Geschichte der Mathematik

Die Geschichte der Mathematik reicht zurück bis ins Altertum.

Mathematik der Ägypter und Babylonier

Ägypten

Die wichtigsten erhaltenen Quellen, die uns Auskunft über die mathematischen Fähigkeiten der Ägypter geben, sind der Papyrus Rhind, der Papyrus Moskau und die so genannte Lederrolle. Die Ägypter verwendeten die Mathematik hauptsächlich für praktische Aufgaben wie die Lohnberechnung, die Berechnung von Getreidemengen zum Brotbacken oder Flächenberechnungen. Sie kannten die vier Grundrechenarten durch Rückführung auf Addition, Stammbrüche und das Lösen von Gleichungen mit einer Variablen. In der Geometrie waren ihnen die Berechnung der Flächen von Dreiecken, Rechtecken und Trapezen, (16/9)² als Näherung der Kreiszahl π (pi) und die Berechnung des Volumens eines quadratischen Pyramidenstumpfs durch V=(a²+a*b+b²)*(h/3) bekannt. Sie besaßen allerdings keine Mathematik im eigentlichen Sinn, die eine strikte Beweisführung vorschreibt.

Babylon

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Babylonische Rechentafel aus Uruk (300 v.u.Z.)

Die Babylonier verwendeten ein Sexagesimal-Stellenwertsystem (60er System) für die Darstellung von Zahlen.

Sie benutzten Addition, Subtraktion und Multiplikation ähnlich wie heute, und führten die Division auf Multiplikation mit dem Kehrwert zurück.

Neben der Erfindung eines Algorithmus für die Berechnung von Quadratwurzeln legten sie Zahlentabellen (z.B. für Quadrate, Kuben, Quadratwurzeln, Kubikwurzeln und Logarithmen) an. Sie berechneten Zwischenwerte durch lineare Interpolation und konnten einfache Gleichungssysteme lösen. Als Näherung für π benutzten die Babylonier 3+1/8.

Auch sie führten keine Beweise, besaßen aber größere Kenntnisse als die Ägypter.

Mathematik der klassischen Antike

Die Mathematik der klassischen Antike teilt sich in vier große Perioden:

Die Geschichte der Mathematik als Wissenschaft beginnt mit Pythagoras. Sein programmatischer Ausspruch in dieser Hinsicht war "Alles ist Zahl". Das kann so interpretiert werden, dass die ganze Wirklichkeit mit mathematischen Formeln beschrieben werden kann. Er gründete eine eigene sektenähnliche Vereinigung, deren Mitglieder nach strengen Regeln lebten und sich der Mathematik widmeten. Mit Pythagoras hält auch die Methodik des Beweisens Einzug in die Mathematik. Die wichtigsten Erkenntnisse der Pythagoräer waren u.a. der Satz des Pythagoras und der Beweis der Irrationalität von . Letztere war von besonderer Brisanz und wurde geheimgehalten, da die Griechen keine irrationalen Zahlen kannten und diese Aussage damit dem pythagoräischen Grundsatz, "alles ist Zahl ", aus damaliger Sicht widersprach. Bei den Athenern stand die Mathematik hoch im Kurs, auch wenn es keine Beiträge von Platon gab, so war seine Ideenlehre sehr einflussreich für die Philosophie der Mathematik. Platons Ideenhimmel passte sehr gut zu den abstrakten Objekten der Mathematik. Aristoteles formulierte die Grundlagen der Aussagenlogik. Eudoxos von Knidos schuf mit der Exhaustionsmethode zum ersten Mal eine rudimentäre Form der Infinitesimalrechnung. Wegen des Fehlens von reellen Zahlen und Grenzwert war diese Methode allerdings recht unhandlich. Archimedes erweiterte dies und berechnete damit unter anderem eine Näherung für die Kreiszahl Pi.

Euklid schrieb das erste Lehrbuch der Mathematik. In seinen "Elementen" fasste er einen Großteil der damals bekannten Mathematik (Geometrie und Zahlentheorie) zusammen. Unter anderem wird darin bewiesen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Dieses Werk gilt als Musterbeispiel für die axiomatische Methode und folgerichtiges Beweisen: Aus wenigen Axiomen werden alle Ergebnisse streng hergeleitet. Euklids "Elemente" wird auch noch heute nach über 2000 Jahren als Lehrbuch verwendet.

Im Unterschied zu Griechenland spielte im antiken Rom die Mathematik kaum eine Rolle und galt als minder bedeutend. Auch die Mathematiker der Spätzeit waren ausschließlich von den Griechen beeinflusst.

Chinesische und indische Mathematik

China

siehe auch: Chinesische Mathematik

Das erste noch erhaltene Lehrbuch chinesischer Mathematik ist "Chou Pei Suan Sing". Es entstand zwischen 1200 v. Chr. und 100 v. Chr. und enthält einen Dialog zwischen einem Prinzen und einem Minister über den Kalender. Fast genauso alt ist "Chiu Chang Suan Shu" ("Neun Kapitel über mathematische Kunst"), welches 246 Aufgaben über verschiedene Bereiche enthält.

Dezimalzahlen wurden mit "Bambusziffern" geschrieben; um 300 n. Chr. errechnete Liu Hui über ein 3072-Eck die Zahl 3,14159 als Näherung für π.

Den Höhepunkt erreichte die chinesische Mathematik im 13. Jahrhundert. Der bedeutendste Mathematiker dieser Zeit war Chu Shi-Kie mit seinem Lehrbuch "Szu-yuem Yü-kien" ("Kostbarer Spiegel der vier Elemente"), das algebraische Gleichungssysteme und algebraische Gleichungen vierzehnten Grades behandelte und diese durch eine Art Hornerverfahren löste. Nach dieser Periode kam es zu einem jähen Abbruch der Mathematik in China. Um 1600 griffen Japaner die Kenntnisse auf. Ihr bedeutendster Mathematiker war Seki Kowa (um 1700). Mathematik wird als geheime Tempelwissenschaft betrieben.

Indien

Aryabhata

Datierungen sind, dem bekannten Bonmot des Indologen W. D. Whitney zufolge, in der gesamten indischen Geschichte außerordentlich problematisch.

Die ältesten Andeutungen über geometrische Regeln zum Opferaltarbau finden sich bereits im Rig Veda. Doch erst in deutlich späterer Zeit, wohl erst nach der Zeitenwende, entstanden (d.h. wurden kanonisiert) die "Sulvasutras" ("Seilregeln", geometrische Methoden zur Konstruktion von Opferaltären) und weitere Lehrtexte wie beispielsweise die Silpa Sastras (Regeln zum Tempelbau) u.s.w. Möglicherweise halbwegs verlässlich datiert auf etwa um 500 n. Chr. das Aryabhatiya und verschiedene weitere "Siddhantas" ("Systeme", hauptsächlich astronomische Aufgaben).

Doch waren es jedenfalls die Inder, die das uns vertraute dezimale Positionssystem, d.h. die Polynomschreibweise zur Basis 10 sowie dazugehörende Rechenregeln entwickelten. Schriftliches Multiplizieren etwa in babylonischer, ägyptischer oder römischer Zahlnotation ist außerordentich kompliziert und arbeitet mittels Substitution; d.h. mit vielen auf die Notation bezogenen Zerlegungs- und Zusammenfassungsregeln, während sich in indischen Texten viele "elegante" und einfache Verfahren beispielsweise auch schon zum schriftlichen Wurzelziehen finden.

Unsere Zahlzeichen (Arabische Ziffern) für die Dezimalziffern leiten sich direkt aus der indischen Devanagari ab. Die früheste Verwendung der Ziffer 0 wird vorsichtig auf etwa 400 n. Chr. datiert; Aryabhata und Brahmagupta verwenden sie jedenfalls bereits ohne Scheu.

Bezüglich der Benennung der Zahlzeichen herrscht etwas Konfusion: Die Araber nennen diese (adoptierten Devanagari-) Ziffern indische Zahlen, wir Europäer auf Grundlage der mittelalterlichen Rezeptionsgeschichte arabische Zahlen und die Japaner aus analogem Grund Romaji, d.h. lateinische oder römische Zeichen (zusammen mit dem lat. Alphabet). Doch unter 'römischen Zahlen' verstehen Europäer wiederum etwas ganz anderes...

Mit der Ausbreitung des Islams nach Osten übernimmt um etwa 1000 bis spätestens 1200 n. Chr. die arabische Welt viele der indischen Erkenntnisse, arabische Wissenschaftler übersetzen indische Werke ins Arabische, die über diesen Weg auch nach Europa gelangen. Ein Buch von Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi wird im 12. Jahrhundert in Spanien ins Lateinische übersetzt; erste Verwendung der "figurae Indorum" von italienischen Kaufleuten; um 1500 bekannt in Deutschland.

Andere bedeutenden Mathematiker: Brahmagupta (um 600), Bhaskara (um 1150, Buch "Lilavati"); ab 1200 n. Chr. Niedergang;

Mathematik im islamischen Mittelalter

In der islamischen Welt bildete für die Mathematik die Hauptstadt Bagdad das Zentrum der Wissenschaft. Die muslimischen Mathematiker übernahmen die indische Positionsarithmetik und den Sinus und entwickelten die griechische und indische Trigonometrie weiter, ergänzten die griechische Geometrie und übersetzten und kommentierten die mathematischen Werke der Griechen. Die bedeutendste mathematische Leistung der Muslime ist die Begründung der heutigen Algebra.

Diese Kenntnisse gelangten über Spanien und den italienischen Seehandel nach Europa, dort (z.B. in Toledo -> "Übersetzungsschule von Toledo") wurden viele der arabischen Schriften ins Lateinische übertragen;

Mathematik der Maya

Die einzige schriftliche Überlieferung der Mathematik der Maya stammt aus dem Dresdener Kodex. Das Zahlensystem der Mayas beruht auf der Basis 20. Als Grund dafür wird vermutet, dass die Vorfahren der Mayas mit Fingern und Zehen zählten. Die Mayas kannten die Zahl 0, aber verwendeten keine Brüche. Für die Darstellung von Zahlen verwendeten sie Punkte, Striche und Kreise, die für die Ziffern 1, 5 und 0 standen. Die Mathematik der Mayas war hochentwickelt, vergleichbar mit den Hochkulturen im Orient. Sie verwendeten sie zur Kalenderberechnung und für die Astronomie. Der Maya-Kalender war der genaueste seiner Zeit.

Mathematik in Europa

Mathematik im Mittelalter

Das Mittelalter als Epoche der europäischen Geschichte begann etwa mit dem Ende des römischen Reiches und dauerte bis zur Renaissance. Die Geschichte dieser Zeit war bestimmt durch die Völkerwanderung und durch den Aufstieg des Christentums in Westeuropa. Der Niedergang des römischen Reiches führte zu einem Vakuum, das in Westeuropa erst durch den Aufstieg des Frankenreiches kompensiert wurde. Im Zuge der Gestaltung einer neuen politischen Ordnung durch die Franken kam es zu der sogenannten karolingischen Renaissance. Das Wissen des Altertums wurde zunächst in Klöstern bewahrt. Klosterschulen wurden im späteren Mittelalter von Universitäten als Zentren der Gelehrsamkeit abgelöst, das hing auch damit zusammen, dass im frühen Mittelalter die Menschen sich aufgrund ihres Glaubens sehr stark mit der Vorbereitung auf das jenseitige Leben beschäftigten und dieses sich erst im späteren Mittelalter änderte. Eine wichtige Bereicherung der westeuropäischen Kultur erfolgte durch die Überlieferung vieler antiker Schriften über den Umweg der arabischen Kultur. Die Kontakte zu arabischen Gelehrten und deren Schriften ergaben sich einerseits als Folge der Kreuzzüge in den vorderen Orient und andererseits durch die Kontakte mit den Arabern in Spanien und Sizilien.

Aufstieg der Klosterschulen

Boëthius (Mittelalterliche Illustration)

An der Grenze zwischen dem römischen Reich und dem beginnenden Neuen steht Boëthius (ca. 480–524). Seine Texte über Arithmetik und Geometrie waren lange Zeit die wichtigsten Quellen für die Ausbildung in den Klöstern des beginnenden Mittelalters. Im Jahre 781 berief Karl der Große den Gelehrten Alkuin von York (735–804) zum Leiter seiner Hofschule, der das Bildungswesen des Frankenreiches aufbauen sollte. Man nannte ihn auch den Lehrer der West-Franken. In den karolingischen Schulen wurden das Fingerrechnen, Rechnungen für Haus und Wirtschaft auf dem Rechenbrett und das Zahlenrechnen gelehrt. Im östlichen Frankenreich begründete ein Schüler Alkuins das Schulwesen, der aus Mainz stammende Rabanus Maurus. Dies war der Anfang der Mathematik in Deutschland. Besonderen Wert legte Rabanus Maurus auf das Quadrivium; im Einzelnen wurden gelehrt

  • Arithmetik: Abacusrechnen, pythagoreische Arithmologie
  • Geometrie: Vermessung, Erd- und Naturkunde
  • Astronomie: Osterrechnung, s.a. Komputistik
  • Harmonik: Musiklehre

Berechnung des Ostertermines

Die Berechnung des Termines für das Osterfest, das wichtigste Fest des Christentums, hat im Mittelalter eine große Rolle für die Weiterentwicklung der Mathematik gespielt. Karl der Große verfügte, dass sich in jedem Kloster ein Mönch mit der Komputistik befasste. Dadurch sollte das Wissen um die Berechnung des Osterdatums sichergestellt werden. Die genaue Berechnung des Termines und die Entwicklung des modernen Kalenders wurde durch diese Mönche weiterentwickelt, dabei sind zu nennen Dionysius Exiguus (ca. 470 bis ca. 540) und Beda Venerabilis (ca. 673–735).

Universitäten

Die Klosterschulen waren im Mittelalter die Vorläufer der später gegründeten Universitäten. Die Klöster waren zunächst die Bewahrer der antiken Kultur. So wurden über die Jahrhunderte hinweg stets die antiken Schriften kopiert und für die Nachwelt erhalten. Die weitere Interpretation und Auslegung der antiken Schriften war lange Zeit die einzige Form der Auseinandersetzung mit den Themen der Mathematik. Erst im Laufe des Mittelalters entwickelte sich die Methode der Scholastik. Ausgehend von den Ansichten von (Kirchen-)Autoritäten werden die Standpunkte herausgearbeitet und mit Hilfe der Logik auf Widersprüche überprüft.

Diese Methode wird ab dem 12. Jahrhundert auf die Darstellungen der antiken Wissenschaft angewendet, insbesondere die des Aristoteles. Im 14. Jahrhundert werden die Universitäten Paris und Oxford zum europäischen Zentrum der wissenschaftlichen Aktivitäten. Robert Grosseteste (1168–1253) und sein Schüler Roger Bacon (1214–1292) entwerfen ein neues Wissenschaftsparadigma. Nicht die Berufung auf kirchliche oder antike Autoriäten sondern das Experiment soll die Bewertung der Korrektheit maßgeblich bestimmen. Roger Bacon wurde von Papst Klemens IV. im Jahre 1266 aufgefordert, ihm seine Ansichten und Vorschläge zur Behebung der Mißstände in der Wissenschaft mitzuteilen. Bacon verfasste als Antwort mehrere Bücher, darunter sein Opus Maius. Bacon weist auf die Bedeutung der Mathematik als Schlüssel zur Wissenschaft hin; er befasste sich insbesondere mit der Geometrie angewendet auf die Optik. Unglücklicherweise starb der Papst bevor ihn das Buch erreichte. Ein weiterer wichtiger Beitrag Bacons betrifft die Kalenderreform, die er einforderte, die allerdings dann erst im Jahre 1582 als Gregorianische Kalenderreform durchgeführt wurde.

Eine wichtige methodische Entwicklung in der Wissenschaft war die Quantifizierung von Qualitäten als Schlüssel für die quantitative Beschreibung von Vorgängen. Nikolaus von Oresme (1323–1382) ist einer der ersten, der sich weitergehend auch mit der Veränderung der Intensitäten beschäftigte. Oresme untersucht verschiedene Formen der Bewegung. Er entwickelt eine Art funktionale Beschreibung, indem er Geschwindigkeit gegen Zeit aufträgt. Er klassifiziert die unterschiedlichen Formen der Bewegungen und sucht nach funktionalen Zusammenhängen.

Nikolaus von Kues (Nikolaus Cusanus)

Oresme, aber auch Bradwardine (1295–1349), Wilhelm von Ockham (1288–1348), Johannes Buridan (ca. 1300 bis ca. 1361) und andere Gelehrte des Merton College untersuchten die funktionale Beschreibung der Zusammenhänge von Geschwindigkeit, Kraft, Ort, kurzum, sie beschäftigten sich mit Kinetik. Es wurden auch methodisch wichtige Fortschritte erzielt. Grosseteste formulierte das Prinzip der Uniformität der Natur demzufolge Körper gleicher Beschaffenheit sich unter gleichen Bedingungen auf gleiche Weise verhalten. Hier wird deutlich, dass schon damals den Gelehrten bewusst war, dass die Umstände, unter denen bestimmtes Verhalten betrachtet wird, zu kontrollieren sind, wenn Vergleiche angestellt werden sollen. Weiterhin formulierte er das Prinzip der Ökonomie der Beschreibung, nach dem unter gleichen Umständen diejenige Argumentation vorzuziehen ist, die zum vollständigen Beweis weniger Fragen zu beantworten oder weniger Annahmen erfordert. William Ockham war einer der größten Logiker der damaligen Zeit, berühmt ist Ockhams Rasiermesser, ein Grundsatz, der besagt, dass eine Theorie immer so wenig Annahmen und Begrifflichkeiten wie möglich enthalten soll.

Man darf nicht vergessen, dass die Gelehrten damaliger Zeit auch Theologen waren. Die Beschäftigung mit religiösen Fragen wie z.B. der Allmacht Gottes führte sie zu Fragen des Unendlichen. In diesem Zusammenhang ist Nikolaus von Kues (Nikolaus Cusanus) (1401–1464) zu nennen, der als einer der ersten die Unendlichkeit der Welt vor einem Galilei oder Giordano Bruno beschrieben hat. Sein Prinzip der coincidentia oppositorum zeugt von einer tiefgehenden methodisch und philosophischen Beschäftigung mit dem Thema Unendlichkeit. Diese Untersuchungen erreichten im 14. Jahrhundert einen Höhepunkt, danach trat ein Stillstand ein, vielleicht als Folge der großen Pestepidemien.

Praktische Mathematik

Gegen Ende des Mittelalters entstanden die Kathedralen Europas, deren Bau damals die Spitze der Technologie verlangte. In diesem Zusammenhang wurden auch immer wieder geometrische Probleme behandelt. Ein wichtiges Lehrbuch, das die Architektur behandelt ist das Bauhüttenbuch von Villard de Honnecourt. In späterer Zeit wird sich Albrecht Dürer auch mit dieser Thematik befassen.

Im Bereich der Vermessungsgeometrie wurden während des gesamten Mittelalters stetige Fortschritte erzielt, besonders zu nennen sind hier im 11. Jahrhundert die Geometrie der Feldmesser zurückgehend auf ein Buch des Boetius, im 12. Jahrhundert die Geometria practica von Hugo von St. Victor (1096–1141). Im 13. Jahrhundert wird von Levi ben Gerson (1288–1344) ein neues Vermessungsgerät beschrieben, der sogenannte Jakobsstab.

Beginn der Geldwirtschaft

Leonardo von Pisa (Fibonacci)

Mit dem Beginn einer Wirtschaft, die nicht auf Warentausch sondern auf Geld basiert, entstanden neue Felder die die Mathematik betrafen. Dies gilt insbesondere für Italien, das zur damaligen zeit ein Umschlagplatz für Waren von und nach Europa war. So ist in diesem Zusammenhang Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci zu nennen. Sein Buch Liber Abaci vermittelt Kaufleuten die notwendigen Rechenkenntnisse und vermittelt insbesondere das Rechnen mit indischen Ziffern. Berühmt wurde die sogenannte Fibonacci-Folge, die entdeckt wurde bei der Untersuchung der Fortpflanzung von Kaninchen.

Mathematik der Renaissance und Neuzeit

Im Zuge der Reconquista werden die Mauren aus Europa vertrieben. Ihre Mathematik lassen sie zurück und sie beeinflusst in der Folge die europäische Mathematik grundlegend. Begriffe wie Algebra, Algorithmus sowie die arabischen Ziffern gehen darauf zurück.

In Deutschland erklärt der sprichwörtliche Adam Ries(e) seinen Landsleuten in der Landessprache das Rechnen, und die Verwendung der arabischen Ziffern statt den römischen wird populär.

In Frankreich entdeckt René Descartes, dass man Geometrie, die bis dahin nach Euklid gelehrt wurde, auch mit Zahlen beschreiben kann. Alles was dazu nötig ist, sind zwei Linien, die einen Winkel miteinander bilden und eine Länge "1" (Normierung) und eine allgemeine Länge "a", dann kann man bei affinen Abbildungen, das sind z.B. zentrische Streckungen, alle Größen algebraisch berechnen, also wie mit Zahlen. Das kartesische Koordinatensystem stammt in seiner Form von Leonhard Euler. Blaise Pascal fand den Zusammenhang der Binomialkoeffizienten (Pascalsches Dreieck) und definierte die Negative Binomialverteilung (Pascal-Verteilung).

Vieta verwendet als erster Mathematiker Variablen. Damit wird die Algebra weiter formalisiert. Pierre de Fermat findet neben seinem Beruf als Richter wichtige Resultate in der Zahlentheorie. Er behauptet, dass die Gleichung keine ganzzahligen Lösungen hat falls . Am Rand seiner Ausgabe von Diophantes "Arithmetica" schreibt er dazu den Satz, der für Generationen von Mathematikern zum Albtraum wurde: "Ich habe einen wunderbaren Beweis gefunden, doch leider ist dafür der Rand zu schmal ". 400 Jahre lang beißen sich die besten Köpfe die Zähne daran aus, diesen angeblichen Beweis zu finden. Erst im Jahre 1995 gelang dem britischen Mathematiker Andrew Wiles nach jahrelanger geheimer Arbeit der Beweis für das Fermat-Problem (Fermats letzter Satz). Man nimmt heute an, Fermat habe einen Beweis für einen Spezialfall gefunden, von dem er glaubte ihn verallgemeinern zu können. In Italien finden Cardano und Tartaglia die Formel für die Lösungen der kubischen algebraischen Gleichung. Galileo Galilei entdeckt, dass sich Kräfte wie Vektoren verhalten, damit wird die Vektorrechnung zusammen mit den kartesischen Koordinaten ein wichtiger Teil der Physik.

Mathematik des Barock

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Isaac Newton
Gottfried Wilhelm Leibniz

Eine der weitreichensten Entdeckungen der Mathematik wird geboren, die Infinitesimalrechnung. Unabhängig voneinander entwickeln Isaac Newton und Leibniz den Begriff der Ableitung. Newton beschreibt damit in seinem Hauptwerk "Principia naturalis" seine grundlegenden Gleichungen der Physik. Um der Problematik der unendlich kleinen Größen beizukommen argumentiert er dabei hauptsächlich über Geschwindigkeiten. Leibniz geht den philosophischeren Weg, er postuliert seine Monaden und kommt damit zur Differentialrechnung. Er erfindet auch die Bezeichnungen d/dx und das Zeichen für das Integral. Zwischen den beiden und ihren Schülern kommt es später zu einem langwierigen "Prioritätsstreit". Letztendlich erweist sich die Leibnizsche Symbolik als dauerhafter.

Mit der Infinitesimalrechung ist die Analysis begründet. Zusammen mit den Newtonschen Gleichungen kann bald die gesamte Mechanik und Astronomie mit mathematischen Mitteln behandelt werden.

Mathematik der Aufklärung

Die Methoden der Infinitesimalrechung werden weiter entwickelt, auch wenn ihre Grundlagen auf tönernen Füßen stehen, wie einige Philosophen, zum Beispiel George Berkeley, scharf kritisieren.

Einer der produktivsten Mathematiker der Zeit ist der Schweizer Leonhard Euler. Neben seinen Beiträgen zur Analysis, führt er als erster das Symbol i für ein. Auch wenn sich keiner eine Zahl deren Quadrat negativ ist, vorstellen kann, wird die Verwendung dieser Größe recht populär und damit werden die komplexen Zahlen in die Mathematik eingeführt. Außerdem spekuliert Euler wie eine "Analysis situ" aussehen kann, also die Beschreibung von Objekten ohne Verwendung von genauen Längen. Diese Idee wird schließlich zum Theoriegebäude der Topologie ausgebaut. Eulers erster Beitrag dazu war die Lösung des "Königsberger Brückenproblems" und sein Polyedersatz. Ein weiterer fundamentaler Zusammenhang zwischen zwei entfernten Gebieten der Mathematik, der Analysis und der Zahlentheorie geht ebenfalls auf ihn zurück. Die Verbindung von bestimmten Potenzreihen und Primzahlen, die Bernhard Riemann in der Riemannschen Vermutung verwendet, entdeckt Euler als Erster.

Weitere Beträge zur Analysis der Zeit stammen von den Bernoullis, auf französischer Seite von Blaise Pascal, Fourier, Laplace, Lagrange, D'Alembert, wo viele bedeutende Mathematiker von der Pariser Universität angezogen werden.

In England werden von Bayes wichtige Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie gelegt.

Ab dem 19. Jahrhundert werden die Grundlagen der mathematischen Begriffe hinterfragt und fundiert. Cauchy begründet die Definition des Grenzwertes. Damit hat der skrupellose Umgang mit Unendlichkeiten nach 2000 Jahren endlich ein Ende. Außerdem legt er die Grundlage der Funktionentheorie. Die Verwendung komplexer Zahlen wird von Dedekind und Kronecker algebraisch fundiert.

Der Legende nach schreibt der Franzose Evariste Galois am Vorabend eines für ihn tödlich verlaufenden Duells seine Galoistheorie nieder. Zu seiner Zeit von wenigen verstanden, wird diese ein mächtiges Hilfsmittel in der Algebra. Mit Hilfe der Galoistheorie werden die 3 klassischen Probleme der Antike als nicht lösbar erkannt.

Die Algebraiker erkennen, dass man nicht nur mit Zahlen rechnen kann. Alles was man braucht sind Verknüpfungen. Diese Idee wird in Gruppen, Ringen und Körpern formalisiert. Der Norweger Sophus Lie untersucht die Eigenschaften von Symmetrien. Durch seine Theorie werden algebraische Ideen in die Analysis und Physik eingeführt. Die moderne Quantentheorie beruht im wesentlichen auf Symmetriegruppen.

In Göttingen wirken zwei der einflussreichsten Mathematiker der Zeit, Carl Friedrich Gauß und Bernhard Riemann. Neben fundamentalen Erkenntnissen in der Analysis, Zahlentheorie, Funktionentheorie schaffen sie und Andere die Differentialgeometrie - Geometrie wird mit analytischen Methoden beschrieben. Auch wird dank ihres Mitwirkens zum ersten Mal Euklids Geometrie neu überarbeitet: die Nichteuklidische Geometrie entsteht.

Georg Cantor überrascht mit der Erkenntnis, dass es mehr als eine "Unendlichkeit" geben kann. Er definiert zum ersten Mal was eine Menge ist, und er wird somit der Gründer der Mengenlehre.

Nach tausenden von Jahren erfährt die Logik eine Runderneuerung. Gottlob Frege erfindet die Prädikatenlogik, die erste Neuerung auf diesem Gebiet seit Aristoteles. Zugleich bedeuten seine Arbeiten den Anfang der Grundlagenkrise in der Mathematik.

Moderne Mathematik

Bertrand Russell

Die moderne Mathematik entsteht aus dem Bedürfnis, die Grundlagen dieser Wissenschaft ein für allemal zu festigen. Allerdings beginnt alles mit einer Krise anfangs des 20. Jahrhunderts: Bertrand Russell erkennt die Bedeutung von Freges Arbeiten. Gleichzeitig entdeckt er allerdings auch unlösbare Widersprüche darin (Russellsche Antinomie). Diese Erkenntnis erschüttert die gesamte Mathematik. Falls es nur einen einzigen widersprüchlichen Satz in der Mathematik gibt, fällt die ganze Wissenschaft wie ein Kartenhaus zusammen. Sollte der Packesel Mathematik, der so viele gute Dienste geleistet hat, unter Cantors Unendlichkeiten erdrückt werden? Eine zeitlang schien eine Lösung im Intuitionismus Brouwers nahe zu liegen. Aber die zunächst sehr interessierten Mathematiker wendeten sich schnell von dieser philosophischen Richtung ab. Mehrere Versuche zur Rettung werden gemacht: Russell und Alfred North Whitehead versuchen in ihrem mehrtausendseitigen Werk, "Principia Mathematica" mit Hilfe der Typentheorie ein Fundament aufzubauen. Alternativ dazu begründen Ernst Zermelo und Abraham Fraenkel die Mengenlehre axiomatisch (Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre). Letztere setzt sich durch, weil ihre wenigen Axiome wesentlich handlicher sind als die schwere "Principia Mathematica".

David Hilbert, Foto aus dem Jahr 1886

Der Zweifel an den Grundlagen bleibt aber bestehen. Es bedurfte eines Geistesriesen, um den (scheinbaren) Ausweg aus der Situation zu finden. Dieser kam in Form von David Hilbert, von dem gesagt wird, dass er der Letzte war, der die gesamte Mathematik überblicken konnte. Seine Idee, um die Mathematik wasserdicht zu machen, war, das mathematische Beweisen selbst mit Hilfe der Mathematik zu untersuchen. Schließlich waren Beweise nur eine Folge von Symbolen mit vorgegebenen Verknüpfungen, und Symbole und Verknüpfungen kann man mit mathematischen Methoden behandeln. Es konnte wieder Hoffnung aufkommen.

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Kurt Gödel

Diese wurde jedoch jäh von Kurt Gödel zerstört. Sein Unvollständigkeitssatz zeigt, dass nicht jeder wahre Satz bewiesen werden kann.

Dies war wahrscheinlich eine der wichtigsten Erkenntnisse in der Mathematik. Damit schien der Traum, eine umfassende Widerspruchsfreiheit zu finden, zunächst ausgeträumt. Allerdings konnten Mathematiker und Logiker wie Gerhard Gentzen und Paul Lorenzen zeigen, dass eine konstruktive Mathematik und Logik durchaus widerspruchsfrei ist. Allerdings muss dort auf einen Teil des Satzbestandes der Mathematik verzichtet werden.

Für manche rationalitätskritische Philosophen war die Erkenntnis Gödels aber die Bestätigung ihrer Ansicht, dass der Rationalismus gescheitert sei. Andererseits kann man sich fragen, ob eine Theorie, die ihre eigenen Grenzen erkennt, nicht mächtiger ist als eine, die das nicht kann.

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Andrei Kolmogorow

Neben der Logik wird die Mathematik zunehmend abstrahiert. Die polnische Schule mit deren Leitfigur Stefan Banach begründet die Funktionalanalysis. Mit Hilfe der Banachräume und ihren Dualitäten können viele Probleme sehr elegant gelöst werden.

Andrei Kolmogorow liefert eine axiomatische Begründung der Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit ist für ihn ähnlich dem Flächeninhalt und kann mit Methoden der Maßtheorie behandelt werden. Damit ist auch dieses Feld logisch einwandfrei.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden alle Teilgebiete der Mathematik in mengentheoretischer Sprache formuliert und auf axiomatische Grundlagen gestellt. Einen Höhepunkt erreichen Abstraktion und Formalisierung im Schaffen des Autorenkollektivs Nicolas Bourbaki.

John von Neumann

Im Zweiten Weltkrieg entsteht großer Bedarf an der Lösung konkreter mathematischer Probleme, beispielsweise bei der Entwicklung der Atombombe oder der Entschlüsselung von Codes. John von Neumann, Alan Turing und andere entwickeln deshalb ein abstraktes Konzept einer universalen Rechenmaschine. Zuerst nur auf dem Papier werden diese Ideen bald in Hardware gegossen und der Computer hält Einzug in die Mathematik. Dies führt zu einer dramatischen Weiterentwicklung der numerischen Mathematik. Mit Hilfe des Computers können nun komplexe Probleme, die per Hand nicht zu lösen waren, relativ schnell berechnet werden.

1995 kann schließlich Andrew Wiles den Satz von Fermat beweisen. Fermats Aussage, dass der Beweis nicht auf die Seite seines Buches passt, bewahrheitet sich: Wiles' Beweis ist über 100 Seiten lang.


Siehe auch

Literatur

  • Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient, Mathematik im Abendland, Marix Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-937715-71-1
  • Christoph J. Scriba, Peter Schreiber: 5000 Jahre Geometrie. Geschichte, Kulturen, Menschen, Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-22471-8

Weblinks

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