Paratyphus

Klassifikation nach ICD-10
A01.1 Paratyphus A
A01.2 Paratyphus B
A01.3 Paratyphus C
A01.4 Paratyphus, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Paratyphus bezeichnet man ein typhusartiges Krankheitsbild, bei dem der Erreger nicht Salmonella Typhi, sondern Salmonella Paratyphi A, B oder C ist. Paratyphus A und C kommen überwiegend in wärmeren Klimazonen vor, während B weltweit verbreitet ist. Beim Paratyphus handelt es sich um eine generalisierte Infektion, die ohne weitere diagnostische Mittel nicht von Typhus unterschieden werden kann, aber meist milder als dieser verläuft.

Paratyphus-Bakterien sind gramnegative, bewegliche Stäbchenbakterien und wurden 1901 von Hugo Schottmüller (Salmonella paratyphi A)[1] entdeckt. Eine Erkrankung an Paratyphus ist in Deutschland,[2] Österreich[3] und der Schweiz[4] meldepflichtig.


Der Kälberparatyphus wird durch Salmonella Enteritidis ausgelöst.

Pathogenese

Die Ansteckung erfolgt meist oral durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Trinkwasser, aber auch durch Schmierinfektion. Die Paratyphuserreger werden von Erkrankten mit dem Stuhl ausgeschieden. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel etwa 10 Tage, kann sich jedoch je nach Infektionsdosis und Abwehrlage des Erkrankten von wenigen Tagen bis über zwei Monate erstrecken. Die Erreger erreichen nach der Aufnahme über Magen und Zwölffingerdarm den Dünndarm, wobei ihnen die Einnahme von magensäuresenkenden Medikamenten (Antazida) den Übertritt aus dem Magen in den Darm erleichtern kann. Von dort aus gelangen sie in die M-Zellen und die Peyer-Plaques des Lymphsystems, infizieren Makrophagen und finden Anschluss an die Blutbahn. Im Zuge der systemischen Ausbreitung steigt die Körpertemperatur, bis sie ein Plateau bei bis zu 39 °C erreicht.[5]

Die Krankheitsdauer beträgt 4–10 Tage.[6]

Symptome

Die Krankheitserscheinungen sind analog zum Typhus, aber weniger stark ausgeprägt[7]

  • Mattigkeit, Kopfschmerzen, eingetrübtes Bewusstsein
  • Typischer Hautausschlag (Roseolen) im Brust- und Bauchbereich
  • Treppenförmiger Fieberanstieg (stufenweise Erhöhung der Temperatur)
  • Durchfälle in der zweiten bis dritten Krankheitswoche sind möglich[8]
  • Komplikationen: Bewusstseinsstörungen, Milzschwellung, Darmdurchbrüche, Abszesse, Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung), Meningitis (Hirnhautentzündung)
  • Stufenweises Absinken des Fiebers mit langer Rekonvaleszenz

Diagnose

Hinweis auf das Vorliegen eines Paratyphus kann die Verminderung der Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukopenie), insbesondere der eosinophilen Granulozyten, sein, außerdem weitere unspezische Veränderungen des Blutbilds.

Eine gesicherte Diagnose erfolgt durch einen direkten Erregernachweis aus Blut, Knochenmark, Harn, Stuhl oder Duodenalsekret. Der sicherste Nachweis erfolgt über eine Anzucht aus dem Blut (Blutkultur).[9] Als Hinweis auf eine Erkrankung möglich, aber nicht als Laborbestätigung geltend, ist auch ein Antikörpernachweis mittels PCR oder LAMP (Loop-mediated-isothermal-amplification).[10] Gelegentlich können Paratyphussalmonellen auch im Urin nachgewiesen werden.[11] Oft können die Erreger ab der zweiten Woche aus Stuhl kultiviert werden.[12] Erst danach steigen auch die Entzündungsparameter im Blut wie CRP und andere verwertbar an.

Therapie und Prävention

Entscheidet man sich zu einer antibakteriellen Therapie, ist eine Antibiotika-Gabe für einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen erforderlich. Mittel der Wahl war bis vor kurzem quasi ausnahmslos Ciprofloxacin, was sich jedoch aktuell durch Zunahme von Resistenzen weltweit und insbesondere in Pakistan und Indien ändert.[13] Alternativ kann beispielsweise Ceftriaxon angewendet werden. Zur Kontrolle des Therapieerfolgs kann der Stuhl des Patienten auf Anzüchtbarkeit von S. Paratyphi untersucht werden.

Einige Menschen entwickeln sich zu Dauerausscheidern, auch hier kann der Versuch einer antibiotischen Sanierung mittels einer zwei- bis vierwöchigen Therapie Erfolg haben.[14] Oft ist jedoch die Entfernung der Gallenblase nötig, da sich die Paratyphusbakterien dort ansiedeln können, ohne dass es zu Krankheitssymptomen kommt.[15]

Ein zugelassener Impfstoff existiert nicht.[16] In der Fachliteratur finden sich umstrittene Hinweise, dass es eine Kreuzimmunität gegen manche Salmonella Paratyphi-Stämme geben könnte.[17]

Meldepflicht

Paratyphus muss in Deutschland nach § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Verdacht, Erkrankung oder Tod dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden (2017 in Deutschland 44 Infektionen, 2018 29 Fälle, 2019 46 Erkrankungen, 2020 10 Infektionen). Auch Ausscheider unterliegen Aufenthaltsverboten in Gemeinschaftseinrichtungen und die Leitungen der Gemeinschaftseinrichtungen müssen das Gesundheitsamt benachrichtigen (siehe § 34 Absätze 3 und 4 IfSG).

In Österreich sind Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle gemäß § 1 Epidemiegesetz 1950 meldepflichtig. Ausscheider sind nach § 2 Absatz 2 Epidemiegesetz 1950 zu melden.

In der Schweiz bestehen umfangreiche Meldepflichten nach einem Labornachweis. Dies ergibt sich aus Anhang 1 der Verordnung des EDI über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen.

Literatur

  • Manfred Bornemann: Paratyphus im Kreisgebiet. Vor 50 Jahren wurde ein Teil des Kreises zum Sperrgebiet. In: Heute und einst – 2001 (= 9. Jahrbuch des Landkreises Nordhausen.) Verlag Neukirchner, 2001.
  • Typhus abdominalis, Paratyphus. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Stand Mai 2007.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Werner Köhler: Infektionskrankheiten. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 667–671, hier: S. 670.
  2. RKI - RKI-Ratgeber - Typhus abdominalis, Paratyphus. Abgerufen am 22. September 2021.
  3. Meldepflichtige Krankheiten - Liste. Abgerufen am 22. September 2021.
  4. Meldepflichtige Krankheiten. Abgerufen am 22. September 2021.
  5. Rosemarie Blatz: Medizinische Mikrobiologie und Immunologie systematisch. 1. Auflage. UNI-MED, Bremen 1999, ISBN 978-3-89599-139-4, S. 110–112 (worldcat.org [abgerufen am 21. September 2021]).
  6. RKI - RKI-Ratgeber - Typhus abdominalis, Paratyphus. Abgerufen am 22. September 2021.
  7. Gerd Herold: Innere Medizin 2017 eine vorlesungsorientierte Darstellung : unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die Ärztliche Prüfung : mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis. Köln 2017, ISBN 978-3-9814660-6-5, S. 861 (worldcat.org [abgerufen am 21. September 2021]).
  8. Gerd Herold: Innere Medizin 2017. Eine vorlesungsorientierte Darstellung unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die Ärztliche Prüfung mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis. Hrsg.: Gerd Herold. Köln 2018, ISBN 978-3-9814660-6-5, S. 860–861.
  9. RKI - RKI-Ratgeber - Typhus abdominalis, Paratyphus. Abgerufen am 22. September 2021.
  10. S. Rojak, D.F. Wiemer, A. Wille, U. Loderstädt, L. Wassill: Loop‐mediated isothermal amplification for paratyphoid fever – a proof‐of‐principle analysis. In: Letters in Applied Microbiology. Band 68, Nr. 6, Juni 2019, ISSN 0266-8254, S. 509–513, doi:10.1111/lam.13130 (wiley.com [abgerufen am 17. September 2021]).
  11. National Typhoid and Paratyphoid Fever Surveillance. In: CDC - Centers for Disease Control and Prevention. Abgerufen am 17. September 2021.
  12. Jenish Bhandari, Pawan K. Thada, Elizabeth DeVos: Typhoid Fever. In: StatPearls. StatPearls Publishing, Treasure Island (FL) 2021, PMID 32491445 (nih.gov [abgerufen am 18. September 2021]).
  13. Malick M. Gibani, Carl Britto, Andrew J. Pollard: Typhoid and paratyphoid fever: a call to action. In: Current Opinion in Infectious Diseases. Band 31, Nr. 5, Oktober 2018, ISSN 0951-7375, S. 440–448, doi:10.1097/QCO.0000000000000479, PMID 30138141, PMC 6319573 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 17. September 2021]).
  14. RKI - RKI-Ratgeber - Typhus abdominalis, Paratyphus. Abgerufen am 22. September 2021.
  15. Gerd Herold: Innere Medizin 2017 eine vorlesungsorientierte Darstellung : unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die Ärztliche Prüfung : mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis. Köln 2017, ISBN 978-3-9814660-6-5 (worldcat.org [abgerufen am 21. September 2021]).
  16. G. Gasperini, R. Alfini, V. Arato, F. Mancini, M. G. Aruta: Salmonella Paratyphi A Outer Membrane Vesicles Displaying Vi Polysaccharide as a Multivalent Vaccine against Enteric Fever. In: Infection and Immunity. Band 89, Nr. 4, 17. März 2021, ISSN 0019-9567, doi:10.1128/IAI.00699-20, PMID 33318138, PMC 8090967 (freier Volltext) – (asm.org [abgerufen am 18. September 2021]).
  17. Myron M. Levine, Catterine Ferreccio, Robert E. Black, Rosanna Lagos, Oriana San Martin: Ty21a Live Oral Typhoid Vaccine and Prevention of Paratyphoid Fever Caused by Salmonella enterica Serovar Paratyphi B. In: Clinical Infectious Diseases. Band 45, Supplement_1, 15. Juli 2007, ISSN 1537-6591, S. S24–S28, doi:10.1086/518141 (oup.com [abgerufen am 18. September 2021]).