Vegetarismus

Als Vegetarismus wird eine Ernährungsweise bezeichnet, die auf den Verzehr von tierischen Produkten verzichtet, die das Töten dieser Tiere voraussetzt, d.h. also auf Fleisch, Fisch und Geflügel.

Über den Verzehr von Nahrungsmitteln, die von (lebenden) Tieren produziert werden – wie Eier, Milch, Milchprodukte oder Honig – gibt es individuell unterschiedliche Ansichten (siehe Arten des Vegetarismus). Die völlige Ablehnung tierischer Produkte (auch über die Nahrung hinaus), wird als Veganismus bezeichnet. Zwischen Veganismus und Vegetarismus besteht ein fließender Übergang.

Die Beweggründe für eine Entscheidung sich vegetarisch zu ernähren, können unterschiedlich sein (siehe Motivation).

Vegetarismus wird in den vom Hinduismus und Buddhismus geprägten Ländern bereits seit Jahrtausenden praktiziert, wurde jedoch im 20. Jahrhundert auch in westlich geprägten Ländern zunehmend populär.

Arten des Vegetarismus

Gemeinsam ist allen Vegetariern der Verzicht auf Fleisch, Fisch und Geflügel. Meist werden auch Nebenprodukte der Schlachtung wie Schmalz oder Gelatine gemieden. Darüberhinaus gibt es verschiedene Unterarten vegetarischer Ernährung, folgende Bezeichnungen sind geläufig:

  • "Ovo-Lacto-Vegetarier" essen Eier und Milchprodukte (die am weitesten verbreitete Form des Vegetarismus).
  • "Lacto-Vegetarier" essen keine Eier, jedoch Milchprodukte (Käse, Joghurt, Quark usw.), manchmal mit der Einschränkung, dass sie kein Lab enthalten dürfen, da dessen Gewinnung die Tötung von Kälbern voraussetzt.
  • "Ovo-Vegetarier" essen keine Milchprodukte, jedoch Eier. Die Argumentation hierbei basiert auf der Tatsache, dass Haushühner Eier legen, auch wenn diese nicht befruchtet sind. Die Theorie ist also, dass kein Lebewesen geschädigt wird, da die verzehrten Eier keinen lebendigen Organismus enthalten.
  • "Puddingvegetarier" ist eine scherzhafte Bezeichnung für Vegetarier, die ansonsten wenig auf ihre Ernährung achten und stattdessen Pudding, Kuchen, Zucker und andere als ungesund geltende Lebensmittel verzehren.

Darüber hinaus gibt es Arten von teilweisem Vegetarismus:

  • Ablehnung bestimmter Fleischsorten: Die oft auf religiösen oder ethischen Konzepten basierende Ablehnung bestimmter "unreiner" Fleischsorten ist z.B. bei den Muslimen und Juden bekannt, die das Schwein als unreines Tier betrachten und auf seinen Verzehr verzichten. Einige Menschen lehnen den Verzehr roten Fleisches ab. Dies ist jedoch im eigentlichen Sinne nicht als Vegetarismus zu bezeichnen.
  • "Ovo-Lacto-Pesco-Vegetarier" (auch Ovo-Lacto-Pisce-Vegetarier) essen kein Fleisch, jedoch Fisch und alle sonstigen tierischen Nahrungsmittel. Auch dies kann im eigentlichen Sinne nicht als Vegetarismus bezeichnet werden, da Fische unzweifelhaft Tiere sind. Daher hat sich der Ausdruck "Pescetarier" für die Anhänger dieser Ernährungsweise etabliert.

Begriff

Der Begriff "Vegetarier" bzw. "Vegetarian" wurde 1847 von der englischen "Vegetarian Society" geprägt, abgeleitet vom lateinischen vegetus = gesund, lebendig. Bis dahin wurde zum Teil der Begriff Pythagoräer verwendet (nach dem griechischen Philosophen Pythagoras, der Vegetarier war).

Motivation

Die Motivation für vegetarische Ernährung kann sehr unterschiedlich sein; einige sehen moralische Gründe als Hindernis des Fleischverzehrs, andere haben gesundheitliche, privat-ökonomische, global-ökonomische oder global-ökologische Bedenken, wieder andere erklären schlicht, dass ihnen Fleisch nicht schmeckt.

Moralische Aspekte

Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist zumindest ein Teil der Tierarten mit nicht unerheblicher Intelligenz ausgestattet und fähig, Schmerz zu empfinden. Die moralische Motivation für Vegetarier ist mit dem Willen verbunden, Tiere vor Leid zu bewahren - Leid durch eine nicht artgerechte Tierhaltung oder Leid durch den Akt des Tötens an sich. Hinzu können religiöse Motive oder philosophische Sichtweisen über die Gleichwertigkeit des Lebens kommen.

Glaubensaspekte

Viele Vegetarier sind dies aus Glaubensgründen.

Christlicher/Jüdischer/Islamischer Glaube

Siebenten-Tags-Adventisten leben ausgeprägt vegetarisch - wobei die Entscheidung dazu freiwillig bleibt. Begründet wird dies damit, daß Adam und Eva im Paradies auch kein Fleisch von Tieren gegessen hätten. Gen 1,29 : "Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.".

Als Gegenargument kann genannt werden Mt 15,11 : "Nicht das, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein."

Paulus schlägt die Brücke und empfiehlt dazu Röm 14,21 : "Es ist nicht gut, Fleisch zu essen oder Wein zu trinken oder sonst etwas zu tun, wenn dein Bruder daran Anstoß nimmt."

Hinduismus und Buddhismus

Einige Glaubensgemeinschaften lehnen es völlig ab, Fleisch zu essen. Hinduismus und Buddhismus gehören entgegen einer in westlichen Ländern weit verbreiteten Meinung nicht dazu, knüpfen den Genuss von Fleisch aber an bestimmte Bedingungen. Hierfür gibt es unter anderem diese Gründe:

  • Der asketische Gedanke ist im Buddhismus und nochmehr im Hinduismus tief verwurzelt. Es wird davon ausgegangen, dass man einen nüchternen Körper braucht, um einen nüchternen Geist zu bekommen. Das Ziel ist es, sich möglichst der Genüsse der weltlichen Dinge zu enthalten.
  • Der karmische Gedanke. Für einen Buddhisten ist es das Ziel, ein schlechtes Karma zu vermeiden - also nichts Schlechtes zu tun und kein Leid anzurichten. Dazu zählt, kein menschliches oder tierisches Leben zu nehmen. Einige jainistische Mönche gehen sogar so weit, dass sie immer einen Besen mit sich führen, mit dem sie den Weg vor sich fegen, um nicht versehentlich ein Insekt zu zertreten. Die jainistischen Priester tragen ein Tuch vor Mund und Nase, um nicht versehentlich ein Insekt einzuatmen und dadurch zu töten.

Das Gesetzbuch des Manu, das grundlegende Gesetzeswerk des Hinduismus, erlaubt den Fleischverzehr und legt die Bedingungen fest, an die er geknüpft ist.

Die Ernährungsvorlieben der Buddhisten werden von westlichen Beobachtern oft mit strengem Vegetarismus verwechselt. Aber nur eine relativ kleine Zahl besonders frommer buddhistischer Priester enthält sich freiwillig jedes Genusses tierischer Nahrung. In Tibet, Sri Lanka, Burma und Thailand essen die buddhistischen Priester sowohl Molkereiprodukte als auch Fleisch. Buddhisten dürfen zwar nicht töten oder beim Schlachten von Tieren anwesend sein; aber solange sie die Beendigung des Lebens der Tiere nicht zu verantworten haben, dürfen sie ihr Fleisch essen. Buddhistische Laien essen gewöhnlich so viel Fleisch oder Fisch, wie sie sich leisten können, besonders dort, wo die Umweltverhältnisse es nicht erlauben, Milchvieh zu halten.

Gesundheitliche Aspekte

Für manche Vegetarier steht der gesundheitliche Aspekt als Motivation im Vordergrund. Sie hoffen, durch den Verzicht auf Fleisch weniger Kalorien zu sich zu nehmen und so leichter ihr Gewicht zu halten. Andere sehen die Risiken fett- und cholesterinreicher Nahrung und versuchen, sie durch vegetarische Ernährung zu mindern. Die zwangsläufig intensivere Auseinandersetzung mit der Nahrung, die häufiger selbst zubereiteten Speisen und der höhere Anteil an frischem Gemüse und Kohlenhydraten gelten als Grund für eine oftmals gesündere Ernährung bei Vegetariern.

Ein weiterer gesundheitlicher Aspekt betrifft die i.d.R. nicht artgerechte Haltung und Aufzucht der Tiere vorwiegend mit industriellen Produktionsmitteln wie etwa Wachstumsförderern oder Medikationen bei erhöhtem Krankheitsrisiko. So werden durch den Verzehr auch Stoffe aufgenommen, die üblicherweise in Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung nicht vorhanden sind, z.B. Hormone, Antibiotika und weitere Substanzen aus Medikamenten. Auch sind in der Vergangenheit durch diverse Skandale in der Tieraufzucht Inhaltsstoffe wie Nikotin in Hühnerfleisch und Eiern sowie Krankheitserreger wie BSE in den Nahrungskreislauf gelangt.

Der Mensch ist biologisch gesehen ein Omnivor, das heißt, sein Körper ist für gemischte Kost eingerichtet, jedoch mit einem Schwerpunkt auf pflanzlicher Kost. Entgegen langjähriger Ansicht der Medizin gilt heute als gesichert, dass jeder gesunde Mensch ohne weiteres auf Fleisch verzichten kann; bei Jugendlichen, Rekonvaleszenten, Schwangeren, Schwerarbeitern oder Spitzensportlern muss jedoch bei der üblichen vegetarischen Kost besonders auf die Eiweißversorgung geachtet werden.

Es wurde wiederkehrend vermutet, dass vegetarische Ernährung zu Mangelerscheinungen führen kann, bedingt durch das Fehlen von Stoffen, wie sie nur in tierischen Nahrungsmitteln vorkommen. Insbesondere wird auf Vitamin B12 verwiesen, dessen Mangel das Zellwachstum hemmt und Anämie hervorrufen kann, jedoch in Milch enthalten ist, und damit vor allem ein Risiko veganer Ernährung darstellt. Jedoch wurde im Jahr 2003 erwiesen, dass das Vitamin B12 auf jeder Frucht zu finden ist (Bsp. Apfel, Birne, Nektarine ect.). Weitere notwendige Stoffe konnten im Erkenntnisfortschritt identifiziert werden, und im Rahmen einer bewussten Ernährung kann auf deren genügende Zufuhr ohne weiteres geachtet werden.

Natürlich dürfen die Menschen mit einer Lactoseintoleranz (auch Milchzuckerunverträglichkeit genannt, eine Art Allergie) ebenfalls keine Kuhmilch trinken.

Global-ökonomische Aspekte

Vor allem in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, aber auch bis heute wurden und werden Kleinbauern in Entwicklungsländern gedrängt, Futtermittel für die Massentierhaltung der Industrieländer anzubauen, statt durch eine Diversifizierung eine ausgewogene Selbstversorgung sicherzustellen. Im Rahmen der Dritte-Welt-Bewegung in der Bundesrepublik zu dieser Zeit war es ein wichtiger Aspekt, durch Verzicht auf Fleischkonsum diesem negativen Strukturwandel im Süden entgegenzuwirken.

Global-ökologische Aspekte

Das durch die Tierexkremente ausgedünstete Methangas wird als ein wesentlicher Faktor für den derzeitigen weltweiten Klimawandel angesehen. Zudem belasten die im Tierkot (Jauche oder Gülle) enthaltenen Nitrate das Grundwasser; die Herstellung der enormen benötigten Futtermengen führt zu großflächigen Waldrodungen, insbesondere in den Ländern der dritten Welt. Auch wird viel Futter benötigt, um die Tiere zu ernähren. Mit der gleichen Menge könnten jedoch sehr viel mehr Menschen ernährt werden. Das hängt damit zusammen, dass nur 1/10 des Futters eines Lebewesens nicht z.B. für Energie benötigt wird, dieses 1/10 wird also zu Fleisch. Dieser Aspekt wird als eine totale Verschwendung angesehen.

Ästhetische Aspekte

Viele Vegetarier empfinden Fleisch und seine Produktion schlicht als unappetitlich.

Zahl der Vegetarier

Umfrageergebnisse aus Deutschland:

  • 15 % der Befragten leben ohne Fleisch und Wurst, 9 % essen keinen Fisch (Focus, Nr. 10, 5.3.2001).
  • 8 % der Befragten sind Vegetarier (FORSA, Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders RTL vom 25.1.2001).
  • 8 % der Bevölkerung sind Vegetarier (Quelle: Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.)
  • 7,7 % der Befragten ernähren sich vegetarisch (STERN, Nr. 48, 23.11.2000).
  • 7,3 % vegetarisch lebende Menschen (Hannoversche Neue Presse Nr. 28, 28.2.2003).
  • in den Hamburger Mensen entscheiden sich 17 % der Studierenden für das vegetarische Angebot (Wobei die Wahl auf ein vegetarisches Essen nicht folglich heißt, dass es sich um Vegetarier handelt) (TAZ-Hamburg, 18.11.1999)

Ein Trend zur vegetarischen bzw. fleischarmen Ernährung bei jüngeren Menschen wurde auch durch die Shell-Studie „Jugend '97” (2102 Befragte im Alter von 13 -14 Jahren) belegt. Der Anteil derer, die sich fleischarm ernähren wollen, stieg von 30 % (1991) auf 36 % (1997). Bei den befragten weiblichen Personen lag die Zahl der „Fleischarmen” sogar bei 52 % (12. Shell-Jugendstudie „Jugend '97”).

International:

  • Großbritannien: 9 %, vor allem in jungen Altersgruppen (ICM Umfrage für den Daily Telegraph, 2001)
  • Indien: 15-20% Vegetarier = ca. 150-200 Mio. (Quelle: Vegetarier-Bund Deutschlands e.V.)
  • Indien: 220 Mio. (Anthropological Survey of India ASI, 1985-92)
  • Schweiz: 9% "beinahe" Vegetarier, rund 3% sind echte Vegetarier (Nutritrend-Studie von Nestlé aus dem Jahre 2001)
  • USA: 4% = ca. 10,6 Mio. (Time/CNN Umfrage am 15. Juli 2002)

V-Label

Bei Fertigprodukten und verarbeiteten Nahrungsmitteln ist oft nicht leicht zu erkennen, ob tierische Rohstoffe verwendet worden sind. Tierische Zusatzstoffe, wie Gelatine oder Fette tierischer Herkunft sind insbesondere in Obstquark, Kuchen, Pudding, Joghurt, Eiscreme, Margarine, Marmelade oder Gummifrüchten für den Verbraucher oft unerwartet beigemengt. Deshalb wird zur Zeit in Europa von den Vegetarier-Organisationen ein vegetarisches Label (V-Label) eingeführt, mit dem für Vegetarier geeignete Produkte und Dienstleistungen zuverlässig gekennzeichnet werden sollen.

In England wird das Label "suitable for vegetarians" schon seit den 80er Jahren verwendet, es gibt dafür jedoch keine einheitlichen Kriterien.

Vegetarische Ernährung von Haustieren

Einige Vegetarier und Veganer ernähren auch ihre Hunde und Katzen rein pflanzlich. Hunde sind im biologischen Sinn Allesfresser, und können dauerhaft von pflanzlicher Nahrung leben. Dies erfordert in jedem Fall gute Planung und viel Sachverstand. Katzen gehören jedoch zu den Fleischfressern. Das bedeutet, dass sie nicht in der Lage sind, die für ihr Überleben nötigen Nährstoffe allein aus pflanzlichen Quellen zu beziehen. Vegane Katzennahrung muss also mit einer Reihe an künstlichen Nahrungsergänzungsstoffen angereichert sein, um dieses Defizit auszugleichen, ansonsten drohen schwere gesundheitliche Schäden.

Siehe auch

Ernährung, Liste prominenter Vegetarier, Makrobiotik, Naturkost, Veganismus

Literatur

Manuela Linnemann, Claudia Schorcht (Hg.): Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise. Erlangen: Harald Fischer Verlag, 2001. ISBN 3-89131-403-5