Feminisierung (BDSM)

Eine dominante Frau und ein submissiver Mann praktizieren Feminisierung

Unter Feminisierung versteht man im BDSM ein erotisches Rollenspiel, in dem ein Mann durch Kleidung und Verhalten in die Rolle einer Frau schlüpft. Es ist eine spielerische Form des Crossdressings. Diese Art der Rollenspiele, bei denen ein anderes Geschlecht als das eigene angenommen wird, wird auch als Genderplay (engl. gender: soziales oder psychologisches Geschlecht einer Person, play: Spiel) bezeichnet. Eine Feminisierung aus medizinischen Gründen bezeichnet man als Effemination.

Motive und Ausübung

Die Feminisierung erfolgt aus einer persönlichen Neigung, beispielsweise einer Affinität zu Dessous, oder findet im Rahmen einer BDSM-Beziehung statt und ist eine in der Literatur häufig erwähnte Praktik. Die Dauer der Feminisierung kann von einem begrenzten Zeitraum von z. B. wenigen Stunden bis hin zu einer dauerhaften Feminisierung reichen.[1]

Kleidung und Fetisch

Die Feminisierung findet oft versteckt statt, indem zum Beispiel unter der Straßenkleidung Damenwäsche, Damenstrümpfe und Strapse getragen werden. Männer, die bevorzugt Damenunterwäsche tragen, nennt man Damenwäscheträger. Manchmal ist Fetischkleidung, beispielsweise Korsett, Gummi- oder Latexwäsche, eine weitere Ausdrucksform. Der Wechsel zu Damenkleidung und -schuhen, das Tragen von Schminke etc. kann bestimmten Vorbildern folgen. Häufig wird versucht, in der Kleidung und dem Verhalten der Vorstellung der „echten Dame“ nachzueifern; die angestrebten Motive erinnern dabei oft an die 1950er und 1960er Jahre. Eine andere Variante ist die Sexualisierung des weiblichen Rollenbildes, beispielsweise durch überzogenes Make-up, aufreizende Kleidung oder hohe Schuhe. Dies kann auf den Träger und seine Partner starke sexuelle Reize ausüben.

Übernahme der weiblichen Geschlechterrolle

Bei der dauerhaften Feminisierung[2] wird oft von den feminisierten Männern die Haushaltsführung übernommen und die Partnerin bzw. der Partner wird zum dominanten Teil der Beziehung. In diesen Beziehungen spielt auch häufig das Thema Cuckold und Keuschhaltung (vgl. Peniskäfig) eine Rolle, weil oft erst durch die sexuelle Entmännlichung eine vollständige, aber befristete Identifikation mit der neuen Rolle erfolgt. Hierbei werden auch weibliche Verhaltensweisen eingeübt und übernommen, oft ein weiblicher Name verwendet und für das äußere Erscheinungsbild wird häufig ein extremes Zerrbild der Weiblichkeit verwendet, das bei beiden Partnern starke sexuelle Erregung auslösen kann.

Die weibliche Namensgebung kann ein wichtiger Aspekt zum Wechsel der Geschlechterrolle sein, die Verwendung des Frauennamens markiert hierbei den Übergang von Realität zu Rollenspiel. Innerhalb des Spieles werden auch für die männlichen Geschlechtsorgane die entsprechenden weiblichen Bezeichnungen verwendet. Passiver Analverkehr, evtl. unter Zuhilfenahme eines Strap-ons, kann Teil der angenommenen Geschlechterrolle und ebenfalls für beide Partner stimulierend sein.

Zwangsfeminisierung

Die Zwangsfeminisierung erfolgt im BDSM zwischen zwei einvernehmlichen Partnern (SSC). Im Vordergrund steht hierbei einerseits das beiderseitige Erleben der Unterwerfung, andererseits können auch sexuell konnotierte Erniedrigung und Demütigung eine wichtige Rolle spielen, insbesondere unter Einbeziehung der Öffentlichkeit. Der Prozess der Zwangsfeminisierung beinhaltet neben dem Tragen von Kleidung und Make-up, die der dominante Partner vorschreibt und auswählt, auch das Anordnen geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen.

Dabei werden oft klischeehafte und übertriebene Frauenbilder als Vorbild genommen. Beispielsweise soll durch das Auftreten in der Öffentlichkeit in extrem kurzen Röcken, hohen Schuhen und dem stark überschminkten Gesicht eine Prostituierte nachgeahmt werden und die Erniedrigung des Feminisierten dadurch verstärkt werden.[3] Im englischen Sprachraum wird der Ausdruck Forced Feminization verwendet, der sich allerdings auch auf die reale erzwungene Feminisierung beziehen kann, beispielsweise die Vergewaltigung von Männern in Gefängnissen. Diese realen Situationen werden als homosexuelle Fantasien auch im Rahmen der Zwangsfeminisierung in der einschlägigen Literatur beschrieben, während sie für heterosexuelle Männer selten Bestandteil der Feminisierungsphantasien sind. Weitere Synonyme sind Effeminization oder Demale.

Mitunter wünscht sich der devote Teil sogar eine weiterführende, teilweise sogar gewaltsame Abrichtung auf die Wunschrolle der Frau. So werden in manchen Kreisen und Internetforen sogar die Phantasien einer „Verschleppung ins Ausland“ und eine „medizinische Geschlechtsumwandlung“ beschrieben. Kastrationsphantasien treten in diesem Zusammenhang ebenfalls in der erotischen BDSM-Literatur auf.

Rollenvorbilder

Neben dem Bild der eleganten und damenhaften Erscheinung und der eher nuttig wirkenden Schlampe ist die Zofe ein sehr beliebtes Rollenbild. Vorbild kann hierbei das viktorianische Zeitalter mit seinen ausgeprägten hierarchischen Strukturen sein. Das Element des Status und des damit verbundenen Machtgefüges (vgl. Dominance and Submission, D/s) verbindet sich hier mit dem Genderplay. Dabei wird der Mann freiwillig oder im Rahmen der Zwangsfeminisierung dazu konditioniert, Aufgaben im Haushalt zu übernehmen. Vor allem in der englischsprachigen Szene wird dies oft als Sissification bezeichnet, während dieser Begriff in anderen Sprachräumen auch allgemein für Feminisierung verwendet wird.

Von Sissy boys (engl. sissy = Mädchen, Weichling) spricht man im BDSM (im Gegensatz zur homosexuellen Verwendung des Wortes), wenn der Mann sehr kindlich-mädchenhafte Kleidung, zum Beispiel Rüschenhöschen, Häubchen und Petticoats, trägt und darin auch präsentiert wird. Wichtiges Element neben dem Wechsel des Geschlechts ist hierbei die Annahme der Rolle eines sehr jungen Alters (engl. Ageplay). Kleidungsvorbilder finden sich hierbei oft in der Südstaatenromantik (beispielsweise der historischen Kinderkleidung oder Krinolinen). Geschieht dies gegen den Willen oder in Zusammenhang mit Bestrafungen, spricht man auch von Petticoating oder Pinaforing. Eine Überschneidung mit dem Rollenverhalten des Adult Baby kann vorkommen, ist aber nicht zwangsläufig.

Künstlerische Darstellung

Gene Bilbrew „Eneg“, Eric Stanton und Bill Ward haben Illustrationen und Comics zum Thema Feminisierung veröffentlicht. Nan Gilbert hat sich u. a. fotografisch damit auseinandergesetzt, von Lou Kagan stammt einer der wenigen vollständigen Comics zum Thema der Zwangsfeminisierung, Lady Lovelock.

Quellen

  1. Buhrich, Neil/Beaumont, Trina, 1981, Comparison of transvestism in Australia and America / Erschienen in: Archives of Sexual Behavior, Bd. 10, Nr. 3, 1981, S. 269–279: Obtained questionnaire data on gender identity, sexual orientation, cross-dressing behavior, fetishism, and bondage from 136 American (mean age 49 yrs) and 86 Australian (mean age 38 yrs) self-designated transvestites who reported a period of fetishism to women’s clothes at some stage of development. Characteristics of transvestism were similar: All were male; almost half first cross-dressed in prepuberty and were well-established by late adolescence; intense fetishism was usually experienced during adolescence but waned in later years; in almost a quarter of Ss fetishism ceased, although the desire to cross-dress continued; in many, transvestism was associated with fantasies of bondage, usually of Ss bound while cross-dressed; and sexual orientation was predominantly or exclusively heterosexual in most Ss.
  2. Thompson, Janet, 1951, Transvestism: an empirical study, erschienen in: International Journal of Sexology, Bd. 4, 1951, S. 216–219 "The author, a man 38 years old, has worn female clothes exclusively since age 31 years. (APA/PsycINFO)
  3. Bräutigam, Walter, 1958, Zur Phänomenologie der erotischen und sexuellen Liebe sowie ihrer Perversionen, erschienen in: Nervenarzt, Bd. 29, 1958, S. 53–59

Literatur

  • Glynis Dunnit, Rüdiger Happ: Ins Röckchen gezwungen. Marterpfahl Verlag (April 2001), ISBN 3-9806104-3-8
  • Susan Stryker, Stephen Whittle: The Transgender Studies Reader, Routledge (Juni 2006) ISBN 0-415-94708-1
  • Sue Wilkinson & Celia Kitzinger, Heterosexuality: A Feminism & Psychology Reader (S. 150–168). London: Sage. ISBN 0-8039-8823-0
  • Helen Boyd: My Husband Betty: Love, Sex and Life with a Crossdresser, Seal Press (Dezember 2003), ISBN 1-56025-515-3