Urpfarrei

Der Begriff Urpfarrei (auch Altpfarrei, Großpfarrei, Mutterkirche[1] oder Urkirche[2]) bezeichnet die ersten im Zuge der Christianisierung in ländlichen Gegenden geschaffenen kirchlichen Zentren.

Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Historikern eingeführte Begriff Urpfarrei besagt, dass die betreffende Pfarrei zu den ältesten Schichten des Pfarreinetzes der jeweiligen Diözese gehöre. Das Kirchspiel der Urpfarrei war ausgedehnt, sie verfügte über das Tauf- und Sepulturrecht (Begräbnisrecht), ihr Patrozinium deutet ein hohes Alter an, und von ihr wurden jüngere Kirchspiele abgepfarrt (Tochterkirchen, Filialen). Neben der Zeitstellung der Kirchengründung erhält man Hinweise auf Anlass der Gründung und den jeweiligen Kirchengründer.[3]

Geschichte

Die frühe Kirche in Westeuropa war zunächst in den Städten verbreitet, wo Bischöfe die kirchlichen Belange vertraten und sich um Seelsorge und kirchliche Verwaltung kümmerten. Mit der fortschreitenden Christianisierung und dem Vordringen der Mission in die ländlichen Gegenden der in das Frankenreich eingegliederten Gebiete der Alamannen, Thüringer, Bajuwaren und Sachsen wurde auch eine Weiterentwicklung der kirchlichen Organisationsstrukturen erforderlich. Auf die Einrichtung der Bistümer folgte daher bald die Einteilung des umliegenden Landes in Pfarrsprengel, mehr oder weniger selbständige Zentren, die von Priestern im Auftrag des Bischofs geleitet wurden. Seit dem 6. Jahrhundert taucht hierfür der lateinische Begriff für Pfarrei, „parochia“, auf; die moderne Forschung prägte dafür den Begriff Urpfarrei.[4]

Die Bezirke dieser Urpfarreien waren ungefähr mit denen der Zentgerichte oder Gogerichte identisch und umfassten meist ein etwa kreisförmiges Gebiet mit einem Radius von 15 km und mehr. Da dies für die Randbewohner einen Tagesmarsch zum Gottesdienst bedeutete, wurde eine Verkleinerung der Sprengel bald unumgänglich. Von den Urpfarreien ausgehend wurden daher im Laufe der Zeit zunehmend sogenannte Stammkirchen gegründet; deren Gründungszeit um 900 abgeschlossen war. Im weiteren Verlauf wurden dann zahlreiche Tochterkirchen errichtet und damit – sowie durch die Stiftung zahlreicher Eigenkirchen durch Adlige, Grafen, Herzöge und Könige – die seelsorgerische Betreuung der ländlichen Bevölkerung verbessert.

Erst seit dem 12. Jahrhundert im Rahmen des hochmittelalterlichen Landesausbaus in der Germania Slavica wurde es üblich, dass jedes Dorf über eine eigene Kirche (zunächst aus Holz, später aus Stein) verfügte.

Literatur

  • Hermann Lauer: Urmarken und Pfarrorganisation. In: ders.: Kirchengeschichte der Baar und des einst zur Landgrafschaft Baar gehörenden Schwarzwaldes. 2. Auflage. Donaueschingen 1928, S. 43–50.
  • Eugen Haberkern, Joseph Friedrich Wallach: Urpfarrei. In: dies.: Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit. Zweiter Teil: L–Z (= Uni-Taschenbücher, Bd. 120). 7. Auflage. Tübingen 1987 (ISBN 3-7720-1293-0), S. 632.
  • Wolfgang Petke: Urpfarrei und Pfarreinetz, über zwei Begriffe der Pfarreiforschung. In: Stefan Pätzold (u. a.): Pro cura animarum. Mittelalterliche Pfarreien und Pfarrkirchen an Rhein und Ruhr. Siegburg 2016, S. 27–44.

Einzelnachweise

  1. Eugen Haberkern, Joseph Friedrich Wallach: Urpfarrei. In: dies.: Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit. Zweiter Teil: L–Z (= Uni-Taschenbücher, Bd. 120). 7. Auflage. Tübingen 1987, S. 632.
  2. Hermann Lauer: Urmarken und Pfarrorganisation. In: ders.: Kirchengeschichte der Baar und des einst zur Landgrafschaft Baar gehörenden Schwarzwaldes. 2. Auflage. Donaueschingen 1928, S. 43–50.
  3. Stefan Pätzold: Missionskapelle, Urpfarrei oder königliche Eigenkirche. In: Nathalie Kruppa (Hrsg.): Pfarreien im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525358924, S. 170 (Definition nach Wolfgang Petke).
  4. http://www.christen-am-rhein.de/erzbistum/archiv/christenamrhein/glaube/h_pfarreien.html