„Schwarzerde“ – Versionsunterschied

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== Boden des Jahres 2005 ==
== Boden des Jahres 2005 ==
Anlässlich des [[Weltbodentag]]es am 5. Dezember wurde 2004 die Schwarzerde zum [[Boden des Jahres]] 2005 ausgerufen.
Anlässlich des [[Weltbodentag]]es am 5. Dezember wurde 2004 die Schwarzerde zum [[Boden des Jahres]] 2005 ausgerufen. LOL


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 6. Dezember 2013, 09:52 Uhr

Schwarzerdeboden in Westrussland

Die Schwarzerde (auch: Tschernosem von russisch чернозём [t͡ʃɪrnʌˈzjom]) ist ein Bodentyp, der sich unter bestimmten Bedingungen auf kalkreichen Lockermaterialien wie Löss bildet. Sie ist der dominante Boden im Steppengürtel der Nordhalbkugel und gehört zu den weltweit fruchtbarsten Standorten. Vorkommen finden sich auch in Mitteleuropa. Namensgebend ist der mächtige von Humus schwarz gefärbte Oberboden. Der Bodentyp wird in die Klasse T (Schwarzerden) eingeteilt. Seine Abkürzung ist TT.

Entstehung

Lackprofil des Aseler Waldes, einem der wenigen deutschen Wälder auf Schwarzerde

Auf kalkreichen Lockermaterialien kommt es durch die Ansiedlung von Pionierpflanzen zur Bildung eines dünnen humosen Horizonts (Bodentyp Lockersyrosem). Sobald dieser über 2 cm mächtig ist, geht der Boden in das nächste Stadium der Bodenentwicklung über, die Pararendzina. Aus diesem können sich in Folge verschiedene Bodentypen bilden: Braunerden, Parabraunerden oder Schwarzerden.

Klassische Lehrmeinung

Nach der klassischen Lehrmeinung müssen fünf Faktoren gleichzeitig zutreffen, wenn sich eine Pararendzina zu einer Schwarzerde entwickeln soll:

Demnach entwickelt sich im Frühjahr unter günstigen Feuchtigkeits- und Temperaturbedingungen eine üppige Steppenvegetation (vor allem Gräser), die viel organisches Material für die Humusbildung liefert. Im trockenen, warmen Sommer geht die Produktion organischer Substanz zurück. Gleichzeitig ist aber der Abbau durch die Trockenheit gehemmt. Dem kurzen, feuchten Herbst folgt ein langer, sehr kalter Winter, in dem die Umsetzung der organischen Substanz ruht. Damit wird langfristig mehr organische Masse produziert, als abgebaut, wodurch sich Humus im Boden akkumuliert.

Die extremen Klimaschwankungen nehmen auch Einfluss auf die Bodentiere. Durch das hohe Angebot pflanzlicher Nahrung kommen zahlreiche Arten vor. Sehr bedeutend sind hier endogäische Regenwürmer, Steppenmurmeltiere oder Feldhamster. Während des heiß-trockenen Sommers und des eisig-schneereichen Winters müssen diese sich tief in den Boden zurückziehen. Dies bewirkt die typische intensive Wühltätigkeit, die den gesamten Oberboden homogenisiert (Bioturbation). Humoses Material wird so mit der Zeit tief in den Boden eingearbeitet. Der tief-schwarze Oberboden kann dadurch eine Mächtigkeit von 60-80 cm erreichen. Im Übergangsbereich zum Ausgangsmaterial finden sich stets vereinzelte, tiefergehende Gänge, die sich nach der Aufgabe mit humosem Material füllen. Diese sind charakteristisch für Schwarzerden und werden Krotowinen genannt von russisch Krot (Maulwurf).

Die Wasserverhältnisse sind ebenfalls entscheidend. Über das gesamte Jahr gesehen sind die Niederschläge so gering, dass sie zwar das Wachstum von Steppenpflanzen ermöglichen, es aber zu keiner tiefgreifenden Versickerung kommt. Es stagniert vielmehr in geringer Tiefe. Somit bleiben Kalk und Nährstoffe im Boden. Es kann zu sekundären Kalkausfällungen (Kalkkonkretionen, „Lösskindel“) kommen.

Weiterentwicklung zur Parabraunerde

Wird das Klima maritimer und damit feuchter, so kommt es zu einem regelmäßigem Sickerwasserstrom. Außerdem verschwindet die Steppenvegetation. In Folge kommt es zu folgenden Prozessen der Degradierung:

Degradierte Schwarzerden (früher Griserde) gehören zu den Parabraunerden .

Alternative Entstehungstheorien

Die Theorie ist in jüngerer Zeit angezweifelt worden, weil die C14-Alter von Schwarzerden mit 3000 bis 7000 Jahren vor heute (BP) hoch sind. Die Umsatzrate der organischen Substanz ist nach ökologischen Untersuchungen in der Steppe mit 30 bis 100 Jahren dagegen kurz. Mit den Steppenbedingungen wäre damit eine Fixierung des Kohlenstoffs nicht zu erklären. Die heutige Bindung der Schwarzerden an die Steppen zeigt die Erhaltungs-, aber nicht die Bildungsbedingungen. Nach heutigem Kenntnisstand sind Schwarzerden so tiefschwarz, da sie deutliche Anteile (10-40 % der organischen Substanz) an pyrogenem Kohlenstoff enthalten. Dieser entsteht bei unvollständiger Verbrennung oder Verschwelung und wird auch als black carbon bezeichnet. Auch in Steppen kommt es regelmäßig zu Bränden. Es ist gesichert, dass die Bioturbation, sichtbar in Form von Wühlgängen (Krotowinen), zwar ein deutliches Profilmerkmal ist, aber nicht die vollständige Durchmischung des Oberbodens bewirkt. Die Einwaschung und Verlagerung der organischen Substanz ist demnach wichtiger als die Durchmischung. Die Verbreitung der Schwarzerden ist in Mitteleuropa eng an die neolithischen Siedlungsgebiete gebunden. In Detailkartierung ist hier eine auf wenige Dekameter genaue Bindung nachzuweisen. Eine Entstehung der Schwarzerden vor dem Neolithikum ist durch nichts gesichert.

Verbreitung

Weltweite Verbreitung von Tschernosemen (einem WRB-Bodentyp aus der Schwarzerdeklasse)

Die Schwarzerde ist in ihrer Reinform der typische Boden der Steppengebiete mit warmem Sommer und kaltem Winter. Die größten Schwarzerdegebiete befinden sich in den Steppen Ungarns (Puszta), Rumäniens (Bărăgan), der Ukraine, Russlands und Kasachstans bis in die Mongolei sowie in den Steppen Nordamerikas (Prärien).

Darüber hinaus kommen Schwarzerden auch vereinzelt in anderen Zonen wie Mitteleuropa und der Taiga vor.

Schwarzerden in Mitteleuropa

In Deutschland finden sich Schwarzerden zum Beispiel in der Magdeburger Börde, der Hildesheimer Börde und im Thüringer Becken; in Österreich beispielsweise im Weinviertel oder im nördlichen Burgenland.

Diese Regionen weisen aber von den fünf benötigten Faktoren der Schwarzerdebildung nur einen auf (Ausgangsmaterial Löss). Die klassische Erklärung lautet, dass diese Schwarzerden ein Relikt früherer Klimabedingungen darstellen. Demnach entstanden die Böden während des Boreals vor knapp 10.000 Jahren, als das Wetter Mitteleuropas wesentlich trockener und kontinentaler war.

Dieses Argument fügt sich in die klassische Lehrmeinung über die Entstehung: Je weiter westlich eine Lössablagerung in Mitteleuropa liegt, desto maritimer und feuchter ist das Klima. Gleichzeitig wird die Mächtigkeit des humosen Oberbodens nach Westen hin immer geringer (schlechtere Bildungsbedingungen und kürzerer Entstehungszeitraum) und nimmt der Schwarzerdecharakter der Standorte durch Entkalkung, Mineralisierung und Tonauswaschung ab.

Das abgedeckte Schwarzerdeprofil Asel

Am westlichsten liegen die Lössablagerungen in der Kölner Bucht und bei Osnabrück (sowie in Belgien oder Frankreich). Die dortigen Böden sind Parabraunerden und zeigen nahezu keine Schwarzerdeeigenschaften. Östlich schließt sich die Hildesheimer Börde an, wo sich Parabraunerden mit einer Tendenz zur Schwarzerde finden. Wiederum weiter im Osten befindet sich die Magdeburger Börde. Dort dominieren Schwarzerden mit Tendenz zur Parabraunerde. Schwarzerden in Reinform finden sich ganz im Osten Deutschlands sowie im Thüringer Becken im Regenschatten des Harzes. Dort liegen die niedrigsten Niederschläge vor, gekoppelt mit dem kontinentalsten Klima.

In Asel in der Hildesheimer Börde befindet sich das Naturdenkmal Schwarzerdeprofil Asel mit einer Informationstafel. Es ist der einzige Boden, der in Niedersachsen als Naturdenkmal ausgewiesen ist.

Horizontierung

Die Schwarzerde ist ein Boden mit zwei Horizonten (Axh/lC). Durch die charakteristischen Krotowinen kommt es in aller Regel zu einer Verzahnung (Axh/Axh+lC/lC) zwischen Oberboden (Axh) und Ausgangsmaterial (lC).

  • Axh: Der Oberbodenhorizont (A) ist kalkhaltig und mindestens 40 cm mächtig (meist deutlich mehr; teilweise über 1 m). Er ist humos (h) und stark von Tieren (biogen) durchmischt (x).
  • lC: Das Ausgangsmaterial (C) ist locker (l) und ebenfalls kalkhaltig (meist Löss).

Da Schwarzerden sehr fruchtbar sind, werden sie häufig landwirtschaftlich genutzt. In diesem Fall entsteht an der Oberfläche ein weiterer Horizont (Ap/Axh/lC).

  • Ap: Gepflügter (p) Oberbodenhorizont (A) von etwa 30 cm Mächtigkeit.

Bodentypen der Schwarzerdeklasse

In der Deutschen Bodensystematik bilden Schwarzerden eine eigene Klasse mit den beiden Typen Tschernosem und Kalktschernosem, wobei letzterer im Oberboden carbonathaltig ist.

In der internationalen Klassifizierung World Reference Base sind die Schwarzerden in Chernozem (typisches Steppenklima: Langgrassteppe), Kastanozem (trockeneres Steppenklima: Kurzgrassteppe) und Phaeozem (feuchtes Steppenklima: Steppe mit Baumgruppen) unterteilt. Sie sind stärker über ihre tiefdunkle Farbe als über die Mächtigkeit des humosen Horizonts definiert.

Eigenschaften, Nutzung und Bodenfunktionen

Mit der Hand gedrehte Teigrolle aus Schwarzerde

Schwarzerden auf Löss sind in Mitteleuropa in den A-Horizonten häufig mit ca. 25 bis 30 % Tongehalt tonreicher als die darunterfolgenden Horizonte. Dies liegt an der relativ weit fortgeschrittenen Verwitterung des Lösses. Sie haben im Grundsatz gute Standortbedingungen:

Dadurch bieten sie Pflanzen gute Wachstumsbedingungen und sind gleichzeitig gut zu bearbeiten. Ihre Ackerzahl liegt in Deutschland oft im Bereich deutlich über 90, wobei sich auf den Schwarzerden der Magdeburger Börde die ertragsstärksten Böden des Landes finden (100 von 100 möglichen Punkten). Es sind allerdings einige Einschränkungen zu nennen:

  • Die Gebiete mit klimatischen Erhaltungsbedingungen sind problematisch, da es regelmäßig zu Dürren kommen kann.
  • Die genannten erhöhten Tongehalte wirken sich bei intensiver Nutzung durch Neigung zur Bodenverdichtung negativ aus. So sind die Schwarzerden zum Beispiel der Hildesheimer Börde häufig stark verdichtet.
  • Die Schwarzerden sind außerdem bei Reliefenergie erosionsgefährdet, da Schluff im Vergleich zu Ton und Sand weniger stabil ist. Auf diese Weise sind in der Magdeburger Börde durch die weitgehende Abtragung (Erosion) der Schwarzerden bereits viele Standorte in die Vorstufe der Bodenentwicklung (Pararendzina; A-Horizont < 40 cm) zurückgesetzt worden.
  • Die Schwarzerden der Hildesheimer Börde zeigten in den 1960er bis 1990er Jahren trotz Düngung verbreitet einen Kaliummangel.
  • In eng besiedelten Gebieten ist die Schwarzerde auch durch Überbauung stark gefährdet.

Aufgrund des hohen Alters ist die Schwarzerde ein Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Durch das nur inselhafte Vorkommen in Mitteleuropa ist die Schwarzerde hier ein seltener Boden.

Boden des Jahres 2005

Anlässlich des Weltbodentages am 5. Dezember wurde 2004 die Schwarzerde zum Boden des Jahres 2005 ausgerufen. LOL

Literatur

  • Kossowitsch, P. (1911): Die Schwarzerde (Tschernosiom). - Internationale Mitteilungen für Bodenkunde, 1, 3/4: 199–354.
  • Gehrt, E., Geschwinde, M. & Schmidt, M.W.I. (2002): Neolithikum, Feuer und Tschernosem - oder: Was haben die Linienbandkeramiker mit der Schwarzerde zu tun? Archäologisches Korrespondenzblatt 32, 21-30.
  • Eckmeier, Eileen (2003): Gibt es Schwarzerden im Rheinland? Eine Spurensuche im Labor. In: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Archäologie im Rheinland 2002. Theiss-Verlag, Stuttgart, 204-206.
  • Roeschmann, G. (1968): Pseudogley-Tschernoseme und deren Übergangsbildungen zu Parabraunerden im Lößgebiet der Hildesheimer Börde.- Geologisches Jahrbuch 85: 841-860; Hannover.
  • Schmidt, M.W.I., Skjemstad, J.O., Gehrt, E. & Kögel-Knabner, I. (1999): Charred organic carbon in German chernozemic soils. - European Journal of Soil Science, 50: 351-365.
  • Brodowski, S.; John, B.; Flessa, H. & Amelung, W. (2006): Aggregate-occluded black carbon in soil. - European Journal of Soil Science, 57: 539–546.
  • Altermann, Manfred; Rinklebe, Jörg; Merbach, Ines; Körschens, Martin; Langer, Uwe & Hofmann, Bodo (2005): Chernozem - Soil of the Year 2005. - Journal of Plant Nutrition and Soil Science, 168: 725–740.
  • Gerlach, Renate, Eckmeier, Eileen (2012): Das Problem der „Schwarzerden“ im Rheinland im archäologischen Kontext - Ein Resümee. In: Stobbe, Astrid und Tegtmeier, Ursula (Hrsg.): Verzweigungen. Eine Würdigung für A.J. Kalis und J. Meurers-Balke. Frankfurter Archäologische Schriften 18. Verlag Dr. Habelt GmbH, Bonn 2012. S. 105-124.
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