Gans von Otzberg

Stammwappen der Gans von Otzberg

Die Gans von Otzberg (auch Gans von Erlenbach, Gans von Werde seltener: Ganß von Otzberg) sind unter wahrscheinlich acht Adelsgeschlechtern, die sich nach der Veste Otzberg am Nordrand des Odenwalds benannten, das bekannteste. Neben dem ungewöhnlichen Namen ist dies auf eine lange Historie und eine weitverzweigte Verwandtschaft zurückzuführen.

Die ritteradelige Linie der Gans von Otzberg ist am 25. Mai 1694 erloschen.[1] Jedoch setzt sich der rechtmäßige Mannesstamm in einer verbürgerlichten Linie fort,[2] die 1631 durch Kaiser Ferdinand II. in den einfachen Adelsstand gehoben wurde.

Geschichte

Das Geschlecht ist bereits vor 1300 als Gans von Werde in Wörth am Main fassbar.[3] 1357 wurde Diether I. Gans von Werde vom Fuldaer Abt Heinrich VII. von Kranlucken als Burgmann zu Otzberg angenommen. Bereits 1362 tritt er dort als Amtmann auf. Noch 1384 wird er als Dieter Gans von Werde, Vogt zu Otzberg genannt. Erst unter seinem Sohn Dieter II. und dessen Nachkommen ist seit 1391 bis zum Aussterben des Geschlechts mit Johann Pleickhard im Jahr 1694 der Name Gans von Otzberg gebräuchlich. Der ehemaligen Groß-Umstädter Stadtarchivar Georg Brenner verfasste nach urkundlichen Vorlagen aus dem Staatsarchiv Darmstadt eine nahezu 350 Jahre umfassende Stammtafel.[4]

Die Ganse von Otzberg traten als Lehensnehmer der größeren Landesherren in zahlreichen Ortschaften des vorderen Odenwaldes auf. Die Lehnsherren der Gans von Otzberg waren neben der Abtei Fulda die Herren und Grafen von Hanau, die Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die Schenken zu Erbach und die pfälzischen Kurfürsten. Seit 1550 im Ritterkanton Odenwald organisiert, waren sie Teil der Reichsritterschaft.[5]

Besitzungen

Unterhalb der Veste Otzberg im Dorf Hering besaßen die Ganse einen Burgmannshof. Besagtes Burgmannenhaus mit der heutigen Adresse Am Burgmannenhaus 1 existiert noch in Teilen aus dem 16. Jahrhundert. Darunter einige Wappensteine. Ebenfalls hatten die Ganse von Otzberg Schloss Nauses zu Lehen. Um 1500 erfolgte eine Aufteilung in zwei Linien, eine zu Nauses, die andere zu Hering.[6] Zu Groß-Umstadt erwarben sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Südostecke der Stadtmauer den Gans’schen Adelshof. Heute findet sich das Kulturdenkmal an der Brunnengasse 14. Diether Gans von Otzberg erwarb um 1578 nachweislich einen Anteil am freiadligen Hof in Lengfeld.[7]

Ganß in Umstadt

Eine bürgerliche Ganß geschriebene Linie zweigte um 1450 von Boppo Ganß von Otzberg ab.[2][8][9] Diese bürgerliche Linie der ritteradeligen Gans stellte in Umstadt die Stadtschultheißen und Richter des Umstädter Zentgerichts.[10]

Kaiser Ferdinand II. erteilte dem kurfürstlich mainzischen Rechenschreiber Michael Gans seinem Vater Bernhard und dessen Vettern Johann Georg zu Umstadt und Karl Rudolph am 14. August 1631 einen Adelsbrief.[11] Der Reichsadelsakt umfasste eine Wappenbesserung und die Erteilung des Rotwachsprivilegs. Ein am 25. November 1636 auf dem Regensburger Kurfürstentag vorgelegtes Majestätsgesuch mit Bitte um erneute Nobilitierung blieb hingegen folgenlos.[12]

Der gleichnamige Sohn des 1631 mitgeadelten hessen-darmstädtischen Stadtschultheißen zu Umstadt, Johann Georg Ganß war Bierbrauer und mit einer Tochter aus der zur Patriziergesellschaft Zum Frauenstein gehörenden Familie Fleischbein vermählt.[13] Er begründete die seit 1672 in Umstadt bestehende Brauerei Ganß. Agnaten des Hans Georg Ganß wurden in Umstadt unter die Ratsherren gezählt und übten das Brauerhandwerk aus. Seit 1849 befand sich die Schwanenbrauerei im Besitz der Familie Ganß.[14]

Wappen

Das redende Stammwappen des niederadeligen Geschlechts zeigt in Rot eine silberne Gans. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken die Gans zwischen einem roten Flug. Ein weiteres dem Adelsgeschlecht zu gehöriges Wappen zeigt in Blau eine silberne Gans mit roten Füßen.[15]

Wappensteine der Ganse von Otzberg haben sich am Burgmannenhaus in Hering erhalten. Über dem Eingangsportal des Haupthauses am Nordflügen befindet sich das Allianzwappen der Ganse mit dem Wappen der Gayling von Altheim und der Jahreszahl 1539. Neben einem einzelnen Wappen im Ostflügel von 1549 befindet sich dort auch noch ein Allianzwappen mit den Herren von Bettendorff von 1572.[16] Am Torturm des Schloss Nauses ist ein stark verwittertes Allianzwappen zu sehen, das heraldisch linke der Ganse von Otzberg ist noch verhältnismäßig gut zu erkennen. Am Treppenturm des dortigen Hauptgebäudes ist ein Allianzwappen mit dem der Schelme von Bergen angebracht.

Die Wappen- und Namensgleichheit dürfte in diesem Fall zufällig, nicht aber Indiz für eine Verwandtschaft mit den Prignitzer Gans zu Putlitz sein. Das bürgerliche Wappen zeigt in Rot eine goldene Gans. Auf dem Helm mit rot-goldener Helmdecke die Gans zwischen einem offenen roten Flug.[17] Das der verbürgerlichten Linie 1631 durch Reichsadelsakt gebesserte Wappen zeigt den blauen Stammschild mit einer silbernen Gans auf einem grünen Schildfuß im Herzschild.[11]

1748 ließ der Bierbrauer Ganß in Blau eine goldene, auf grünem Grund stehende Gans an seinem Altes Haus genannten Anwesen anbringen.[18] Das am Marktplatz von Umstadt gelegene Alte Haus gehörte 1592 Adam Gans von Otzberg.[19]

Literatur

  • Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch, Band 12 – Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien, Starke Verlag, Görlitz 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 158–182, 693–702.
  • Elisabeth Kleberger: Territorialgeschichte des hinteren Odenwalds (Grafschaft Erbach, Herrschaft Breuberg, Herrschaft Fränkisch-Crumbach). (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 19), Darmstadt 1958, S. 151f.
  • Alfred F. Wolfert: Wappengruppen des Adels im Odenwald-Spessart-Raum. In: Beiträge zur Erforschung des Odenwalds und seiner Randlandschaften II. Festschrift für Hans H. Weber. Breuberg-Neustadt 1977, S. 325–406, hier S. 355–357.
  • Alfred F. Wolfert: Von Otzberg. Überblick über Adelsfamilien, die sich nach der Burg Otzberg am Nordrand des Odenwaldes nennen. In: Der Odenwald. Zeitschrift des Breuberg-Bundes Heft 1, 1990 S. 3–11.
  • Dieter Krieger: Ganz von Otzberg und Ganß. in: Hessisches Wappenbuch 3. Teil. Familienwappen Band 1, Starke Verlag, Limburg an der Lahn 1999, ISBN 3-7980-0002-6, S. 61, Tafel 9.
  • Walther Möller: Genealogische Beiträge zur Geschichte des Odenwaldes und der Bergstraße (Fortsetzung: Die Gans von Otzberg und die von Erlenbach). In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde. Herausgegeben vom Historischen Verein für Hessen und dem Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Neue Folge 24, Heft 2/3, Darmstadt 1952, ISSN 0066-636X, S. 142–149.
Commons: Gans von Otzberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georg Wilhelm Justin Wagner: Uebersichtliche Darstellung der in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen erloschenen adeligen Familien. In: Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde. Band 6. Verlag des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, 1851, ZDB-ID 211409-4, S. 265 (Digitalisat).
  2. a b Johann Wilhelm Christian Steiner: Geschichte der Städte Umstadt und Babenhausen, ihrer ehemaligen Cent und Amtszugehörungen. Band 2 – Alterthümer und Geschichte des Bachgaus im alten Maingau. Wailandt'schen Schriften, Aschaffenburg 1827, OCLC 165756722, S. 118–119 (Digitalisat).
  3. Nach Wagner sogar schon seit 1246 urkundlich nachgewiesen; vgl. hier S. 265
  4. Digitalisat: Stammtafelabschrift von 1963 In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen).
  5. Kurt Andermann: Reichsritterschaft, Kanton Odenwald. In: Historisches Lexikon Bayerns. Bayerische Staatsbibliothek, 18. Oktober 2011, abgerufen am 17. Juni 2020 (deutsch).
  6. Alfred F. Wolfert: Wappengruppen des Adels im Odenwald-Spessart-Raum. In: Beiträge zur Erforschung des Odenwalds und seiner Randlandschaften. Teil 2 Festschrift für Hans H. Weber. Verlag des Breuberg-Bundes, Breuberg-Neustadt 1977, OCLC 719301103, S. 357.
  7. Digitalisat: HStAD Bestand A 1 Nr. 142/3:  In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen).
  8. Dieter Krieger: Hessisches Wappenbuch 3. Teil. Familienwappen Band 1. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 1999, ISBN 3-7980-0002-6, S. 61.
  9. Ludwig Ganß: Anhang. Ganß. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 695, 698.
  10. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 159–160.
  11. a b AT-OeStA/AVA Adel RAA 134.40 Gans (Gannß), Michael, kurmainzer Rechenschreiber und sein Vater Bernhard, Zentgraf zu Ostheim, und dessen Vettern Johann Georg, Schulheiss zu Umstatt und Karl Rudolph, Adelsstand, Wappenbesserung, Rotwachsfreiheit, 1631.08.14 (Akt (Sammelakt, Grundzl., Konvolut, Dossi. Abgerufen am 4. August 2024.
  12. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 159–160.
  13. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 163–165.
  14. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 165–173.
  15. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 694.
  16. De Signatio vom Ursprung und Abkunft und Herkommen des edlen Geschlechts der Gansen von Gansenhofen und Otzberg. (PDF) burgmannenhaus.de, archiviert vom Original am 9. Mai 2009; abgerufen am 28. Oktober 2017.
  17. Ludwig Ganß: Ganß, aus Groß-Umstadt im hessischen Odenwald. In: Hessisches Geschlechterbuch. Band 12Band 107 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1939, ZDB-ID 2252-4, S. 158.
  18. Karlheinz Michel: Typisch Umstadt – eine Fotoserie. In: 1250 Jahre Gross-Umstadt (743–1993). 1. Auflage. Geiger Verlag, Horb am Neckar 1993, ISBN 3-89264-771-2, S. 172.
  19. Peter Schröck-Schmidt: Der Adelshof Gans von Otzberg. In: 1250 Jahre Gross-Umstadt (743–1993). 1. Auflage. Geiger Verlag, Horb am Neckar 1993, ISBN 3-89264-771-2, S. 191.