Sportplatz Kynaststraße

Sportplatz Kynaststraße
Sportplatz am Bahnhof Ostkreuz
Daten
OrtDeutschland Berlin, Deutschland
Koordinaten52° 30′ 4,5″ N, 13° 28′ 13,3″ OKoordinaten: 52° 30′ 4,5″ N, 13° 28′ 13,3″ O
Eröffnung1923
Renovierungen1953, 1979
Abriss2013
OberflächeNaturrasen
Kapazität1000 Plätze
Heimspielbetrieb
Lage
Sportplatz Kynaststraße (Berlin)
Sportplatz Kynaststraße (Berlin)

Der Sportplatz Kynaststraße, auch Sportplatz am Bahnhof Ostkreuz, war ein Fußballplatz im Berliner Bezirk Lichtenberg, der sich zwischen dem Bahnhof Ostkreuz und der Rummelsburger Bucht befand. Er wurde 1923 angelegt und ab 1966 durch den SV Sparta Lichtenberg betrieben. 2013 wurde er schlussendlich aufgegeben. Die genaue Adresse lautete Kynaststraße 25 (heute An der Mole).

Besondere Bedeutung erlangte der Sportplatz als Stätte des Arbeitersports.

Vorgeschichte

Boxhagen-Rummelsburg 1907. Am Nordwest-Ufer des Rummelsburger Sees lag die Eisfabrik von Carl Bolle.

Vor der Bebauung als Sportplatz befand sich auf dem Gelände an der Kynaststraße eine Eisfabrik.[1] Ab 1863 begann der Unternehmer Carl Bolle in der Rummelsburger Bucht mit der Gewinnung von Eis, das im Winter als Natureis abgebrochen und dort eingelagert wurde. Bereits 1868 wurde von 18 Eisschuppen berichtet, in denen mittels Dampfmaschinen Eis geschnitten wurde und die jeweils 30.000 Zentner Eis einlagern konnten. Im Jahr 1872 erfolgte die Gründung der Norddeutschen Eiswerke AG durch Carl Bolle. 1886 vermeldete das Teltower Kreisblatt, dass in dem Rummelsburger Eiswerk täglich etwa 150 Transportwagen mit 6000 Zentnern Eis für die Versorgung Berlins beladen wurden.[2] Bis zur Jahrhundertwende waren die Hallen des Eiswerks wiederholt von Bränden betroffen. 1887 wurde gar die Explosion einer Ammoniakbombe gemeldet. In den nächsten Jahren kooperierten die Norddeutschen Eiswerke mit der Kälte- und Eismaschinen Linde AG bei der Entwicklung von Kühlhäusern und engagierten zeitweise u. a. Rudolf Diesel.

Durch den Ersten Weltkrieg kam es ab 1914 zu Arbeitskräftemangel und die Betriebe wurden stillgelegt. 1919 wurde das Grundstück in Rummelsburg vom Reichs-Militärfiskus aufgrund des Kriegsleistungsgesetzes beschlagnahmt. Die Eisschuppen waren unter Schneelast zusammengebrochen. 1921 erfolgte der Verkauf.

Geschichte des Sportplatzes

Anlage in den 1920er Jahren bis Kriegsende

Als der Gemeinde-Sportplatz an der Hirschberger Straße (Lage) dem neuen Hauptwerk der Knorr-Bremse GmbH weichen musste, wurde 1923 der Sportplatz an der Kynaststraße angelegt. Da die Mitglieder der Freien Turnerschaft Lichtenberg zur Zeit der Hyperinflation einen Großteil der Bauarbeiten am Sportplatz übernahmen, wurde den Sportlern durch das Sportamt weitestgehende Freiheit zur Nutzung des Platzes eingeräumt.[3]

Am 24. August 1924 wurde schließlich mit einem Eröffnungsspiel zwischen Arbeiter-Auswahlmannschaften (ATSB) von Berlin und Hamburg die Tribüne des Sportplatzes eingeweiht. Das Spiel endete vor 3500 Zuschauern mit 1:1. Die kleine Tribüne stand an der nördlichen Längsseite des Platzes und bot neben den Umkleidekabinen im Untergeschoss auch zwei bis drei Sitzreihen im Obergeschoss. Der Platz hatte zunächst nur eine einfache Lehmdecke und wurde erst später mit einer Grasnarbe versehen. Hauptnutzer war zunächst die Freie Turnerschaft, später wurden es der SV Stralau 1910 und ab 1966 dann Sparta 1911 Lichtenberg.

Am zweiten Septemberwochenende 1925 sollte erneut ein Auswahl-Spiel der Märkischen Spiel-Vereinigung stattfinden, doch der ATSB-Bundesvorstand untersagte den Berlinern gegen eine Auswahl aus Charkow anzutreten. Stattdessen trat eine Mannschaft der Internationalen Arbeiter-Hilfe an und die Einnahmen sollten der Kommunistischen Bewegung Chinas gespendet werden. Etwa 6000 Zuschauer auf dem Sportplatz und viele weitere Tausend auf Zäunen, Mauern, der Böschung und auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Stralau-Rummelsburg sahen am 12. September 1925 ein 4:1 der Gäste aus Charkow. Am nächsten Tag fand im Stadion Lichtenberg dennoch eine Begegnung der Auswahlmannschaften von Berlin und Charkow statt, dass die Gäste abermals vor 4500 Zuschauern mit 3:0 gewannen.

Ein weiteres sogenanntes Russenspiel fand am 25. Januar 1926 statt. Mit Glatteis, Matsch und Pfützen bot der Platz sehr schlechte Bedingungen. In einer hart geführten Begegnung besiegte die Moskauer Auswahl ihre Berliner Genossen mit 7:0. Die Heimmannschaft setzte sich aus Spielern zehn verschiedener Vereine zusammen und hatte in dieser Konstellation bis dahin noch nie zusammengespielt. Unter den 6500 Zuschauern befanden sich auch der ATSB-Bundesturnwart Richard Koppisch und der ATSB-Vorsitzende Cornelius Geliert.

Ab 1931 kam mit dem Berolina-LSC ein weiterer Verein hinzu, der aus dem Lichtenberger SC 01 und dem SC Berolina 01 entstanden war und bis in die Verbandsliga aufstieg. Im Sommer 1935 verkündete der Völkische Beobachter, dass ähnlich dem Reichssportfeld im Westen Berlins auf dem Sportplatz Kynaststraße „mit dem Bau eines Sportfeldes begonnen worden ist.“[4] Das wichtigste Spiel in der Zeit des Nationalsozialismus fand an der Kynaststraße am 22. September 1935 statt, als der Zweitligist Berolina-LSC in der 2. Runde des Tschammerpokals mit 3:2 gegen Vorwärts-Rasensport Gleiwitz gewann – 4000 Zuschauer sahen die Begegnung. Im Rahmen seiner Trainerausbildung machte außerdem Sepp Herberger ein Praktikum bei Berolina und hielt noch bis ins hohe Alter den Kontakt zum Verein.

Mussten die Sportler des in der Nähe spielenden SC Sparta Lichtenberg, der 1931 und 1932 bei der kommunistischen Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit mitspielte, zur Tarnung den SC Empor Lichtenberg neugründen, kam der SV Stralau 1910 dem Vereinsverbot davon. Die Stralauer waren bis 1933 ebenso Mitglied der KPD-nahen Märkischen Spiel-Vereinigung, überlebten das Verbot der Arbeitersportbewegung allerdings. Ab 1943 bildete Stralau mit Berolina eine Kriegssportgemeinschaft, die als Berolina Stralau bis heute Bestand hat.

Nach 1945

Vermutlich konnte durch Kriegs­schäden nach 1945 für einige Jahre kein Spielbetrieb an der Kynaststraße stattfinden. Obwohl Karten den Sportplatz ausweisen[5], sprechen sowohl Berliner Verwaltung als auch Sportpresse von der Errichtung des Sportplatzes im Jahr 1953.[6][7] In den ersten Nachkriegsjahren nutzte zunächst vor allem Berolina Stralau den Platz. Sparta Lichtenberg spielte auf dem Schlackeplatz an der Hauffstraße und teilte sich gelegentlich das Hans-Zoschke-Stadion mit Lichtenberg 47. Erst 1966 siedelte Sparta zur Kynaststraße über, während Berolina zum Lasker-Sportplatz umzog. Daraufhin wurde der Sportplatz an der Kynaststraße peu à peu saniert. Die Neue Fußballwoche sprach 1979 davon, dass die Sparta-Mitglieder im Laufe der Jahre 30.000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet hätten.

Sportliche Höhepunkte stellten in dieser Zeit ein Spiel von Berolina Stralau gegen den ASK Vorwärts Berlin zum 60. Vereinsjubiläum dar. Die Begegnung, die mit dem 13. August 1961 am Tag des Mauerbaus stattfand, endete vor nur 1000 Zuschauern mit 3:0 für den amtierenden DDR-Meister.

Im Jahr 1977 wurde es mit einem Trainingsaufenthalt der Schottischen Nationalmannschaft, die sich hier auf ein Länderspiel gegen die DDR vorbereitete, international. Die Schotten verloren später im Stadion der Weltjugend mit 0:1.

Von 1974 bis 1991 diente der Sportplatz an der Kynaststraße außerdem fast durchgehend als Austragungsort des Finales um den FDGB-Bezirkspokal von Ost-Berlin. Einzig 1977 wurde in das Stadion an der Zachertstraße ausgewichen, da mit Sparta Lichtenberg die Hausherren selbst im Finale standen.

Nach der politischen Wende spielte Sparta Lichtenberg zeitweise in der Verbandsliga Berlin auf dem Platz an der Kynaststraße. Nach der Jahrtausendwende sollte der Sportplatz schließlich dem Neubau des Bahnhofs Ostkreuz weichen. Aus diesem Grund wurde ersatzweise der Sportplatz an der Fischerstraße geschaffen, zu dem Sparta 2007 umzog. Nachdem die Pläne geändert wurden, lag der Platz dennoch brach und wurde zwischenzeitlich von Türkiyemspor Berlin für den Trainingsbetrieb genutzt. Im Jahr 2013 wurde schlussendlich der „Sportplatz Kynaststraße 25 […] zugunsten einer städtebaulichen Neuordnung“ aufgegeben.[8]

Nachnutzung

Das Gelände des Sportplatzes lag nun einige Zeit brach. Verschiedentlich nutzten Zirkusse den Platz als Winterquartier und später siedelte sich hier der Spiegelpalast PALAZZO, ein auf Dinner-Shows spezialisierter Event-Dienstleister, an.[9]

Anschließend entstand Ende der 2010er Jahre auf dem ehemaligen Sportplatz ein großes Obdachlosencamp aus Zelten und selbstgebauten Hütten, in dem bis zu 160 Personen lebten.[10][11] Dieses wurde im Februar 2021 trotz Protesten geräumt und die Bewohner vorübergehend in Hotels untergebracht.

Zukünftig soll auf dem Gelände die Coral World Berlin entstehen, zu der auch ein öffentlicher Park gehören wird. Der Beschluss des Bebauungsplans durch die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung erfolgte 2019.[12] Eine anhängige Klage der Initiative Bucht für alle und der Naturfreunde Berlin gegen den Bebauungsplan wurde vom Oberverwaltungsgericht im Februar 2022 abgewiesen. Die Initiative hatte außerdem 40.000 Unterschriften gegen die geplante Bebauung gesammelt. Im März 2022 wurde bekannt, dass die Coral World entgegen vorheriger Äußerungen als ein Hotelkomplex mit Meeresmuseum realisiert werden soll.[13] Für das Meeresmuseum werden von der CWB Coral World Berlin GmbH Investitionskosten in Höhe von 96,3 Millionen Euro veranschlagt, von denen erfolglos 7,3 Millionen Euro als Fördermittel aus dem Programm Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) beantragt wurden.[14] Die Fertigstellung der Coral World soll 2025 geschehen.[15]

Statistik

Vereinswettbewerbe bis 1945

1925

Kreismeisterschaft der Märkischen Spiel-Vereinigung

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
15. März 1925VorrundeSV Stralau 1910Fortuna Tangermünde4:1 (1:0)1500
5. Apr. 1925FinaleSV Stralau 1910BFC Teutonia4:1 (0:0)4000

Ostdeutsche Meisterschaft des ATSB

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
26. Apr. 1925VorrundeSV Stralau 1910TV Eichenkranz Eulo6:2 (0:2)2000
17. Mai 1925FinaleSV Stralau 1910FT Ponarth Königsberg1:0 (1:0)2500

1926

Kreismeisterschaft der Märkischen Spiel-Vereinigung

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
1. August 1926Dreier RundeSV Stralau 1910Luckenwalder Turnerschaft1:3 (1:2)k. A.

1929

Kreismeisterschaft der Märkischen Spiel-Vereinigung

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
21. April 1929Dreier RundeSC Sparta 1911 LichtenbergFT Neukölln-Britz4:4 (1:3)1000

Ostdeutsche Meisterschaft des ATSB

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
28. April 1929FinaleFT DöbernLuckenwalder Turnerschaft4:2 (1:2)1000

1931

Meisterschaft der Märkischen Spiel-Vereinigung

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
17. Mai 1931Dreier RundeSC Sparta 1911 LichtenbergNeuköllner BC7:1 (2:1)3000

1932

Spielvereinigung des 1. Kreises im ATSB

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
14. Februar 1932FinaleFSV Eintracht Reinickendorf-WestPankower SC Adler 085:32000

1935

Tschammerpokal

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
22. September 19352. RundeBerolina-LSCVorwärts-Rasensport Gleiwitz3:24000

Auswahlmannschaften des Arbeitersports

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
24. August 1924BerlinHamburg1:1 (1:0)3500
26. Oktober 1924BerlinDresden1:1 (1:0)4000
20. Juli 1925BerlinFürth3:1 (1:1)1000
12. September 1925BerlinCharkow1:4 (1:1)15.000[16]
25. Januar 1926BerlinMoskau0:7 (0:4)6500
5. November 1928BerlinLuckenwalde4:1 (0:0)500
30. November 1929BerlinLuckenwalde0:5 (0:1)1000
6. April 1930BerlinLeipzig3:3 (0:3)6000
6. Juni 1930BerlinKönigsberg5:0 (4:0)4000
27. September 1931BerlinStettin8:1 (2:1)2000

Finalspiele um den FDGB-Bezirkspokal Ost-Berlins

Ab 1974 fanden jährlich, mit Ausnahme 1977, die Finalspiele des Ost-Berliner FDGB-Pokals an der Kynaststraße statt.

DatumRundeHeimGastErgebnisZuschauer
15. Juni 19741. FC Union Berlin IISG Berolina Stralau4:01000
8. Juni 1975SG HohenschönhausenBSG Luftfahrt Berlin4:10 700
29. Mai 1976BSG NARVA BerlinBSG Bergmann-Borsig Berlin4:00 800
3. Juni 1978BSG NARVA BerlinSG Hohenschönhausen4:20 800
9. Juni 1979BSG Bergmann-Borsig Berlin IIBSG Luftfahrt Berlin1:1 n. V., 7:6 i. E.0 500
31. Mai 1980BSG EAB 47 BerlinBSG Berliner Verkehrsbetriebe5:01000
30. Mai 1981BSG Rotation BerlinBSG EAB 47 Berlin4:4 n. V., 3:1 i. E.1000
4. Juni 1982BSG Rotation BerlinBSG Berliner Verkehrsbetriebe4:10 500
11. Juni 1983BSG EAB 47 BerlinBSG Einheit Pankow3:2 n. V.1200
22. Mai 1984BFC Dynamo IIBSG Berliner Verkehrsbetriebe6:00 500
24. Mai 19851. FC Union Berlin IISG Hohenschönhausen4:20 500
23. Mai 1986BSG Kabelwerk Oberspree BerlinBSG Rotation Berlin II2:0 n. V.1000
29. Mai 1987BSG Kabelwerk Oberspree BerlinBSG Bergmann-Borsig Berlin2:10 800
27. Mai 1988BSG Bergmann-Borsig BerlinBSG Empor HO Berlin3:20 800
3. Juni 1989BSG Bergmann-Borsig BerlinBSG Tiefbau Berlin2:1 n. V.0 700
30. Mai 1990BSG Tiefbau BerlinBSG Motor Köpenick2:10 500
1. Mai 1991SV Blau-Gelb BerlinSV Empor Berlin2:00 250

Literatur

  • Christian Wolter: Rasen der Leidenschaft. Die Fußballplätze von Berlin. Geschichte und Geschichten. Edition Else, Berlin 2011, ISBN 978-3-00-036563-8, S. 131–132.
  • Christian Wolter: Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg 1910–1933. Arete Verlag, Hildesheim 2015, ISBN 978-3-942468-49-7.

Einzelnachweise