »Kino 83«. In: Kunst der Vermittlung. (kunst-der-vermittlung.de [abgerufen am 3. Juni 2023] Die Beiträge entstanden im Zusammenhang mit einer TV-Sendung des Westdeutschen Rundfunks, Pantenburg präsentiert eine mit Abbildungen versehene Beschreibung der Sendung. Überdies finden sich 1984 in den Heften 1–2 und 3–4 der Zeitschrift Filmkritik Beiträge zu L’Argent von Hartmut Bitomsky, Jürgen Ebert, Gaby Körner, weitere von Barbara Schlungbaum und Peter Nau sowie Texte von Manfred Blank und Harun Farocki zur Stilistik von Bresson.).
  • Frieda Grafe: Im Affekt (Robert Bresson: L’Argent). In: Film für Film (= Grafe, Frieda: Ausgewählte Schriften in Einzelbänden. Band 9). Brinkmann & Bose, Berlin 2006, ISBN 3-922660-95-9, S. 206–210 (Zuerst erschienen in: Süddeutsche Zeitung vom 27./28. Januar 1984).

Einzelnachweise

  1. a b Das Geld. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 7. Dezember 2017.
  2. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. Filmpsychoanalytische Gedanken zum Film »L'Argent« von Robert Bresson. In: Ingo Focke, Mattias Kayser, Uta Scheferling (Hrsg.): Die phantastische Macht des Geldes. Ökonomie und psychoanalytisches Handeln. Klett-Cotta, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-608-94785-4, S. 177–196.
  3. Ingo Focke, Mattias Kayser, Uta Scheferling: Die phantastische Macht des Geldes. Ökonomie und psychoanalytisches Handeln. Klett-Cotta, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-608-94785-4.
  4. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 178–179
  5. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 180
  6. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 189
  7. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 188
  8. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 188
  9. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 181
  10. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 182
  11. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 182
  12. Robert Bresson: Notizen zum Kinematographen. Hrsg.: Robert Fischer. Alexander-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-89581-173-9, S. 22 f. (französisch: Notes sur le cinématographe. Übersetzt von Andrea Spingler, Robert Fischer).
  13. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 187
  14. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 189
  15. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 190
  16. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 188
  17. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 189
  18. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 190/191
  19. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 192
  20. Ralf Zwiebel: Geld und Gewalt. 2013, S. 187
  21. Urs Jenny: Dominotheorie spiegel.de, Der Spiegel, 51/1983, 2. Hälfte Dezember 1983, abgerufen 6. Jänner 2017.
  22. IMDb: National Society of Film Critics Awards, USA – Awards 1985. Abgerufen am 2. Juni 2023.