Volksmiliz (Russland)

Volksmiliz ist die Eigenbezeichnung freiwilliger paramilitärischer Truppen in der Ostukraine, die sich gegen die nach dem Sturz des Präsidenten Wiktor Janukowytsch ins Amt gekommene Übergangsregierung organisiert haben.

Entstehung

Sie selbst geben an, aus Bürgern der Ostukraine zu bestehen. Es handle sich um „Landwehren“ der örtlichen Bevölkerung. Diese Angabe unterstützt Russland. Die Vereinigten Staaten und die Ukraine gehen davon aus, dass es sich um Angehörige der russischen Streitkräfte handelt, legten dafür aber nur nicht nachprüfbare[1] Bildervergleiche als „Beweise“ vor.

Nach Informationen der FAZ gäbe es starke Indizien dafür, dass es sich um zumindest teilweise rekrutierte ausländische Krafte handeln soll. Die Gruppen würden in einheitlichen Uniformen ohne Abzeichen auftreten, gleiche Waffen haben und überaus koordiniert auftreten.

Der selbsternannte Volksbürgermeister von Slowjansk und Milizen-Führer Wjatscheslaw Ponomarjow sagte, er habe in der sowjetischen Armee gedient und dabei auch an Spezialoperationen teilgenommen, bevor er 1992 ausgeschieden sei. Gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria-Nowosti sagte er zu dem Charakter seiner Kräfte, es handle sich dabei hauptsächlich um Ortsansässige, es gäbe auch „Gesinnungsgenossen“ aus anderen Städten und Regionen, darunter ehemalige Sowjetarmee-Kameraden aus Russland, Moldawien und Kasachstan.[2]


Ausrüstung

Der „Volksbürgermeister“ Ponomarjow soll gegenüber Journalisten angegeben haben, dass seine Leute neben Jagdwaffen, Pistolen und Maschinengewehren auch Granatwerfer hätten.[3].

Ziele

Das Magazin Der Spiegel berichtete über die Bevölkerung und die Angehörigen der Volksmiliz in Donezk, die Bezeichnungen als „Separatisten“ oder „prorussische Aktivisten“ seien unzutreffend. Die Ziele der örtlichen, die Milizen teilweise unterstützenden Bevölkerung, wie auch der Angehörigen der Milizen, seien unterschiedlich. Die bewaffneten Bürger der Ostukraine würden meist für mehr Autonomie ihrer Region innerhalb einer föderalen Ukraine eintreten. Einige seien noch unsicher, was sie genau wollen.

Ein Teil der Milizen rief eine „Republik Donezk“ aus und versteht darunter einen eigenen Staat, andere eine autonome Provinz der Ukraine und ein paar wenige einen Teil Russlands. Einig sind sie sich in der Ablehnung der neuen Regierung in Kiew. „Wir haben die Nase voll von dem, was in Kiew passiert. Vorher gab es wenigstens Stabilität. Nun schulden sie uns seit zwei Monaten den Lohn.“ ist eine der Aussagen.[4]

Einsätze

In der Nacht zum 20. April 2014 beschloss der ukrainische Sicherheitsrat die Durchführung einer „Antiterroroperation“ mit Spezialeinheiten des Inlandsnachichtendienstes Sluschba bespeky Ukrajiny (SBU) in der Ostukraine. Ziel war die Wiederherstellung der ukrainischen Staatshoheit im Osten. Der Eisenbahnknotenpunkt Slawjansk sollte zurückerobert werden, was aber nicht gelang. Ein Angehöriger der Einheiten der SBU wurde von der Volksmiliz erschossen.[5]

Bei den Kämpfen um die Stadt wurden laut Kiew fünf Angehörige der Volksmiliz durch die ukrainischen Streitkräfte getötet. Die Volkmilizen wollten dies nicht bestätigen.[6] Putin bezeichnete den Vorfall als „sehr ernstes Verbrechen.“ Das russische Verteidigungsministerium ordnete im Anschluss eine Militärübung in Grenznähe zur Ukraine an.[7]

Am 24. April griff die Volksmiliz mit rund 100 Mann eines der größten Waffenlager der ukrainischen Streitkäfte an. Das Lager liegt rund ein 50 Kilometer südöstlich von Slawjansk bei Artjomowsk. Die nicht nähere identifizierten Kräfte hatten die Kaserne unter anderem mit Granaten attackiert, sagte der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow. Nach staatlichen ukrainischen Angaben, sei ein ukrainischer Soldat leicht verletzt worden während die Angreifer große Verluste erlitten hätten. Unabhängige Berichte zu dem Angriff gab es nicht.[8]

In der ukrainischen Großstadt Mariupol am Asowsches Meer nahe der Krim stellten staatliche Sicherheitskräfte die Kontrolle über das von der Volksmiliz besetzte Stadtratsgebäude wieder her.[9]

Im April 2014 kontrollierten die Milizen neun Städte der Region. Zentren der Volksmilizen sind die an Russland angrenzenden Regionen Charkow, Lugansk und Donezk.

Gefangennahmen

In Slowjansk wurde im April 2014 die ukrainische Journalistin Irma Krat von Volksmilizionären verhaftet. Ihr wurde vorgeworfen, in Kiew an der Folterung eines Berkut-Polizisten beteiligt gewesen zu sein.[10]

Bei der Übernahme der Stadt durch die Miliz wurde der gewählte Bürgermeister Nellie Shtepa festgesetzt. Der selbsternannte Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow gab an, sie vor dem Zugriff der ukrainischen Staatsgewalt zu schützen.

Ebenfalls in Slowjansk hält die Volksmiliz eine Gruppe von internationalen Militärbeobachtern unter Leitung des deutschen Oberst Axel Schneider fest. Die Gruppe sei im Besitz von „verdächtigem Material“, sagte die Sprecherin der Miliz, Stella Choroschewa. Der selbsternannte Bürgermeister von Slowjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, teilte mit, dass sie sechs Soldaten aus verschiedenen Staaten, einen Dolmetscher, fünf ukrainische Soldaten und einen Fahrer in ihrer Gewalt hätten. Unter ihnen befände sich ein „Spion der Regierung in Kiew“. Im Fahrzeug der Gruppe habe die Miliz Lagepläne der Straßensperren entdeckt. „Sie sind keine Geiseln, sie sind Kriegsgefangene“, betonte Ponomarjow gegenüber dem Boulevardblatt „Bild“.[11]

Am 27. April 2014 wurde die Gruppe zu einer Pressekonferenz vorgeführt.[12] Laut Genfer Konventionen dürfen Kriegsgefangene nicht öffentlich vorgeführt werden. Am Abend ließ die Volksmiliz den schwedischen Angehörigen des Teams frei, da er gesundheitliche Probleme hatte.

Drei Mitarbeiter der SBU wurden von der Volksmiliz am 24. April 2014 in Slowjansk gefangen genommen. Sie wurden später dem staatlichen russischen Fernsehen vorgeführt. Die Gefangenen wurden allerdings nicht misshandelt.[13] Laut SBU sei für die Gefangennahme der Milizenführer I. Slrielkov verantwortlich.[14]

Einzelnachweise

  1. Scrutiny Over Photos Said to Tie Russia Units to Ukraine NY-Times 22. April 2014, abgerufen am 28. April 2014
  2. Ukraine-Krise: Von ukrainischer Armee belagertes Slawjansk hat 2500 Verteidiger. RIA Nowosti, 24. April 2014, abgerufen am 26. April 2014.
  3. Internetnachrichtenseite Slavgorod.com. nach FAZ http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/das-ringen-um-slawjansk-12909355.html
  4. http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wut-auf-kiew-treibt-milizen-auf-die-barrikaden-a-964626.html
  5. Jungle World: Seperatisten hinter Sandsäcken http://jungle-world.com/artikel/2014/16/49690.html
  6. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/das-ringen-um-slawjansk-12909355.html
  7. http://www.mdr.de/mdr-info/tote-in-urkaine100_zc-885afaa7_zs-5d851339.html
  8. http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article127282347/Wer-hat-den-Stadtrat-vor-seinem-Tod-gefoltert.html
  9. taz: Mehrere Tote bei Schusswechseln http://www.taz.de/Eskalation-in-der-Ukraine/!137317/
  10. Pro-westliche Journalistin Irma Krat von Milizen verhaftet. bild.de, 21. April 2014, abgerufen am 26. April 2014.
  11. tagesschau.de http://www.tagesschau.de/ausland/osze-ukraine110.html
  12. http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1389948.html
  13. http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1389866.html tagesschau.de: Milizen in Slawjansk führen OSZE-Team vor
  14. http://www.ssu.gov.ua/sbu/control/en/publish/article?art_id=124587&cat_id=35317