„Marienretabel (Rieden)“ – Versionsunterschied

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Das '''Marienretabel''' befand sich ehemals in der [[Marienkirche (Rieden)|Marienkirche]] in [[Rieden (Rosengarten)|Rieden]], heute Gemeinde [[Rosengarten (Landkreis Schwäbisch Hall)]]. Seit 1877 befindet sich der [[Retabel]] im [[Landesmuseum Württemberg|Württembergischen Landesmuseum]] in [[Stuttgart]].<ref>Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Inv. 6651. Julius Baum: ''Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts'' (= ''Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart'', Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 268–271 Nr. 323 Taf. 18–19.</ref>
Das '''Marienretabel''' befand sich ehemals in der [[Marienkirche (Rieden)|Marienkirche]] in [[Rieden (Rosengarten)|Rieden]], heute Gemeinde [[Rosengarten (Landkreis Schwäbisch Hall)]]. Er wurde von dem nach dem ihm benannten [[Meister von Rieden]] in [[Brüssel]] oder [[Löwen]] um 1440–1450 geschaffen. Laut [[Wolfgang Deutsch]] stammte das Werk aus der Werkstatt des [[Willem Ards]] in Löwen um 1449. <ref>Deutsch, S. 88 „Aus Schriftquellen im Löwener Stadtarchiv geht hervor, daß der Meister dieser Bildwerke Willem Ards hieß“. (Welche Schriftquelle?).</ref> Die Tafelbilder des Altars stammen nach [[Alfred Stange]]von einem niederländischen Maler.<ref>Alfred Stange: ''Deutsche Malerei der Gotik. Bd. 8: Schwaben in der Zeit von 1450 bis 1500.'' Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 1957, S. 112–113. Stange ordnet ihn als eine Vorstufe für [[Geertgen tot Sint Jans]] um 1440–50 ein.</ref>

Seit 1877 befindet sich der [[Retabel]] im [[Landesmuseum Württemberg|Württembergischen Landesmuseum]] in [[Stuttgart]].<ref>Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Inv. 6651. Julius Baum: ''Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts'' (= ''Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart'', Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 268–271 Nr. 323 Taf. 18–19.</ref>


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Das Marienretabel ist der älteste und für lange Zeit einzige Altar der Kirche in Rieden, wo er im Chor als Hochaltar diente.<ref>Deutsch, S. 91.</ref> 1510 erfolgte die Versetzung in die Kirchenmitte.<ref>Deutsch (1990), S. 91.</ref> und 1721 auf den linken Seitenaltar, wo es am Ende des Langhauses nördlich vom Triumphbogen stand. Die Versetzung nahm der Schlosser Friedrich Weidner für 4 Gulden und 22 Schilling vor. Dort stand es bis zur Erbauung der Empore im Jahre 1841.<ref>Deutsch (1990), S. 95.</ref> 1841 wurde das Werk an die Nordwand des Chors versetzt, wo es an der Chorwand befestigt wurde.<ref>Deutsch (1990), S. 95.</ref> In diesem Zustand wurde das Kunstwerk im 19. Jahrhhundert von Heinrich Merz, [[Jakob August Lorent]] und Julius Hausser fast im gleichen Wortlaut beschrieben<ref>Heinrich Merz: ''Spaziergang durch die vornehmsten Kirchen Württembergs.'' In: ''Evangelisches Kirchenblatt zunächst für Württemberg'' 6, 1845, S. 580; Jakob August Lorent:''Denkmale des Mittelalters in dem Königreiche Württemberg'', II. Abt., Mannheim 1867, S. 191-192; Julius Hausser:''Schwäbisch Hall und seine Umgebung'', Hall 1877, S. 120.</ref> .
Das Marienretabel ist der älteste und für lange Zeit einzige Altar der Kirche in Rieden, wo er im Chor als Hochaltar diente.<ref>Deutsch, S. 91.</ref> 1510 erfolgte die Versetzung in die Kirchenmitte.<ref>Deutsch, S. 91.</ref> und 1721 auf den linken Seitenaltar, wo es am Ende des Langhauses nördlich vom Triumphbogen stand. Die Versetzung nahm der Schlosser Friedrich Weidner für 4 Gulden und 22 Schilling vor. Dort stand es bis zur Erbauung der Empore im Jahre 1841.<ref>Deutsch, S. 95.</ref> 1841 wurde das Werk an die Nordwand des Chors versetzt, wo es an der Chorwand befestigt wurde.<ref>Deutsch, S. 95.</ref> In diesem Zustand wurde das Kunstwerk im 19. Jahrhhundert von Heinrich Merz, [[Jakob August Lorent]] und Julius Hausser fast im gleichen Wortlaut beschrieben<ref>Heinrich Merz: ''Spaziergang durch die vornehmsten Kirchen Württembergs.'' In: ''Evangelisches Kirchenblatt zunächst für Württemberg'' 6, 1845, S. 580; Jakob August Lorent:''Denkmale des Mittelalters in dem Königreiche Württemberg'', II. Abt., Mannheim 1867, S. 191-192; Julius Hausser:''Schwäbisch Hall und seine Umgebung'', Hall 1877, S. 120.</ref> .


Am 12. Januar 1877 gelangte es an das Königliche Museum vaterländischer Alterthümer in Stuttgart, das heutige Württembergische Landesmuseum, wofür die Pfarrgemeinde Rieden den Kaufpreis von 400 Mark erhielt.<ref>Deutsch (1990), S. 96-97.</ref>
Am 12. Januar 1877 gelangte es an das Königliche Museum vaterländischer Alterthümer in Stuttgart, das heutige Württembergische Landesmuseum, wofür die Pfarrgemeinde Rieden den Kaufpreis von 400 Mark erhielt.<ref>Deutsch, S. 96-97.</ref>


==Beschreibung==
==Beschreibung==
===Geöffneter Zustand===
===Geöffneter Zustand===
====Mittelschrein====
====Mittelschrein====
Das Retabel ist 136 cm hoch und geöffnet 235 cm breit. Der querrechteckige Schrein besteht aus Eiche und zeigt im Hochrelief fast vollrund geschnitzte Figurengruppen aus Nussbaumholz. Die Figurengruppen zeigt in der Mitte ''Christi Geburt vor einer Felslandschaft'', im Mittelteil des Schreins. Die ''Anbetung der Könige'', im Schrein rechts sowie die ''Vermählung Marias'', im Schrein links. Bemerkenswert sei laut Wolfgang Deutsch der „Charakterkopf Josefs...Gerade die Schlichtheit der Darstellung führt zu großer Eindringlichkeit.“<ref>Deutsch (1990), S. 90.</ref>
Das Retabel ist 136 cm hoch und geöffnet 235 cm breit. Der querrechteckige Schrein besteht aus Eiche und zeigt im Hochrelief fast vollrund geschnitzte Figurengruppen aus Nussbaumholz. Die Figurengruppen zeigt in der Mitte ''Christi Geburt vor einer Felslandschaft'', im Mittelteil des Schreins. Die ''Anbetung der Könige'', im Schrein rechts sowie die ''Vermählung Marias'', im Schrein links. Bemerkenswert sei laut Wolfgang Deutsch der „Charakterkopf Josefs...Gerade die Schlichtheit der Darstellung führt zu großer Eindringlichkeit.“<ref>Deutsch, S. 90.</ref>


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====Auszugsflügelinnenseiten ====
====Auszugsflügelinnenseiten ====
Diese zeigen Gemälde, der linke Flügel die heilige Katharina von Alexandria mit Krone, Rad und Schwert und der rechte Flügel die heilige Barbara mit Turm und Palmzweig. Katharina und Barbara zählen laut [[Wolfgang Deutsch]] zu den „virgines capitales“ den jungfräulichen Hauptheiligen. Sie unterstehen der Maria als Königin der Jungfrauen („Regina virginum“). Sie gehörten zum Marienprogramm des Marienretabels, weil das gesamte Altarwerk der Marienverehrung diente.<ref>Deutsch (1990), S. 84.</ref>
Diese zeigen Gemälde, der linke Flügel die heilige Katharina von Alexandria mit Krone, Rad und Schwert und der rechte Flügel die heilige Barbara mit Turm und Palmzweig. Katharina und Barbara zählen laut [[Wolfgang Deutsch]] zu den „virgines capitales“ den jungfräulichen Hauptheiligen. Sie unterstehen der Maria als Königin der Jungfrauen („Regina virginum“). Sie gehörten zum Marienprogramm des Marienretabels, weil das gesamte Altarwerk der Marienverehrung diente.<ref>Deutsch, S. 84.</ref>


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====Altarflügelinnenseiten ====
====Altarflügelinnenseiten ====
Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Altarflügel den ''Tempelgang Marias'', der rechte Altarfügel die ''Darbringung Jesu'':
Die Innenseiten der Altarflügel sind bemalt. Der linke Altarflügel zeigt den ''Tempelgang Marias'', der rechte Altarfügel die ''Darbringung Jesu''.
* Das Gemälde der ''Tempelgang Marias'' zeigt die dreijährige Maria in blauem Gewand und roten Schuhen, wie sie betend die Treppe zum Tempel hinaufgeht. Am Tempelportal wird sie von dem Hohepriester – wie ein Bischof gekleidet – empfangen. Der Geistliche wird von zwei Tempeljungfrauen begleitet. Zwei weitere Tempeljungfrauen schauen aus einem Fenster. Unterhalb der Treppe, auf der linken Bildseite, stehen Joachim und Anna. Am Fuß der Treppe befinden sich Maiglöckchen.<ref>Deutsch (1990), S. 75.</ref> Besonders bemerkenswert sei „der Kummer des Joachim, der aus Blick und Gebärden spricht“.<ref>Deutsch (1990), S. 90.</ref>


* Das Gemälde ''Darbringung Jesu'' ist mit dem Thema Marias verbunden, weil diese auch eine Reinigung Marias darstellt. Bei dem Gemälde werden in auffälliger Art und Weise die Prozessionskerzen und der Tauben als der Opfergabe für die Reinigung gezeigt. Durch einen Doppelbogen mit hängendem Schlussstein sehen wir in das schlichte Innere eines Raums mit Fließenboden, Holzdecke und Rundbogenfenster, als Tempel kennzeichnet ihn eine Mosesfigur, die auf dem Schlussstein steht und die Gesetzestafeln hält. Ein spätgotischer Tisch in der Mitte des Raums soll den Altar darstellen. Links vom Tisch befindet sich Maria mit zwei anderen Mädchen, die das Kind dem Simeon übergeben. Auf dem Gemälde tragen alle Tempelbesucher brennende Kerzen, was ein Hinweis auf die Lichterprozession am Fest von Marias Reinigung, [[Lichtmess]], ist. Zudem auffällig die bläulich-weiße Scheibchen, die am Schaft dieser Kerzen haften.<ref>Deutsch (1990), S. 79–80.</ref> Besonders bemerkenswert sei die Darsellung Simeons – „die innere Bewegung Simeons, seine Hingabe, die sich in der Biegung des Körpers ausdrückt und überhaupt die Ausdruckskraft der Gebärden trotz summarischer Wiedergabe der Finger und Hände. Man betrachte, wie behutsam und liebevoll die Händes Simeons das Kind umfassen.“<ref>Deutsch (1990), S. 90.</ref>
Das Bild des ''Tempelgangs Marias'' zeigt die dreijährige Maria in blauem Gewand und roten Schuhen, wie sie betend die Treppe zum Tempel hinaufgeht. Am Tempelportal wird sie von dem Hohepriester – wie ein Bischof gekleidet – empfangen. Der Geistliche wird von zwei Tempeljungfrauen begleitet. Zwei weitere Tempeljungfrauen schauen aus einem Fenster. Unterhalb der Treppe, auf der linken Bildseite, stehen Joachim und Anna. Am Fuß der Treppe befinden sich Maiglöckchen.<ref>Deutsch, S. 75.</ref> Besonders bemerkenswert sei „der Kummer des Joachim, der aus Blick und Gebärden spricht“.<ref>Deutsch, S. 90.</ref>
Das Bild der ''Darbringung Jesu'' ist mit dem Thema Marias verbunden, weil diese auch eine Reinigung Marias darstellt. Bei dem Bild werden in auffälliger Art und Weise die Prozessionskerzen und der Tauben als der Opfergabe für die Reinigung gezeigt. Durch einen Doppelbogen mit hängendem Schlussstein sehen wir in das schlichte Innere eines Raums mit Fließenboden, Holzdecke und Rundbogenfenster, als Tempel kennzeichnet ihn eine Mosesfigur, die auf dem Schlussstein steht und die Gesetzestafeln hält. Ein spätgotischer Tisch in der Mitte des Raums soll den Altar darstellen. Links vom Tisch befindet sich Maria mit zwei anderen Mädchen, die das Kind dem Simeon übergeben. Auf dem Bild tragen alle Tempelbesucher brennende Kerzen, was ein Hinweis auf die Lichterprozession am Fest von Marias Reinigung, [[Lichtmess]], ist. Zudem auffällig die bläulich-weiße Scheibchen, die am Schaft dieser Kerzen haften.<ref>Deutsch, S. 79–80.</ref> Besonders bemerkenswert sei die Darsellung Simeons – „die innere Bewegung Simeons, seine Hingabe, die sich in der Biegung des Körpers ausdrückt und überhaupt die Ausdruckskraft der Gebärden trotz summarischer Wiedergabe der Finger und Hände. Man betrachte, wie behutsam und liebevoll die Händes Simeons das Kind umfassen.“<ref>Deutsch, S. 90.</ref>




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===Geschlossener Zustand===
===Geschlossener Zustand===
====Auszugsflügelaußenseiten ====
====Auszugsflügelaußenseiten ====
Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Flügel die gekrönte Maria und rechts Christus, der sie segnet.
Die Auszugsflügelaußenseiten haben „''Christus segnet die gekrönte Maria''“<ref Name="Deutsch_81"/> als Thema. Gezeigt wird dabei nicht die Krönung der Gottesmutter selbst, sondern der Moment danach, als Christus die Gekrönte segnet. So wird auf der Innenseite der Auszugsflügel die „Glorifizierung Marias“<ref Name="Deutsch_81"/> thematisiert. So zeigt der linke Flügel die gekrönte Maria ist blau gekleidet mit offenem Haar, ausgestattet mit Nimbus und Krone (beschädigt) als „Himmelskönigin und Throngefährten Christi“.<ref Name="Deutsch_81">Deutsch (1990), S. 81.</ref> Auf der rechten Tafel sitzt Christus in weißen Gewändern, die Weltkugel mit der Linken auf dem Schoß haltend, mit der rechten Hand segnet er Maria.


====Altarflügelaußenseiten ====
====Altarflügelaußenseiten ====
Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Altarflügel den Engel Gabriel und Maria auf dem rechten Flügel. Das Gemälde zeigt den Erzengel, wie er in der rechten Hand ein langes Zepter hält. In der linken hält er ein Spruchband: „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus“ . Es sind die Worte aus Lukas 1,28 („Sei gegrüßt du Begnadete, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen“.)<ref>Deutsch (1990), S. 84.</ref> Maria wird mit [[Heiligenschein|Nimbus]] und offenem Haar dargestellt. Sie steht und liest vertieft in einem Buch. Vor ihr befindet sich eine Vase mit einer blühenden Lilie, als Symbol ihrer Jungfräulichen Reinheit. Um den Nimbus ist ein Spruchband zu sehen: „Ecce ancilla Domini. Fiat mihi secundum verbum tuum, amen“ . Dies sind Worte aus Lukas 1, 38 („Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort, so soll es geschehen“.)<ref>Deutsch (1990), S. 84.</ref>
Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Altarflügel den Engel Gabriel und Maria auf dem rechten Flügel. Das Gemälde zeigt den Erzengel, wie er in der rechten Hand ein langes Zepter hält. In der linken hält er ein Spruchband: „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus“ . Es sind die Worte aus Lukas 1,28 („Sei gegrüßt du Begnadete, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen“.)<ref>Deutsch, S. 84.</ref> Maria wird mit [[Heiligenschein|Nimbus]] und offenem Haar dargestellt. Sie steht und liest vertieft in einem Buch. Vor ihr befindet sich eine Vase mit einer blühenden Lilie, als Symbol ihrer Jungfräulichen Reinheit. Um den Nimbus ist ein Spruchband zu sehen: „Ecce ancilla Domini. Fiat mihi secundum verbum tuum, amen“ . Dies sind Worte aus Lukas 1, 38 („Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort, so soll es geschehen“.)<ref>Deutsch, S. 84.</ref>


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[[Julius Baum]] bemerkt im Katalog von 1917:
[[Julius Baum]] bemerkt im Katalog von 1917:
{{Zitat| die gemalten Flügel … außen weibliche Heilige auch innen Einzelfiguren unter denen 1877 nur noch der Erlöser erkennbar, darstellend sind nicht mehr vorhanden <ref>Julius Baum: ''Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts'' (= ''Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart'', Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 280 Nr. 323.</ref>}}
{{Zitat| die gemalten Flügel … außen weibliche Heilige auch innen Einzelfiguren unter denen 1877 nur noch der Erlöser erkennbar, darstellend sind nicht mehr vorhanden <ref>Julius Baum: ''Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts'' (= ''Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart'', Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 280 Nr. 323.</ref>}}
===Meinungsstreit über die Herkunft===

Das Marienretabel wurde laut [[Alfred Stange]] von dem nach dem ihm benannten [[Meister von Rieden]] in [[Brüssel]] oder [[Löwen]] um 1440–1450 geschaffen. [[Wolfgang Deutsch]] zufolge stammt das Schnitzwerk aus der Werkstatt des Willem Ards in Löwen um 1449, der auch die Schnitzwerke der Haller Katharinakirche und die Schnitzwerke im Löwener Rathaus gefertigt hat – „Aus Schriftquellen im Löwener Stadtarchiv geht hervor, daß der Meister dieser Bildwerke Willem Ards hieß“.<ref>Deutsch (1990), S. 88.</ref><ref>Deutsch (1985), hier S. 163ff. mit Quellenzitaten in den Anmerkungen</ref>

Die Tafelbilder des Altars stammen von einem niederländischen Maler. So meint Stange:
{{Zitat|unverkennbar die Arbeit eines holländischen Malers und müssen zu den seltenen Inkunabeln der holländischen Malerei gezählt werden. Die pastose Malweise, die kalten Farben, die eirunden, geschlossenen Gesichter der Frauen, das weißliche Inkarnat, dieuntersetzten Proportionen lassen sie als eine wichtige Vorstufe für die von Geerten tot Sint Jans erkennen<ref>Alfred Stange:''Deutsche Malerei der Gotik, Band 8: Schwaben in der Zeit von 1450 bis 1500.'' Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1957, S. 112-113.</ref>}}

Dieser Maler wird von Deutsch aber abgelehnt:{{"|Mir scheinen die Anklänge an Geertgen aber nicht zwingend genung, um daraus auf ein Verhältnis im Sinne einer Vorstufe zu schließen.<ref>Deutsch (1990), S. 89.</ref>}}



== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Eugen Gradmann]]: ''Die Kunst- und Altertums-Denkmale der Stadt und des Oberamtes Schwäbisch-Hall.'' Esslingen 1907, S. 103–104.
* [[Eugen Gradmann]]: ''Die Kunst- und Altertums-Denkmale der Stadt und des Oberamtes Schwäbisch-Hall.'' Esslingen 1907, S. 103–104.
* Wolfgang Deutsch:''Der Hochaltar der Haller Katharinenkirche, Geschichte und Herkunft''. In: Württembergisch Franken 1985, S. 127-220.
* Wolfgang Deutsch: ''Der ältestete Riedener Altar''. In: Uta Friederich-Keitel, Rainer Keitel (Hrsg.): ''Rieden im Rosengarten 1290–1990.'' Rieden 1990, S. 67–102.
* Wolfgang Deutsch: ''Der ältestete Riedener Altar''. In: Uta Friederich-Keitel, Rainer Keitel (Hrsg.): ''Rieden im Rosengarten 1290–1990.'' Rieden 1990, S. 67–102.
* Jörg Lusin: ''Rieden verlor seinen Hochaltar ans Museum.'' In: Carlheinz Gräter, Jörg Lusin, Rainer Fieselmann: ''Kirchen, Klöster und Kapellen in Hohenlohe. Geschichte und Geschichten.'' Silberburg-Verlag, Tübingen 2007, S. 18ff.
* Jörg Lusin: ''Rieden verlor seinen Hochaltar ans Museum.'' In: Carlheinz Gräter, Jörg Lusin, Rainer Fieselmann: ''Kirchen, Klöster und Kapellen in Hohenlohe. Geschichte und Geschichten.'' Silberburg-Verlag, Tübingen 2007, S. 18ff.
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==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==
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[[Kategorie:Altarretabel]]
[[Kategorie:Altarretabel]]

Version vom 6. Dezember 2013, 15:21 Uhr

Das Marienretabel befand sich ehemals in der Marienkirche in Rieden, heute Gemeinde Rosengarten (Landkreis Schwäbisch Hall). Er wurde von dem nach dem ihm benannten Meister von Rieden in Brüssel oder Löwen um 1440–1450 geschaffen. Laut Wolfgang Deutsch stammte das Werk aus der Werkstatt des Willem Ards in Löwen um 1449. [1] Die Tafelbilder des Altars stammen nach Alfred Stangevon einem niederländischen Maler.[2]

Seit 1877 befindet sich der Retabel im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart.[3]

Geschichte

Das Marienretabel ist der älteste und für lange Zeit einzige Altar der Kirche in Rieden, wo er im Chor als Hochaltar diente.[4] 1510 erfolgte die Versetzung in die Kirchenmitte.[5] und 1721 auf den linken Seitenaltar, wo es am Ende des Langhauses nördlich vom Triumphbogen stand. Die Versetzung nahm der Schlosser Friedrich Weidner für 4 Gulden und 22 Schilling vor. Dort stand es bis zur Erbauung der Empore im Jahre 1841.[6] 1841 wurde das Werk an die Nordwand des Chors versetzt, wo es an der Chorwand befestigt wurde.[7] In diesem Zustand wurde das Kunstwerk im 19. Jahrhhundert von Heinrich Merz, Jakob August Lorent und Julius Hausser fast im gleichen Wortlaut beschrieben[8] .

Am 12. Januar 1877 gelangte es an das Königliche Museum vaterländischer Alterthümer in Stuttgart, das heutige Württembergische Landesmuseum, wofür die Pfarrgemeinde Rieden den Kaufpreis von 400 Mark erhielt.[9]

Beschreibung

Geöffneter Zustand

Mittelschrein

Das Retabel ist 136 cm hoch und geöffnet 235 cm breit. Der querrechteckige Schrein besteht aus Eiche und zeigt im Hochrelief fast vollrund geschnitzte Figurengruppen aus Nussbaumholz. Die Figurengruppen zeigt in der Mitte Christi Geburt vor einer Felslandschaft, im Mittelteil des Schreins. Die Anbetung der Könige, im Schrein rechts sowie die Vermählung Marias, im Schrein links. Bemerkenswert sei laut Wolfgang Deutsch der „Charakterkopf Josefs...Gerade die Schlichtheit der Darstellung führt zu großer Eindringlichkeit.“[10]

Auszugsflügelinnenseiten

Diese zeigen Gemälde, der linke Flügel die heilige Katharina von Alexandria mit Krone, Rad und Schwert und der rechte Flügel die heilige Barbara mit Turm und Palmzweig. Katharina und Barbara zählen laut Wolfgang Deutsch zu den „virgines capitales“ den jungfräulichen Hauptheiligen. Sie unterstehen der Maria als Königin der Jungfrauen („Regina virginum“). Sie gehörten zum Marienprogramm des Marienretabels, weil das gesamte Altarwerk der Marienverehrung diente.[11]

Altarflügelinnenseiten

Die Innenseiten der Altarflügel sind bemalt. Der linke Altarflügel zeigt den Tempelgang Marias, der rechte Altarfügel die Darbringung Jesu.

Das Bild des Tempelgangs Marias zeigt die dreijährige Maria in blauem Gewand und roten Schuhen, wie sie betend die Treppe zum Tempel hinaufgeht. Am Tempelportal wird sie von dem Hohepriester – wie ein Bischof gekleidet – empfangen. Der Geistliche wird von zwei Tempeljungfrauen begleitet. Zwei weitere Tempeljungfrauen schauen aus einem Fenster. Unterhalb der Treppe, auf der linken Bildseite, stehen Joachim und Anna. Am Fuß der Treppe befinden sich Maiglöckchen.[12] Besonders bemerkenswert sei „der Kummer des Joachim, der aus Blick und Gebärden spricht“.[13]

Das Bild der Darbringung Jesu ist mit dem Thema Marias verbunden, weil diese auch eine Reinigung Marias darstellt. Bei dem Bild werden in auffälliger Art und Weise die Prozessionskerzen und der Tauben als der Opfergabe für die Reinigung gezeigt. Durch einen Doppelbogen mit hängendem Schlussstein sehen wir in das schlichte Innere eines Raums mit Fließenboden, Holzdecke und Rundbogenfenster, als Tempel kennzeichnet ihn eine Mosesfigur, die auf dem Schlussstein steht und die Gesetzestafeln hält. Ein spätgotischer Tisch in der Mitte des Raums soll den Altar darstellen. Links vom Tisch befindet sich Maria mit zwei anderen Mädchen, die das Kind dem Simeon übergeben. Auf dem Bild tragen alle Tempelbesucher brennende Kerzen, was ein Hinweis auf die Lichterprozession am Fest von Marias Reinigung, Lichtmess, ist. Zudem auffällig die bläulich-weiße Scheibchen, die am Schaft dieser Kerzen haften.[14] Besonders bemerkenswert sei die Darsellung Simeons – „die innere Bewegung Simeons, seine Hingabe, die sich in der Biegung des Körpers ausdrückt und überhaupt die Ausdruckskraft der Gebärden trotz summarischer Wiedergabe der Finger und Hände. Man betrachte, wie behutsam und liebevoll die Händes Simeons das Kind umfassen.“[15]


Geschlossener Zustand

Auszugsflügelaußenseiten

Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Flügel die gekrönte Maria und rechts Christus, der sie segnet.

Altarflügelaußenseiten

Diese zeigen Gemälde. So zeigt der linke Altarflügel den Engel Gabriel und Maria auf dem rechten Flügel. Das Gemälde zeigt den Erzengel, wie er in der rechten Hand ein langes Zepter hält. In der linken hält er ein Spruchband: „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus“ . Es sind die Worte aus Lukas 1,28 („Sei gegrüßt du Begnadete, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen“.)[16] Maria wird mit Nimbus und offenem Haar dargestellt. Sie steht und liest vertieft in einem Buch. Vor ihr befindet sich eine Vase mit einer blühenden Lilie, als Symbol ihrer Jungfräulichen Reinheit. Um den Nimbus ist ein Spruchband zu sehen: „Ecce ancilla Domini. Fiat mihi secundum verbum tuum, amen“ . Dies sind Worte aus Lukas 1, 38 („Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort, so soll es geschehen“.)[17]

Predella

Die Predella ist 85 cm x 113 cm groß und zeigt als Relief das Abendmahl Jesu. Sie gehört nicht ursprünglich zum Retabel, sondern wurde von einem anderen Bildschnitzer geschaffen, möglicherweise dem gleichen Künstler, der in Schwäbisch Hall die Abendmahlsdarstellung in der Sakristei und die Predella des Heiliggeistaltares geschnitzt hat.[18]

Predellaflügel

Ursprünglich hatte die Predella Flügel mit Reliefs. Heinrich Merz schreibt darüber 1845

„an den Flügeln auf beiden Seiten zwei heilige Frauen, unzart gefärbt aber nicht ohne Ausdruck und Empfindung [19]

Julius Baum bemerkt im Katalog von 1917:

„die gemalten Flügel … außen weibliche Heilige auch innen Einzelfiguren unter denen 1877 nur noch der Erlöser erkennbar, darstellend sind nicht mehr vorhanden [20]

Literatur

  • Eugen Gradmann: Die Kunst- und Altertums-Denkmale der Stadt und des Oberamtes Schwäbisch-Hall. Esslingen 1907, S. 103–104.
  • Wolfgang Deutsch: Der ältestete Riedener Altar. In: Uta Friederich-Keitel, Rainer Keitel (Hrsg.): Rieden im Rosengarten 1290–1990. Rieden 1990, S. 67–102.
  • Jörg Lusin: Rieden verlor seinen Hochaltar ans Museum. In: Carlheinz Gräter, Jörg Lusin, Rainer Fieselmann: Kirchen, Klöster und Kapellen in Hohenlohe. Geschichte und Geschichten. Silberburg-Verlag, Tübingen 2007, S. 18ff.

Einzelnachweise

  1. Deutsch, S. 88 „Aus Schriftquellen im Löwener Stadtarchiv geht hervor, daß der Meister dieser Bildwerke Willem Ards hieß“. (Welche Schriftquelle?).
  2. Alfred Stange: Deutsche Malerei der Gotik. Bd. 8: Schwaben in der Zeit von 1450 bis 1500. Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 1957, S. 112–113. Stange ordnet ihn als eine Vorstufe für Geertgen tot Sint Jans um 1440–50 ein.
  3. Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Inv. 6651. Julius Baum: Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts (= Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart, Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 268–271 Nr. 323 Taf. 18–19.
  4. Deutsch, S. 91.
  5. Deutsch, S. 91.
  6. Deutsch, S. 95.
  7. Deutsch, S. 95.
  8. Heinrich Merz: Spaziergang durch die vornehmsten Kirchen Württembergs. In: Evangelisches Kirchenblatt zunächst für Württemberg 6, 1845, S. 580; Jakob August Lorent:Denkmale des Mittelalters in dem Königreiche Württemberg, II. Abt., Mannheim 1867, S. 191-192; Julius Hausser:Schwäbisch Hall und seine Umgebung, Hall 1877, S. 120.
  9. Deutsch, S. 96-97.
  10. Deutsch, S. 90.
  11. Deutsch, S. 84.
  12. Deutsch, S. 75.
  13. Deutsch, S. 90.
  14. Deutsch, S. 79–80.
  15. Deutsch, S. 90.
  16. Deutsch, S. 84.
  17. Deutsch, S. 84.
  18. Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Inv. 6655. Julius Baum: Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts (= Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart, Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 280 Nr. 332.
  19. Heinrich Merz: Spaziergang durch die vornehmsten Kirchen Württembergs. In: Evangelisches Kirchenblatt zunächst für Württemberg 6, 1845, S. 261 ff., hier S. 580.
  20. Julius Baum: Deutsche Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhunderts (= Kataloge der Kgl. Altertümersammlung in Stuttgart, Bd. 3), Stuttgart/Berlin 1917, S. 280 Nr. 323.