Bibliothekssigel

Ein Bibliothekssigel ist ein eindeutiger Identifikator für Bibliotheken und verwandte Einrichtungen (z. B. Archive und Museen). Die Sigel werden in vielen Ländern von zentralen Stellen vergeben und vor allem in Verbundkatalogen, bei der Fernleihe und zum Datenaustausch verwendet. Das internationale System für Bibliothekssigel bildet seit 2003 der International Standard Identifier for Libraries and Related Organisations (ISIL) gemäß ISO 15511.

Verwendung

ISIL und Bibliothekssigel werden zunehmend als primäre Identifikatoren für Bibliotheken und verwandte Einrichtungen eingesetzt. Dabei wird langfristig angestrebt, auf Sigel zu verzichten und stattdessen nur noch ISIL zu verwenden. ISIL dienen unter anderem als MARC Organisationencodes zur Identifizierung von Einrichtungen, die direkt oder indirekt als Lieferanten von MARC-Daten tätig werden. Die Deutsche ISIL-Agentur ist damit zugleich Vergabestelle für diese Codes in Deutschland. Neben der eindeutigen Vergabe im internationalen Kontext sind ISIL auch besser für den Gebrauch als Kennzeichen in Internetanwendungen und anderen Softwaresystemen geeignet. Beispielsweise verwendet die ekz Reutlingen ISIL als Kennzeichen für die Datencodierung auf RFID-Chips. Um ISIL auch als Identifier im Rahmen des Semantic Web verwenden zu können, wurde der Namensraum info:isil beantragt, so dass jedes ISIL gleichzeitig als Uniform Resource Identifier (URI) formuliert werden kann.

Geschichte

Index zur Auflösung von Besitzkürzeln von 1914[1]
Erstes Sigelverzeichnis mit Adressen von 1929[2]

Ursprünglich wurden Bibliothekssigel Anfang des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Arbeit zum Preußischen Gesamtkatalog („System Althoff“) vergeben. Das System wurde unter der Ägide des „Auskunftsbüros der Deutschen Bibliotheken“ an der damals Königlichen Bibliothek, später Preußischen Staatsbibliothek verwaltet und für den Leihverkehr und Gesamtzeitschriftenverzeichnisse weiterentwickelt.

Im Jahre 2003 wurde als internationale Norm ISO 15511 das ISIL-System verabschiedet. ISIL steht für „International Standard Identifier for Libraries and Related Organizations“ („Internationale Standard-Kennzeichnung für Bibliotheken und verwandte Einrichtungen“). Das ISIL als international eindeutiges Kennung soll grenzüberschreitende bibliothekarische Dienstleistungen und den Datenaustausch vereinfachen. Alle bestehenden Bibliothekssigel werden auf neue ISIL abgebildet.

Vergabe

In Deutschland vergibt die Deutsche ISIL-Agentur und Sigelstelle an der Staatsbibliothek zu Berlin Bibliothekssigel und ISIL für Einrichtungen in Deutschland. Neben dem ISIL- und Sigelverzeichnis online gab sie bis 2009 alle zwei Jahre ein gedrucktes Sigelverzeichnis heraus.[3] Die Sigelvergabe für die Schweiz übernimmt das nationale ISIL-Zentrum der Schweizerischen Nationalbibliothek. In Österreich wird die Umstellung der Normen A 2657 und A 2656, nach denen Bibliothekssigel („ÖZDB-Sigel“) und Maschinenlesbare Kennung („BIK“) vergeben werden, auf ISIL vom Österreichischen Bibliothekenverbund durchgeführt.[4] Die Sigelstellen beziehungsweise ISIL-Agenturen der einzelnen Länder sind bei der ISIL Registration Authority registriert, die ihren Sitz an der Danish Agency for Libraries and Media in Kopenhagen hat. Zusätzlich zu den nationalen ISIL-Agenturen gibt es derzeit drei Agenturen, die unabhängig von nationaler Zugehörigkeit ISIL vergeben können: OCLC betreibt mit WorldCat Registry ein eigenes internationales Bibliotheksverzeichnis und bindet seine Identifier mit dem Präfix OCLC in das ISIL-System ein. Die Zeitschriftendatenbank vergibt ISIL mit dem Präfix ZDB für virtuelle Sammlungen von elektronischen Publikationen (auch „Produktsigel“ genannt), unter anderem im Rahmen der Nationallizenzen und für an der ZDB teilnehmende ausländische Bibliotheken, für die bisher kein nationales ISIL vergeben ist. Die Library of Congress kann mit dem Präfix M ebenfalls ISIL für Bibliotheken außerhalb der USA vergeben.

Struktur

ISIL

Ein ISIL besteht gemäß ISO 15511 aus drei Teilen:

  1. Einem Länderpräfix nach ISO 3166-1 bestehend aus zwei Buchstaben oder einem Nicht-Länderpräfix bestehend aus 1, 3 oder 4 Buchstaben. Als Zeichen sind ausschließlich A bis Z erlaubt. Die Präfixe werden von der ISIL Registration Authority den lokalen ISIL-Agenturen zugewiesen.
  2. Einem Bindestrich-Minus (-, ASCII-Code 45)
  3. Dem lokalen Institutionenkennzeichen, vergeben von der jeweiligen ISIL-Agentur. Als Zeichen sind die Buchstaben A bis Z und a bis z, die Ziffern 0 bis 9 sowie die Sonderzeichen Bindestrich-Minus (-), Schrägstrich (/, ASCII-Code 47) und Doppelpunkt (:, ASCII-Code 58) erlaubt. Die Bibliothekskennung darf höchstens 11 Zeichen umfassen.

Die Gesamtlänge eines ISIL ist auf 16 Zeichen begrenzt. ISIL-Agenturen können für ihren Namensraum die möglichen Zeichen weiter einschränken oder eine Unterstruktur vorgeben, so dass bereits bestehende Sigelsysteme teilweise übernommen werden können. Sofern die Unterstruktur eine geographische Gliederung widerspiegelt, empfiehlt der Standard, auf Codes aus ISO 3166-2 zurückzugreifen. Die Verwendung von Groß- und Kleinschreibung im Bibliothekskennzeichen ist den ISIL-Agenturen freigestellt; die vergebenen Kennungen müssen allerdings auch ohne diese Unterscheidung eindeutig sein. Zur Repräsentation eines ISIL als Uniform Resource Identifier (URI) wurde der Namensraum isil im Info-URI-Namensraum (RFC 4452[5]) beantragt.

Beispiele für ISIL
ISIL (URI) ISIL-Agentur Bibliothek
info:isil/DE-1 Deutschland Staatsbibliothek zu Berlin
info:isil/DE-Tue120 Deutsch-Amerikanisches Institut, Tübingen
info:isil/DE-7-022 Bibliothek des Geographischen Instituts der Universität Göttingen
info:isil/DE-mus-6 Ziffern Gemeinsames ISIL Kennzeichen der Museen
info:isil/CH-001025-1 Schweiz Bibliothek der Schweizer Sektion von Amnesty International, Bern
info:isil/AU-TS:RL Australien CSIRO Forestry and Forest Products, Tasmanien
info:isil/GB-XY/N-1 Großbritannien British Library Document Supply Centre Wetherby, West Yorkshire
info:isil/OCLC-BRI OCLC
info:isil/ZDB-1-OJD Zeitschriftendatenbank Oxford Journals Digital Archive (Nationallizenz)
info:isil/AT-AKW Österreich AK Bibliothek Wien für Sozialwissenschaften
info:isil/AT-KHMW-BIB Österreich Kunsthistorisches Museum Bibliothek, Wien

Deutsche Bibliothekssigel

Ausgehend von einer Durchnummerierung der preußischen Bibliotheken entwickelten sich verschiedene Formen von Bibliothekssigeln:[6]

  • Zahlensigel bestehen aus Zahlen, die in einigen Fällen durch Anhängebuchstaben zur Kennzeichnung von größeren Abteilungsbibliotheken erweitert wurden.
  • Ortssigel bestehen aus einem vorangestellten Ortskürzel aus Buchstaben sowie einer mit Leerzeichen angeschlossenen Zahl. Dahinter sind ebenfalls Kombinationen mit Buchstaben möglich.
  • Sigel für Institutsbibliotheken bestehen aus dem Sigel der Hauptbibliothek und davon mittels Schrägstrich abgetrennt einem Kennzeichen der Institutsbibliothek (meist als Zahl). Diese Sigel werden nicht mehr von der Sigelstelle, sondern direkt von der zuständigen Universitäts- oder Hochschulbibliothek vergeben.

Während diese Formen für den bibliothekarischen Alltag ihren Zweck gut erfüllten, ist die Anwendung als Identifikator in Datenbanken problematisch, da die Struktur eines Bibliothekssigels nicht so formal wie die eines ISIL definiert ist und Sonderzeichen wie Leerzeichen, Schrägstrich und Umlaute möglich sind. Zur Abbildung eines Sigels auf ein ISIL gibt es eine Heuristik; zur Sicherheit sollte jedoch besser im Sigelverzeichnis nachgeschlagen werden, da in Einzelfällen Abweichungen möglich sind.

Beispiele für Deutsche Bibliothekssigel
Sigel Typ Bibliothek
1 Zahlensigel Staatsbibliothek zu Berlin
5 N Zahlensigel Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abteilungsbibliothek Medizin, Naturwissenschaften und Landbau
B 451 Ortssigel US-Botschaft, Public Affairs / Information Resource Center
Tü 120 Ortssigel Deutsch-Amerikanisches Institut, Tübingen
7/039 Institutssigel Universität Göttingen, Zentrum Chirurgie, Abteilungsbibliothek Allgemeinchirurgie
Gö 39 a (veraltet)
188/144 Institutssigel FU Berlin, Bibliothek des John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien

Siehe auch

Literatur

  • Andreas M. Heise: Bemerkungen über Sigelverzeichnisse und Bibliothekssigel anlässlich des 100. Geburtstags des früheren Auskunftsbüros der Deutschen Bibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB). Band 51, Nr. 5/6, 2004, ISSN 0044-2380, S. 305–315; fh-potsdam.de (PDF).
  • ISO: Information and documentation – International Standard Identifier for Libraries and Related Organizations (ISIL). ISO 15511:2003
  • Sigelverzeichnis für die Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. 16. Ausgabe. De Gruyter, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-598-23471-2 (ISSN 0940-6921)[7] (doi:10.1515/9783110976076)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auskunftsbureau der Deutschen Bibliotheken (Hrsg.): Gesamt-Zeitschriftenverzeichnis. Königliche Bibliothek, Berlin 1914, S. XIV-XVII.
  2. Auskunftsbureau der Deutschen Bibliotheken (Hrsg.): Gesamtverzeichnis der ausländischen Zeitschriften (GAZ): 1914–1924. Preußische Staatsbibliothek, Berlin 1929, S. XI–XXXII.
  3. Gedrucktes Sigelverzeichnis wurde eingestellt. Staatsbibliothek Berlin, 30. Mai 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Juli 2021; abgerufen am 18. September 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/sigel.staatsbibliothek-berlin.de
  4. ISIL Registration Authority (Memento des Originals vom 4. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biblstandard.dk
  5. RFC 4452 – The “info” URI Scheme for Information Assets with Identifiers in Public Namespaces. April 2006 (englisch).
  6. Vergabe von Bibliothekssigeln. (Memento vom 28. März 2010 im Internet Archive) staatsbibliothek-berlin.de Stand vom 23. Oktober 2006.
  7. Deutsche ISIL-Agentur und Sigelstelle an der Staatsbibliothek zu Berlin. Abgerufen am 18. September 2020.