Organspende

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Organspendeausweis

Organspende bezeichnet das zur Verfügung stellen von Organen zur Transplantation. Die Organspende findet in der Regel kurz vor dem bevorstehenden Tod der Organe, jedoch nach der Feststellung des sogenannten Hirntods statt; unter bestimmten Bedingungen ist auch eine sogenannte Lebendspende möglich. Das Alter der Spender ist weniger relevant als der Zustand der Organe, jedoch wird nur sehr selten jenseits des vollendeten 70. Lebensjahres gespendet[1].

Weltweit herrscht ein erheblicher Mangel an Spenderorganen, so dass sich lange Wartelisten gebildet haben. Die Angaben über die Wartezeiten für eine Spenderniere in Deutschland variieren; sie sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und betrugen Anfang 2005 ca. 6 - 8 Jahre. Viele Patienten auf Herz-, Leber- und Lungenwartelisten versterben, weil nicht rechtzeitig ein Organ zu Verfügung steht. Gründe für die lange Wartezeit sind u.a. der Rückgang an tödlichen Unfällen im Straßenverkehr, aber auch die Zunahme von Erkrankungen, die nur durch eine Transplantation therapiert werden können, insbesondere auch, weil die allgemeine Lebenserwartung gestiegen ist und immer mehr Transplantationen von den Medizinern infolge des technischen Fortschritts als durchführbar angesehen werden. In der Regel stammen Organe für die Transplantation von hirntoten Patienten, d.h. Menschen, deren Kreislauffunktionen nach einer schweren Hirnschädigung noch mit Maschinen aufrechterhalten werden, während das Gehirn bereits keine messbare Funktion mehr hat. Da ein solcher Zustand unumkehrbar und als mit dem Tod des Individuums gleichzusetzen definiert ist sowie zwangsläufig mit dem Abschalten der Maschinen im Herz-Kreislauf-Stillstand endet, können Organe zur Transplantation entnommen werden. Üblicherweise wird der sterbende Spender für die Organentnahme wie bei normalen Operationen in Vollnarkose versetzt; der biologische Tod des Spenders tritt dann durch die Entfernung der Organe ein.

Derzeit können folgende Organe und Gewebe transplantiert werden: Bauchspeicheldrüse, Blutgefäße, Darm, Gehörknöchelchen, Haut, Herz, Herzklappen, Hornhaut der Augen, Knochengewebe, Knorpelgewebe, Leber, Lunge, Niere, Sehnen und Teile der Hirnhaut.

Entwicklung der Warteliste für Nierentransplantationen und Transplantation von Organen toter und lebender Spender (Eurotransplant)

Modelle der Organspende

Im Grundsatz muss unterschieden werden zwischen vier Modellen der Organspende:

Die Widerspruchsregelung (auch Widerspruchslösung) ist dabei die am Weitesten gefasste Regelung. Sie bestimmt, dass ein Verstorbener jederzeit als Spender in Frage kommt, es sei denn, er hat zu Lebzeiten ausdrücklich einer Spende widersprochen.

Die erweiterte Widerspruchsregelung umfasst zusätzlich noch das Recht der Angehörigen, nach dem Tod des potentiellen Spenders widersprechen zu können.

Die Zustimmungslösung ist hingegen eine Regelung, bei welcher der Spender zu Lebzeiten erklärt haben muss, dass er Organspender werden will. Sie ist somit sehr eng gefasst, da eine ausdrückliche Willenserklärung vorliegen muss.

Bei der erweiterten Zustimmungslösung können nach dem Tod des Organspenders auch noch die Angehörigen zustimmen. Diese Regelung erweitert somit die Zustimmungslösung.

Kritik in Deutschland

Die Modelle werden in Deutschland kontrovers diskutiert:

Hierzulande wird das Modell der erweiterten Zustimmungslösung verwendet. Der Nationale Ethikrat verweist darauf, dass lediglich ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung überhaupt von dieser Regelung wisse und somit keinen Spenderausweis ausgefüllt habe. Kommt es zu der Situation, dass der Spender hirntot ist, seine Organe aber transplantiert werden könnten, müssten Ärzte die Angehörigen um eine Erlaubnis noch auf der Intensivstation fragen. Dies werde aus Pietätsgründen häufig nicht gemacht. Aufgrund der bestehenden Situationen sei Deutschland nach wie vor eine Organ-Importnation[2].

Eine generelle Einführung der Widerspruchsregelung wird allerdings auch nicht befürwortet, da es jedem selbst überlassen sei, ob er Organe spenden wolle oder nicht. Die deutsche Regelung sei hierzu im Prinzip ausreichend, man müsse die Menschen nur einmalig im Leben befragen, ob sie Spender werden wollen, beispielsweise bei der Anmeldung bei einer Krankenkasse oder beim Erwerben eines Führerscheins[3].

Nachdem von kirchlicher Seite aus bis in die 1950er Jahre mit Blick auf das Verstümmelungsverbot von Leichnahmen die Organspende abgelehnt wurde, wird heute von allen großen kirchlichen Gemeinschaften in Deutschland die Ansicht vertreten, dass die altruistische, der Nächstenliebe entspringende Entscheidung zur Organspende Vorrang habe vor der körperlichen Integrität des Leichnams. Hingewiesen wird lediglich auf die Notwendigkeit eines angemessenen und würdevollen Umgangs mit dem toten Spender sowie außerdem auf die Autonomie des Spenders und die Freiwilligkeit seiner Spende. Unter anderem aus diesem Grund wird auch das Modell einer Widerspruchsregelung kritisch betrachtet.[4].

Rechtliche Situation

Voraussetzungen für die Verwendung der Organe eines Toten in Deutschland sind seine Zustimmung zu Lebezeiten und der sichere Todesnachweis. Ein Problem besteht darin, dass Organe nur dann transplantiert werden können, wenn sie bis zur Entnahme durchblutet werden, der Spender also noch einen intakten Kreislauf besitzt. Auf der anderen Seite ist es aber nicht erlaubt, ein lebenswichtiges Organ wie das Herz einem Lebenden zu entnehmen. Es muss also vor der Entnahme der Tod des Spenders festgestellt werden. Hierzu wurde das Hirntodkriterium eingeführt.

Das Einverständnis kann z. B. durch einen Organspendeausweis erklärt werden. Im Jahr 2002 hatten sich etwa 17 % der Organspender zu Lebzeiten für eine Spende ausgesprochen[5].

In Deutschland hat sich nach ausführlicher Diskussion die erweiterte Zustimmungslösung etabliert, gesetzlich ausgestaltet im Transplantationsgesetz in der Fassung vom 1. Dezember 1997. Demnach dürfen die Organe eines Toten nur entnommen werden, wenn entweder der Verstorbene sich zu Lebzeiten für eine Organspende ausgesprochen hat oder die nächsten Angehörigen der Organentnahme zustimmen. Auch die Angehörigen sind dabei an den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gebunden.

Einige Befürworter der Organspende, wie die Bundesärztekammer und der Nationale Ethikrat, sprechen sich aus unterschiedlichen Gründen für eine Änderung der gesetzlichen Regelung aus, um den von ihnen als extrem bezeichneten Mangel an Spenderorganen in Deutschland abzuhelfen. So sollen ihrer Meinung nach immer dann Organe entnommen werden können, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat.[6] Diese Widerspruchsregelung ist z. B. in Österreich gültig.

Da sich ein biologisch toter Körper nicht als Spendequelle eignet, kann der Tod durch den als sicheres Todeszeichen definierten, sogenannten Hirntod festgestellt werden. Darunter versteht man den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms[7]. Die Herz- und Kreislauffunktion wird nur noch über künstliche kontrollierte Beatmung aufrechterhalten. Die Todesfeststellung muss nach den aktuellen Richtlinien der Bundesärztekammer getroffen werden, von mindestens zwei Ärzten, die selbst nicht an der Organtransplantation beteiligt sind. Die Organisation des Prozesses obliegt in Deutschland der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), für die Zusammenführung von Spender und Empfänger ist Eurotransplant zuständig (Benelux, Deutschland, Österreich, Slowenien).

Hirntodfeststellung

Ursachen für den irreversiblen Ausfall der Gehirnfunktionen, den Hirntod, sind unter anderem schwere Kopfverletzungen, Hirnblutungen, Schlaganfall, akuter Hydrozephalus oder Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffmangel (Hypoxie), Kreislaufstillstand und Schock. Es muss sicher ausgeschlossen werden, dass nur scheinbar ein Hirntod vorliegt, z. B. durch Vergiftung, neuromuskuläre Blockaden, Unterkühlung, oder endokrines/metabolisches Koma.

Eine Organverwendung verbietet sich meistens, wenn der Spender an einer Blutvergiftung, einem metastasierenden Krebs, Drogenabhängigkeit oder einer Infektion wie Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV litt.

Ein Hirntod kann durch klinische Untersuchung festgestellt werden (Koma + lichtstarre Pupillen + Fehlen aller Hirnstammreflexe + fehlende Reaktion auf Schmerz im Trigeminusbereich + Ausfall der Spontanatmung). Diese Beobachtungen müssen über mindestens 12 Stunden (bei primärem Hirnschaden) bzw. mindestens 72 Stunden bei sekundären Hirnschäden wiederholt nachgewiesen werden. Alternativ sind auch technische Untersuchungen zur Absicherung möglich und üblich: entweder ein Null-Linien-EEG über mindestens 30 Minuten, oder beidseits erloschene evozierte Potenziale, oder der Nachweis der fehlenden Hirndurchblutung mittels Dopplersonographie oder intracranieller Angiographie. Die Bundesärztekammer veröffentlicht Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes [8].

Die Feststellung des Hirntods erfolgt durch mindestens zwei unabhängige Ärzte, die über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen verfügen und nicht dem Transplantationsteam angehören.

Regelungen im übrigen Europa

Landgesetzliche Regelung
Albanien, Kroatien, Ukrainekeine gesetzliche Regelung
Irland, Litauen, Maltakeine gesetzliche Regelung; praktiziert wird die erweiterte Zustimmungslösung
Dänemark, Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Jugoslawien, Niederlande, Rumänien, Schweiz, Türkei, WeißrusslandErweiterte Zustimmungslösung
Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, UngarnWiderspruchslösung
Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Liechtenstein, Norwegen, Russland, Schweden, Zypernerweiterte Widerspruchslösung
Bulgariennur im Notstand zulässig
EstlandKommission entscheidet

Die unterschiedliche Rechtslage kann als der Hauptgrund dafür angesehen werden, dass in Ländern wie Spanien (27 Spender pro Mio. Einwohner und Jahr) und Österreich (24 Spender) mehr Organe „gespendet“ werden als in den Niederlanden (16 Spender) oder Deutschland (13 Spender). Das Schlusslicht in Europa bildet Griechenland (6 Spender/Mio und Jahr)[9].

Lebendspende

Bei der Lebendspende spendet ein noch lebender Mensch einem anderen Menschen das notwendige Organ oder die erforderlichen Zellen. Dies sind entweder paarig oder segmenthaft angelegte Organe oder Organe mit einer hohen Regenerationsfähigkeit. Hierzu zählen beispielsweise die Nieren, die Leber, die Lunge und reproduzierbare Zellen oder Gewebe wie Blut, Knochenmark, Samen oder Eier.

Um Organhandel zu verhindern, gelten in Deutschland folgende gesetzliche Regeln: Das Spenden eines Organs, das sich nicht wieder bilden kann, zu Lebzeiten ist nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Lebenspartnern, Verlobten oder Personen, die dem Spender in persönlicher Verbundenheit nahe stehen, möglich. Der Spender muss volljährig und einwilligungsfähig sein. Er muss über die Art des Eingriffs, den Umfang und die möglichen, auch mittelbaren Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organentnahme für seine eigene Gesundheit sowie über die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organübertragung auf den Empfänger und alle sonstigen Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für seine Organspende beimisst, durch einen Arzt in Anwesenheit eines anderen Arztes aufgeklärt werden. Der anwesende weitere Arzt darf an der Organentnahme nicht beteiligt sein. Der Inhalt der Aufklärung und der Einwilligung des Lebendorganspenders sind zwingend in einer Niederschrift aufzuzeichnen, die von dem aufklärendem Arzt, dem weiteren anwesenden Arzt und dem Spender selbst zu unterzeichnen ist. Diese Niederschrift muss auch Angaben zur versicherungsrechtlichen Absicherung der gesundheitlichen Risiken des Lebendspenders enthalten. Die Einwilligung kann schriftlich oder mündlich jederzeit widerrufen werden, hierüber ist der Lebendspender ebenfalls aufzuklären[10].

Die Entnahme von Organen bei einem Lebenden darf außerdem erst durchgeführt werden, nachdem sich der Organspender und der Organempfänger zur Teilnahme an einer ärztlich empfohlenen Nachbetreuung bereit erklärt haben. Weiter ist Voraussetzung, dass die jeweils nach Landesrecht zuständige Kommission gutachtlich dazu Stellung genommen hat, ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens im Sinne von § 17 TPG ist. Der Kommission muss ein Arzt, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung von Organen beteiligt ist, noch Weisungen eines Arztes untersteht, der an solchen Maßnahmen beteiligt ist, eine Person mit der Befähigung zum Richteramt und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person angehören. Einzelheiten der Zusammensetzung, zum Verfahren und zur Finanzierung der Kommission werden jeweils durch das Landesrecht bestimmt.

Am häufigsten findet hier die Nierentransplantation statt, da dieses Organ im Körper paarweise vorhanden ist und somit der Spender seine Nierenfunktion nicht einbüßt. Ein weiteres Organ, bei dem Lebendspenden eine zunehmende Rolle spielen, ist aufgrund ihrer hohen Regenerationsfähigkeit die Leber.

Statistik

Die Tabelle gibt eine Übersicht über die Organspenden in Deutschland[11].

Organ1996199719981999200020012002200320042005
Niere1902196119921865185119401865208119742190
Herz479507482441370374348339355366
Leber535549581590589608610700779844
Lunge8294129123123135186194221238
Pankreas91112147189202176154176174152
Dünndarm6653
Insgesamt3089322333313208313532333169349635083777

Siehe auch

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. gemäß Alterklassifikation des Berichtes nach § 11 Transplantationsgesetz
  2. Focus Nachrichtenmagazin, Ausgabe 20/07, Seite 44: Tod auf der Warteliste
  3. www.tagesschau.de Ethikrat will Zahl der Organspenden erhöhen
  4. Wilhelm Korff, Lutwin Beck, Paul Mikat (Hg.), Lexikon der Bioethik. Band 2, Gütersloh 2000, 813-815.
  5. Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation
  6. Nationaler Ethikrat: Die Zahl der Organspenden erhöhen - Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland. Stellungsnahme. 24. April 2007. (online, PDF, 165 kB)
  7. § 3 Abs. 2 TPG
  8. Bundesärztekammer: Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes, 3. Fortschreibung 1997 mit Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz (TPG)
  9. Quelle: Transplantationszentrum Tübingen
  10. § 8 I, II TPG
  11. Webseite der Deutschen Stiftung Organtransplantation

Literatur

  • Torsten Junge: Die Okkupation des Fleisches. Konstitutionen des Selbst im Zeitalter der Transplantationsmedizin. Gata-Verlag. Eidorf. ISBN: 3932174844
  • Elke Rampfl-Platte, Aktuelle Rechtsfragen der Organtransplantation, Arzt und Krankenhaus 2004, Heft 5;
  • Elke Rampfl-Platte, Patient-rights and Rationing; in: Rationing in Medicine. Ethical, Legal And Practical Aspects, Band 13 der Buchserie der Europäischen Akademie, "Wissenschaftsethik und Technikfolgenbeurteilung";
  • Erik Hahn, Transplantationsrecht - die Lebendspende und ihre Voraussetzungen im Überblick, in: Drygala/Klesczewski/Francke/Richter (Hrsg.), LJS 2005, Leipzig 2006, S. 61-82. ISSN 1861-2857
  • Gesa Lindemann (2002) Die Grenzen des Sozialen. Zur sozio-technischen Konstruktion von Leben und Tod in der Intensivmedizin, München: Fink
Wiktionary: Organspende – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

kritisch