Medizintourismus in Malaysia

Medizintourismus stellt in Malaysia einen wichtigen wirtschaftlichen Bereich innerhalb des Gesundheitssystems dar. Durch eine enge Verflechtung privatwirtschaftlicher und staatlicher Initiativen und Organisationen wurde die Anzahl der Malaysia pro Jahr besuchenden Medizintouristen von ca. 39.000 (1998) bis 882.000 (2014) erhöht.

Vorgeschichte

Das medizinische Sektor Malaysias speist sich aus zwei Quellen: der „traditionellen“

Medizin und der westlichen Medizin, wie sie im Gefolge der britischen

Kolonialherrschaft nach Malaysia gelangte. Im Gefolge der Unabhängigkeit kam es zu

einer kostengünstigen, weitreichenden Verfügbarkeit medizinischer Leistungen für

einen Großteil der Bevölkerung. Das malaysische Gesundheitssystem ist für die 1980er

Jahre anhand von Indikatoren vergleichbar dem Niveau westlicher Industriestaaten,wobei weniger als 2% des Bruttoinlandsprodukts in den medizinischen Sektor flossen.

Zu dieser Zeit lässt sich das malaysische Gesundheitssystem als nahezu vollständig in

Staatshand befindlich charakterisieren. In den 1980er Jahren kam es aufgrund

steigender staatlicher Kosten im Gesundheitswesen zu einer wirtschaftsliberalen

Umschichtung des Gesundheitswesens, während derer Privatpersonen mehr und mehr

selbst für medizinische Leistungen zahlen mussten. Medizinische Leistungen wurden

also mehr und mehr zur Ware, die stärker den Gesetzen des Marktes ausgesetzt war.

Diese Tendenz in Richtung zunehmender Privatisierung des Gesundheitswesens

spiegelt sich allgemein im internationalen Vergleich wider. Das Ausmaß der

Privatisierung lässt sich teils anhand von Indikatoren wie dem privaten Anteil an der

Gesamtzahl der Krankenhausbetten ermessen. Lag dieser 1980 bei 5%, so erhöhte er

sich bis in die 1990er auf 15% und erreichte vor Beginn der Asienkrise 25%. Parallel

mit dem Aufbau eines privaten Netzes von Krankenhäusern und medizinischen

Einrichtungen, kam es zu einem Ausbau der medizinischen Schwerpunktsetzung von

der vormals vorherrschenden Eindämmung von Infektionskrankheiten und der

Entwicklung hygienischer Standards zu einer stärker krankheitsvorbeugenden und an

den mehr individuellen Bedürfnissen des Patienten orientierten Gesundheitsmethode.

Die privaten Krankenhäuser sprangen in diese Nische vor und bereits um die

Jahrtausendwende herum war ein Großteil der ärztlichen Spezialisten im privaten Sektor

anzutreffen. In den 1990er und 2000er Jahren entwickelte sich so ein Dualismus

zwischen privatem und öffentlichem Gesundheitssystem. Letzteres geriet aufgrund

seiner geringeren Finanzierungsmöglichkeiten mehr und mehr in den Ruf der

Inferiorität gegenüber dem privaten Bereich. Dennoch stellt der private Bereich

weiterhin eine wichtige Versorgungsgrundlage für die einheimische Bevölkerung dar.

Die Privatisierung verlief in der Art, dass ein Teil der Krankenhäuser zwar privatisiert

wurde, aber eigentumsrechtlich gesehen in Staatshand verblieb. Das malaysische

Gesundheitsministerium überwachte und forcierte den Privatisierungsprozess und

verstand sich als Regulationsinstanz, welche die Leitlinien der angebotenen

Behandlungen und erforderlichen Qualifikationen privater und öffentlicher

Gesundheitsanbieter festlegte. Die Privatisierung des Gesundheitswesens rief den

Widerstand verschiedener Verbände hervor, so z.B. der Malaysian Medical

Association.Kritisiert wurde, dass die Auslagerung medizinischer Leistungen in den

Privatsektor diese für Bezieher niedriger Einkommen unerschwinglich werden lasse,

sodass diese von einem Gutteil möglicher Leistungen ausgeschlossen blieben.

Medizintourismus

Das wirtschaftliche Interesse an Gesundheitstourismus nach Malaysia entstand in der

malaysischen Wirtschaft primär im Gefolge der Asienkrise von 1997. Die Asienkrise,

welche Malaysia im Vergleich zu anderen Staaten der Region relativ glimpflich

überstand , führte zu einem wirtschaftlichen Einbruch im medizinischen Sektor

Malaysias, da der Vermögensverlust der Patienten zu einer Abkehr von der

kostenpflichtigen privaten Behandlung mündete. Hierdurch gerieten die privaten

Krankenhäuser in eine Notlage.Die Regierungsinstitutionen reagierten hierauf mit der

Strategie, einerseits die privaten Krankenhäuser durch den Einstieg Malaysias in den

globalen Medizintourismus zu stärken und andererseits der malaysischen Wirtschaft

mittels ausländischem Kapital durch den Gesundheitstourismus über die Krise hinweg

zu fortgesetzt hohen Wachstumsraten zu verhelfen. Der Gesundheitstourismus muss

hierbei im Rahmen der Bemühungen der malaysischen Regierung gesehen werden, die

wirtschaftliche Entwicklung Malaysia durch den Ausbau des Tourismussektors zu

beschleunigen, wobei dem die Logik zugrunde gelegt wurde, dass Patienten, wie auch

möglicherweise begleitende Angehörige, einen längeren Aufenthalte in Malaysia

verbringen würden als herkömmliche Touristen.Es lässt sich hieran bereits die enge

Verflechtung von allgemeinem Tourismus mit medizinischem Tourismus erkennen, was

insbesondere für den Ḥalāl-Tourismus oder islamischen Tourismus von Relevanz ist, da

Gesundheitstouristen, abgesehen von medizinischen Leistungen, wohl ähnliche

Bedürfnisse aufweisen wie allgemeine Touristen. Kampagnen werden auch in

Abstimmung mit privaten Hotels durchgeführt.

Zu Beginn des Jahrtausends wurde in Malaysia eine wirtschaftliche Strategie

aufgestellt, die darauf abzielte Malaysia bis zum Jahre 2020 im Rahmen der „Vision

2020“ in den Rang eines Landes mit hohem Einkommen zu transformieren.

Gesundheitstourismus spielt für die Malaysische Regierung eine zentrale Rolle

innerhalb des touristischen Bereiches, welcher selbst aufgelistet unter den 12

Schlüsselindustrien, die Malaysia bis 2020 zu einem hochentwickelten Land machen

sollen. Im Rahmen des 8. Malaysia Plans (2001-5) wurde Gesundheitstourismus als

Möglichkeit gesehen Malaysia zu einer wissensbasierten Wirtschaft zu verhelfen und so

den Schwerpunkt der malaysischen Wirtschaft auf den industriell verarbeitenden Sektor

zu verringern. Institutionell fand diese neue Strategie ihren Vorläufer in der Schaffung

des National Committee for the Promotion of Health Tourism in Malaysia, welches in

direkter Reaktion auf die Asienkrise gegründet wurde. Dieses verband die malaysischen

Ministerien für Gesundheit, Tourismus und Handel mit der Vereinigung der privaten

Krankenhäuser (APHM) und dem touristischen Sektor.

Im Jahre 2009 startete das Malaysische Gesundheitsministerium die “Malaysia

Healthcare”-Kampagne mit dem Ziel klare Richtlinien für die Branche zu setzen und

einen neuen zentralplan einzufügen, in deren Zuge das Malaysia Healthcare Travel

Council als neue zentrale Koordinierungs- und Marketinginstitution gegründet wurde.

Das Ziel der malaysischen Bemühungen im Bereich des Gesundheitstourismus bestand

darin im Gegensatz zu Singapur, welches Personen mit sehr hohem Einkommen

anzulocken sucht, Personen mittleren Einkommens zur Reise nach Malaysia zu

bewegen. Diese Werbestrategie wurde dadurch ermöglicht, dass die Preise für

Gesundheitsleistungen in Malaysia niedriger sind als in den regional konkurrierenden

Staaten Singapur und Thailand.Der primäre Fokus auf Niedrigeinkommen lässt sich

auch dem Strategiebericht des Malaysischen Gesundheitsministeriums von 2002

entnehmen.

Die ersten neuen Maßnahmen umfassten mehrheitlich Steuererleichterungen für private

Krankenhäuser. Zusätzlich wurden Krankenhäusern im Bereich des

Gesundheitstourismus weitere Steuerbefreiungen gewährt. Auch wurden privaten

Krankenhäusern, die Neu- oder Ausbauten vornahmen hierfür komplett von der Steuer

befreit. Mittels Steuervergünstigungen für private Investoren im Bereich

Gesundheitstourismus wurde versucht den Kapitalstock des privaten medizinischen

Sektors zu erhöhen.Um bürokratische Hürden bei der Einreise zu minimieren, fand

eine Vereinfachung des Zugangs nach Malaysia statt. Visa für Gesundheitstouristen

können leicht auf bis zu drei Monate ausgedehnt werden. Selbiges gilt für bis zu vier

begleitende Personen.

Der Medizintourismus nach Malaysia hat in den letzten Dekaden eine rasante

Entwicklung durchgemacht. Innerhalb des Zeitraums von 1998 bis 2008 erhöhte sich

die jährliche Menge an Medizintouristen von guten 39.000 auf gute 374.000 und auf

882.000 im Jahr 2014. Bis 2020 sollen bis zu 1,9 Millionen Patienten jährlich

angezogen werden.

Die Mehrzahl der in Malaysia behandelten Gesundheitstouristen kommt aus der

südostasiatischen Region, ein Großteil aus Indonesien. Der Gesundheitstourismus in

Malaysia reiht sich ein in die Gruppe lokaler Zentren, die weltweit zu einem Gutteil

Patienten aus benachbarten oder nahegelegenen Ländern anziehen (vgl. z.B.

Südafrika), darunter auch Dritt-Welt-Ländern. Sie bilden hierbei ein Substitut für die

klassische Vorgehensweise zwecks medizinischer Behandlung von Dritt-Welt- oder

Ländern mit niedrigem Einkommen in Erst-Welt-Länder zu reisen.

Singapur und Thailand und in begrenztem Maße Indien werden als hauptsächliche

Konkurrenten Malaysias im Bereich des Medizintourismus betrachtet. Malaysia ist im

Gegensatz zu diesen eher neu im Bereich des Gesundheitstourismus aktiv und versucht

deswegen in der Konkurrenz mit diesen mittels der Zuweisung verschiedener Attribute

zu einer „therapeutic landscape“ Malaysia zu bestehen.

Literatur

Leng, Chee Heng (2007). Medical Tourism in Malaysia: International Movement of Healthcare Consumers and the Commodification of Healthcare. Asia Research Institute Working Paper Series No. 83. National University of Singapore.

Ormond, Meghann (2013). Neoliberal Governance and International Medical Travel in Malaysia. London, New York: Routledge.

Wong, Kee Mun; Ghazali, Musa. “Medical tourism in Asia: Thailand, Singapore, Malaysia, and India.” In: Medical tourism: the ethics, regulation, and marketing of health mobility, CM Hall. London and New York: Routledge, (2012): S. 167-186.

Wong, Kee Mun; Velasamy, Peramarajan; Nuraina, Tengku; Arshad, Tengku. “Medical Tourism Destination SWOT Analysis: A Case Study of Malaysia, Thailand, Singapore and India.” SHS Web of Conferences 12(10), 2014.