Mystisches Testament

Mystisches Testament war ein Testament nach gemeinem Recht,[1] das den Namen der Erben, des Erbteils etc. nicht selbst enthielt, sondern insoweit auf ein anderes Schriftstück verwies. Das preußischem Allgemeinem Landrecht (I, 12, §§ 47 f.) verstand darunter ein Testament, das auf eine ihm beigelegte besondere Urkunde verwies. Nach französisch-rheinischem Recht (noch heute Art. 976 Code civil) war ein mystisches Testament ein Testament, das einem Notar verschlossen übergeben wurde.[2] Ein mystisches Testament war damit unklar und nicht ohne weiteres aus sich selbst heraus verständlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Erbeinsetzung unwirksam, wenn die Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch Bezugnahme auf eine nicht die Testamentsform wahrende Anlage individualisierbar bestimmt werden können.[3][4][5] Zwar könnten, wenn der Wortlaut eines Testaments mehrere Deutungen zulasse, zur Klärung des innerhalb des Wortlauts liegenden Auslegungsspielraums auch außerhalb des Testaments liegende Umstände herangezogen werden, wozu auch nicht der Testamentsform genügende Schriftstücke zu zählen seien.[6] Wenn der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament aber auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck komme, sei der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers unbeachtlich. Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet werde, ermangele der gesetzlich vorgeschriebenen Form und sei daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Literatur

  • Karlheinz Muscheler: Das mystische Testament im römischen, deutschen und angelsächsischen Recht. Hereditare – Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht 13 (2023), S. 173–251.
Wiktionary: mysthisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. z. B. Digesten 28, 7, 10; 28, 5, 78; 35, 1, 38, hier überall nur die Sache, nicht der Name
  2. Mystisches Testament. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 348. zeno.org, abgerufen am 5. Juli 2024.
  3. BGH, Beschluss vom 10. November 2021 – IV ZB 30/20
  4. „Testamentum mysticum“ wegen unzulässiger Bezugnahme auf Anlage unwirksam. beck-aktuell, 5. Januar 202.
  5. Stefan Lorenz: Form des eigenhändigen (gemeinschaftlichen) Testaments gem. §§ 2247, 2267 BGB; Formnichtigkeit bei Verweis auf nicht der Form entsprechendes Dokument (Verbot des „testamentum mysticum“); Abgrenzung zur Auslegung („Andeutungstheorie“). BGH, Beschluss vom 10. November 2021 - IV ZB 30/20 - OLG Frankfurt am Main. Abgerufen am 5. Juli 2024.
  6. vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. § 2084 BGB Rn. 30 f.