„Was gesagt werden muss“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Forumgelaber raus
→‎Stellungnahmen von Grass: Das Partizip "stattgefunden" kann nicht attributiv verwendet werden (siehe Duden Band 9, "Richtiges und gutes Deutsch", o. <http://www.hausderdeutschensprache.eu/index.php?option=com_content&task=view&id=53&Itemid=82>).
Zeile 126: Zeile 126:
Auch der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] gab er ein Interview und machte deutlich, er sei es gewohnt, dass seine Werke zum Teil auf heftige Kritik stoßen. Enttäuscht sei er jedoch darüber, dass „der kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus“ gegen ihn erhoben worden ist. Nicht er sei ein Friedensstörer, sondern die derzeitige Regierung in Israel, die mit „dem Iran und der Vermutung, dass dort eine Atombombe gebaut wird, einen [[Popanz]]“ aufbauen würde. Er hoffe aber, dass sich die Debatte mit einem gewissen Abstand versachliche und über die Inhalte seines Gedichtes diskutiert würde. Zu den wiederholten Vorwürfen über seine NS-Vergangenheit sagte er, wie jüngere Menschen über einen Mann urteilen könnten, der im Alter von 17 Jahren in die [[Waffen-SS]] gezogen wurde und sich nicht freiwillig gemeldet habe: „Dies tut eine Generation, die von ihren Freiheitsrechten, die sie heute hat, meiner Meinung nach viel zu wenig Gebrauch macht.“<ref>[http://www.sueddeutsche.de/kultur/nach-debatte-um-sein-gedicht-grass-praezisiert-kritik-an-israel-1.1327719 ''Grass präzisiert Kritik an Israel''], [[Süddeutsche.de]] vom 6. April 2012</ref>
Auch der [[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]] gab er ein Interview und machte deutlich, er sei es gewohnt, dass seine Werke zum Teil auf heftige Kritik stoßen. Enttäuscht sei er jedoch darüber, dass „der kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus“ gegen ihn erhoben worden ist. Nicht er sei ein Friedensstörer, sondern die derzeitige Regierung in Israel, die mit „dem Iran und der Vermutung, dass dort eine Atombombe gebaut wird, einen [[Popanz]]“ aufbauen würde. Er hoffe aber, dass sich die Debatte mit einem gewissen Abstand versachliche und über die Inhalte seines Gedichtes diskutiert würde. Zu den wiederholten Vorwürfen über seine NS-Vergangenheit sagte er, wie jüngere Menschen über einen Mann urteilen könnten, der im Alter von 17 Jahren in die [[Waffen-SS]] gezogen wurde und sich nicht freiwillig gemeldet habe: „Dies tut eine Generation, die von ihren Freiheitsrechten, die sie heute hat, meiner Meinung nach viel zu wenig Gebrauch macht.“<ref>[http://www.sueddeutsche.de/kultur/nach-debatte-um-sein-gedicht-grass-praezisiert-kritik-an-israel-1.1327719 ''Grass präzisiert Kritik an Israel''], [[Süddeutsche.de]] vom 6. April 2012</ref>


Grass reagierte auf das gegen ihn auf Grund des Gedichtes ausgesprochene Einreiseverbot nach Israel mit dem Text „Damals wie heute - Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse“ in der ''Süddeutschen Zeitung'', in welchem er die gegen ihn verhängten Einreiseverbote – durch die Diktaturen [[DDR]] und [[Birma]] und das demokratische Israel – und die seitdem stattgefundenen Entwicklungen in diesen Staaten reflektiert. Er äußerte, dass der Tonfall des israelischen Innenministers ihn an das [[Verdikt]] des Chefs der DDR-[[Staatssicherheit]], [[Erich Mielke]], erinnere.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/kultur/guenter-grass-reagiert-auf-israels-einreiseverbot-wie-bei-minister-mielke-1.1330251 ''Günter Grass reagiert auf Israels Einreiseverbot - „Wie bei Minister Mielke“'']; Süddeutsche.de, abgerufen am 12. April 2012.</ref>
Grass reagierte auf das gegen ihn auf Grund des Gedichtes ausgesprochene Einreiseverbot nach Israel mit dem Text „Damals wie heute - Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse“ in der ''Süddeutschen Zeitung'', in welchem er die gegen ihn verhängten Einreiseverbote – durch die Diktaturen [[DDR]] und [[Birma]] und das demokratische Israel – und die späteren Entwicklungen in diesen Staaten reflektiert. Er äußerte, dass der Tonfall des israelischen Innenministers ihn an das [[Verdikt]] des Chefs der DDR-[[Staatssicherheit]], [[Erich Mielke]], erinnere.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/kultur/guenter-grass-reagiert-auf-israels-einreiseverbot-wie-bei-minister-mielke-1.1330251 ''Günter Grass reagiert auf Israels Einreiseverbot - „Wie bei Minister Mielke“'']; Süddeutsche.de, abgerufen am 12. April 2012.</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 20. April 2012, 14:34 Uhr

Was gesagt werden muss ist ein politisches Gedicht des Schriftstellers Günter Grass, das am 4. April 2012 in den Zeitungen Süddeutsche Zeitung, La Repubblica und El País erschien.[1] In diesem Prosagedicht wirft Grass Israel vor, mit seinen Kernwaffen den „ohnehin brüchigen Weltfrieden“ zu gefährden und einen „Erstschlag“ gegen den Iran zu planen, „der das […] iranische Volk auslöschen könnte“, und kritisiert in diesem Zusammenhang die Lieferung von deutschen Unterseebooten an Israel.

Zugleich setzt er sich in dem Text mit einer von ihm behaupteten Tabuisierung der Kritik an einem unkontrollierten atomaren Potential Israels auseinander. Die Missachtung dieses Tabus würde als Antisemitismus beurteilt. Deutschland, das „von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind“ betroffen sei und „zur Rede gestellt“ werde, drohe – durch besagte U-Boot-Lieferung, die vordergründig als eine Form der Wiedergutmachung ausgegeben würde – einen möglichen Angriff auf den Iran zu unterstützen, der nur durch Befürchtungen statt Beweise begründet sei. Als Lösung des Konflikts fordert der Sprecher des Gedichts internationale Kontrollen der „vom Wahn okkupierten Region".

Nach der Veröffentlichung des Gedichts entspann sich eine Debatte, an der sich Politiker, Journalisten, Schriftsteller, Geisteswissenschaftler und Vertreter jüdischer Organisationen beteiligten. Das Gedicht wurde in den deutschen Medien mehrheitlich abgelehnt, was Grass zur Kritik an einer angeblichen „Gleichschaltung“ veranlasste. Zum Teil wurde der Vorwurf des Antisemitismus erhoben, zum Teil wurde Grass und sein Gedicht gegen diesen Vorwurf verteidigt.

Inhalt

Der Text in Form eines Prosagedichts[2] besteht aus neun Absätzen. Jeder der Absätze bildet für sich einen inhaltlichen Abschnitt und ist auf kurze reimlose Zeilen umgebrochen. Das lyrische Ich stellt sich die Frage, ob der Iran aufgrund seines Atomprogramms tatsächlich über Atomwaffen verfüge. „[D]ie Atommacht Israel“ gefährde den „ohnehin brüchigen Weltfrieden“, da in Planspielen ein Erstschlag geübt werde. Dieser könne „das von einem Maulhelden“ – gemeint ist Mahmud Ahmadinedschad – „unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen“. Israel dagegen verfüge bereits über ein „wachsend nukleares Potential“, das sich „außer Kontrolle“ befände. Einen möglichen Angriff auf den Iran verurteilt das lyrische Ich als Verbrechen, an dem sich Deutschland aufgrund von Waffenlieferungen mitschuldig mache.

Sechs der neun Strophen thematisieren ein „Schweigen“ bzw. „Verschweigen“. Der Sprecher des Gedichts fragt sich zunächst „Warum aber schwieg ich bislang?“ und nennt dann als Grund: „Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.“ Weiter fordert er, dass kein weiteres deutsches U-Boot nach Israel „geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist“. Diese würden „aus meinem Land, das von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind […] rein geschäftsmäßig, wenn auch mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert“. Er führt aus, dass „das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes, dem sich mein Schweigen untergeordnet hat“, er als „belastende Lüge und Zwang“ empfindet, „der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird“. Das „Verdikt ‚Antisemitismus‘“ sei „geläufig“.

Der Sprecher kritisiert die „Heuchelei des Westens“ und hofft, „es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt aufzufordern“. Schließlich fordert er eine „unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz“, die von den Regierungen beider Staaten zugelassen werde; nur so sei „allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben und letztlich auch uns zu helfen.“

Rezeption

Nach der Veröffentlichung des Gedichts begann insbesondere in Deutschland eine kontroverse Diskussion, an der sich die mediale Öffentlichkeit, aber auch eine breitere Öffentlicheit durch Leserbriefe und Internetbeiträge beteiligten. Dabei waren Diskrepanzen zwischen in den Medien erschienenen, überwiegend kritischen und ablehnenden Stellungnahmen und den in Leserbriefen, im Internet und in der Ostermarschbewegung vertretenen, überwiegend positiven Bewertungen auffällig. Im Internet gab es darüber hinaus offen antisemitische Äußerungen.[3].

Umstritten ist nicht nur Grass´ Darstellung des Konflikts zwischen Israel und dem Iran und sein Postulat einer Verpflichtung zum politischen Schweigen über Israel. Auch hinsichtlich seiner Wortwahl gibt es unterschiedliche Auffassungen. Einige Kritiker warfen Grass persönlich Antisemitismus vor oder bescheinigten jedenfalls dem Text antisemitische Argumentationsstrukturen, andere Rezipienten nahmen sowohl seine Person als auch sein Gedicht vor Antisemitismusvorwürfen in Schutz. Befürworter begrüßten seinen politischen Impuls und folgten seiner zentralen Argumentation. Viele Kommentatoren betonten, dass Kritik an Israel grundsätzlich zulässig sei. Einige von ihnen beanstandeten aber, dass sich Grass als moralische Instanz und Kritiker Israels durch sein - im Gedicht nicht thematisiertes - jahrzehntelanges Verschweigen der eigenen Waffen-SS-Angehörigkeit als Jugendlicher persönlich disqualifiziert habe.

Rezeption durch Politiker und andere politische Rezeption

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Aussagen des Gedichts als falsch und verwerflich. Es überrasche ihn nicht, dass ein Schriftsteller, der 60 Jahre lang seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS verschwiegen habe, den einzigen jüdischen Staat für die größte Bedrohung des Weltfriedens halte und ihm das Recht abspreche, sich selbst zu verteidigen.[4] Kritisiert wurde das Gedicht ebenfalls durch den israelischen Gesandten in Berlin Emmanuel Nahshon: Israel sei der einzige Staat, dessen Existenzrecht öffentlich angezweifelt werde und man sei „nicht bereit, die Rolle zu übernehmen, die Günter Grass uns bei der Vergangenheitsbewältigung des deutschen Volkes zuweist“. Ferner stellte er das Gedicht in die „europäische Tradition“, zu der es gehöre, „die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen.“[5]

Israels ehemaliger Botschafter in Deutschland Avi Primor äußerte sich ebenfalls kritisch zu Grass. Er schätze Grass als Schriftsteller und glaube nicht, dass dieser Antisemit sei. Jedoch liege er in der Beurteilung der Lage falsch, da Israel den Iran „niemals“ mit Atomwaffen angreifen und das iranische Volk damit „vernichten“ werde.[6]

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte es „ein aggressives Pamphlet der Agitation“.[7] In einer Stellungnahme der deutschen Sektion der Föderation European Jews for a Just Peace (EJJP) wurde Günter Grass für seine „aufrichtige Aussage“ gratuliert. Die „hysterische“ Reaktion jüdischer und nicht-jüdischer Deutscher zeige deutlich, dass er „ins Ziel getroffen“ habe. Die EJJP verteidige das Recht, die „menschenverachtende“ Politik des Staates Israel zu kritisieren, ohne als Antisemit diffamiert zu werden. Diese „Taktik“ diene alleine dazu, jegliche Kritik an der israelischen Politik abzuwürgen.[8] Beate Klarsfeld verglich eine Hitler-Rede aus dem Jahre 1939 gegen „das internationale Finanzjudentum“ mit dem Grass-Gedicht. Werde die Bezeichnung „internationales Finanzjudentum“ durch „Israel“ ersetzt, „dann werden wir von dem Blechtrommelspieler die gleiche antisemitische Musik hören“, hieß es in ihrer Stellungnahme. Sie argumentierte, der Iran drohe ständig damit, den Staat Israel auszulöschen. Diese Drohungen seien ernst zu nehmen. Sie zog eine Parallele zur Bedrohung der europäischen Juden durch Nazi-Deutschland.[9]

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte am Taq der Veröffentlichung, er sei „über … Tonlage [und] … Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt“. Ruprecht Polenz, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages widersprach der einseitigen Schuldzuweisung an Israel. „Das Land, das uns Sorgen bereitet, ist der Iran.“ Davon lenke sein Gedicht ab. Grass verwechsele Ursache und Wirkung.[10] Regierungssprecher Steffen Seibert verweigerte eine Bewertung mit Verweis auf die in Deutschland geltende Freiheit der Kunst. Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe Jerzy Montag von den Grünen nahm ebenso Bezug auf die Kunstfreiheit, meinte aber einschränkend, wenn Grass einen politischen Meinungsartikel mit diesen Argumenten geschrieben hätte, wäre dieser „verheerend“.[11]

Die SPD-Politiker Rolf Mützenich und Andrea Nahles äußerten sich ebenfalls ablehnend. Der Grünenpolitiker Cem Özdemir hielt Grass Populismus vor, da er sich als Überwinder eines Tabus inszeniere, das es gar nicht gebe. Antisemitismusvorwürfe als Indiz dieses vermeintlichen Tabus ins Feld zu führen, sei „perfide“. Volker Beck nannte das Gedicht „ein verbrämtes ‚Man muss doch einmal sagen dürfen‘“ sowie eine „Kolportage des antisemitischen Stereotyps eines vermeintlichen Tabus der Kritik an israelischer Politik“.[12] In einer Pressemitteilung der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke kommentierte Wolfgang Gehrcke das Gedicht positiv. Grass habe „den Mut auszusprechen, was weithin verschwiegen wurde“.[13] Laut Jan Korte, ebenfalls Vertreter dieser Partei, ist es hingegen „fragwürdig, dass ausgerechnet ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS ein angebliches Tabu bricht“. Grass unterstelle Israel einen „Vernichtungswillen“ und verwechsle damit Ursache und Wirkung.[14] Imre Török, der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, wies die Kritik der „General-Sekretäre der Parteien“ an Grass als „einseitig und überzogen“ zurück.[15]

Demonstrantin mit Günter-Grass-Porträt, Plakat „Internationale Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen“ auf dem Frankfurter Ostermarsch 2012

Anlässlich der jährlichen Ostermärsche dankte Andreas Buro im Namen der Dachorganisation Kooperation für den Frieden Grass in lyrischer Form für sein Gedicht. In seiner Stellungnahme schrieb er: „Günter Grass hat vor Krieg gewarnt, Israel als eine Gefahr für den Weltfrieden bezeichnet. Wir hätten auch die USA, die Erfinderin der Achse des Bösen, genannt, aber auch die vielen arabischen und islamischen Staaten, die (…) aktuelle Konflikte anheizen. Deutschland, das in Konfliktzonen Waffen liefert.“[16][17]

Lob erhielt Grass von der iranischen Regierung. Der Vize-Kulturminister Dschawad Schamakdari schrieb in einem Brief an Grass, dieser habe mit seinem Gedicht „die Wahrheit gesagt“ und weiter: „Ich habe Ihr warnendes Gedicht gelesen, das auf so großartige Weise Ihre Menschlichkeit und Ihr Verantwortungsbewusstsein zum Ausdruck bringt“.[18]

Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich in der Bild am Sonntag vom 8. April 2012. Mit der Conclusio „Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd.“ schrieb er, es gebe glaubhafte Hinweise auf eine militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms. Der Iran verweigere völkerrechtswidrig seit Jahren umfassende Zusammenarbeit bei dessen Kontrolle. Ohne Grass zu nennen, fuhr er fort: „Denen, die das auch jüngst nicht wahrhaben wollten, sei gesagt: Das alles ist keine Spielwiese für Polemik, Ideologie und Vorurteile, sondern bitterer Ernst.“ Angestrebt werde eine atomwaffenfreie Zone in der gesamten Region. Während in Israel die Siedlungspolitik kritisiert werden könne, sei Vergleichbares im Iran undenkbar.[19]

Am 8. April 2012 erklärte der israelische Innenminister Eli Jischai Grass zur „persona non grata“. Damit darf der Schriftsteller nicht mehr nach Israel einreisen.[20] Weiterhin hatte Jischai das Nobelpreiskommitee dazu aufgefordert, Grass den Nobelpreis für Literatur abzuerkennen. Das Komitee lehnte diese Forderung „kategorisch“ ab.[21] Der israelische Historiker Tom Segev kritisierte das Einreiseverbot für Grass als überzogen sowie als „zynischen und albernen Schritt des Innenministers“. Er rücke Israel in die Nähe fanatischer Regimes – wie etwa jenes des Iran.[22] Die israelische Tageszeitung Haaretz nannte das Einreiseverbot „hysterisch“. Israel müsse auch provokante Äußerungen ertragen. Zwar seien die Gefühle verständlich, die die Entscheidung zum Ausdruck bringe, aber es sei schwer, die Überreaktion zu akzeptieren. „Wenn der Innenminister sagt, er schlage Günter Grass vor, seine falschen und verqueren Werke vom Iran aus zu verbreiten, weil er dort ein begeistertes Publikum habe, versteht er gar nicht die Ironie seiner Worte. Denn es ist gerade seine Entscheidung, Grass wegen eines Gedichts nicht nach Israel einreisen zu lassen, die eher für düstere Regimes wie den Iran und Nordkorea typisch ist“.[23] In der deutschen Presse gab es ebenfalls kritische Meinungen zum Einreiseverbot.[24]

SPD-Politiker wie der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Christian Lange gaben bekannt, sie wollten in Zukunft auf Grass' Wahlhilfe verzichten.[25] Wolfgang Thierse lehnte diese Vorstöße, Grass zur „persona non grata der SPD“ zu erklären, ab. Grass habe vor einem israelischen Atomkrieg gewarnt und eine in Deutschland weit verbreitete Angst angesprochen, dies aber „mit falschen Argumenten und in teilweise sehr unglücklichen Formulierungen (...) und mit einem sehr einseitigen Blick“. Es wäre fatal, ihn als Antisemiten zu bezeichnen und zu behaupten, aus ihm spreche noch nach 60 Jahren „der Waffen-SS-Mann, der er als Jüngling nicht ganz freiwillig gewesen ist.“[26] Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verteidigte Mitte April 2012 das Gedicht, das er teilweise inhaltlich kritisiere, als „zulässige politische Meinungsäußerung“, wandte sich gegen eine unangemessen „unernste Art der Auseinandersetzung“ und überzogene, teilweise hysterische Reaktionen. Es sei absehbar gewesen, „dass sich die selbsternannten Hüter der Political Correctness die Chance nicht entgehen lassen würden, endlich mal die große Keule gegen Grass auszupacken“. Er hoffe, dass Günter Grass der SPD weiter in Wahlkämpfen als „streitbarer Literat“ helfen werde. „Es wäre feige und undankbar, jetzt von ihm abzurücken.“[27]

In einem Interview mit dem Spiegel bezeichnete der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die „teilweise hysterische Reaktion“ in Deutschland auf Grass' Gedicht als schwer verständlich für Nicht-Deutsche. „Er wird ja wie ein Aussätziger behandelt“. Dabei sei er eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Literatur und habe sehr viel für das Ansehen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg geleistet. Asselborn sprach die Hoffnung aus, dass das Gedicht eine Diskussion beflügele, die „dringend geführt werden muss.“ Der Außenminister wandte sich gegen Grass’ Argumentation hinsichtlich «Planspielen» für einen «Erstschlag», mit dem Ziel, das «iranische Volk auszulöschen». Damit rücke er Iran in die Opferrolle und mache Israel zum Aggressor. „Niemand käme auf den Gedanken, Südkorea zu unterstellen, es wolle das nordkoreanische Volk auslöschen, wenn es sich gegen die aggressive Politik der nordkoreanischen Diktatur militärisch wappnet.“[28]

Medienecho, Rezeption durch Schriftsteller und Literaturkritiker

Frank Schirrmacher (FAZ) kam bei der Analyse des Gedichts zu dem Schluss, Grass bediene sich der Sprache der Überlebenden des Holocaust und versuche damit, einen historischen Rollentausch vorzunehmen. Mit Bezug auf Friedrich Nietzsche bezeichnete er das Gedicht als „Dokument der ‚imaginären Rache‘ einer sich moralisch lebenslang gekränkt fühlenden Generation.“[29] In der Zeit schrieb Peter von Becker, Grass relativiere die Rolle der iranischen Diktatur.[30] Der Journalist Henryk M. Broder erinnerte auch an frühere Äußerungen von Grass, der 2001 verlangte, die Besitznahme und Besiedelung palästinensischen Bodens durch Israel rückgängig zu machen[31] und 2011 entgegen dem historischen Forschungsstand behauptete, nach dem Zweiten Weltkrieg seien acht Millionen deutsche Soldaten in russische Kriegsgefangenschaft geraten und von diesen alle bis auf zwei Millionen liquidiert worden, und dies, so Broder, mit dem Holocaust verglichen habe – eine Deutung, gegen die Tom Segev, der das entsprechende Interview geführt hatte, Grass allerdings schon 2011 in Schutz genommen hatte.[32] Broder äußerte zu Grass, er sei der „Prototyp des gebildeten Antisemiten“.[33] „Tief erschüttert“ zeigte sich der Schriftsteller Ralph Giordano. Das Gedicht sei ein Anschlag auf Israels Existenz.[34]

Der WDR-Korrespondent Thomas Nehls warf den Publizisten Broder und Giordano in einem ARD-Kommentar mit dem Titel Friedenspreis statt Schelte für Günter Grass „meinungspolizeiliche Maßnahmen“ vor und kritisierte das „Bündel der meisten Berliner Reaktionen“ als „empörend“.[35]

In einem Kommentar auf Spiegel Online bezeichnete Sebastian Hammelehle Grass’ Gedicht als „lyrischen Erstschlag“ und warf ihm vor, in Stammtischmanier antisemitische Verschwörungstheorien zu bedienen.[36] Der Journalist Christoph Sydow setzte sich ebenfalls auf Spiegel-Online mit den acht Thesen auseinander, die Grass in seinem Gedicht aufgestellt habe. In vier Punkten stimmte er Grass zu, zwei Thesen lehnte er ganz, die restlichen zumindest teilweise ab.[37]

Jakob Augstein, Journalist und Verleger, kritisierte in seiner Spiegelkolumne Im Zweifel links den Text von Grass mit den Worten: „Ein großes Gedicht ist das nicht.“ Er gab ihm aber in seinen politischen Aussagen Recht. Augstein kommentierte den Satz von Grass: „Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden“ mit den Worten: „Dieser Satz hat einen Aufschrei ausgelöst. Weil er richtig ist. Und weil ein Deutscher ihn sagt, ein Schriftsteller, ein Nobelpreisträger, weil Günter Grass ihn sagt. Darin liegt ein Einschnitt. Dafür muss man Grass danken. Er hat es auf sich genommen, diesen Satz für uns alle auszusprechen. Ein überfälliges Gespräch hat begonnen.“ Mit der Rückendeckung aus den USA und Deutschland führe die Regierung Netanjahu die ganze Welt „am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs“. Auf Israel müsse Druck aufgebaut werden. Dabei gehe es nicht um deutsche Geschichte, „sondern um die Gegenwart der Welt“.[38]

Im Zusammenhang mit dem Gedicht sprach Malte Lehming von einer Verrohung des Geistes und bezeichnete Grass im Tagesspiegel als Antisemiten. Er biedere sich dem Pöbel an, indem er dessen Gier nach historischer Entlastung bediene. Grass sei zu klug, um nicht die „klammheimliche Freude derer antizipiert zu haben, die sonst so verschämt wie unverschämt hinter vorgehaltener Hand vor sich hin giften, man dürfe wegen des Holocausts über Juden ‚ja sowieso nicht die Wahrheit sagen‘.“[39]

Die italienische Zeitung La Repubblica, die das Gedicht ebenfalls veröffentlichte, kritisierte, es erzeuge „ein konfuses Rauschen, eine unmögliche Gleichstellung Israels mit dem Iran, eine unglaubwürdige Verdrängung jener Bedrohung, die das Regime in Teheran für Jerusalem darstellt“.[40] Im englischen Guardian vertrat Hans Kundnani die Auffassung, in Grass’ Gedicht drücke sich aus, dass viele Deutsche eine zunehmende Wut gegenüber Israel empfänden. Deutsche hätten teilweise das Gefühl, nicht sagen zu dürfen, was sie denken, was zu Vorbehalten gegen den Staat Israel führe, die eines Tages „explodieren“ könnten.[41]

Durch den staatlichen iranischen Sender Press TV erhielt Grass Unterstützung, nie zuvor habe „im Nachkriegs-Deutschland ein prominenter Intellektueller Israel auf so mutige Weise angegriffen“ wie Günter Grass mit „seinem umstrittenen Gedicht“. Grass sei bildlich gesprochen „ein tödlicher lyrischer Schlag gegen Israel gelungen“.[42]

Der Literaturkritiker Tilman Krause sah in einer Textanalyse „zahlreiche Denkfiguren der NS-Ideologie“ von einem Menschen, der sich „von den intellektuellen Prägungen seiner Jugend offenbar nicht lösen“ kann: „Die demagogische Rhetorik, die den gesamten Text durchzieht, dieses bohrende anaphorische ‚warum‘ und ‚darum‘, das zu Strophenbeginn unablässig wiederholte ‚warum schweige ich‘, ‚warum sage ich jetzt erst‘ erinnert an das aus der NS-Phraseologie sattsam bekannte Muster des trotzigen Donnerworts, das sich irgendwann Bahn brechen muss.“ Er verglich sie mit den gefühlten „Demütigungen und Knebelungen des ‚Weimarer Systems‘ oder ‚Schandfriedens von Versailles‘“, die lange hingenommen, aber jetzt herausmüssten, „und koste es das Leben (oder die ‚Strafe‘, dem ‹Verdikt ,Antisemitismus'› zu verfallen). Da steht dann einer für alle, und Grass will ja auch möglichst ‚viele vom Schweigen befreien‘.“ Er verglich Grass’ Rhetorik mit der von Joseph Goebbels in seiner Sportpalastrede, „dessen angeblich lange unterdrückter Aufschrei schließlich in die Formel mündete: ‚Nun, Volk, steh auf, und Sturm brich los!‘“[43]

Unter der Überschrift Der an seiner Schuld würgt veröffentlichte der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik in der taz Eine Entgegnung auf den apokalyptischen Dichter. Nicht die israelische Regierung wolle das iranische Volk auslöschen, vielmehr habe der iranische Revolutionsführer Chamenei von Israel mehrmals als „Krebsgeschwür“ gesprochen, das aus der Region entfernt werden müsse.[44]

Kulturkritiker Denis Scheck äußerte dagegen, Grass habe „sich in diesem Gedicht inhaltlich einmal mehr als Minenspürhund der deutschen Literatur erwiesen, auch wenn [er sich] formal etwas mehr Raffinesse gewünscht hätte.“ Er bezeichnete Grass’ Werk als „ein gutes, ein überfälliges tagespolitisches Gedicht.“ Man müsse so viel Freiheit der Literatur aushalten.[45] Der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Johano Strasser, verteidigte Grass gegen Henryk M. Broders Vorwurf des Antisemitismus[46] und unterstützte ihn hinsichtlich seiner Kritik an Waffenexporten an ein kriegsbereites Israel.[47] Unterstützung erhielt Grass auch von dem Schriftsteller Peter Schneider.[48] In der Mitteldeutschen Zeitung nahm der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, Günter Grass mit Verweis auf das Recht auf Meinungsfreiheit in Schutz und bezeichnete die „reflexhaften Verurteilungen als Antisemit“ als „unangemessen“.[49] In einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur verteidigte er Grass mit den Worten: „[…] die Angriffe, die jetzt der Günter Grass auszuhalten hat, die sprechen natürlich auch eine Sprache, nach dem Motto: Misch dich nicht ein, wenn du das tust, dann kriegst du schon eine übergebraten“[50]

Literaturkritiker Jörg Magenau wiederum bezeichnete das Gedicht als „grottenschlecht“ und als „Anschlag auf die Lyrik“. Grass nehme eine Form für sich in Anspruch, die er nicht mit dem fülle, was Dichtkunst ausmache, und überhöhe damit auf perfide Weise seine schlichte politische Meinungsäußerung. Dieser Plan sei nicht aufgegangen. Grass habe zweifelsohne ein Recht auf seine Meinung. Er müsse dann jedoch auch mit berechtigter Kritik leben.[51]

Ein „ekelhaftes Gedicht“ nannte der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki den Grass-Text, dessen Absicht es sei, den „Judenstaat zu attackieren.“ Grass sei immer schon an Sensationen, an Affären, an Skandalen interessiert gewesen. Er habe viele Sachen fabelhaft beschrieben und sei der wichtigste deutsche Vertreter der Nachkriegsliteratur. Sein Werk enthalte keine antisemitischen Klischees. „Im Gegenteil. Ich fand die jüdischen Figuren in der Blechtrommel zum Beispiel sehr gut. Er hat den Antisemitismus in sich komplett verdrängt, besiegt. Aber im Alter wird das alles anders. Weil auch die Erinnerung an die Jugend stärker wird.“ Der Iran wolle Israel auslöschen und Günter Grass dichte das Gegenteil. Ein Antisemit sei er nicht, allerdings gebe es eine große Anzahl von Bürgern in diesem Land mit antisemitischen Neigungen. „Und Grass drückt das aus.“ Reich-Ranicki stellte das Gedicht außerdem in eine Reihe mit Martin Walsers Roman Tod eines Kritikers, der bereits im Jahr 2002 eine umfassende Antisemitismusdebatte ausgelöst hatte.[52]

Herta Müller, wie Grass mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, bemängelte die Form des Textes. In dem „Artikel“ stehe kein einziger literarischer Satz. Für „größenwahnsinnig“ halte sie, dass Grass sein „sogenanntes Gedicht“ an drei Zeitungen mehrerer Länder geschickt habe. Gegenüber der FAZ beanstandete sie: „Er ist ja nicht ganz neutral. Wenn man mal in der SS-Uniform gekämpft hat, ist man nicht mehr in der Lage, neutral zu urteilen.“[53]

Auch der US-amerikanische Schriftsteller Louis Begley kritisierte besonders die Gedichtform des Textes. Seiner Ansicht nach nutzte Grass die „Atommacht“ seines Namens, um einen „billigen Prosatext“ veröffentlichen zu können, der als einfacher Leitartikel niemals erschienen wäre. Er habe die Tatsache missbraucht, dass Gedichte allgemein höher geschätzt würden als politische Pamphlete.[54]

Mely Kiyak, deutsch-kurdische Schriftstellerin, verglich die Reaktionen auf Deutschland schafft sich ab, mit denen auf Grass' Gedicht. Wenn ein Sarrazin hetze, mache kaum ein Kommentator den Mund auf, aber beim bloßen Verdacht auf Antisemitismus machten alle den angeblichen Täter fertig. Als Sarrazin „Leute wie mich als minderwertige, der Gesellschaft schadende Subjekte beschrieb (…), passierte erstmal nichts.“ Der Mob habe ungestört getobt „und unsere Existenzberechtigung in Frage gestellt.“ Leute wie sie, mit Kontakten in alle Welt, schreibt sie über das Grass-Gedicht, ließen sich ihre Worte nicht durch „eine Staatsraison vorformulieren.“ Sie verdammten jeden Terroristen, jeden Rassisten, jeden Nationalisten. Die Bekämpfung jedes Rassismus, darunter Antisemitismus, gehöre zum Menschsein. „Deshalb frage ich: Warum könnt ihr alten grauköppigen Kollegen, Chefs, Botschafter, Schriftsteller und Historiker, uns, die wir mit euch zusammenleben, nicht auf die gleiche, heldenhafte Art schützen, wie ihr es tut, wenn ihr meint, Hass und Unrecht richte sich gegen unsere jüdischen Freunde?“[55]

Die israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev, die sich selbst gegen einen israelischen Angriff auf den Iran positionierte, warf Grass vor, auf bedrohliche Weise die Lage zu verkennen, da vom Iran eine riesige Gefahr ausgehe.[4] Eli Amir, ein im Irak geborener israelischer Schriftsteller und früherer Teilnehmer an Nahost-Friedensverhandlungen, wandte sich ebenfalls gegen Grass und schrieb in Focus online, Israel sei nicht dabei, den Iran zu vernichten. Die meisten Israelis glaubten allerdings, dass umgekehrt das iranische Atomprogramm die Sicherheit in der Welt bedrohe. Anstatt Israel anzuklagen, sollte Grass besser Deutschland dazu anstiften, dass es zusammen mit Europa und den USA das iranische Atomprogramm stoppe.[56]

Der Schriftsteller Clemens Meyer äußerte in der Leipziger Volkszeitung, Grass habe mit den Waffenlieferungen von Deutschland nach Israel Recht. Einiges, was er sage, sei undifferenziert, allerdings gäben ihm allein die Reaktionen von „Broder und Co.“ recht.[57]

Auf Faz.net schrieb der Schriftsteller Clemens J. Setz: „Schade, dass das ein bedeutender Schriftsteller wie Günter Grass gesagt hat, und nicht ein Blogger von Youtube. Den könnte man einfach ignorieren. Denn nichts anderes hätte eine derartige Aussage verdient.“[58]

In einem offenen Brief, abgedruckt im Merkur und der Welt, attackierte der Dramatiker Rolf Hochhuth Grass u.a. mit den Worten: „Du bist geblieben, was Du freiwillig geworden bist: der SS-Mann, der das 60 Jahre verschwiegen hat, aber den Bundeskanzler Kohl anpöbelte, weil der Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch 40 SS-Gefallene liegen.“[59]

Der Lyriker und Liedermacher Wolf Biermann bezeichnete den Text als „stümperhafte Prosa“ und warf Grass einen „künstlichen Tabubruch“ vor. Gleichzeitig äußerte Biermann, er „verteidige ihn schweren Herzens im Namen der Meinungsfreiheit“. Sympathiebekundungen durch deutsche Neonazis sowie durch „die iranische Propagandamaschine“ machten aus Grass „noch keinen Nazi“ und „keine Moslemkarikatur“. Zum allgemeinen Medienecho sagte er: „Nun werden alle über ihn herfallen, die Journalisten, weil sie Auflage schinden müssen, die Politiker, weil sie wiedergewählt werden wollen, seine Kollegen aus echtem Neid und echter Empörung.“[60]

Den Vorwurf des Antisemitismus gegen Grass hält der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg für „so absurd unbillig und unverhältnismässig, dass man über die fast geschlossene Front gegen den Autor nur staunen kann“. Zudem fragte er, warum sich die deutschsprachige Reaktion vor der Frage drücke, ob sich Grass' Kritik erledigt habe und womit dieser Autor verwirkt habe, „sich weltbürgerlich zu äussern“.[61]

Der Schriftsteller Durs Grünbein verwarf das Gedicht als ein „Pamphlet“. Das Argumentationsmuster erinnere von fern an die dialektischen Gedankenspiele des Marxisten Brecht, nur verfehle es gerade dessen Pointe des listigen Sowohl-als-auch. Israel erscheine darin als der hässliche Atomwaffenstaat, der in der Region immer nur Unfrieden säe. Er spricht von einer „heimlichen Stimmung“ im Land und moniert Grass’ „derbe Manier“. „Es ist bei ihm stets eine gewisse Gefühlsblindheit im Spiel.“ Man müsse davon ausgehen, dass er der historischen Existenzangst der Juden tatsächlich nie auf den Grund gegangen sei. Nur so lasse sich das völlige Ausblenden der israelischen Gründungsproblematik, die staatgewordene Überlebensstrategie einer durch die ganze Welt vertriebenen Religionsgemeinschaft, die nur dank ihrer Wehrhaftigkeit überhaupt noch existiere, erklären.[62]

Der israelische Schriftsteller, Maler und Journalist Yoram Kaniuk lehnte in der Welt das Einreiseverbot als „staatliche Behinderung des freien Worts eines Schriftstellers“ ab. Der Antisemitismus-Vorwurf gegenüber Grass sei überzogen. „Zumindest ist er nicht antisemitischer als allgemein üblich, wenn er, wie so häufig, an allem den Juden die Schuld gibt.“ Ahmadinedschad erwähne Grass nur indirekt. Niemand in Israel spreche „von der Auslöschung des Iran oder 75 Millionen Iranern“. Er hätte erwartet, dass Grass seine SS-Vergangenheit literarisch aufarbeite. Kaniuk schloss mit den Worten: „Ich kann es nicht mehr hören: Erst immer der obligatorische Satz, wie sehr sie für uns sind, bevor sie dann erklären, warum sie sich gegen uns wenden - immer wenn wirklich unsere Existenz bedroht ist. Es lebt sich einfach schwer mit dem Holocaust.“ [63]

Uri Avnery, israelischer Journalist und Schriftsteller, widersprach der Auffassung, das Grass-Gedicht sei antisemitisch und wies sie als „Unsinn“ zurück. „Jede Einstellung, die besagt, dass Israel eine Art Sonderbehandlung haben muss, ist antisemitisch.“ Auch den Vorwurf, Grass habe nicht nur die israelische Regierung kritisieren wollen, wies er zurück. „Wenn Israel Atombomben produziert oder Iran angreift, dann ist das eine Entscheidung der Regierung.“ Die „Ayatollahs“, die im Iran die Politik bestimmten, seien „sehr vorsichtige und oft vernünftige Menschen“. Er hält Grass’ Aussage, Israel sei eine Gefahr für den Weltfrieden für „weit übertrieben“. Grass neige zu Übertreibungen. Israel werde Iran nicht angreifen. Mit scharfen Worten kritisierte er das Einreiseverbot. In Deutschland und Israel gebe es einen Wettbewerb, wer Grass „mehr beschimpfen“ könne und „extremere Ausdrücke“ finde. Es sei antisemitisch, darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden dürfe.[64][65]

Den diesjährigen Albatros-Literaturpreis der Günter-Grass-Stiftung erhielt der US-amerikanische Schriftsteller Dave Eggers. Angesichts der Kontroversen um das Grass-Gedicht nahm er an der Übergabezeremonie nicht teil, weil er nach Verlautbarung seines Verlages sonst „dazu genötigt worden wäre, endlose und nutzlose Kommentare über Grass, Israel und Iran abzugeben“, anstatt über sein eigenes Buch sprechen zu können.[66]

Rezeption durch Historiker, Sozial- und Politikwissenschaftler

Der israelische Historiker Tom Segev kritisierte die Gleichsetzung Israels mit dem Iran und stufte das Gedicht zudem als „auch ein bisschen egozentrisch“ ein, sagte jedoch, Grass sei „kein Antisemit, er ist nicht antiisraelisch. Er kritisierte die Politik der israelischen Regierung.“ In keinem anderen Land werde die israelische Regierung heftiger kritisiert als von Israelis selber, „und die sind auch nicht antisemitisch und sind auch nicht antiisraelisch. Im Gegenteil ist es oft so, dass Kritik an Israel ein Zeichen von Freundschaft und Unterstützung sein kann.“[67] Gegenüber Spiegel online bezog er den Begriff „Schweigen“ in dem Gedicht auf Grass’ Schweigen hinsichtlich seiner kurzzeitigen Zugehörigkeit zur Waffen-SS. Ein Schweigen über Israels Nuklearpolitik gebe es nicht. Die ganze Welt diskutiere darüber, auch Israel.[68]

Für den Historiker Michael Wolffsohn ist das Gedicht ein in Scheinlyrik gepresstes, antisemitisches Pamphlet, das in der National-Zeitung gut platziert gewesen wäre. Es enthalte „ziemlich jedes antisemitische Klischee […], das man aus der rechtsextremen Ecke“ kenne. Grass wisse zudem nichts von den tatsächlichen politisch-strategischen Hintergründen. So seien die U-Boote allenfalls Waffen für den Zweitschlag und könnten eine durch einen Atomschlag getroffene Nation in die Lage versetzen, auf einen Angriff zu reagieren. Aus der Geschichte hätten die Juden gelernt, dass Drohungen – wie jetzt aus dem Iran – „mehr als Spinnereien“ seien. Es stehe zudem in einer üblen Tradition, das Gedicht kurz vor dem Pessach-Fest erscheinen zu lassen, da dies seit jeher eine Zeit der Pogrome gewesen sei, in der Ritualmordlegenden verbreitet wurden. Grass´ Behauptung, er sei „ein Freund des jüdischen Volkes“, stuft Wolffsohn als selbstgestrickte Legende ein. Er sei schon während seines ersten Israel-Besuchs 1971 aufgetreten „wie der Elefant im Porzellanladen“ und habe seine israelischen Zuhörer historisch und moralisch belehren wollen.[69]

Anders reagierte der israelische Historiker Moshe Zuckermann. Er unterstützte Grass’ Thesen zum großen Teil, sprach von einem „medialen Amoklauf“, von einem tatsächlichen „Tabu“ in Deutschland und schrieb: „Man mag vieles an Grass aussetzen, nicht zuletzt auch eine Selbstgefälligkeit, die nicht davor zurückschreckt, von „letzter Tinte” zu reden. Aber ein Antisemit ist er nicht – es sei denn in den Augen der Broders, Graumanns, Giordanos und Wolffsohns, denen das Wohl Israels so am Herzen liegt, dass sie Israel – aus angemessener Entfernung! – emphatisch „in Schutz“ nehmen, um sich für sein Wohl umso effektiver blind machen zu können.“[70]Die inflationäre Verwendung des Begriffs Antisemitismus habe zu dessen Banalisierung beigetragen.[71]

Als „Hassgesang“ klassifizierte der Schweizer Historiker und Leiter des Leo-Baeck-Instituts in London sowie des Jüdischen Museums in Frankfurt Raphael Gross das Gedicht in der Berliner Zeitung. Der „offene Antisemitismus des 19. Jahrhunderts“ sei heutzutage (nicht mehr) zu hören, sondern „diese direkt aus dem Nationalsozialismus in Deutschland zwischen 1933 und 1945 erwachsene ‚Moral der Volksgemeinschaft‘“.[72][73]

Den Politologen Werner Patzelt überraschte die Intensität des von ihm erwarteten Aufschreis. Er sprach im Deutschlandfunk von dem „bundesdeutschen Entrüstungritual“. Grass habe als Linker bisher „Tabus politischer Korrektheit“ selbst durchgesetzt. Es habe „etwas Putziges an sich, wenn Grass ausgerechnet jetzt, wo sich diese Tabufront gegen ihn wendet, zum ersten Mal entdeckt, dass es in Deutschland mit dem Pluralismus bei manchen Themen nicht so weit her ist, wie manche es unterstellen“. Sein Vorwurf einer „gleichgeschalteten Presse“ gehe zu weit, wie auch der, er würde antisemitische Stereotype bedienen. Beiderseits reagiere man überdreht mit überzogener Sprache. Einerseits warnte Patzelt, sich auf Broder berufend, vor einem „linken Antisemitismus“, den man in Grass' Gedicht hineinlesen könne, andererseits schloss er mit der Aufforderung, man müsse nicht so streng mit ihm (einem psychisch so differenzierten Mann) sein.[74]

In einem Essay schrieb der US-amerikanische Politikwissenschaftler Daniel Goldhagen über Grass’ „politisches Flugblatt“, er kaue „nicht anders als jene am Stammtisch, die kulturellen Klischees und Vorurteile seiner Zeit“ durch. Über die Existenz dieser (israelischen) Atomwaffen sei in Wahrheit jeder im Bilde und sie werde routinemäßig diskutiert. Grass führe „die Perversion - die Verkehrung von Opfern zu Tätern - auf ein neues Niveau.“ Goldhagen bezieht sich zustimmend auf Grass’ Aussage, es sei Deutschlands Verantwortung, einen weiteren Genozid zu verhindern und fährt fort: „Doch er (Grass) sagt dies nicht im Hinblick auf einen möglichen Genozid an dem Volk, das erneut regelmäßig bedroht wird, das der Juden nämlich, die von Deutschen einst ermordet wurden und gegen die eine Atomwaffe durchaus zum Einsatz kommen könnte, wenn sie in die Hände des tausendjährigen iranischen Regimes gelangt.“[75]

Alfred Grosser deutete Grass’ Gedicht ausschließlich als Kritik an der israelischen Regierung und gab seinen Aussagen inhaltlich recht. Er widersprach der Behauptung, das Gedicht sei antisemitisch, und wandte sich dabei namentlich gegen Reich-Ranicki. Zwar gebe es in der Tat kein Tabu, Kritik an israelischer Politik zu äußern, es werde darauf jedoch zu schnell mit Antisemitismusvorwürfen reagiert. Zur französischen Reaktion bemerkte er, man könne die „ganze Emotion in Deutschland“ nicht verstehen. Es habe lediglich ein paar kleinere, eher Grass zustimmende, Artikel gegeben.[76]

Der US-amerikanische jüdische Politologe Peter Beinart schrieb im Stern, der Text sei „verstörend“. Grass bediene sich „nationalsozialistischen Vokabulars“, wenn er davon spreche, Israel wolle das iranische Volk «auslöschen». Durch die „Gleichsetzung israelischer Politik mit dem Holocaust“ untergrabe Grass „jedes seiner vielleicht richtigen Argumente." Beinart übte scharfe Kritik an der Regierung Netanjahu, vor allem hinsichtlich ihrer Siedlungspolitik.[77]

Hamid Dabashi – iranisch-amerikanischer Historiker und Literaturwissenschaftler – arbeitete den nicht abgeschlossenen post-kolonialen europäischen Diskurs heraus, in dem Israel als eines der letzten Objekte der europäischen Verbrechen in der Welt, selbst als Resultat dieser, besteht. Dabashi untersucht weiterhin das Gedicht selbst und kommt nach Berücksichtigung historischer und politische Aspekte zu dem Urteil, dass der Vorwurf des Antisemitismus gegen Grass haltlos sei.[78]

Nach Auffassung des US-amerikanischen Historikers Fritz Stern ist das Gedicht eine „ungeheure Selbstverwundung,“ die „der Sache“ geschadet habe. Er kenne Grass persönlich aus den 1960er und 70er Jahren, sei sehr beeindruckt von der Blechtrommel und habe sein politisches Engagement geschätzt. „Er hat sich schon seit langer Zeit als Moralapostel aufgespielt,“ konstatiert Stern. Seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS „als Halbwüchsiger“ in den Mittelpunkt zu stellen, sei unfair „wie überhaupt die ganze Debatte in Deutschland.“ Besonders störe ihn „das exzessive ad personam“ und der Antisemitismus-Vorwurf. Zu glauben, wer Israel kritisiere sei deshalb ein Antisemit, hält er für „gefährlichen Blödsinn.“ Das Gedicht enthalte einige richtige Aussagen oder Ansichten - und sehr viele falsche. „Es war eine Provokation“, auch weil Grass versucht habe, es gleichzeitig international zu publizieren. Naivität könne man ihm nicht zubillligen. Die Verwendung „historisch belasteter Begriffe“ wie «Auslöschung» und das „Gleichsetzen von Israel mit Iran“, nannte er „bedrückend“. Scharf verurteilte er die offizielle Antwort des israelischen Innenministers. Ihn (Grass) so wichtig zu nehmen, dass ihm die Einreise verweigert werde, zeige „autistische Arroganz, die toll und gefährlich ist.“ Kritik an der israelischen Politik sei ein „Akt der Solidarität“.[79]

Stellungnahmen von Grass

Günter Grass sagte im NDR in einer ersten Stellungnahme am 5. April 2012, dass „alte Klischees bemüht“ würden, die zum Teil verletzend seien: „Es wird sofort, was ja auch zu vermuten war, mit dem Begriff Antisemitismus gearbeitet.“ Weiter kritisierte er, dass „in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht und eine Weigerung, auf den Inhalt, die Fragestellungen, die ich hier anführe, überhaupt einzugehen.“ So stehe in einer „der Springer-Zeitungen“ der ‚ewige Antisemit‘, das „eine Umkehrung des ‚ewigen Juden‘“ sei. Dies empfinde er als „verletzend“ und „demokratischer Presse nicht würdig“. Zum Vorwurf des Antisemitismus sagte Grass, dass er seinen Kritikern einen Blick in seine Bücher empfehle, „in denen ich immer wieder den deutschen Antisemitismus kritisiert habe.“[42]

In einem Interview mit Tom Buhrow in den tagesthemen vertrat er die These, ein Präventivschlag sei „das Aufkündigen des diplomatischen Verhaltens“, das „uns unter anderem über sechs Jahrzehnte Frieden in Europa garantiert“ habe. Ein israelischer „Angriff auf eine iranische Atomanlage“ würde zu einem „atomaren GAU“ führen und wäre als „Ausweitung eines Konflikts in einer ohnehin instabilen Region […] äußerst gemeingefährlich.“ Zu der Frage nach möglichen wohlwollenden Kommentaren „aus der rechten Ecke“, sagte Grass: „Mein Standpunkt ist: Nur keine Angst vor dem Beifall der falschen Seite. Wenn man dem folgt, verbietet man sich selbst das Maul.“ Außerdem betonte er, er habe zahlreiche zustimmende E-Mails erhalten. Der Begriff des Schweigens stehe im Mittelpunkt seines Gedichtes. „Dieses Aussparen, dieses feige sich Wegducken, das schlägt schon in Nibelungentreue um.“ 'Ja keine Kritik an Israel’ sei das schlimmste, was man Israel antuen könne. Er wolle mit seinem Gedicht und Aufruf auch die Warnungen des Verteidigungsministers de Maiziere vor einem militärischen Konflikt mit dem Iran unterstützen, entgegnete er auf eine entsprechende Frage Buhrows. Hier (in Deutschland) werde verschwiegen, dass Israel Atommacht sei. Dagegen seien der „Blödsinn und die Lügen“, die Mahmud Ahmadinedschad von sich gebe, bekannt. Anschließend begründete er, warum er in dem Gedicht von der „Heuchelei des Westens“ spreche. „Wieviele Diktaturen von der Qualität des Iran sind vom Westen unterstützt worden,“ nur weil sie antikommunistisch gewesen seien. Der Iran habe nicht die Macht, den Weltfrieden zu gefährden, Israel habe das Potenzial dazu. Da die „illegale“ Siedlungspolitik von vielen kritisiert werde, „steht sie hier (in dem Gedicht) nicht drin.“ Er äußere sich zum ersten mal in diesem Umfang kritisch über Israel, weil er der Auffassung sei, man müsse zunächst vor der eigenen Tür kehren. Zum Schluss wünschte er sich eine „weniger gleichgeschaltete Presse“.[80] [81]

Im 3sat-Kulturmagazin Kulturzeit sagte er, er wolle sein Gedicht „auf keinen Fall widerrufen“, räumte jedoch einen Fehler ein: Es wäre besser gewesen, nicht von Israel generell zu sprechen, sondern von der „derzeitigen Regierung Israels“. Die Lieferung „eines sechsten U-Boots an Jerusalem“ durch Deutschland sei jedoch „eine falsche Form der Wiedergutmachung“.[42]

Auch der Süddeutschen Zeitung gab er ein Interview und machte deutlich, er sei es gewohnt, dass seine Werke zum Teil auf heftige Kritik stoßen. Enttäuscht sei er jedoch darüber, dass „der kränkende und pauschale Vorwurf des Antisemitismus“ gegen ihn erhoben worden ist. Nicht er sei ein Friedensstörer, sondern die derzeitige Regierung in Israel, die mit „dem Iran und der Vermutung, dass dort eine Atombombe gebaut wird, einen Popanz“ aufbauen würde. Er hoffe aber, dass sich die Debatte mit einem gewissen Abstand versachliche und über die Inhalte seines Gedichtes diskutiert würde. Zu den wiederholten Vorwürfen über seine NS-Vergangenheit sagte er, wie jüngere Menschen über einen Mann urteilen könnten, der im Alter von 17 Jahren in die Waffen-SS gezogen wurde und sich nicht freiwillig gemeldet habe: „Dies tut eine Generation, die von ihren Freiheitsrechten, die sie heute hat, meiner Meinung nach viel zu wenig Gebrauch macht.“[82]

Grass reagierte auf das gegen ihn auf Grund des Gedichtes ausgesprochene Einreiseverbot nach Israel mit dem Text „Damals wie heute - Meine Antwort auf jüngste Beschlüsse“ in der Süddeutschen Zeitung, in welchem er die gegen ihn verhängten Einreiseverbote – durch die Diktaturen DDR und Birma und das demokratische Israel – und die späteren Entwicklungen in diesen Staaten reflektiert. Er äußerte, dass der Tonfall des israelischen Innenministers ihn an das Verdikt des Chefs der DDR-Staatssicherheit, Erich Mielke, erinnere.[83]

Einzelnachweise

  1. Günter Grass holt gegen Israel aus. Spiegel Online vom 4. April 2012
  2. Germanist: Günter Grass spricht als Dichter, Helmuth Kiesel in: Westfälische Nachrichten vom 5. April 2012
  3. Josef Joffe: Grass-Gedicht: Günters neue Freunde. Zeit online am 13. April 2012.
  4. a b Hans-Christian Rößler: „Anständige Leute sollten die Aussagen verurteilen“, faz.net am 5. April 2012, abgerufen am 6. April 2012
  5. Der Gesandte Emmanuel Nahshon zur Veröffentlichung Günter Grass, Botschaft des Staates Israel in Berlin vom 4. April 2012
  6. Martina Doering: „Günter Grass versteht nicht, worum es geht“. In: Frankfurter Rundschau online vom 5. April 2012
  7. Michel Friedmann zu Günter Grass Israel-Kritik: Grass-Gedicht ein „aggressives Pamphlet der Agitation“, focus. de am 4. April 2012, abgerufen am 6. April 2012
  8. Stellungnahme zum Gedicht von Günter Grass, Stellungnahme der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. vom 5. April 2012
  9. Politisches Gedicht. Klarsfeld wirft Grass Hitler-Analogie vor. Zeit-onine 6. April 2012
  10. Wirbel um Grass-Gedicht zu Israel. Orf.at am 4. April 2012
  11. Israel-Kritik von Grass stößt auf Empörung, Zeit Online vom 4. April 2012
  12. Eine gestörte Beziehung zu Israel, Frankfurter Rundschau vom 4. April 2011.
  13. Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Die Linke vom 4. April 2012, abgerufen am 6. April 2012
  14. Florian Gathmann, Philipp Wittrock: Grass’ Israel-Schelte. Dichter im Abseits. Spiegel Online vom 4. April 2012
  15. Mit Goethe für Grass: VS-Vorsitzender kritisiert einseitige Kritik der Generäle, verdi.de am 5. April 2012
  16. Debatte um Israel-Gedicht: Grass erntet Lob vom Iran und der Friedensbewegung. Stern online am 7. April 2012
  17. Ostermärsche für den Frieden und für Grass, tagesschau.de am 7. April 2012
  18. http://www.stern.de/politik/deutschland/debatte-um-israel-gedicht-grass-erntet-lob-vom-iran-und-der-friedensbewegung-1810648.html stern.de. 7. April 2012.
  19. Außenminister Westerwelle antwortet Günter Grass. Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen ist absurd. Bild am Sonntag online am 8. April 2012
  20. Grass erhält Einreiseverbot in Israel Zeit Online, 8. April 2012. Abgerufen am 8. April 2012
  21. Israels Innenminister bietet Grass Treffen an neutralem Ort an, Spiegel Online vom 12. April 2012
  22. Einreiseverbot für Grass, "Damit rückt Israel sich in die Nähe Irans" Spiegel Online, 8. April 2012. Abgerufen am 8. April 2012
  23. Kritik am Einreiseverbot auch in Israel. Frankfurter Rundschau online vom 10 April 2012
  24. Presseschau zum Einreiseverbot für Grass. tagesschau.de, 10. April 2012, abgerufen am 10. April 2012.
  25. Israel-Gedicht. Politiker distanzieren sich von Günter Grass. Handelsblatt am 9. April 2012
  26. Thierse: Kritische Meinung zu Israel darf nicht Antisemitismusvorwurf folgen, Deutschlandfunk am 10. April 2012
  27. Gabriel verteidigt Grass gegen „hysterische“ Kritik. Spiegel online, Vorankündigung eines Interviews in der Printausgabe vom 16. April 2012, am 15. April 2012
  28. Streit über Israel-Gedicht: "Grass wird wie ein Aussätziger behandelt", Spiegel Online am 12. April 2012
  29. Frank Schirrmacher: Was Grass uns sagen will. faz.net am 4. April 2012, abgerufen am 4. April 2012
  30. Der lyrische Präventivschlag des Günter Grass, Zeit.de vom 4. April 2012
  31. Interview mit Günter Grass (II): "Amerikakritik ist ein Freundschaftsdienst", Spiegel Online vom 10. Oktober 2001
  32. Umstrittenes Grass-Interview. Segev-Stellungnahme im Wortlaut, Spiegel Online vom 3. September 2011
  33. Henryk M. Broder: Günter Grass – Nicht ganz dicht, aber ein Dichter, Welt, 4. April 2012, abgerufen am 4. April 2012
  34. Polit-Poem. Israel kritisiert Grass-Gedicht. Financial Times Deutschland online am 4. April 2012
  35. Kommentar: Friedenspreis statt Schelte für Günter Grass, tagesschau.de vom 4. April 2012
  36. Grass-Gedicht über Israel: Lyrischer Erstschlag, Spiegel Online vom 4. April 2012
  37. So falsch liegt Günter Grass, C. Sydow in Spiegel Online vom 4. April 2012
  38. Jakob Augstein: Es musste gesagt werden Spiegel Online, 6. April 2012. Abgerufen am 6. April 2012
  39. Günter Grass – ein Kreis schließt sich, tagesspiegel.de vom 4. April 2012
  40. Israel-kritisches Gedicht sorgt für Empörung, Stern.de vom 4. April 2012
  41. Hans Kundnani: Günter Grass and changing German attitudes towards Israel, guardian.co.uk am 5. April 2012, abgerufen am 5. April 2012.
  42. a b c Günter Grass beklagt „Gleichschaltung der Meinung, Spiegel Online vom 5. April 2012.
  43. Grass’ Anti-Israel-Gedicht steckt voller NS-Stereotypen, Berliner Morgenpost vom 4. April 2012.
  44. Micha Brumlik: Der an seiner Schuld würgt. In: TAZ 5./6. 1012
  45. Grass wehrt sich gegen Kritik an umstrittenem Gedicht, tagesschau.de vom 5. April 2012
  46. Julia Jakob: Die Reaktionen auf das Grass Gedicht (Audio), Ndr, 4. April 2012.
  47. Reaktion des Gesandten in Berlin. Israel verdammt Grass-Gedicht, Spiegel Online vom 4. April 2012
  48. Medienrummel im Hause Grass. Kritik weltweit. Welt online, 6. April 2012
  49. Reaktionen: Staeck verteidigt Grass, Spiegel Online vom 5. April 2012
  50. Staeck: Künstler müssen sich einmischen, Deutschlandradio Kultur vom 5. April 2012
  51. Kitschig und pathetisch:Günther Grass hat nicht zufällig die Gedichtform gewählt, Deutschlandradio Kultur vom 4. April 2012
  52. Marcel Reich-Ranicki über Grass. Es ist ein ekelhaftes Gedicht. FAZ online vom 8. April 2012
  53. Reaktionen auf Günter Grass. Hat der alte Deutsche sein Haupt erhoben? FAZ online vom 5. April 2012
  54. Louis Begley: Was nicht hätte geschrieben werden müssen, faz.net am 10. April 2012, abgerufen am 11. April 2012
  55. Kommentar zum Grass-Gedicht: Wieso schützt ihr nicht alle?, Frankfurter Rundschau vom 7. April 2012
  56. Harsche Reaktion auf Anti-Israel-Gedicht. Eli Amir – Günter Grass soll keinen „Hass sähen“. Focus online am 6. April 2012
  57. Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer verteidigt Günter Grass, Leipziger Volkszeitung Online am 4. April 2012
  58. Schriftsteller zu Grass: Intellektuelle Senkgrube, FAZ vom 6. April 2012
  59. Rolf Hochhuth schreibt Grass. Merkur online am 7. April 2012
  60. Biermann über Grass „Stümperhafte Prosa. Eine literarische Todsünde“, Welt am Sonntag vom 8. April 2012
  61. Adolf Muschg: Nicht diese Töne, Der Sonntag, 7. April 2012
  62. Durs Grünbein: „Er ist ein Prediger mit dem Holzhammer.“ Faz online am 11. April 2011
  63. Interview mit Yoram Kaniuk: „Es lebt sich schwer mit dem Holocaust.“ Die Welt online am 11. April 2012
  64. NP-Interview: Uri Avnery zum Fall Günter Grass: „Total unnötig“. Neue Presse online am 10. April 2012
  65. Kritik-Verbot an Israel ist antisemitisch Süddeutsche Zeitung vom 9. April 2012
  66. Autor Dave Eggers bleibt Ehrung der Bremer Günter-Grass-Stifung fern. Weser Kurier online am 12. April 2012
  67. Israelischer Historiker hält Günter Grass für „pathetisch“ und „egozentrisch“, Deutschlandradio Kultur vom 4. April 2012
  68. Interview mit Tom Segev: Historiker Tom Segev. Grass denkt an sein SS-Schweigen. In: Spiegel online 5. April 2012
  69. Historiker Wolffsohn über Grass-Gedicht
  70. Moshe Zuckermann: Eine gut orchestrierte Hysterie. In: Was auch gesagt werden muss. Der Hintergrund online am 6. April 2012
  71. Moshe Zuckermann: Ich sage, wer Antisemit ist. In: taz vom 10. April 2012
  72. Raphael Gross: Debatte um Grass-Gedicht. Antisemitismus ohne Antisemiten. Berliner Zeitung online am 7. April 2012
  73. Historiker Gross nennt Grass-Gedicht „Hassgesang“. Stern online vom 7. April 2012
  74. Grass: Premier Netanjahu schafft Israel mehr und mehr Feinde, hier: Audioversion des Patzelt-Interviews, Deutschlandradio am 7. April 2012
  75. Daniel Jonah Goldhagen: Grass – Ignorant oder berechnender Zyniker? Welt online am 7. April 2012
  76. Interview mit Alfred Grosser auf süddeutsche.de am 10. April 2012, abgerufen am 10. April 2012
  77. Stern-Interview mit US-Politologe Beinart: „Grass untergräbt seine Argumente“ Stern online am 11. April 2012
  78. Vgl. Hamid Dabashi : Günter Grass, Israel and the crime of poetry, in: aljazeera.com vom 10. April 2012 (abgerufen am 10. April 2012)
  79. Interview: Fritz Stern zum Fall Grass. Eine Provokation mit bedrückendem Ergebnis, FAZ online vom 13. April 2012, Printausgabe 14. April 2012
  80. Interview mit Günter Grass von Tom Buhrow, Videoaufzeichnung von tagesschau.de am 5. April 2012
  81. Der Dichter wehrt sich, Spiegel Online vom 5. April 2012
  82. Grass präzisiert Kritik an Israel, Süddeutsche.de vom 6. April 2012
  83. Günter Grass reagiert auf Israels Einreiseverbot - „Wie bei Minister Mielke“; Süddeutsche.de, abgerufen am 12. April 2012.