„Großer Nordischer Krieg“ – Versionsunterschied

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|KONTRAHENT1=[[Schweden|Königreich Schweden]] (1700–1721)<br />[[Hetmanat]] (1708-1709)<br />[[Osmanisches Reich]] (1710–1711)
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|KONTRAHENT2= [[Zarentum Russland]] (1700–1721)<br />[[Sachsen-Polen]] (1700–1706, 1709–1719)<br />[[Dänemark-Norwegen]] (1700, 1709–1720)<br />[[Königreich Preußen]] (ab 1715)<br />[[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg]] (ab 1715)
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| BEFEHLSHABER1 = <center>Schweden:</center>König [[Karl XII. (Schweden)|Karl XII.]]<br /> Generäle [[Carl Gustaf Rehnskiöld]], [[Adam Ludwig Lewenhaupt]], [[Magnus Stenbock]], [[Carl Gustaf Armfeldt (1666–1736)|Carl Gustaf Armfeldt]]<br /><center>Polen:</center> König [[Stanislaus I. Leszczyński]]<br /><center>Hetmanat:</center>[[Iwan Masepa]]<br /><center>Osmanisches Reich:</center>Sultan [[Ahmed III.]]<br /> Großwesir [[Baltaji Mehmed Pascha|Baltaji Mehmed Pascha]]<br />Krim-Khan [[Devlet II. Giray]]
| BEFEHLSHABER2 = <center>Russland:</center>Zar [[Peter I. (Russland)|Peter der Große]]<br />Feldmarschälle [[Boris Petrowitsch Scheremetew|Boris Scheremetew]], [[Alexander Danilowitsch Menschikow|Alexander Menschikow]];<br />Admiral [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin|Fjodor Apraxin]]<br /><center>Sachsen-Polen:</center>König [[August II. (Polen)|August der Starke]]<br />Generäle [[Jacob Heinrich von Flemming]], [[Georg Benedikt von Ogilvy|Georg von Ogilvy]], [[Johann Matthias von der Schulenburg]]<br /><center>Dänemark:</center>König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV.]]<br /><center>Preußen:</center>König [[Friedrich Wilhelm I. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]]<br />Feldmarschall [[Leopold I. (Anhalt-Dessau)|Leopold I. von Anhalt-Dessau]]<br /><center>Hannover-England:</center>König [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I.]]
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Der '''Große Nordische Krieg''' war ein in [[Nordeuropa|Nord-]], [[Mitteleuropa|Mittel-]] und [[Osteuropa]] geführter Krieg um die [[Nordische Kriege|Vorherrschaft im Ostseeraum]] in den Jahren 1700 bis 1721.
Der '''Große Nordische Krieg''' war ein in [[Nordeuropa|Nord-]], [[Mitteleuropa|Mittel-]] und [[Osteuropa]] geführter Krieg um die [[Nordische Kriege|Vorherrschaft im Ostseeraum]] in den Jahren 1700 bis 1721.


Eine Dreierallianz, bestehend aus dem [[Zarentum Russland|Russischen Zarenreich]], den [[Personalunion]]en [[Sachsen-Polen]] und [[Dänemark-Norwegen]], griff im März 1700 das [[Schweden|Schwedische Reich]] an, das von dem 18-jährigen, als jung und unerfahren geltenden König [[Karl XII.]] regiert wurde. Trotz der ungünstigen Ausgangslage blieb der schwedische König zunächst siegreich und bewirkte, dass Dänemark-Norwegen (1700) und Sachsen-Polen (1706) aus dem Krieg ausschieden. Als er sich 1708 anschickte, Russland in einem letzten Feldzug zu besiegen, erlitten die Schweden in der [[Schlacht bei Poltawa]] im Juli 1709 eine verheerende Niederlage, die die Kriegswende bedeutete.
Eine Dreierallianz, bestehend aus dem [[Zarentum Russland|Russischen Zarenreich]], den [[Personalunion]]en [[Sachsen-Polen]] und [[Dänemark-Norwegen]], griff im März 1700 das [[Schweden|Schwedische Reich]] an, das von dem 18-jährigen, als jung und unerfahren geltenden König [[Karl XII.]] regiert wurde. Trotz der ungünstigen Ausgangslage blieb der schwedische König zunächst siegreich und erreichte, dass Dänemark-Norwegen (1700) und Sachsen-Polen (1706) aus dem Krieg ausschieden. Als er sich 1708 anschickte, Russland in einem letzten Feldzug zu besiegen, erlitten die Schweden in der [[Schlacht bei Poltawa]] im Juli 1709 eine verheerende Niederlage, welche die Kriegswende bedeutete.


Von dieser Niederlage ermutigt, traten die ehemaligen schwedischen Gegner Dänemark und Sachsen wieder in den Krieg gegen Schweden ein. Von nun an bis zum Kriegsende hatten die Alliierten die Initiative in der Hand und drängten die Schweden in die Defensive. Erst nachdem der als uneinsichtig und stur geltende schwedische König im Herbst 1718 während einer Belagerung von [[Festung Fredriksten|Frederikshald]] unter ungeklärten Umständen fiel, konnte der für Schweden aussichtslos gewordene Krieg beendet werden. Die Friedensbedingungen im [[Frieden von Nystad]], dem [[Frieden von Frederiksborg]] und dem [[Frieden von Stockholm]] bedeuteten das Ende des schwedischen Status als europäische Großmacht und den gleichzeitigen Aufstieg Russlands als neue Großmacht.
Von dieser Niederlage ihres ehemaligen Gegners ermutigt, traten Dänemark und Sachsen wieder in den Krieg gegen Schweden ein. Von nun an bis zum Kriegsende behielten die Alliierten die Initiative und drängten die Schweden in die Defensive. Erst nachdem der als uneinsichtig und kriegsbesessen geltende Schwedenkönig im Herbst 1718 während einer Belagerung vor [[Festung Fredriksten|Frederikshald]] in Norwegen fiel, konnte der für sein Land aussichtslos gewordene Krieg beendet werden. Die Friedensbedingungen im [[Frieden von Nystad]], dem [[Frieden von Frederiksborg]] und dem [[Frieden von Stockholm]] bedeuteten das Ende des schwedischen Status als europäische Großmacht und den gleichzeitigen Aufstieg Russlands als neue Großmacht.


== Vorgeschichte ==
== Die Ausgangssituation ==
Die Ursache des Großen Nordischen Krieges war von verschiedenen Faktoren bestimmt und hatte ihre Ursprünge zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In zahlreichen Kriegen gegen das [[Dänemark|Königreich Dänemark]], das [[Polen-Litauen|Königreich Polen-Litauen]] und das [[Zarentum Russland|Russische Zarenreich]] hatte Schweden bis 1660 die Vormachtstellung im Ostseeraum errungen. Dabei hatte es das Zarenreich im [[Frieden von Stolbowo]] (1617) vom Zugang zur Ostsee abgedrängt und Dänemark mit dem [[Vertrag von Oliva|Frieden von Oliva]] (1660) die uneingeschränkte Herrschaft über den Sund entrissen. In den folgenden Jahren war Schweden außenpolitisch von [[Frankreich]] unterstützt worden und konnte seinen Besitzstand wahren.


=== Die Vorgeschichte ===
Als Folge dieser Entwicklungen zeichneten sich am Ende des 17. Jahrhunderts folgende Konfliktlinien in Nordosteuropa ab:
Die Ursachen des Großen Nordischen Krieges waren vielfältiger Natur und hatten ihre Ursprünge bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In zahlreichen Kriegen gegen die Königreiche [[Dänemark]] und [[Polen-Litauen]] sowie das Russische Zarenreich hatte Schweden bis 1660 die Vormachtstellung im Ostseeraum errungen. Dabei hatte es das Zarenreich im [[Frieden von Stolbowo]] (1617) den Zugang zur Ostsee genommen und Dänemark mit dem [[Vertrag von Oliva|Frieden von Oliva]] (1660) die uneingeschränkte Herrschaft über den [[Öresund|Sund]] entrissen. Wie schon im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] war Schweden auch in den folgenden Jahren außenpolitisch von [[Frankreich]] unterstützt worden und konnte so seinen Besitzstand wahren.

Als Folge dieser Entwicklungen zeichneten sich am Ende des 17. Jahrhunderts in Nordosteuropa folgende Konfliktlinien ab:
[[Datei:Ortus-imperii-suecorum.png|thumb|left|Entwicklung des schwedischen Imperiums im frühmodernen Europa (1560–1815)]]
[[Datei:Ortus-imperii-suecorum.png|thumb|left|Entwicklung des schwedischen Imperiums im frühmodernen Europa (1560–1815)]]
* Einen Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden stellte die Frage um die [[Schleswig-Holstein-Gottorf|gottorfschen Anteile]] in den Herzogtümern [[Herzogtum Holstein|Holstein]] und vor allem [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] dar. Die Herzogtümer waren seit 1544 in königliche, gottorfsche und gemeinsam regierte Anteile aufgeteilt worden.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/bilder/gottorf3_600.gif Karte der gottorfschen und königlichen Anteile in den Herzogtümern Schleswig und Holstein]</ref> Trotzdem verblieb Holstein formell [[Heiliges Römisches Reich deutscher Nation|deutsches]] und Schleswig [[Königreich Dänemark|dänisches]] [[Lehen]]. Nach dem [[Frieden von Roskilde]] 1658 wurden die Anteile der mit den Schweden alliierten Gottorfer im Herzogtum Schleswig vom dänischen Lehen entbunden. Die dänische Außenpolitik, die sich durch die Allianz der Gottorfer mit den Schweden von zwei Seiten bedroht sah, versuchte sich die verlorenen Gebiete wieder einzuverleiben. Die Unabhängigkeit des Teil-Herzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf garantierte lediglich die schwedische Regierung, welche davon ausging, dass sie mit dem verbündeten Territorium im Falle eines Krieges gegen Dänemark über eine strategische Basis für Truppenaufmärsche und Angriffe auf das dänische Festland verfügte.<ref name="Optiz 90-94">Darstellung nach: Eckardt Opitz: ''Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721'', in: ''Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten'', herausgegeben von Bernd Wegner in Verbindung mit Ernst Willi Hansen, Kerstin Rehwinkel und Matthias Reiss. Paderborn 2000, S. 89-107, hier: S. 90–94.</ref>
* Einen Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden stellte die Frage um die [[Schleswig-Holstein-Gottorf|gottorfschen Anteile]] an den Herzogtümern [[Herzogtum Holstein|Holstein]] und vor allem [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] dar. Die Herzogtümer waren 1544 in königliche, gottorfsche und gemeinsam regierte Anteile aufgeteilt worden.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/bilder/gottorf3_600.gif Karte der gottorfschen und königlichen Anteile in den Herzogtümern Schleswig und Holstein]</ref> Trotzdem verblieb Holstein formell [[Heiliges Römisches Reich deutscher Nation|kaiserliches]] und Schleswig [[Königreich Dänemark|dänisches]] [[Lehen]]. Nach dem [[Frieden von Roskilde]] 1658 wurden die Anteile der mit den Schweden alliierten Gottorfer im Herzogtum Schleswig vom dänischen Lehen entbunden. Die dänische Außenpolitik, die sich durch die Allianz der Gottorfer mit den Schweden von zwei Seiten bedroht sah, versuchte die verlorenen Gebiete wieder Dänemark einzuverleiben. Die Unabhängigkeit des Teilherzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf garantierte lediglich die schwedische Regierung, die davon ausging, dass sie mit dem verbündeten Territorium im Falle eines Krieges gegen Dänemark über eine strategische Basis für Truppenaufmärsche und Angriffe auf das dänische Festland verfügte.<ref name="Optiz 90-94">Darstellung nach: Eckardt Opitz: ''Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721'', in: ''Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten'', herausgegeben von Bernd Wegner in Verbindung mit Ernst Willi Hansen, Kerstin Rehwinkel und Matthias Reiss. Paderborn 2000, S. 89-107, hier: S. 90–94.</ref>
* Ein weiterer Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden bildeten die früher dänischen und seit 1658 zu Schweden gehörenden Provinzen [[Schonen]] ''(Skåne)'', [[Blekinge]] und [[Halland]]. Die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Schonens hatte bereits 1675 zum letztlich erfolglosen Kriegseintritt Dänemarks in den [[Nordischer Krieg (1674–1679)|Nordischen Krieg von 1674 bis 1679]] geführt.<ref name="Optiz 90-94" />
* Einen weiteren Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden bildeten die früher dänischen und seit 1658 zu Schweden gehörenden Provinzen [[Schonen]] ''(Skåne)'', [[Blekinge]] und [[Halland]]. Die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Schonens hatte bereits 1675 zum letztlich erfolglosen Kriegseintritt Dänemarks in den [[Nordischer Krieg (1674–1679)|Nordischen Krieg von 1674 bis 1679]] geführt.<ref name="Optiz 90-94" />
* Unter König [[Karl XI. (Schweden)|Karl XI. von Schweden]] (1655–1697) war es zu den so genannten ''Reduktionen'' gekommen, durch welche der Landbesitz des Adels größtenteils an die Krone überging. Diese Praxis stieß unter anderem in [[Livland]] auf den Widerstand der betroffenen Fürsten, die sich nun um ausländische Hilfe bemühten.<ref name="Optiz 90-94" />
* Unter König [[Karl XI. (Schweden)|Karl XI. von Schweden]] (1655–1697) war es zu den so genannten ''Reduktionen'' gekommen, durch die der Landbesitz des Adels größtenteils an die Krone überging. Diese Praxis stieß unter anderem in [[Livland]] auf den Widerstand der betroffenen Fürsten, die sich daraufhin um ausländische Hilfe bemühten.<ref name="Optiz 90-94" />
* In Russland hatte Zar [[Peter I. (Russland)|Peter I.]] (1672–1725) erkannt, dass das Fehlen eines Zugangs zur Ostsee den russischen Handel beeinträchtigte. [[Petrinische Reformen|Seine Anstrengungen]] richteten sich vor allem deshalb gegen Schweden, welches die Ostseeküste besetzt hielt.<ref name="Optiz 90-94" />
* In Russland hatte Zar [[Peter I. (Russland)|Peter I.]] (1672–1725) erkannt, dass das Fehlen eines Zugangs zur Ostsee den russischen Handel beeinträchtigte. [[Petrinische Reformen|Seine Anstrengungen]] richteten sich deshalb vor allem gegen Schweden, das die Ostseeküste besetzt hielt.<ref name="Optiz 90-94" />
* Kurfürst [[August II. (Polen)|August I. von Sachsen]] (1670–1733) war im Jahre 1697 als August II. zum König von Polen gewählt worden. Er strebte danach, sich in Polen Anerkennung zu verschaffen und das Königtum dadurch in eine Erbmonarchie umwandeln zu können. Dabei beriet ihn der aus Livland geflohene [[Johann Reinhold von Patkul]] (1660–1707). Dieser meinte, dass die Rückeroberung des einst polnischen Livlands August zu einigem Prestige verhelfen werde. Der lokale Adel werde diesen Schritt willkommen heißen und sich gegen die schwedische Herrschaft erheben.<ref name="Optiz 90-94" />
* Kurfürst [[August II. (Polen)|August I. von Sachsen]] (1670–1733) war im Jahre 1697 als August II. zum König von Polen gewählt worden und strebte danach, sich dort Anerkennung zu verschaffen, um das Königtum in eine Erbmonarchie umwandeln zu können. Dabei beriet ihn der aus Livland geflohene [[Johann Reinhold von Patkul]] (1660–1707). Dieser meinte, dass die Rückeroberung des einst polnischen Livlands August zu einigem Prestige verhelfen würde. Der lokale Adel würde diesen Schritt willkommen heißen und sich gegen die schwedische Herrschaft erheben.<ref name="Optiz 90-94" />


Zwischen den drei potentiellen Gegnern Schwedens zeichnete sich bald nach der Thronbesteigung des erst 15-jährigen [[Karl XII. (Schweden)|Karls XII. von Schweden]] (1682–1718) der Zusammenschluss zu einer Allianz ab. Bereits im ersten Regierungsjahr hatte der junge König seinen Schwager [[Friedrich IV. (Schleswig-Holstein-Gottorf)|Friedrich IV.]] (1671–1702), den Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf zum „Oberbefehlshaber aller schwedischen Truppen in Deutschland“ gemacht und ihn beauftragt, die Landesverteidigung des Gottorfer Teil-Herzogtums zu verbessern. Diese offensichtlich militärischen Vorbereitungen gaben im Juni 1698 den Anstoß zu ersten Bündnisverhandlungen zwischen Dänemark und Russland.<ref>Eckardt Opitz: ''Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721'', S.94f</ref> Im August 1698 trafen sich Zar Peter I. und König August II. schließlich in [[Rawa-Ruska|Rawa]], wo sie erste Absprachen für ein gemeinsamen Angriff auf Schweden trafen.<ref>Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986, S. 80.</ref> Den formalen Abschluss der Allianz stellte der am {{JULGREGDATUM|21|11|1699}} abgeschlossene [[Vertrag von Preobraschenskoje]] dar. Erst am {{JULGREGDATUM|3|12|1699|Kurz="true"}} erfolgte der Abschluss einer weiteren Allianz zwischen Zar Peter I. und König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV. von Dänemark]] (1671–1730). Dänemark war seit März 1698 auch mit Sachsen in einer Defensivallianz verbündet. In beiden Verträgen wurde Schweden allerdings nicht expliziet als Ziel dieser Abkommen erwähnt. Sie verpflichteten die Vertragspartner lediglich dazu, sich im Falle eines Angriffs, oder wenn der Handel eines der Länder durch andere Staaten beeinträchtigt würde, Beistand zu leisten. Weiterhin ließ Zar Peter I. Klauseln einfügen, laut denen er erst nach einem Friedensschluss zwischen Russland und dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] (→ [[Russisch-Türkischer Krieg (1686–1700)]]) an die Bestimmungen der Verträge gebunden war.<ref>Werner Scheck: ''Geschichte Russlands'', München 1977, S. 188.</ref>
Zwischen den drei potentiellen Gegnern Schwedens zeichnete sich bald nach der Thronbesteigung des erst 15-jährigen [[Karl XII. (Schweden)|Karls XII. von Schweden]] (1682–1718) der Zusammenschluss zu einer Allianz ab. Bereits im ersten Regierungsjahr hatte der junge König seinen Schwager [[Friedrich IV. (Schleswig-Holstein-Gottorf)|Friedrich IV.]] (1671–1702), den Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf, zum ''Oberbefehlshaber aller schwedischen Truppen in Deutschland'' gemacht und ihn beauftragt, die Landesverteidigung des Gottorfer Teilherzogtums zu verbessern. Diese offensichtlich militärischen Vorbereitungen gaben im Juni 1698 den Anstoß zu ersten Bündnisverhandlungen zwischen Dänemark und Russland.<ref>Eckardt Opitz: ''Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721'', S.&nbsp;94f.</ref> Im August 1698 trafen sich Zar Peter I. und König August II. in [[Rawa-Ruska|Rawa]], wo sie erste Absprachen für einen gemeinsamen Angriff auf Schweden trafen.<ref>Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986, S. 80.</ref> Auf Betreiben Patkuls kam es schließlich am {{JULGREGDATUM|21|11|1699}} mit dem [[Vertrag von Preobraschenskoje]] zum formalen Bündnis zwischen Sachsen-Polen und Russland. Am {{JULGREGDATUM|3|12|1699|Kurz="true"}} wurde eine weitere Allianz zwischen Zar Peter I. und König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV. von Dänemark]] (1671–1730) abgeschlossen. Dänemark war seit März 1698 auch mit Sachsen in einer Defensivallianz verbündet. In beiden Verträgen wurde Schweden allerdings nicht explizit als Ziel dieser Abkommen erwähnt. Sie verpflichteten die Vertragspartner lediglich dazu, sich im Falle eines Angriffs oder wenn der Handel eines der Länder durch andere Staaten beeinträchtigt würde, Beistand zu leisten. Weiterhin ließ Zar Peter Klauseln einfügen, nach denen er erst nach einem Friedensschluss zwischen Russland und dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] (→ [[Russisch-Türkischer Krieg (1686–1700)]]) an die Bestimmungen der Verträge gebunden war.<ref>Werner Scheck: ''Geschichte Russlands'', München 1977, S. 188.</ref>


=== Die beteiligten Mächte ===
== Die Abwehr des alliierten Angriffs auf Schweden (1700) ==


* Schweden
=== Die sächsischen und dänischen Angriffe ===
war seit dem Dreißigjährigen Krieg zur hegemonialen Großmacht im Ostseeraum aufgestiegen, deren Besitzungen sich auch über alle Gegenküsten erstreckten, von [[Bremen]] über [[Vorpommern]] und das [[Baltikum]] bis nach [[Finnland]]. Diese verstreuten Territorien galt es gegen die Begehrlichkeiten der Nachbarn zu verteidigen, die als [[Binnenstaat]]en in ihrem Streben zum Meer durch den schwedischen Besitz blockiert waren. Die schwere Aufgabe fiel dem erst 18jährigen Karl XII. zu, der sich allerdings auf eine den Gegnern zunächst in allen Belangen weit überlegene Armee mit [[Liste schwedischer Feldmarschälle|kompetenten Befehlshabern]] stützen konnte. Nach einer eindrucksvollen Serie von Siegen galt der junge König daher bald als das größte militärische Genie seiner Zeit. Sein wichtigster politischer Berater war der vorsichtige Staatsmann [[Carl Piper]], der wiederholt zum Ausgleich mit dem Gegner riet, damit jedoch nicht durchdringen konnte. Ein bemerkenswerter Charakterzug Karls XII. war, dass er sich von einem gesetzten Ziel nicht mehr abbringen ließ. So gab er nach erfolgreicher Abwehr der ersten russischen Invasion der Niederringung Augusts II. in Polen Priorität und ließ sich auch durch die alarmierenden Nachrichten aus dem Baltikum von seinem Hass nicht ablenken. Nachdem er mehrere günstige Gelegenheiten für einen Frieden versäumte, wurde dem schwedischen König nachgesagt, dass er vom Krieg geradezu besessen sei. Nach der für Schweden katastrophalen Kriegswende 1709 und dem unfreiwilligen Exil im Osmanischen Reich wurden seine eigensinnigen Charakterzüge zunehmend zur Last, da er die Erschöpfung seines Landes nicht zur Kenntnis nehmen und bis zuletzt an seinen Großmachtplänen festhalten wollte.
[[Datei:Kokneses pils 1700.jpg|thumb|Die Beschießung von Kokenhausen in Livland durch sächsische Truppen (Herbst 1700); ''Zeitgenössischer Druck'']]


* Russland
Am 12. Februar 1700 drang General [[Jacob Heinrich von Flemming]] an der Spitze von etwa 14.000 sächsischen Soldaten in Livland ein um die Provinz und ihre Hauptstadt Riga einzunehmen.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 268.</ref> Da der schwedische [[Feldmarschall]] [[Erik Dahlberg]] die Stadt jedoch rechtzeitig in Verteidigungszustand versetzte, gingen die Sachsen zunächst an die Einnahme von [[Daugavgrīva|Dünamünde]] (13. – 15. März 1700). Diese Festung ließ August II. etwas voreilig in “Augustusburg” umbenennen.<ref>Heinz von Zur Mühlen: ''Baltisches historisches Ortslexikon'', Bd.2, Köln 1990, S. 132.</ref> Danach legten sie eine Blockade um Riga ohne jedoch die Festung ernstlich anzugreifen. Nach acht Wochen ergriffen hingegen die Schweden die Initiative und schlugen die Sachsen im [[Gefecht bei Jungfernhof]] (6. Mai 1700). Die sächsischen Truppen wichen hinter die Düna aus und warteten zunächst Verstärkungen ab. Als diese im Juni 1700 unter [[Generalfeldmarschall]] [[Adam Heinrich von Steinau]] eintrafen wurden sie von August II. persönlich begleitet. Steinau ging im Juli wieder zum Angriff über, schlug ein schwedisches Detachement unter General [[Otto Ottoson Vellingk]] in der Nähe von Jungfernhof und begann die eigentliche [[Belagerung von Riga (1700)|Belagerung von Riga]]. Als die Belagerung kaum Fortschritte erzielte wurde auf sächsischer Seite beschlossen zunächst größere Teile Livlands zu sichern. Aus diesem Grund wurde im Herbst auch die kleinere Festung [[Koknese|Kokenhausen]] belagert und am 17. Oktober 1700 erobert. Danach gingen die Sachsen in ihre Winterquartiere in [[Kurland]].<ref>Knut Lundblad/ Georg Friedrich Jenssen-Tusch: ''Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Bd. 1, Hamburg 1835, S. 41–55.</ref> Die schwedischen Truppen in Livland rekrutierten sich überwiegend aus Esten, Letten und Finnen und waren vorerst auf sich selbst gestellt. Es kam ihnen jedoch zugute, dass sich der livländische Adel nicht gegen die schwedische Herrschaft erhob. Stattdessen kam es im Zuge des sächsischen Einmarsches zu Bauernrevolten, was die Adligen umso mehr Anlehnung an die schwedische Krone suchen ließ.<ref>Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Berlin 1986, S. 92f.</ref>
war zu Beginn des Krieges noch ein weithin rückständiger Binnenstand, der im Norden durch die schwedische Expansion und im Süden durch das Osmanische Reich in seinem Streben nach Zugang zu den Weltmeeren blockiert wurde. Zar Peter I. war ein weltoffener Charakter von systematischer Zielstrebigkeit, der die wichtigste Phase seiner Ausbildung in [[Holland]] genossen und sich dabei von der Bedeutung des Seehandels überzeugt hatte. Peter hielt es deshalb für unverzichtbar, einen [[Ostsee]]hafen zu erwerben, damit sein Reich Anschluss an die rasante Entwicklung im übrigen Europa gewinnen konnte. Nachdem die russische Armee sich in einem ersten Versuch als unzulänglich erwies, ging Peter daran, seine Streitkräfte zu modernisieren, um die erforderlichen Territorien im Baltikum erobern zu können. Bei seiner Aufrüstung, zu der bald auch der Aufbau einer Flotte gehörte, konnte der Zar sich auf die umfangreichen Ressourcen seines Landes stützen, dem es vor allem an Rekruten nicht mangelte. Durch harte Ausbildung und schrittweise Steigerung der gestellten Aufgaben gelang es allmählich, Anschluss an den militärtechnischen Stand der feindlichen Armeen zu gewinnen. Nach erfolgreicher Abwehr der schwedischen Invasion in der [[Ukraine]] erhöhten sich die anfänglich begrenzten Ambitionen Russlands, was neue Gegner auf den Plan rief, die jedoch nicht mehr in der Lage waren, die russischen Kerninteressen zu gefährden. Zum [[Liste der Feldmarschälle des Russischen Reiches|militärischen Beraterstab]] des Zaren zählten sein Vertrauter [[Alexander Danilowitsch Menschikow]], sein Außenminister [[Fjodor Alexejewitsch Golowin]], der [[Feldmarschall]] [[Boris Petrowitsch Scheremetew]] und der [[Admiral]] [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]].
[[Datei:Bm04004abm.jpg|thumb|left|Blockade der Stadt Riga durch die polnischen und sächsischen Truppen im Jahr 1700]]
Inzwischen hatte am 11. März 1700 auch König Friedrich IV. von Dänemark Schweden den Krieg erklärt. An der [[Trave]] war bereits ein dänisches Korps von 14.000 Mann unter dem Befehl Herzog [[Ferdinand Wilhelm (Württemberg-Neuenstadt)|Ferdinand Wilhelm von Württemberg]] zusammengezogen worden. Diese Truppen setzten sich am 17. März 1700 in Bewegung, besetzten mehrere Orte in Holstein-Gottorf und schlossen am 22. April 1700 [[Tönning]] (→ ''[[Belagerung von Tönningen]]'') ein. Ab dem 26. April wurde die Stadt mit Granaten beschossen. Unterdessen blieben auf [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] nur zwei Kavallerie-Regimenter, das Mariner-Regiment und zwei Bataillone Infanterie zurück. Die Hauptaufgabe zum Schutz der dänischen Kerngebiete gegen Schweden wurde der dänischen Flotte übertragen, welche mit 29 [[Linienschiff]]en und 15 [[Fregatte]]n im Mai 1700 in See gegangen war. Diese wurde von dem jungen [[Ulrich Friedrich Gyldenløve]] kommandiert und hatte den Auftrag die schwedische Flotte in [[Karlskrona]] zu überwachen. Sollte diese Kurs auf dänisches Gebiet setzen, sollte er sie unverzüglich angreifen. Im Mai 1700 sammelte sich unterdessen jedoch eine schwedische Armee, die aus den Regimentern in [[Schwedisch-Pommern]] und [[Bremen-Verden]] bestand unter dem Befehl des Feldmarschalls [[Nils Karlsson Gyllenstierna|Graf Gyllenstierna]]. Unterstützt wurde es ab dem Sommer 1700 von einem holländisch-hannoveranischen Hilfskorps. Diese Truppen vereinigten sich bei Altona und begannen zum Entsatz von Tönningen zu schreiten. Der Herzog von Württemberg gab die Belagerung der Stadt am 2. Juni 1700 auf und wich einer Schlacht gegen die schwedischen Truppen aus.<ref>Knut Lundblad/ Georg Friedrich Jenssen-Tusch: ''Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Bd. 1, Hamburg 1835, S. 58–61.</ref>


* Sachsen-Polen
=== Die schwedische Gegenoffensive in Seeland ===
war durch die [[Personalunion]] 1697 bei der Wahl des [[Kurfürstentum Sachsen|sächsischen Kurfürsten]] [[August II. (Polen)|Friedrich August I.]] zum [[Geschichte Polens#Die Wettiner|König von Polen]] entstanden. Der Entschluss zur Kandidatur war aus dem Streben Sachsens nach außenpolitischer Souveränität und Emanzipation vom [[Heiliges Römisches Reich|Reich]] erwachsen, wie es etwa zur gleichen Zeit auch [[Brandenburg-Preußen]] vormachte. Um den Titel annehmen zu können, war August sogar vom [[Protestantismus|protestantischen Konfession]] zum [[Katholizismus]] konvertiert, wodurch Sachsen seine Führungsrolle unter den evangelischen [[Reichsstände]]n einbüßte. Mit dem polnischen Thron, zu dem auch der Titel des [[Geschichte Litauens#Großfürstentum Litauen|Großfürsten von Litauen]] gehörte, herrschte August der Starke theoretisch über einen der größten Territorialstaaten Europas. Tatsächlich aber befand sich die polnische [[Wahlmonarchie]] seit längerer Zeit in einer schweren Krise, und wegen der [[Adelsrepublik|Adelsherrschaft]] mit ihren [[Goldene Freiheit|Freiheitsprivilegien]] galt das Land als nahezu unregierbar. Diese Erfahrung musste auch August II. machen, der seine Reformpläne nur zu einem geringen Teil durchsetzen konnte. Dennoch fand der großzügige und feinsinnige König offenbar den richtigen Ton gegenüber den [[Szlachta|polnischen Adligen]], da er trotz aller Rückschläge über einigen Rückhalt im Lande verfügte. Die sächsischen und polnischen Truppen waren zu Beginn des Krieges besser ausgerüstet als ihre russischen Verbündeten, aufgrund [[Generalfeldmarschall#Kurfürstentum und Königreich Sachsen|schwacher Führung]] blieben sie den Schweden jedoch meist deutlich unterlegen. Die grundlegenden Defizite seiner politischen und militärischen Macht wusste August II. jedoch durch taktische Flexibilität zumindest teilweise wettzumachen, wobei ihm zugute kam, dass er über zwei Länder gleichzeitig regierte und die Ressourcen des einen einsetzen konnte, um die Schwächen des anderen auszugleichen. Nach dem erzwungenen Thronverzicht 1706 gab August seine Ambitionen keineswegs verloren und nutzte die erste Gelegenheit, um sich wieder ins Spiel zu bringen.
[[Datei:Köpenhamn beskjuts 1700.jpg|thumb|left|Belagerung von Kopenhagen 1700]]
[[Datei:Grosser Nordischer Krieg Phase1.png|thumb|305px|Darstellung der [[Feldzug|Feldzüge]] während der ersten Phase des Krieges vom Kriegsausbruch 1700 bis zur Kriegswende infolge der [[Schlacht bei Poltawa]] im Juli 1709.<br /><br />Schweden konnte in der ersten Phase aufgrund seiner Anfangserfolge weitgehend das Kriegsgeschehen bestimmen. Zentrale Kriegsschauplätze waren in erster Linie ''Sachsen-Polen'' und das bis dato schwedische ''[[Livland]]'' und ''Estland'', welches bis 1706 durch die [[Kaiserlich Russische Armee|Russische Zarenarmee]] in einem separat geführten Nebenkrieg erobert werden konnte.]]


* Dänemark
In Schweden wurde unterdessen fieberhaft die Kriegsbereitschaft von Heer und Flotte hergestellt. Etwa 5.000 neue Matrosen wurden angeworben und die Stärke der Flotte damit auf 16.000 Mann unter dem Admiral [[Hans Wachtmeister zu Johannishus|Wachtmeister]] gebracht. Hinzu kam, dass sämtliche Handelsschiffe in schwedischen Häfen für die anstehenden Truppentransporte requiriert wurden.<ref name="Massie 286">Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 286.</ref> Insgesamt verfügte Schweden über 42 Linienschiffe in der Ostsee gegenüber insgesamt 33 dänischen.<ref>Helmut Pemsel: ''Seeherrschaft'', Bd.1, Hamburg 2005, S. 274.</ref> Ebenso schnell wurde das Heer aufgerüstet. Entsprechend dem [[Einteilungswerk]] wurden die regionalen Regimenter mobilisiert und dazu eine größere Anzahl neuer Einheiten aufgestellt. Insgesamt umfassten die Truppen bald 77.000 Mann.<ref name="Massie 286" /> Eine weitere Unterstützung erhielt Schweden im Juni durch eine englisch-niederländische Flotte von 25 Linienschiffen unter den Admiralen [[George Rooke]] und [[Philips van Almonde]]. Die Seemächte waren besorgt durch den offensichtlich kurz bevorstehenden Tod des spanischen Königs, von dem sie erwarteten, dass er einen europäischen [[Erbfolgekrieg]] zur Folge haben werde. Angesichts dieser ungewissen Lage waren sie nicht bereit ihre wichtigen Handels- und Nachschubrouten durch die Ostsee durch einen dänisch-schwedischen Krieg gefährden zu lassen. Aus diesem Grund hatten sie sich entschlossen Schweden gegen den Aggressor Dänemark beizustehen.<ref>Helmut Pemsel: ''Seeherrschaft'', Bd.1, Hamburg 2005, S. 266.</ref>
hatte parallel zum Aufstieg Schwedens einen Niedergang erfahren, behauptete jedoch seine Position in [[Norwegen]]. Der dänische König Friedrich IV. hatte erst ein Jahr vor Kriegsbeginn den Thron bestiegen. Er konnte jedoch an die [[Absolutismus|absolutistische Tradition]] seines Vaters anknüpfen und erwies sich als einer der klügsten Herrscher seines Landes. Die dänischen Interessen zielten vor allem auf die Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen in Südschweden (Schonen, Halland und Blekinge) und die Konsolidierung der Krone in Schleswig-Holstein. Den Anforderungen einer Invasion waren die dänischen Truppen zwar nicht gewachsen, aber die dänische Flotte war eine ernstzunehmende Herausforderung für die Schweden.


* Das Osmanische Reich
Mitte Juni 1700 lag das englisch-niederländische Geschwader vor [[Göteborg]] während Karl XII. am 16. Juni 1700 in Karlskrona mit der schwedischen Flotte in See ging. Zwischen den Verbündeten lag im [[Öresund]] die dänische Flotte um eine Vereinigung ihrer Gegner zu verhindern. Karl XII. ließ seine Flotte jedoch eine enge Fahrrinne am östlichen Ufer entlang nehmen und erreichte bald die verbündeten Schiffe. Gemeinsam verfügten die Verbündeten nun über mehr als 60 Schiffe und waren der dänischen Flotte damit fast um das Doppelte überlegen. Der dänische Admiral Gyldenstierna entschloss sich deshalb dazu einer Seeschlacht auszuweichen und zog sich zurück. Nunmehr konnten am 25. Juli 1700 die ersten schwedischen Truppen unter dem Schutz ihrer Schiffsgeschütze auf Seeland landen. Anfang August 1700 verfügten sie dort bereits über etwa 14.000 Mann gegenüber weniger als 5.000 dänischen Soldaten. Es gelang ihnen somit schnell [[Kopenhagen]] einzuschließen und mit Artillerie zu beschießen. König Friedrich IV. hatte die Seeherrschaft verloren und seine Armee stand weit im Süden in Hollstein-Gottorp, wo die Kämpfen für ihn ebenfalls ungünstig liefen. Er hatte deshalb keine andere Möglichkeit, als sich mit Karl XII. zu verständigen. Am 18. August 1700 schlossen die beiden Herrscher den [[Frieden von Traventhal]], der den Status quo ante wiederherstellte.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 286–288.</ref>
war nach dem Ende des [[Großer Türkenkrieg|Großen Türkenkriegs]] im [[Frieden von Karlowitz]] (1799) zunächst an der Konsolidierung seiner Position interessiert und daher allenfalls zu begrenzten Kriegshandlungen bereit.


* Brandenburg-Preußen, Braunschweig-Hannover, der habsburgische Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und die Seemächte England und Holland
=== Der Narva-Feldzug ===
waren während der ersten Hälfte des Krieges in den gleichzeitig stattfindenden [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] involviert und deshalb daran interessiert, den Konflikt im Norden von ihren Grenzen fernzuhalten. Erst nachdem der Krieg gegen Frankreich 1714 geendet hatte, zeigten sie sich ab 1715 kriegsbereit, wobei Preußen den Erwerb der bisher schwedischen [[Oder]]mündung mit [[Stettin]] anstrebte, während Braunschweig in Bremen-Verden einen Zugang zum Meer suchte, der umso wichtiger schien, als der Kurfürst [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I. Ludwig]] ab 1714 als König Georg I. auch über Großbritannien und [[Irland]] herrschte.


== Abwehr des alliierten Angriffs auf Schweden (1700) ==
Ursprünglich hatten die Alliierten vereinbart, dass Russland gleich nach dem Friedensschluss mit dem Osmanischen Reich, möglichst jedoch im April 1700 den Krieg gegen Schweden eröffnen sollte. Doch die Friedensverhandlungen zogen sich in die Länge und Peter I. zögerte trotz des Drängens von August II. sich am Krieg zu beteiligen. Erst Mitte August 1700 gelang eine Verständigung mit den Osmanen und am 19. August 1700 erklärte Peter I. Schweden schließlich den Krieg. Er tat dies jedoch in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass am Vortag mit Dänemark bereits ein wichtiger Verbündeter aus der Koalition ausgefallen war. In einem Bericht hielt der niederländische Gesandte am 3. September deshalb fest: ''“Wenn diese Neuigkeit vierzehn Tage früher eingetroffen wäre, so zweifle ich sehr, ob S. Czarische Majestät sich mit ihrer Armee in Marsch gesetzt oder S. Majestät dem König von Schweden den Krieg erklärt hätte.”''<ref>Zit. nach: Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Berlin 1986, S. 92f.</ref>


=== Sächsische und dänische Angriffe ===
[[Datei:Bm04032abcm.jpg|thumb|left|[[Schlacht bei Narva]] am 20. November<br> aus: [[Johann Christoph Brotze]]: ''Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente'']]
[[Datei:Kokneses pils 1700.jpg|thumb|Die Beschießung von Kokenhausen in Livland durch sächsische Truppen (Herbst 1700); ''Zeitgenössischer Druck'']]
Am 12. Februar 1700 drang General [[Jacob Heinrich von Flemming]] an der Spitze von etwa 14.000 sächsischen Soldaten in Livland ein, um die Provinz und ihre Hauptstadt [[Riga]] einzunehmen.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 268.</ref> Generalgouverneur Livlands war der Feldmarschall Graf [[Erik Dahlberg|Erik von Dahlberg]], gleichzeitig Schwedens berühmtester Festungsbaumeister, der seine Hauptstadt in exzellenten Verteidigungszustand versetzte. Angesichts der starken Mauern Rigas nahmen die Sachsen zunächst das benachbarte [[Daugavgrīva|Dünamünde]] ein (13.–15. März 1700), das von August II. sogleich in ''Augustusburg'' umbenannt wurde.<ref>Heinz von Zur Mühlen: ''Baltisches historisches Ortslexikon'', Band 2, Köln 1990, S. 132.</ref> Danach richteten die sächsischen Truppen eine Blockade um Riga ein, ohne jedoch die Festung ernstlich anzugreifen. Nach acht Wochen ergriffen hingegen Dahlbergs Schweden die Initiative und schlugen die Sachsen im [[Gefecht bei Jungfernhof]] (6. Mai 1700). Die sächsischen Truppen wichen hinter die [[Düna]] aus und warteten zunächst auf Verstärkungen. Als diese im Juni 1700 unter [[Generalfeldmarschall]] [[Adam Heinrich von Steinau]] eintrafen, begleitete sie August II. persönlich. Steinau ging im Juli wieder zum Angriff über, schlug ein schwedisches Detachement unter General [[Otto Ottoson Vellingk]] in der Nähe von Jungfernhof und begann die eigentliche [[Belagerung von Riga (1700)|Belagerung von Riga]]. Als die Belagerung kaum Fortschritte erzielte, beschloss man auf sächsischer Seite, zunächst größere Teile Livlands zu sichern. Aus diesem Grund wurde im Herbst auch die kleinere Festung [[Koknese|Kokenhausen]] belagert und am 17. Oktober 1700 erobert. Danach suchten die Sachsen ihre Winterquartiere in [[Kurland]] auf.<ref>Knut Lundblad, Georg Friedrich Jenssen-Tusch: ''Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Hamburg 1835, S. 41–55.</ref> Die schwedischen Truppen in Livland rekrutierten sich überwiegend aus [[Esten]], [[Letten]] und [[Finnen]] und waren vorerst auf sich allein gestellt. Es kam ihnen jedoch zugute, dass sich der livländische Adel nicht gegen die schwedische Herrschaft erhob. Stattdessen kam es im Zuge des sächsischen Einmarsches zu Bauernrevolten, was die Adligen umso mehr an die schwedische Krone anlehnen ließ.<ref>Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Berlin 1986, S. 92f.</ref>
[[Datei:Bm04004abm.jpg|thumb|Blockade der Stadt Riga durch die polnischen und sächsischen Truppen im Jahr 1700]]
Inzwischen hatte am 11. März 1700 auch König Friedrich IV. von Dänemark Schweden den Krieg erklärt. An der [[Trave]] war bereits ein dänisches Korps von 14.000 Mann unter dem Befehl des Herzogs [[Ferdinand Wilhelm (Württemberg-Neuenstadt)|Ferdinand Wilhelm von Württemberg]] zusammengezogen worden. Diese Truppen setzten sich am 17. März 1700 in Bewegung, besetzten mehrere Orte in Holstein-Gottorf und schlossen am 22. April 1700 [[Tönning]] ein. Während der [[Belagerung von Tönningen]] wurde die Stadt ab dem 26. April mit Granaten beschossen. Unterdessen blieben auf [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] nur zwei Kavallerieregimenter, das Marinerregiment und zwei Bataillone Infanterie zurück. Der Schutz der dänischen Kerngebiete gegen Schweden wurde als Hauptaufgabe der dänischen Flotte übertragen, die mit 29 [[Linienschiff]]en und 15 [[Fregatte]]n im Mai in See stach. Sie wurde von dem jungen [[Ulrich Friedrich Gyldenløve]] kommandiert und hatte den Auftrag, die schwedische Flotte in [[Karlskrona]] zu überwachen; sollten die Schweden Kurs auf dänisches Gebiet nehmen, lautete der Befehl, sie unverzüglich anzugreifen. Im Mai 1700 sammelte sich indessen eine schwedische Armee aus den Regimentern in [[Schwedisch-Pommern]] und [[Bremen-Verden]], die unter dem Befehl des Feldmarschalls [[Nils Karlsson Gyllenstierna]] stand. Ab dem Sommer wurde dieser auch von einem [[Niederlande|holländisch]]-[[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg|hannoveranischen]] Hilfskorps unterstützt. Die Truppen vereinigten sich bei Altona und eilten zum Entsatz von Tönningen. Der Herzog von Württemberg gab daraufhin die Belagerung der Stadt am 2. Juni auf und wich einer Schlacht gegen die schwedischen Truppen aus.<ref>Knut Lundblad, Georg Friedrich Jenssen-Tusch: ''Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Hamburg 1835, S. 58–61.</ref>


[[Datei:Grosser Nordischer Krieg Phase1.png|thumb|hochkant=1.4|Darstellung der [[Feldzug|Feldzüge]] während der ersten Phase des Krieges vom Kriegsausbruch 1700 bis zur Kriegswende infolge der [[Schlacht bei Poltawa]] im Juli 1709.]]
Allerdings hatte Peter I. bereits im Sommer 1700 eine Armee an den Grenzen zu Schweden aufstellen lassen, die zu einem großen Teil aus jungen, nach europäischem Vorbild ausgebildeten Rekruten bestand. Insgesamt wurden die Streitkräfte in drei [[Division (Militär)|Divisionen]] unter den Generalen [[Artemon Michailowitsch Golowin|A.M. Golowin]], [[Adam Adamowitsch Weide|A.A. Weide]] und [[Nikita Iwanowitsch Repnin|A.I. Repnin]] geteilt. Zu diesen stießen noch einmal 10.500 Kosaken, sodass sich die Gesamtstreitmacht auf etwa 64.000 Mann belief. Von diesen stand jedoch noch ein großer Teil im Landesinneren.<ref>Henry Vallotton: ''Peter der Große - Russlands Aufstieg zur Großmacht'', München 1996, S. 165.</ref> Mitte September 1700 rückte eine russische Vorhut in schwedisches Territorium ein und am 4. Oktober 1700 begann die russische Hauptarmee mit etwa 35.000 Soldaten die Belagerung von [[Narva (Stadt)|Narva]]. Peter I. hatte vor dem Krieg [[Ingermanland]] und [[Karelien]] für sich reklamiert, um einen sicheren Zugang zur Ostsee zu erhalten. Narva lag zwar nur 35 Kilometer von den russischen Grenzen entfernt, aber im von August II. beanspruchten Livland. Unter den Verbündeten regte sich deshalb Misstrauen gegenüber dem Zaren und man fürchtete, dass dieser Livland für sich erobern wollte. Drei Gründe sprachen jedoch für Narva als Ziel des russischen Angriffs: Es lag südlich von Ingermanland und konnte den Schweden als Einfallstor in diese Provinz dienen. Es lag unweit der russischen Grenzen und war damit ein logistisch relativ einfach zu erreichendes Ziel. Wichtig war nicht zuletzt, dass fast der gesamt Handel Russlands nach Westen über Riga und Narva lief und der Zar nur ungern beide Städte im Besitz Augusts II. gesehen hätte.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 288f.</ref>


=== Schwedische Gegenoffensive in Seeland ===
Unterdessen hatte Karl XII. seine Armee bis zum 24. August 1700 wieder aus Dänemark abgezogen. Seitdem bereitete er in Südschweden eine Expedition nach Livland vor, um dort den sächsischen Truppen entgegen zutreten. Trotz der drohenden Herbststürme verließ Karl XII. am 1. Oktober Karlskrona und erreichte am 6. Oktober 1700 [[Pärnu]]. Die schwedischen Verbände hatten Verluste durch heftige Stürme hinnehmen müssen. Trotzdem wurde die Flotte sofort wieder zurückgeschickt und weitere Soldaten und die schwere Artillerie zu überführen. Nachdem Karl XII. erfahren hatte, dass die Sachsen die Belagerung von Riga aufgegeben und sich in ihre Winterquartiere begeben hatten, beschloss er sich gegen die russische Armee bei Narva zu wenden. Er verlegte seine Truppen nach [[Tallinn|Reval]], wo er weitere Verstärkungen aus der Region versammelte und seine Verbände mehrere Wochen exerzieren ließ. Am 13. November 1700 brach er mit etwa 10.500 Soldaten nach Osten auf. Der Marsch im kalten Wetter und fast ohne jede Versorgung erwies sich als schwierig, doch am 19. November 1700 erreichten die Schweden die russischen Stellungen. Am folgenden Tag kam es schließlich zur [[Schlacht bei Narva]] (20. November 1700), in welcher die schwedischen Truppen die zahlenmäßig weit überlegene russische Armee vernichtend schlugen. Im Verlauf der Kämpfe oder während der darauf folgenden Flucht, löste sich das russische Heer nahezu auf und praktisch ihre gesamte Artillerie ging verloren. Allerdings waren auch die geringen schwedischen Kräfte verbraucht und auch sie mussten, nachdem Narva wieder befreit worden war, zunächst ihre Winterquartiere beziehen.<ref>Im Einzelnen zum Narva-Feldzug: Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 290–301.</ref>
Schweden konnte in der ersten Phase aufgrund seiner Anfangserfolge weitgehend das Kriegsgeschehen bestimmen. Zentrale Kriegsschauplätze waren in erster Linie ''Sachsen-Polen'' und das bis dahin schwedische ''[[Livland]]'' und ''Estland'', das die [[Kaiserlich Russische Armee#Die Armee im Russischen Zarentum (1547–1721)|russische Zarenarmee]] bis 1706 in einem separat geführten Nebenkrieg eroberte.


In Schweden wurde unterdessen die Kriegsbereitschaft von Heer und Flotte hergestellt. Etwa 5.000 neue Matrosen wurden angeworben und die Stärke der Flotte unter Admiral [[Wachtmeister (Adelsgeschlecht)|Hans Wachtmeister]] damit auf 16.000 Mann gebracht. Zusätzlich wurden sämtliche Handelsschiffe in schwedischen Häfen für die anstehenden Truppentransporte requiriert.<ref name="Massie 286">Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 286.</ref> Insgesamt verfügte Schweden über 42 Linienschiffe in der Ostsee gegenüber insgesamt 33 dänischen.<ref>Helmut Pemsel: ''Seeherrschaft'', Bd.1, Hamburg 2005, S. 274.</ref> Ebenso schnell wurde das Heer aufgerüstet. Entsprechend dem [[Einteilungswerk]] wurden die regionalen Regimenter mobilisiert und dazu eine größere Anzahl neuer Einheiten aufgestellt. Insgesamt umfassten die Truppen bald 77.000 Mann.<ref name="Massie 286" /> Eine weitere Unterstützung erhielt Schweden im Juni durch eine englisch-niederländische Flotte von 25 Linienschiffen unter den Admiralen [[George Rooke]] und [[Philipp van Almonde]]. Die Seemächte waren beunruhigt wegen des bevorstehenden Todes des spanischen Königs, von dem erwartet wurde, dass er einen europäischen [[Erbfolgekrieg]] nach sich ziehen könnte. Angesichts dieser ungewissen Lage waren sie nicht bereit, ihre wichtigen Handels- und Nachschubrouten in der Ostsee durch einen dänisch-schwedischen Krieg gefährden zu lassen. Aus diesem Grund hatten sie sich entschlossen, Schweden gegen den Angreifer Dänemark beizustehen.<ref>Helmut Pemsel: ''Seeherrschaft'', Band 1, Hamburg 2005, S. 266.</ref>
== Der Entthronungskrieg gegen August II. (1701–1706) ==
[[Datei:Köpenhamn beskjuts 1700.jpg|thumb|left|Belagerung von Kopenhagen 1700]]
Ende 1700 hatte Karl XII. Schweden erfolgreich verteidigt und alle feindlichen Truppen von schwedischen Territorium vertrieben. Anstatt das geschlagene russische Heer zu verfolgen, um es vollständig zu vernichten und seinen Gegner Zar Peter I. auch zum Frieden zu zwingen, wandte sich der König nun seinem dritten Gegner, dem sächsischen Kurfürsten und König von Polen, zu.
Mitte Juni 1700 lag das englisch-niederländische Geschwader vor [[Göteborg]], während Karl XII. am 16. Juni in Karlskrona mit der schwedischen Flotte in See stach. Zwischen den Verbündeten lag im [[Öresund]] die dänische Flotte, um die Vereinigung ihrer Gegner zu verhindern. Karl ließ seine Flotte jedoch eine enge Fahrrinne am östlichen Ufer entlang nehmen und erreichte bald die verbündeten Schiffe. Gemeinsam verfügten die Verbündeten nun über mehr als 60 Schiffe und waren der dänischen Flotte fast um das Doppelte überlegen. Der dänische Admiral Gyldenstierna entschloss sich deshalb, einer Seeschlacht auszuweichen und zog sich zurück. Nunmehr konnten am 25. Juli die ersten schwedischen Truppen unter dem Schutz ihrer Schiffsgeschütze auf Seeland landen. Anfang August 1700 verfügten sie dort bereits über etwa 14.000 Mann gegenüber weniger als 5.000 dänischen Soldaten. Es gelang ihnen deshalb schnell, [[Kopenhagen]] einzuschließen und mit der Artillerie zu beschießen. König Friedrich IV. hatte die Seeherrschaft verloren, und seine Armee stand weit im Süden in Holstein-Gottorp, wo die Kämpfe für ihn ebenfalls ungünstig verliefen. Er hatte keine andere Möglichkeit, als sich mit Karl zu verständigen. Am 18. August 1700 schlossen die beiden Herrscher den [[Frieden von Traventhal]], der den [[Status quo ante]] wiederherstellte.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 286–288.</ref>

=== Narva-Feldzug ===

Ursprünglich hatten die Alliierten vereinbart, dass Russland gleich nach dem Friedensschluss mit dem Osmanischen Reich, möglichst jedoch im April 1700, den Krieg gegen Schweden eröffnen sollte. Doch die Friedensverhandlungen zogen sich in die Länge und Peter I. zögerte, trotz des Drängens von August II., sich am Krieg zu beteiligen. Erst Mitte August 1700 gelang eine Verständigung mit den Osmanen und am 19. August erklärte Peter I. Schweden schließlich den Krieg. Er tat dies jedoch in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass am Vortag mit Dänemark bereits ein wichtiger Verbündeter der Koalition weggefallen war. In einem Bericht hielt der niederländische Gesandte am 3. September deshalb fest: ''„Wenn diese Neuigkeit vierzehn Tage früher eingetroffen wäre, so zweifle ich sehr, ob S. Czarische Majestät sich mit ihrer Armee in Marsch gesetzt oder S. Majestät dem König von Schweden den Krieg erklärt hätte.“''<ref>Zit. nach: Georg Piltz: ''August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten'', Berlin 1986, S. 92f.</ref>

[[Datei:Bm04032abcm.jpg|thumb|[[Schlacht bei Narva]] am 20. November<br /> aus: [[Johann Christoph Brotze]]: ''Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente'']]

Allerdings hatte Peter I. bereits im Sommer 1700 eine Armee an den schwedischen Grenzen aufstellen lassen, die zu einem großen Teil aus jungen, nach westeuropäischem Vorbild ausgebildeten Rekruten bestand. Insgesamt wurden die Streitkräfte in drei [[Division (Militär)|Divisionen]] unter den Generälen [[Artemon Michailowitsch Golowin|Golowin]], [[Adam Adamowitsch Weide|Weide]] und [[Nikita Iwanowitsch Repnin|Repnin]] geteilt. Zu diesen stießen noch einmal 10.500 [[Kosaken]], sodass sich die Gesamtstreitmacht auf etwa 64.000 Mann belief. Von diesen stand jedoch noch ein großer Teil im Landesinneren.<ref>Henry Vallotton: ''Peter der Große - Russlands Aufstieg zur Großmacht'', München 1996, S. 165.</ref> Mitte September rückte eine russische Vorhut in schwedisches Territorium ein, und am 4. Oktober 1700 begann die russische Hauptarmee mit etwa 35.000 Soldaten die Belagerung von [[Narva (Stadt)|Narva]]. Peter I. hatte vor dem Krieg [[Ingermanland]] und [[Karelien]] für sich reklamiert, um einen sicheren Zugang zur Ostsee zu erhalten. Narva lag zwar nur 35 Kilometer von den russischen Grenzen entfernt, aber in dem von August II. beanspruchten Livland. Bei den Verbündeten regte sich deshalb Misstrauen gegenüber dem Zaren und man fürchtete, dass dieser Livland für sich erobern wollte. Drei Gründe sprachen jedoch für Narva als Ziel des russischen Angriffs: Es lag südlich von Ingermanland und konnte den Schweden als Einfallstor in diese Provinz dienen. Es lag unweit der russischen Grenzen und war damit ein logistisch relativ einfach zu erreichendes Ziel. Wichtig war nicht zuletzt, dass fast der gesamte Handel Russlands nach Westen über Riga und Narva lief und der Zar ungern beide Städte im Besitz Augusts II. gesehen hätte.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 288f.</ref>

Unterdessen hatte Karl XII. seine Armee bis zum 24. August 1700 wieder aus Dänemark abgezogen. Seitdem bereitete er in Südschweden eine Expedition nach Livland vor, um dort den sächsischen Truppen entgegen zu treten. Trotz der drohenden Herbststürme verließ Karl am 1. Oktober Karlskrona und erreichte am 6. Oktober [[Pärnu]]. Die schwedischen Verbände hatten Verluste durch heftige Stürme hinnehmen müssen. Trotzdem wurde die Flotte sofort wieder zurückgeschickt, um weitere Soldaten und die schwere Artillerie zu überführen. Da er den alten Dahlberg in Riga siegreich fand und die Sachsen bereits in den Winterquartieren, beschloss er, sich gegen die russische Armee bei Narva zu wenden. Er verlegte seine Truppen nach [[Tallinn|Reval]], wo er weitere Verstärkungen aus der Region versammelte und seine Verbände mehrere Wochen exerzieren ließ. Am 13. November 1700 brach er mit etwa 10.500 Soldaten nach Osten auf. Der Marsch im kalten Wetter und fast ohne jeden Nachschub erwies sich als schwierig, doch am 19. November erreichten die Schweden die russischen Stellungen. Am folgenden Tag kam es schließlich zur [[Schlacht bei Narva]] (20. November 1700), in der die schwedischen Truppen die zahlenmäßig weit überlegene russische Armee vernichtend schlugen. Im Verlauf der Kämpfe und bei der darauf folgenden Flucht löste sich das russische Heer nahezu vollständig auf und verlor praktisch die gesamte Artillerie. Allerdings waren auch die geringen schwedischen Kräfte geschwächt und auch sie mussten, nachdem Narva wieder befreit worden war, zunächst ihre Winterquartiere beziehen.<ref>Im Einzelnen zum Narva-Feldzug: Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/Main 1987, S. 290–301.</ref>

== Entthronungskrieg gegen August II. (1701–1706) ==
Ende 1700 hatte Karl XII. Schweden erfolgreich verteidigt und alle feindlichen Truppen vom schwedischen Territorium vertrieben. Anstatt das geschlagene russische Heer zu verfolgen, um es vollständig zu vernichten und seinen Gegner Zar Peter I. auch zum Frieden zu zwingen, wandte sich der König nun seinem dritten Gegner, dem sächsischen Kurfürsten und König von Polen zu.


Der Krieg in Polen war von einer persönlichen Fehde zwischen Karl XII. und August II. geprägt. Entgegen aller Ratschläge seiner Berater, lehnte es Karl XII. stets ab, vorteilhafte Friedensangebote seines Gegners zu akzeptieren. Vordergründiges Ziel Karls XII. war es, zu jedem Preis August II. den polnischen Königsthron zu entziehen. Neben der Hauptarmee Karls XII., die während des Entthronungskrieges nahezu das gesamte polnische Territorium durchzog, fanden weitere, abgesonderte Kämpfe um die Herrschaft in Kurland und Litauen zwischen schwedischen Truppen unter Oberbefehl von Lewenhaupt und russischen Truppen statt. Die militärische Entwicklung auf dem Baltikum hielt Karl XII. für nebenrangig. Er erwartete jederzeit die russische Armee aufs neue besiegen zu können, wie bei Narva 1700. Zu einer Überschneidung der beiden Kriegsschauplätze im Baltikum und Polen kam es nur 1705, als ein russisches Heer, das 1705 in Kurland einmarschierte, sich vor dem herannahenden Karl XII. zurückziehen musste, ohne das es zu einer offenen Schlacht kam. In jahrelangen Feldzügen verausgabte sich der schwedische König Karl XII. mit dem schwedischen Heer in Polen und Sachsen, während das schwedische Livland von russischen Armeen verwüstet wurde. Der Krieg in Polen endete erst 1706 mit den Altranstäder Frieden, der die Absetzung Augusts II. vom polnischen Thron brachte.
Der Krieg in Polen war von einer persönlichen Fehde zwischen Karl XII. und August II. geprägt. Entgegen aller Ratschläge seiner Berater lehnte es Karl stets ab, für ihn vorteilhafte Friedensangebote seines Gegners zu akzeptieren. Sein vordergründiges Ziel war es, zu jedem Preis August II. den polnischen Königsthron zu entreißen. Neben der Hauptarmee Karls, die während des Entthronungskrieges nahezu das gesamte polnische Territorium durchzog, fanden weitere Kämpfe um die Herrschaft in Kurland und Litauen zwischen schwedischen Truppen unter dem Oberbefehl von Lewenhaupt und russischen Einheiten statt. Die militärische Entwicklung im Baltikum hielt Karl für nachrangig. Er erwartete, die russische Armee jederzeit aufs Neue besiegen zu können wie bei Narva 1700. Zu einer Überschneidung der beiden Kriegsschauplätze im Baltikum und in Polen kam es nur 1705, als ein russisches Heer, das 1705 in Kurland einmarschierte, sich vor dem herannahenden Karl XII. zurückziehen musste, ohne dass es zu einer offenen Schlacht kam. In jahrelangen Feldzügen verausgabte sich Karl mit dem schwedischen Heer in Polen und Sachsen, während das schwedische Livland von russischen Armeen verwüstet wurde. Der Krieg in Polen endete erst 1706 mit dem Altranstäder Frieden, in dem August II. zum Verzicht auf den polnischen Thron gezwungen wurde.


=== Besetzung des Herzogtums Kurland ===
=== Besetzung des Herzogtums Kurland ===
[[Datei:Lager der polnischen und schwedischen Truppen entlang der Düna, 1700.jpg|thumb|450px| Lager der polnischen und schwedischen Truppen entlang der Düna, 1700]]
[[Datei:Lager der polnischen und schwedischen Truppen entlang der Düna, 1700.jpg|thumb|hochkant=2.0|Lager der polnischen und schwedischen Truppen entlang der Düna, 1700]]
August II. bereitete sich nun auf die zu erwartende gegen ihn gerichtete schwedische Offensive im neuen Jahr vor. Als nachteilig erwies sich für August die Weigerung seiner polnischen Untertanen, den Krieg finanziell und mit Truppen zu unterstützen. Der polnische Reichstag vom Februar 1701 erwirkte lediglich die Unterstützung Augusts II. durch ein kleines Hilfskorps von 6000 Polen und Litauern. Zu wenig für den anstehenden Kampf gegen Karl XII. In Reaktion auf die schwedischen Erfolge und der veränderten Situation trafen sich im Februar 1701 August II. und Peter I. um ihr Bündnis zu erneuern. Peter I. brauchte Zeit um die [[Kaiserlich Russische Armee|russische Zarenarmee]] zu reorganisieren und aufzurüsten, August selbst brauchte einen starken Verbündeten im Rücken der Schweden. Zar Peter I. versprach 20.000 Mann an die Düna zu entsenden, so dass August II. im Juni 1701 über ein 48.000 Mann starkes Heer aus Sachsen, Polen, Litauern und Russen für die Abwehr des schwedischen Angriffs verfügen konnte.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 572.</ref> Ungeachtet der Zusammenkünfte beider Partner, versuchten Beide, von den Erfolgen der Schweden beeindruckt, ihrerseits aus dem Krieg auszuscheren. Ohne Mitwissen ihres Bündnispartners boten sie dem Schwedenkönig Karl XII. Separatfrieden an. Karl XII. wollte keinen Friedensschluss und rüstete verstärkt für den geplanten Feldzug gegen Polen. Dazu ließ er für 1701 insgesamt 80.492 Mann aufstellen. 17.000 Mann wurden zur Deckung des Landesinneren abgestellt, 18.000 Mann schützten Schwedisch-Pommern, 45.000 Mann waren auf Livland, Estland und Ingermanland verteilt.<ref>Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 117</ref> Der größte Teil der schwedischen Truppen in Livland wurde um [[Dorpat]] konzentriert.
August II. bereitete sich nun auf die im neuen Jahr zu erwartende schwedische Offensive vor. Als nachteilig erwies sich dabei die Weigerung seiner polnischen Untertanen, den Krieg finanziell und mit Truppen zu unterstützen. Der polnische Reichstag vom Februar 1701 erwirkte lediglich die Unterstützung Augusts durch ein kleines Hilfskorps von 6000 Polen und Litauern, zu wenig für den anstehenden Kampf gegen Karl. Als Reaktion auf die schwedischen Erfolge trafen sich im Februar 1701 August II. und Peter I. in einer völlig veränderten Situation, um ihr Bündnis zu erneuern. Peter brauchte Zeit, um die [[Kaiserlich Russische Armee|russische Zarenarmee]] zu reorganisieren und aufzurüsten. August brauchte einen starken Verbündeten im Rücken der Schweden. Zar Peter versprach, 20.000 Mann an die Düna zu entsenden, so dass August zur Abwehr des schwedischen Angriffs im Juni 1701 über ein 48.000 Mann starkes Heer aus Sachsen, Polen, Litauern und Russen verfügen konnte.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 572.</ref> Unter dem Eindruck der schwedischen Erfolge suchten beide Bündnispartner jeder für sich aus dem Krieg auszuscheren: Ungeachtet ihrer Übereinkunft und ohne Mitwissen des anderen boten sie dem Schwedenkönig einen Separatfrieden an. Karl XII. wollte jedoch keinen Frieden und rüstete verstärkt für den geplanten Feldzug gegen Polen. Dazu ließ er für 1701 insgesamt 80.492 Mann aufstellen. 17.000 Mann wurden zur Deckung des Landesinneren abgestellt, 18.000 Mann schützten Schwedisch-Pommern, 45.000 Mann waren auf Livland, Estland und Ingermanland verteilt.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 117.</ref> Der größte Teil der schwedischen Truppen in Livland wurde um [[Dorpat]] konzentriert.
[[Datei:Ustdvinsk.jpg|thumb|left|300px|Bombardierung der Festung Dünamünde durch königlich-schwedische Truppen im Jahr 1701]]
[[Datei:Ustdvinsk.jpg|thumb|hochkant=1.5|left|Bombardierung der Festung Dünamünde durch königlich-schwedische Truppen im Jahr 1701]]
Nach den üblichen [[Heerschau]]en begann am 17. Juni 1701 der schwedische Vormarsch über [[Wolmar]] und [[Wenden]] nach Riga. Karl XII. plante sein Heer über die [[Düna]] zwischen [[Kokenhusen]] und Riga passieren zu lassen. Die Sachsen hatten dieses Vorgehen ihrerseits vermutet und an mehreren Übergangsstellungen entlang der Düna Feldbefestigungen errichtet. Beide Heere standen sich erstmals am 19. Juli 1701<!--gregorianisches Datum--> bei [[Riga]] an der [[Düna]] gegenüber. Die sächsisch-russische Armee war mit 25.000 Mann der etwa 20.000 Schweden zählenden Armee leicht überlegen<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 118.</ref> Dieser Vorteil ging verloren, da der sächsische Oberbefehlshaber [[Adam Heinrich von Steinau]] sich durch schwedische Ablenkungsmanöver täuschen ließ und seine Einheiten entlang der Düna zersplitterte. So gelang es der schwedischen Infanterie, den reißenden Fluss zu überqueren und einen [[Brückenkopf]] an dem von den Sachsen gehaltenen Flussufer zu bilden. Die [[sächsische Armee]] erlitt in der sich anschließenden [[Schlacht an der Düna]] eine Niederlage, konnte sich aber im Anschluss sammeln und sich bis auf [[Herzogtum Preußen|preußisches]] Territorium geordnet zurückziehen. Die russischen Truppen zogen sich ebenso, von der erneuten Niederlage geschockt, nach Russland zurück. Ganz [[Kurland]] stand der schwedischen Armee damit offen. Karl XII. besetzte nun mit seinen siegreichen Truppen [[Jelgava|Mitau]], die Hauptstadt des [[Herzogtum Kurland und Semgallen|Herzogtums Kurland]], das unter polnischer [[Lehnswesen|Lehnshoheit]] stand.
Nach den üblichen [[Heerschau]]en begann am 17. Juni 1701 der schwedische Vormarsch über [[Wolmar]] und [[Wenden]] nach Riga. Karl plante, sein Heer über die Düna zwischen [[Kokenhusen]] und Riga zu setzen. Die Sachsen hatten dieses Vorgehen vermutet und an mehreren Übergangsstellungen entlang der Düna Feldbefestigungen errichtet. Beide Heere standen sich erstmals am {{JULGREGDATUM|19|7|1701|Kurz="true"}} bei Riga an der Düna gegenüber. Die sächsisch-russische Armee war mit 25.000 Mann der etwa 20.000 Schweden zählenden Armee leicht überlegen<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 118.</ref> Dieser Vorteil ging jedoch verloren, da der sächsische Oberbefehlshaber [[Adam Heinrich von Steinau]] sich durch schwedische Ablenkungsmanöver täuschen ließ und seine Einheiten entlang der Düna zersplitterte. So gelang es der schwedischen Infanterie, den reißenden Fluss zu überqueren und einen [[Brückenkopf]] an dem von den Sachsen gehaltenen Flussufer zu bilden. Die [[sächsische Armee]] erlitt in der sich anschließenden [[Schlacht an der Düna]] eine Niederlage, konnte sich aber sammeln und bis auf [[Herzogtum Preußen|preußisches]] Territorium geordnet zurückziehen. Die russischen Truppen zogen sich ebenso, von der erneuten Niederlage geschockt, nach Russland zurück. Ganz Kurland stand der schwedischen Armee damit offen. Karl besetzte mit seinen siegreichen Truppen [[Jelgava|Mitau]], die Hauptstadt des [[Herzogtum Kurland und Semgallen|Herzogtums Kurland]], das unter polnischer [[Lehnswesen|Lehnshoheit]] stand.


=== Eroberung von Warschau und Krakau ===
=== Eroberung von Warschau und Krakau ===
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1702-03.png|thumb|Feldzüge Karls XII. von seinen Winterlage in [[Kurland]] Anfang 1702 bis zur Aufnahme der Winterlager in [[Westpreußen]] Ende 1703]]
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1702-03.png|thumb|Feldzüge Karls XII. von seinem Winterlager in [[Kurland]] Anfang 1702 bis zur Aufnahme der Winterlager in [[Westpreußen]] Ende 1703]]
Die polnisch-litauische Republik protestierte gegen die Verletzung des polnischen Hoheitsgebietes, die durch den Vormarsch der Schweden nach Kurland entstand, denn nicht die Republik (vertreten durch den [[Sejm]]) befand sich im Krieg mit Schweden, sondern nur der König von Polen. August der Starke bot Karl XII. erneut Verhandlungen an. Die Ratgeber Karls XII. empfahlen ihm, mit dem König von Polen Frieden zu schließen. Doch Karl XII. blieb starrsinnig und verlangte vom Sejm die Wahl eines neuen Königs. Dies lehnte die Mehrheit des polnischen Adels ab.<ref>Anders Fryxell, Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 121</ref>
Die polnisch-litauische Republik protestierte gegen die Verletzung des polnischen Hoheitsgebietes, durch den Vormarsch der Schweden nach Kurland, denn nicht die Republik (vertreten durch den [[Sejm]]) befand sich im Krieg mit Schweden sondern nur der König von Polen. Als August der Starke erneut Verhandlungen anbot, empfahlen die Ratgeber Karls XII., mit dem König von Polen Frieden zu schließen. Am weitesten ging dabei der Generalgouverneur Livlands Erik von Dahlberg, der aus Protest gegen die Kriegspläne seines Königs schließlich sogar den Rücktritt einreichte. Doch Karl blieb starrsinnig und verlangte vom Sejm die Wahl eines neuen Königs. Dies lehnte die Mehrheit des polnischen Adels jedoch ab.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 121.</ref>

Im Januar 1702 verlegte Karl sein Heer von Kurland nach Litauen. Am 23. März 1702 verließen die Schweden ihr Winterquartier und fielen in Polen ein. Ohne auf die geplanten Verstärkungen aus Pommern zu warten, marschierte Karl mit seinem Heer direkt gegen [[Warschau]], das sich am 14. Mai 1702 kampflos ergab. Die polnische Hauptstadt wurde zur Zahlung einer hohen [[Kontribution]] gezwungen, bevor Karl seinen Marsch nach [[Krakau]] fortsetzte. Die Befürchtung, dass Schweden in einem denkbaren Friedensvertrag Territorialgewinne in Polen suchen würde, veranlasste nun auch den polnischen Adel, sich an dem Krieg zu beteiligen.
[[Datei:Schlacht bei Klissow.jpg|miniatur|left|Kupferstich mit einer Darstellung der [[Schlacht bei Klissow]] zwischen Schweden und Sachsen am 19. Juli 1702]]
Bevor Karl XII. Warschau besetzte, war August II. mit der polnischen Kronarmee, etwa 8.000 Mann stark, nach Krakau gezogen, um sich dort mit der 22.000 Mann starken sächsischen Armee zu vereinigen, die in Sachsen neu aufgestellt worden war.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 603.</ref> Die polnische Kronarmee unter [[Hieronim Augustyn Lubomirski]] war schlecht ausgerüstet, mangelhaft verpflegt und wenig motiviert, für die Sache des sächsischen Königs zu kämpfen. Als sich das 24.000–30.000 Mann starke polnisch-sächsische Heer südlich von [[Kielce]] den nur 12.000 Mann zählenden Schweden entgegenstellte, erleichterte dieser Umstand den Schweden am {{JULGREGDATUM|19|7|1702|Kurz="true"}} in der [[Schlacht bei Klissow]] einen umfassenden Sieg. Dabei wurden 2000 Sachsen getötet oder verletzt und weitere 700 gerieten in schwedische Gefangenschaft. Die Schweden eroberten 48 Kanonen und hatten selbst 300 Tote und 800 Verletzte zu beklagen.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 87.</ref> Ferner erbeuteten sie den gesamten Tross sowie Augusts Feldkasse mit 150.000 [[Reichstaler]]n und sein Silbergeschirr. Die geringe Truppenstärke der Schweden erlaubte aber keine Verfolgung der geschlagenen polnisch-sächsischen Armee und so konnte August die verbliebenen Einheiten seines Heeres in den östlichen Landesteilen von Polen wieder sammeln. Sein schneller Rückzug über [[Sandomierz]] nach Thorn erlaubte es Karl, am 31. Juli 1702 Krakau zu besetzen. Schweden kontrollierte nun die Residenzstadt Warschau und die Krönungsstadt Krakau. Über die Hälfte des polnischen Reiches blieb aber weiter in den Händen Augusts II.


=== Krieg in Kurland und Litauen ===
Im Januar 1702 verlegte Karl das schwedische Heer von Kurland nach Litauen. Am 23. März 1702 verließ Karl XII. das Winterquartier in Litauen und marschierte in Polen ein mit dem Ziel, Warschau zu besetzen. Karl XII. wartete nicht auf die geplanten Verstärkungen aus Pommern, sondern marschierte mit seinem Heer direkt gegen Warschau. Am 14. Mai 1702 ergab sich die polnische Hauptstadt kampflos den Schweden. Sie wurde zur Zahlung einer hohen [[Kontribution]] gezwungen, bevor Karl XII. seinen Marsch nach [[Krakau]] fortsetzte. Die Drohung, dass für einen Frieden mit Karl XII. als Kompensation ein Teil des polnischen Territoriums Schweden zugesprochen werden würde, veranlasste nun auch den polnischen Adel, sich an den Krieg gegen die Schweden zu beteiligen. Bevor Karl XII. Warschau besetzte, war August II. mit der polnischen Kronarmee, etwa 8000 Mann stark, nach Krakau gezogen, um sich dort mit der 22.000 Mann starken sächsischen Armee zu vereinigen, die in Sachsen neu aufgestellt worden war.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 603.</ref> Die polnische [[Kronarmee]] unter [[Hieronim Augustyn Lubomirski]] selbst war schlecht ausgerüstet, mangelhaft verpflegt und wenig motiviert für die Sache des sächsischen Königs zu kämpfen. Dies erleichterte den Schweden einen umfassenden Sieg am 19. Juli 1702 <!--gregorianisches Datum--> in der [[Schlacht bei Klissow]] südlich von [[Kielce]]. Das 24-30.000 Mann starke polnisch-sächsische Heer hatte sich dort die nur 12.000 Männer zählenden Schweden entgegen gestellt. 48 Kanonen wurden von den Schweden erbeutet, 2000 Sachsen getötet oder verletzt, weitere 700 Sachsen gerieten in schwedische Gefangenschaft. Auf schwedischer Seite wurden 300 Schweden getötet und 800 Soldaten verletzt.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 87.</ref> Die Schweden erbeuteten den gesamten Tross mit Augusts II. Feldkasse mit 150.000 Reichstalern und seinem Silbergeschirr. Die geringe Truppenstärke der Schweden erlaubte aber keine weitergehende Verfolgung der erneut geschlagenen polnisch-sächsischen Armee. Dadurch konnte August II. die verbliebenen Einheiten seines Heeres sammeln und sich in die östlichen Landesteile von Polen zurückziehen. Augusts II. schneller Rückzug über [[Sandomierz]] nach Thorn erlaubte es Karl XII., [[Krakau]] drei Wochen später am 31. Juli 1702 zu besetzen. Karl XII. gehörte nun die Residenzstadt Warschau und die Krönungsstadt Krakau. Über die Hälfte des polnischen Reiches verblieb aber weiter in den Händen Augusts II.
Neben den Kriegsereignissen in Polen kam es auch zu Kampfhandlungen in Kurland und Litauen um die Vorherrschaft im Baltikum. Zum Schutz Kurlands war nach dem Abmarsch der Hauptarmee unter Karl XII. im Januar 1702 ein schwedisches Korps unter dem Kommando von [[Karl Magnus Stuart]] zurückgelassen worden. Aufgrund einer nicht heilenden Wunde überließ dieser die eigentliche Truppenführung jedoch Oberst Graf [[Adam Ludwig Lewenhaupt]]. In Litauen selbst stand unter dem Kommando der Generäle [[Carl Mörner]] und [[Magnus Stenbock]] eine weitere schwedische Abteilung von mehreren Tausend Mann, die im Juni 1702 zu großen Teilen Karl XII. nachfolgte und nur eine kleine Truppe zurückließ.


In Litauen waren sich die Partei des Fürsten [[Sapieha]] und die des Grafen [[Grzegorz Antoni Oginski]] feindlich gegenübergestanden.<ref>[[Jan Kazimierz Sapieha der Jüngere]] führte seit 1700 den Herzogtitel, aber sein Verwandter [[Jan Kazimierz Sapieha der Ältere]] wurde von Karl XII. wegen seiner militärischen Qualitäten noch höher geschätzt und 1708 zum [[Großhetman]] von Litauen ernannt.</ref> Die Familie Sapieha und ihre polnischen Anhänger unterstützten die Schweden auf litauischem Gebiet, während Graf Oginski auf Seiten Augusts gegen die Schweden kämpfte. Als die Sapiehas sich nach dem Abzug der Schweden zeitweilig aus Litauen zurückzogen, nutzte Oginski die Situation und griff von Mai bis Dezember 1702 die schwedischen Truppen in Litauen und Kurland an. Sein Ziel war die Eroberung der Festung [[Biržai|Birze]] als Ausgangsbasis für weitere Unternehmungen. Bei einem seiner Versuche stellte das Heer Oginskis aus 2500 Russen und 4500 Polen eine 1300 Mann starke schwedische Abteilung, die zur Entsetzung der Festung ausgesandt worden war. Am 19. März 1703 besiegte die unterlegene schwedische Abteilung das russisch-polnische Heer im [[Gefecht bei Schagarini]]. Oginski zog sich daraufhin nach Polen zurück, um sich mit den Truppen Augusts zu vereinigen.
=== Der Krieg in Kurland und Litauen===
Neben den Kriegsereignissen in Polen kam es auch zu parallelen Kampfhandlungen in Kurland und Litauen um die Vorherrschaft. Zur Deckung Kurlands war ein schwedisches Korps unter Oberkommando des alternden Stuart nach dem Abmarsch der Hauptarmee unter Karl XII. im Januar 1702 zurückgelassen worden. Aufgrund einer nicht heilenden Wunde überließ aber Stuart die eigentliche Truppenführung Oberst Graf [[Adam Ludwig Lewenhaupt]]. In Litauen selbst stand eine weitere schwedische Truppenabteilung von mehreren Tausend Mann unter Kommando von General [[Mörner (Adelsgeschlecht)|Mörner]] und [[Magnus Stenbock]] die im Juni 1702 zu großen Teilen Karl XII. nachfolgte und nur eine kleine Truppenmacht in Litauen zurückließen. In Litauen standen sich damals die Partei des Fürsten [[Sapieha]] und die des Grafen [[Oginski]] feindlich gegenüber. Sapieha und seine polnischen Anhänger unterstützten die Schweden auf litauischen Gebiet, während Graf Oginski auf Seiten Augusts II. gegen die Schweden kämpfte. Sapieha zog sich zunächst nach dem Abmarsch weiterer Truppen aus Kurland zur Unterstützung Karls XII. aus Litauen zurück. Oginski nutzte die Situation und griff von Mai bis Dezember 1702 die schwedischen Truppen in Litauen und Kurland an. Ziel Oginskis war es, die Festung [[Birze]] zu erobern als Ausgangsbasis für weitere Unternehmungen. Bei einem dieser Versuche stellte das Heer Oginskis, aus 2500 Russen und 4500 Polen bestehend, eine 1300 Mann starke schwedische Abteilung die zur Entsetzung der Festung ausgesandt worden war, an. Am 19. März 1703 besiegte die unterlegene schwedische Abteilung das russisch-polnische Heer in dem [[Gefecht bei Schagarini]]. In Folge des Sieges zog sich Oginski nach Polen zurück, um sich dort mit den Truppen Augusts II. zu vereinen.


=== Schwedische Eroberung West- und Zentralpolens ===
=== Schwedische Eroberung West- und Zentralpolens ===
[[Datei:Pultusk 1703.jpg|thumb|Schlacht von Pultusk 1703]]
[[Datei:Pultusk 1703.jpg|thumb|Schlacht von Pultusk 1703]]
August II. hatte den Schweden nach der Niederlage bei Klissow am 19. Juli 1702 abermals Friedensverhandlungen angeboten. Er wollte den schwedischen Forderungen so weit als möglich entgegenkommen. Nur König von Polen wünschte er zu bleiben. Auch der Kardinal-Primas unterbreitete im Namen der Republik Polen Vorschläge für einen Frieden. Er bot Karl XII. [[Woiwodschaft Livland|Polnisch Livland]], [[Kurland]] und eine hohe Kriegsentschädigung an. Karl XII. hätte lediglich auf die Absetzung des Königs verzichten müssen. Ein weiteres Mal zeigte Karl XII. sich starrsinnig und beharrte auf der Absetzung Augusts II..<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 89.</ref> Der Krieg ging weiter. Nach einem Beinbruch Karls XII. verzögerte sich der weitere Vormarsch um ein paar Wochen. Nach dessen Genesung setzte sich der Vormarsch entlang der Weichsel fort. Ende Herbst 1702 verlagerte Karl XII. seine Truppen in die Winterquartiere bei [[Sandomierz]] und [[Kasimierz]] bei Krakau.
August II. hatte den Schweden nach der Niederlage bei Klissow am 19. Juli 1702 abermals Friedensverhandlungen angeboten. Er wollte den schwedischen Forderungen so weit als möglich entgegenkommen. Nur König von Polen wünschte er zu bleiben. Auch der Kardinal-Primas unterbreitete im Namen der Republik Polen Vorschläge für einen Frieden. Er bot Karl XII. [[Woiwodschaft Livland|Polnisch Livland]], [[Kurland]] und eine hohe Kriegsentschädigung an. Karl hätte lediglich auf die Absetzung des Königs verzichten müssen, wozu er jedoch nicht bereit war.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 89.</ref> So ging der Krieg weiter. Nach einer mehrwöchigen Verzögerung durch einen Beinbruch Karls setzten die Schweden ihren Vormarsch entlang der Weichsel fort. Ende Herbst 1702 verlegte Karl seine Truppen in die Winterquartiere bei [[Sandomierz]] und [[Kasimierz]] in der Nähe von Krakau.
August II. musste, zur weiteren Kriegsführung gezwungen, erneut eine Armee aufbauen um den schwedischen Vormarsch aufzuhalten. Er hielt in Thorn einen erneuten Reichstag ab, auf dem ihm 100.000 Mann zugesagt wurden. Um die Gelder hierfür aufzubringen, reiste August II. im Dezember nach Dresden.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 604.</ref>
August II. musste, zur weiteren Kriegsführung gezwungen, erneut eine Armee aufbauen, um den schwedischen Vormarsch aufzuhalten. Er hielt in [[Thorn]] einen Reichstag ab, auf dem ihm 100.000 Mann zugesagt wurden. Um die Gelder hierfür aufzubringen, reiste er im Dezember nach Dresden.<ref>Theodor Griesinger: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869, S. 604.</ref>


[[Datei:Belagerung Thorns 1703.jpg|thumb|left|„Prospect von der Stadt THORN So Anno 1703 im Majo von Ihro Königl. Mayten von schweden KÖNIG CARL den XII blocquirt“]]
[[Datei:Belagerung Thorns 1703.jpg|thumb|left|„Prospect von der Stadt THORN So Anno 1703 im Majo von Ihro Königl. Mayten von schweden KÖNIG CARL den XII blocquirt“]]


In den ersten Monaten des Jahres 1703 ruhte der Krieg. Erst im März brach Karl XII. mit seinem Heer in Richtung Warschau auf, das er Anfang April erreichte. Anfang April 1703 verließ August II. Dresden nach Thorn und Marienburg, um von dort aus den neuen Feldzug zu beginnen. August II. hatte, die Zeit nutzend, erneut ein sächsisch-litauisches Heer errichten können. Diese Armee lagerte bei [[Pultusk]]. Karl XII. beschloss, dieses Streitkräfte zu vernichten. Mit starken Kräften ritt er aus Warschau aus, überschritt den [[Bug (Fluß)|Bug]] und erreichte mit seiner Kavallerie am 21. April 1703 Pultusk. Hier schlugen die Schweden die völlig überrumpelten Sachsen in der [[Schlacht bei Pultusk (1703)|Schlacht bei Pultusk]]. Der Sieg kostete die Schweden lediglich 12 Mann, während die sächsisch-litauische Armee mehrere Hundert Tote und Verwundete hatte und zudem 700 Gefangene verlor.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 94.</ref> Nach der Niederlage bei Pultusk waren die Sachsen zu schwach, um sich der schwedischen Armee im offenen Feld zu stellen. Sie zogen sich in die Festung Thorn zurück. Karl XII. zog daraufhin nordwärts gegen Thorn, um den letzten Rest der demoralisierten sächsischen Armee zu vernichten und nahm nach einer monatelangen [[Belagerung von Thorn]] die Stadt im September 1703 ein. Die Schweden erbeuteten 96 Kanonen, 9 [[Mörser (Geschütz)|Mörser]], 30 [[Feldschlange]]n 8000 [[Muskete]]n und 100.000 Taler. Mehrere Tausend gingen in Kriegsgefangenschaft. Die Einnahme von Thorn brachte König Karl XII. die vollständige Kontrolle Polens. Damit diese Stadt, die den Schweden ein halbes Jahr widerstanden hatte, künftig nicht mehr im Stande war, Widerstand zu leisten, wurden ihre Befestigungsanlagen geschleift.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 101.</ref> Am 21. November verließen die Schweden Thorn in Richtung [[Elbing]]. Aufgrund seines Kriegsruhms, der Karls XII. vorauseilte, wohl aber auch durch das Beispiel Thorns abgeschreckt, unterwarfen sich dem Schwedenkönig viele weitere Städte und wurden gegen Zahlung hoher Tribute verschont. Kurz vor Weihnachten ließ Karls XII. sein Heer in [[Westpreußen]] Winterquartiere beziehen, da diese Gegend vom bisherigen Krieg unberührt geblieben und das Heer zu versorgen imstande war.
In den ersten Monaten des Jahres 1703 ruhte der Krieg. Erst im März brach Karl XII. mit seinem Heer in Richtung Warschau auf, das er Anfang April erreichte. Anfang April 1703 verließ August II. Dresden, um von Thorn und Marienburg aus einen neuen Feldzug zu beginnen. Er hatte die Zeit genutzt, um ein neues sächsisch-litauisches Heer aufzustellen. Als Karl erfuhr, dass die feindliche Armee bei [[Pultusk]] lagerte, verließ er Warschau und überschritt mit seiner Kavallerie den [[Bug (Fluss)|Bug]]. Am 21. April 1703 wurden die Sachsen in der [[Schlacht bei Pultusk (1703)|Schlacht bei Pultusk]] völlig überrumpelt. Der Sieg kostete die Schweden lediglich 12 Mann, während die sächsisch-litauische Armee neben mehreren Hundert Toten und Verwundeten auch 700 Gefangene zu verschmerzen hatte.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 94.</ref> Nach der Niederlage bei Pultusk waren die Sachsen zu schwach, um sich der schwedischen Armee im offenen Feld zu stellen. Sie zogen sich in die Festung Thorn zurück. Karl XII. zog daraufhin nordwärts, um den letzten Rest der demoralisierten sächsischen Armee zu vernichten. Nach monatelanger [[Belagerung von Thorn]] nahm er die Stadt im September 1703 ein. Die Schweden erbeuteten 96 Kanonen, 9 [[Mörser (Geschütz)|Mörser]], 30 [[Feldschlange]]n, 8.000 [[Muskete]]n und 100.000 Taler. Mehrere Tausend Sachsen gingen in Kriegsgefangenschaft. Die Einnahme von Thorn brachte König Karl die vollständige Kontrolle Polens. Um künftigen Widerstand der Stadt, die den Schweden ein halbes Jahr getrotzt hatte, auszuschließen, wurden ihre Befestigungsanlagen geschleift.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 101.</ref> Am 21. November verließen die Schweden Thorn in Richtung [[Elbing]]. Das abschreckende Beispiel erzielte die gewünschte Wirkung, und unter dem Eindruck des ihm vorauseilenden Kriegsruhms unterwarfen sich viele weitere Städte dem Schwedenkönig, um gegen Zahlung hoher Tribute verschont zu bleiben. Kurz vor Weihnachten ließ Karl sein Heer in [[Westpreußen]] Winterquartiere beziehen, da diese Gegend vom Krieg bisher unberührt geblieben war.


=== Bildung der Konföderation von Warschau ===
=== Die Konföderationen von Warschau und Sandomir ===
[[Datei:Stanislas Leszczynski before 1709.PNG|thumb|König Stanislaus I. Leszczyński, während seiner ersten Herrschaft als König von Polen-Litauen]]
[[Datei:Karl XII. empfaengt stanislaw leszczynski.jpg|thumb|Karl XII. empfängt 1704 [[Stanislaus I. Leszczyński|Stanisław Leszczyński]] (1677-1766), Kupferstich von Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726-1801)]]
Nach den für August II. katastrophalen Feldzügen von 1702 und 1703 wurde die militärische und wirtschaftliche Position des polnischen Königs und sächsischen Kurfürsten aussichtslos. Die Machtbasis August II. in Polen begann zu bröckeln. Aufgrund der verheerenden, wirtschaftlichen Folgen für Polen, spaltete sich der polnische Adel in unterschiedliche Lager auf. 1704 gründete sich die schwedenfreundliche [[Konföderation von Warschau (1704)|Konföderation von Warschau]] und drängte auf eine Beendigung des Krieges. Ihr schloss sich [[Stanislaus I. Leszczyński|Stanislaus Leszczyński]] an. Dieser führte ab 1704 die Friedensverhandlungen mit dem schwedischen König Karl XII, der das Vertrauen in Leszczyński gewann und ihn bei einer erneuten Königswahl zum polnischen König am [[12. Juli]] [[1704]]<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup> unterstützte. Auch in Sachsen gab es Widerstand gegen die Polenpolitik des Kurfürsten. August führte eine [[Akzise]]steuer ein, um seine Kriegskasse zu füllen und die Armee aufrüsten zu können. Das brachte die sächsischen [[Ständeordnung|Stände]] gegen ihn auf. Außerdem erregte er den Unmut der Bevölkerung durch aggressive Methoden der Rekrutenwerbung.
Nach den katastrophalen Feldzügen von 1702 und 1703 wurde die militärische Lage Augusts II. aussichtslos, seine finanziellen Mittel waren erschöpft, und seine Machtbasis in Polen begann zu bröckeln. Unter dem Eindruck des wirtschaftlichen Niedergangs des Landes spaltete sich der polnische Adel in unterschiedliche Lager auf. 1704 gründete sich die schwedenfreundliche [[Konföderation von Warschau (1704)|Konföderation von Warschau]] und drängte auf eine Beendigung des Krieges. Ihr schloss sich [[Stanislaus I. Leszczyński|Stanislaus Leszczyński]] an, der ab 1704 die Friedensverhandlungen mit den Schweden führte. Da er das Vertrauen ihres Königs gewann, sah Karl XII. in Stanislaus bald den geeigneten Kandidaten für die vorgesehene Neuwahl des polnischen Königs.


Durch russische Unterstützung gelang es August II., erneut ein Heer von 23.000 Sachsen, Kosaken und Russen aufzustellen. Litauen, [[Wolhynien]], [[Rotrussland]] und [[Kleinpolen]] waren dem sächsischen König weiterhin zugetan, sodass August II. sich mit seinem Hof nach [[Sandomierz]] zurückzog. Dort hatte der polnische Adel eine Konföderation zur Unterstützung von [[August II. (Polen)|August II.]] gebildet. Sie kämpften gegen die schwedische Besetzung Polens und gegen den von Schweden geforderten neuen König. Die [[Konföderation von Sandomir]] unter dem [[Hetman]] [[Adam Mikołaj Sieniawski]] weigerte sich, die Abdankung Augusts II. und die Thronbesteigung Stanislaus Leszczynskis anzuerkennen. Ein echter Kräfteausgleich bedeutete dies nicht, denn die Konföderation hatte nur geringen militärischen Wert; ihre Truppen konnten allenfalls den Nachschub der Schweden stören.
Auch in Sachsen gab es Widerstand gegen die Polenpolitik des Kurfürsten. August führte eine [[Akzise]]steuer ein, um seine Kriegskasse zu füllen und die Armee aufrüsten zu können. Das brachte die sächsischen [[Ständeordnung|Stände]] gegen ihn auf. Außerdem erregte er den Unmut der Bevölkerung durch aggressive Methoden der Rekrutenwerbung. Durch russische Unterstützung gelang es ihm jedoch, erneut ein Heer von 23.000 Sachsen, Kosaken und Russen aufzustellen. Litauen, [[Wolhynien]], [[Rotrussland]] und [[Kleinpolen]] waren dem sächsischen König weiterhin treu, sodass August sich mit seinem Hof nach [[Sandomierz]] zurückziehen konnte. Dort hatten Teile des polnischen Adels eine Konföderation zu seiner Unterstützung gebildet, die sich gegen die schwedische Besetzung Polens und den von Schweden geforderten neuen König wandte. Die [[Konföderation von Sandomir]] unter dem [[Hetman]] [[Adam Mikołaj Sieniawski]] weigerte sich, eine Abdankung Augusts und die Thronbesteigung Stanislaus Leszczynskis anzuerkennen. Einen echten Kräfteausgleich bedeutete dies aber nicht, denn die Konföderation hatte nur geringe militärische Bedeutung und ihre Truppen konnten allenfalls den Nachschub der Schweden stören.


=== Wahl eines neuen schwedentreuen Königs von Polen ===
=== Wahl eines neuen schwedentreuen Königs von Polen ===
[[Datei:Königswahl 1704.jpg|thumb|left|Am 12. Juli 1704 wurde gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem "Schutz" der schwedischen Armee Stanislaus I. Leszczyński zum König gewählt.]]
[[Datei:Königswahl 1704.jpg|thumb|left|Am 12. Juli 1704 wurde gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem Schutz der schwedischen Armee Stanislaus I. Leszczyński zum König gewählt.]]
Ende Mai 1704 brach Karl XII. von seinem Winterquartier auf nach Warschau, um die geplante Königwahl zu schützen. Das Heer bestand aus 17.700 Mann Infanterie und 13.500 Mann Kavallerie, allesamt hoch motiviert.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 103.</ref> Nachdem Karl XII. mit dem Heer in Warschau ankam wurde am 12. Juli 1704 gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem Schutz der schwedischen Armee [[Stanislaus I. Leszczyński]] zum König gewählt.
Ende Mai 1704 brach Karl XII. von seinem Winterquartier nach Warschau auf, um die geplante Königswahl zu schützen. Das Heer bestand aus 17.700 Mann Infanterie und 13.500 Mann Kavallerie.<ref>Anders Fryxell: ''Geschichte Karl des Zwölften'', Leipzig 1860, S. 103.</ref> Nach der Ankunft Karls in Warschau wurde unter dem Schutz der schwedischen Armee am 12. Juli 1704 [[Stanislaus I. Leszczyński]] gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels zum König gewählt.
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1704-05.png|thumb|Feldzüge Karls XII. von Mai 1704 bis Dezember 1705]]
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1704-05.png|thumb|Feldzüge Karls XII. von Mai 1704 bis Dezember 1705]]
Karl XII. zog nach der erfolgten Wahl mit einem starken Armeekorps gegen die weiterhin abtrünnigen Gebiete, die dem neuen König die Gefolgschaft versagten. August II. erkannte naturgemäß die Wahl nicht an und wich mit seiner Armee den vorrückenden Karl XII. aus, so das dass schwedische Herr im Juli bis [[Jarosław]] vorrücken konnte. August II. ließ das schwedische Heer links liegen und zog mit dem Heer nach Warschau, wo sich der neu gewählte König aufhielt. Anstatt August II. zu folgen, eroberte Karl XII. in einem Sturmangriff Ende August das schlecht befestigte [[Lemberg]].<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Braunschweig 1861, S. 214</ref> Währenddessen hatte August II. Warschau erreicht. In der Stadt selbst standen 675 Schweden und etwa 6000 Polen, die den neuen, schwedentreuen König schützen sollten. Die meisten polnischen Soldaten desertierten, so dass allein die Schweden Widerstand leisteten. Am 26. Mai 1704 musste die schwedische Garnison vor August II. kapitulieren. Nach der Einnahme von Warschau zog August II. nach Großpolen. Das dortige schwache schwedische Kontingent musste sich daraufhin zurückziehen.
Nach der Wahl ging Karl mit einem starken Armeekorps gegen die abtrünnigen Gebiete vor, die dem neuen König die Gefolgschaft versagten. August erkannte die Wahl nicht an und wich mit seiner Armee dem vorrückenden Karl aus. Als das schwedische Heer im Juli bis [[Jarosław]] vorrückte, nutzte August die Gelegenheit, wieder nach Warschau zu ziehen. Statt ihn zu verfolgen, eroberte Karl in einem Sturmangriff Ende August das schlecht befestigte [[Lemberg]].<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Braunschweig 1861, S. 214</ref> Währenddessen hatte August Warschau erreicht, wo sich auch der neu gewählte König aufhielt. In der Stadt selbst standen 675 Schweden und etwa 6000 Polen, die den schwedentreuen König schützen sollten. Die meisten polnischen Soldaten desertierten und auch der polnische König floh aus der Stadt, so dass allein die Schweden Widerstand leisteten. Am 26. Mai 1704 musste die schwedische Garnison vor August II. kapitulieren. Nach der Einnahme von Warschau zog August nach Großpolen. Das dortige schwache schwedische Kontingent musste sich daraufhin zurückziehen.


Nachdem das schwedische Heer bereits zwei Wochen untätig vor den Toren Lembergs gelagert hatte, kehrte es Mitte September nach Warschau zurück um die Stadt erneut zu erobern. Zwischenzeitlich erhielt Karl XII. Nachricht über die Einnahme Narvas durch russische Truppen. Einen Zug dorthin schloss er aber weiter aus. August II. ließ es nicht auf einen Kampf ankommen, floh vor der Ankunft Karls XII. aus Warschau und übertrug General [[Johann Matthias von der Schulenburg]] das Kommando. Auch dieser wagte keine offene Feldschlacht und zog sich nach [[Posen]] zurück, wo ein russisches Kontingent unter Kommando von [[Johann Reinhold von Patkul]] die Stadt eingeschlossen hatte. Karl XII. ließ nach Eroberung Warschaus im Oktober das sächsisch-polnische Heer verfolgen. Bei der Verfolgunsjagd wurde eine russische Abteilung von 2000 Männern in einem Gefecht besiegt, wobei 900 Russen fielen.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Braunschweig 1861, S. 218.</ref> Die übriggebliebenen Russen kämpften am Folgetag bis fast zum letzten Mann. In den nächsten Tagen holte Karl XII. einen Teil der sächsischen Armee kurz vor der Schlesischen Grenze ein. 5000 Sachsen mussten sich gegen etwa vier anstürmenden schwedischen Dragonerregimentern verteidigen. Das [[Schlacht bei Punitz|Gefecht bei Punitz]] endete im Wesentlichen ergebnislos, den Sachsen gelang es sich weiter geordnet nach Sachsen zurückzuziehen. Karls XII. musste aufgrund der anstrengenden Märsche, hier bereits Anfang November das Winterquartier beziehen. Karl XII. wählte hierzu den an Schlesien grenzenden Distrikt Großpolen aus, da dieses vom Krieg bisher weitestgehend verschont geblieben war.
Bei Lemberg erhielt Karl die Nachricht von der Einnahme Narvas durch russische Truppen. Einen Zug nach Norden schloss er aber weiterhin aus. Mit zweiwöchiger Verzögerung kehrte das schwedische Heer Mitte September nach Warschau zurück, um die Stadt erneut zu erobern. August ließ es nicht auf einen Kampf ankommen, sondern floh vor der Ankunft Karls aus seiner Hauptstadt und übertrug General [[Johann Matthias von der Schulenburg]] das Kommando über die sächsische Armee. Auch dieser wagte keine offene Feldschlacht und zog sich nach [[Posen]] zurück, wo ein russisches Kontingent unter dem Kommando von [[Johann Reinhold von Patkul]] die Stadt eingeschlossen hatte. Nach der erneuten Eroberung Warschaus ließ Karl das sächsisch-polnische Heer verfolgen. Dabei wurde eine russische Abteilung von 2000 Mann in einem Gefecht besiegt, 900 Russen fielen.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, Braunschweig 1861, S. 218.</ref> Die restlichen Russen kämpften am Folgetag fast bis zum letzten Mann. Trotz des geschickten Rückzugs der Sachsen unter Schulenburg holte Karl einen Teil der sächsischen Armee kurz vor der schlesischen Grenze ein. In der [[Schlacht bei Punitz]] hielten 5000 Sachsen gegen vier anstürmende schwedische Dragonerregimenter stand. Schulenburg gelang es, seine Truppen geordnet über die Oder nach Sachsen zurückzuziehen. Wegen der anstrengenden Märsche musste Karl bereits Anfang November sein Winterquartier beziehen. Er wählte hierzu den an Schlesien grenzenden Distrikt Großpolen aus, der vom Krieg bis dahin weitgehend verschont geblieben war.

=== Entwicklung in Kurland und Litauen===
=== Entwicklung in Kurland und Litauen ===
[[Datei:Bm03156am.jpg|thumb|Schlacht bei Jakobstadt]]
[[Datei:Bm03156am.jpg|thumb|Schlacht bei Jakobstadt]]
Nach dem Sieg Lewenhaupts im Vorjahr traute sich Sapieha im Frühjahr 1704 wieder nach Litauen zurück und verstärkte Lewenhaupts Position dort. Dies kam ihn zu gute, denn nach der Wahl Leszczyńskis zum neuen polnischen König hatte Lewenhaupt von Karl XII. den Befehl erhalten, dessen Anerkennung in Litauen zu erzwingen. Lewenhaupt drang nun mit seinen Truppen von Kurland nach Litauen ein, worauf sich die Anhänger Augusts II. unter Führung von Graf Oginski zurückzogen mussten. Lewen haupt konnte den litauischen Adel zwar auf die schwedische Seite ziehen, doch nach der erfolgten [[Huldigung]] des neuen polnischen Königs durch den litauischen [[Landtag]] musste sich Lewenhaupt wieder nach [[Mitau]] zurückziehen, da eine russische Armee heran genaht war und Kurland bedrohte. Das russische Heer vereinigte sich mit August II. treuen polnischen Truppen und zog dann zur Festung [[Seelburg]] an der [[Düna]], die nur mit einer geringen Garnison von 300 Schweden besetzt war. Lewenhaupt marschierte sofort auf die belagerte Festung zu um sie zu entsetzen. In Folge des Herannahens der schwedischen Armee brach die russisch-polnische Armee die Belagerung ab um sich den herannahenden Gegner entgegenstellen zu können. Am 26. Juli 1704 trafen sich beide Heere bei [[Jakobstadt]]. Das zahlenmäßig weit unterlegene schwedisch-polnische Heer bestehend aus 3085 Schweden und 3000 Polen besiegte in der [[Schlacht bei Jakobstadt]] erneut ein mit zahlenmäßig überlegenes, aus 6000 Russen und 10.000 Polen bestehendes Heer.<ref>Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, 1860, S. 176</ref> Die russischen Truppen mussten sich in Folge der Schlacht zurückziehen. Von dem Schlachtfeld bei Jakobstadt wendete sich Lewenhaupt zunächst gegen die zwischen Riga und Mitau gelegene Festung Birze, die im Vorfeld von Truppen Oginskis besetzt worden war. Die Besatzung der Festung, bestehend aus 800 Polen kapitulierte sofort, ohne dass Lewenhaupt über Belagerungsartillerie verfügt hätte und erhielt freien Abzug. Lewenhaupt entließ dann seine Truppen für den Rest des Jahres in die Winterquartiere womit auch der Krieg in Litauen und Kurland eine Ruhepause nahm.
Nach dem Sieg Lewenhaupts im Vorjahr kehrte [[Jan Kazimierz Sapieha der Ältere|Jan Kazimierz Sapieha]] im Frühjahr 1704 nach Litauen zurück und verstärkte dort Lewenhaupts Position. Nach der Wahl Leszczyńskis zum neuen polnischen König hatte Lewenhaupt von Karl XII. den Befehl erhalten, die Ansprüche der Sapiehas in ihrer Heimat durchzusetzen. Lewenhaupt drang mit seinen Truppen von Kurland aus nach Litauen ein, worauf sich die Anhänger Augusts II. unter Führung von Graf Oginski zurückziehen mussten. Lewenhaupt konnte den litauischen Adel zwar auf die schwedische Seite ziehen und den litauischen [[Landtag]] zur [[Huldigung]] auf den neuen polnischen König bewegen, doch danach musste er wieder nach [[Mitau]] zurückkehren, da eine russische Armee herannahte und Kurland bedrohte. Das russische Heer vereinigte sich mit loyalen polnischen Truppen und zog zur Festung [[Seelburg]] an der [[Düna]], die nur mit einer kleinen Garnison von 300 Schweden besetzt war. Lewenhaupt eilte sofort herbei, um die belagerte Festung zu entsetzen. Die russisch-polnische Armee brach darauf die Belagerung ab, um sich dem herannahenden Gegner entgegenzustellen. Am 26. Juli 1704 trafen die beiden Armeen bei [[Schlacht bei Jakobstadt|Jakobstadt]] aufeinander, wo das zahlenmäßig weit unterlegene schwedisch-polnische Heer mit 3085 Schweden und 3000 Polen erneut ein zahlenmäßig weit überlegenes Heer von 6000 Russen und 10.000 Polen besiegte.<ref>Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, 1860, S. 176.</ref> Die russischen Truppen mussten sich zurückziehen. Von dem Schlachtfeld bei Jakobstadt wandte sich Lewenhaupt zunächst gegen die zwischen Riga und Mitau gelegene Festung Birze, die von Truppen Oginskis besetzt worden war. Die Besatzung der Festung, bestehend aus 800 Polen, kapitulierte sofort und erhielt freien Abzug. Lewenhaupt entließ seine Truppen für den Rest des Jahres in die Winterquartiere, womit auch der Krieg in Litauen und Kurland eine Ruhepause hatte.


=== Krönung des schwedentreuen Königs in Warschau ===
=== Krönung des schwedentreuen Königs in Warschau ===
In Polen kam es in der ersten Hälfte des Jahres 1705 zu keinen militärischen Ereignissen. Die schwedische Armee unter Oberkommando des Königs Karl XII. lagerte untätig in der Stadt [[Rawicz|Rawitsch]], das zugleich Hauptquartier der Schweden in Polen war. Zu dieser Zeit wurde entschieden, dass der im Vorjahr gewählte Kandidat Karls XII., Stanislaus Leszczyński, zum neuen polnischen König gekrönt werden solle. Diese Krönung sollte im Juli 1705 vonstatten gehen.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 244.</ref>
In Polen gab es in der ersten Hälfte des Jahres 1705 keine kriegerischen Ereignisse. Die schwedische Armee unter Karl XII. lagerte untätig in der Stadt [[Rawicz|Rawitsch]], die zugleich Hauptquartier der Schweden in Polen war. Es wurde entschieden, dass der im Vorjahr gewählte Stanislaus Leszczyński im Juli 1705 zum polnischen König gekrönt werden sollte.<ref>Anders Fryxell: ''Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden'', Band 1, S. 244.</ref> Für die Schweden war die Sicherung der Thronfolge deshalb so wichtig, weil nur mit ihrem Wunschkandidaten die bereits angelaufenen Friedensverhandlungen mit Polen abgeschlossen werden konnten. Der bisherige König August II. war zwar auch zu Friedensverhandlungen bereit, doch mit der Hoffnung auf einen für ihre Zwecke fügsameren Kandidaten auf dem polnischen Thron verhärtete sich die schwedische Position, bis die Schweden in der Entthronung des Wettiners die einzige Möglichkeit sahen, einen Frieden in ihrem Sinne zu schließen.
[[Datei:Battle of Warsaw 1705.PNG|miniatur|left|[[Schlacht von Rakowitz|Gefecht bei Rakowitz]] am 31. Juli 1705]]
Anders als die Schweden blieb August II. nicht untätig und konnte mit russischer Unterstützung erneut ein Heer aufstellen, das die Krönung des schwedischen Gegenkönigs verhindern sollte. Zum Befehlshaber ernannte er auf Vorschlag Johann Patkuls dessen livländischen Landsmann [[Otto Arnold Paykull]], der mit 6000 Polen und 4000 Sachsen nach Warschau vorrückte. Um die Sicherheit des Thronfolgers zu gewährleisten, hatte Karl XII. den Generalleutnant [[Carl Nieroth]] mit 2000 Mann in die Hauptstadt entsandt. Am 31. Juli 1705 <!--gregorianisches Datum--> trafen beide Heere bei Warschau in der [[Schlacht von Rakowitz]] aufeinander, in der die sächsisch-polnische Armee von der fünfmal kleineren schwedischen Armee besiegt wurde. Generalleutnant Paykull fiel mitsamt seiner diplomatischen Korrespondenz in die Hände der Schweden und wurde als Staatsgefangener nach Stockholm gebracht. Dort beeindruckte er seine Richter mit der Behauptung, er kenne das Geheimnis zur Herstellung von [[Gold]]. Doch obwohl er eine Probe seiner [[Alchemie|alchemistischen]] Kunst ablegte, hielt Karl XII. die Sache keiner weiteren Untersuchung wert und ließ ihn wegen [[Hochverrat|Landesverrats]] enthaupten.


Als Folge der Schlacht konnte am 4. Oktober 1705 [[Stanislaus I. Leszczyński|Stanislaus Leszczyński]] in Warschau ungehindert zum neuen polnischen König gekrönt werden. Er blieb aber militärisch und finanziell völlig abhängig von seinen schwedischen Schutzheeren und wurde nach wie vor nicht in allen Landesteilen anerkannt. Lediglich [[Großpolen]], [[Westpreußen]], [[Masowien]] und [[Kleinpolen]] unterstellten sich ihm, während Litauen und Wolhynien weiterhin zu August II. und Peter I. hielten. Als direkte Folge der Königskrönung schloss am 18. November 1705 das Königreich Polen in der Person Leszczyńskis den [[Warschauer Friede]]n mit Schweden. Der bisherige König des Landes und Kurfürst von Sachsen, August II., akzeptierte diesen Frieden nicht und erklärte, dass nur zwischen Schweden und Polen kein Krieg mehr herrsche, jedoch nicht zwischen Schweden und dem Kurfürstentum Sachsen.
Anders als die Schweden blieb August II. nicht unttätig und konnte mit russischer Unterstützung erneut ein Heer aufstellen, das die Krönung des schwedischen Gegenkönigs verhindern sollte. Zu diesem Zweck rückte General [[Johann Reinhold von Patkul|Patkul]] mit 6000 Polen und 4000 Sachsen nach Warschau vor. Um die Sicherheit des Thronfolgers zu gewährleisten, hatte auch Karl XII. mit dem Generalleutnant [[Carl Nieroth]] und 2000 Mann Truppen nach Warschau entsandt.
[[Datei:Battle of Warsaw 1705.PNG|miniatur|left|Gefecht bei Rakowitz am 31. Juli 1705]]
Für die Schweden war die Sicherung der Thronfolge deshalb so wichtig, da nur mit ihrem Wunschkandidaten die zu dem Zeitpunkt angelaufenen Friedensverhandlungen mit Polen abgeschlossen werden konnten. Der eigentliche polnische König, der Wettiner August II., war zu der Zeit zwar zu Friedensverhandlungen mit Schweden bereit, dennoch wollten die Schweden ihrerseits einen für ihre Zwecke fügsameren Kandidaten auf dem polnischen Thron sehen. Somit sahen die Schweden mit der Entthronung Augusts II. die einzige Möglichkeit, Frieden in ihrem Sinne zu schaffen. Am 31. Juli 1705 <!--gregorianisches Datum--> trafen beide Heere bei Warschau in der [[Schlacht von Rakowitz]] aufeinander, in der die sächsisch-polnische Armee unter Patkul von der fünfmal kleineren schwedischen Armee besiegt wurde. Als Folge konnte am 4. Oktober 1705 [[Stanislaus I. Leszczyński|Stanislaus Leszczyński]] in Warschau ungehindert zum neuen polnischen König gekrönt werden. Der neue König blieb aber militärisch und finanziell völlig abhängig von seinen schwedischen Schutzheeren und wurde nach wie vor nicht in allen Landesteilen anerkannt. Lediglich [[Großpolen]], [[Westpreußen]], [[Masowien]] und [[Kleinpolen]] standen auf Seiten des neu gewählten Königs, während Litauen und Wolhynien weiterhin unter der Herrschaft Augusts II. und Peters I. standen. Als direkte Folge der Königskrönung schloss nun am 18. November 1705 das Königreich Polen, in Person Leszczyńskis, den [[Warschauer Friede]] mit Schweden. August II., der König des Landes und Kurfürst von Sachsen, akzeptierte diesen Frieden nicht und erklärte, dass nur zwischen Schweden und Polen kein Krieg mehr herrsche, jedoch nicht zwischen Schweden und dem Kurfürstentum Sachsen.


Der Krieg ging auch in Kurland und Litauen weiter. Peter I. hatte aufgrund der Erfolge Lewenhaupts 1704 Marschall [[Boris Petrowitsch Scheremetew|Scheremetjew]] beauftragt, mit einem 20.000 Mann starken Heer das 7000 Mann zählende und zersplitterte Heer Lewenhaupts von Riga abzuschneiden. Dazu musste der Vormarsch möglichst lange geheimgehalten werden um die Konzentration des Gegners zu verhindern. Der Anmarsch der russischen Armee konnte aber nicht geheim gehalten werden, so dass Lewenhaupt seine Truppen rechtzeitig zusammenziehen konnte. Am 16. Juli 1705 stellte sich Lewenhaupt mit seinem ganzen Heer bei [[Gemäuterhof]] in Schlachtordnung gegen die heranrückende russische Armee auf. Nach vier Stunden Kampf siegten die Schweden in der [[Schlacht bei Gemäuterhof]] mit einem Verlust von 1500 Mann während die zahlenmäßig überlegene russische Armee 6000 Mann verlor.<ref>Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, S. 179</ref> Der Sieg der Schweden hielt nicht lange vor, denn im September entsandte Peter I. ein weiteres, diesmal 40.000 Mann starkes Heer. Peter I. ließ das Heer diesmal nur nachts marschieren um die Geheimhaltung der Operation möglichst lange zu gewährleisten. Dennoch erfuhren schwedische Kundschafter von dem erneuten russischen Vorstoß, so dass der zum Generalleutnant beförderte Lewenhaupt seine Truppen in und um Riga zusammenziehen konnte. Nachdem Peter I. davon Mitteilung bekam, richtete er den geplanten Vorstoß auf Riga nun auf die kleineren Festungen [[Mitau]] und [[Biskau]] um. Da sich alle schwedischen Truppen um Riga befanden, konnte ganz Kurland von russischen Truppen besetzt werden.
Der Krieg ging auch in Kurland und Litauen weiter. Peter I. hatte aufgrund der Erfolge Lewenhaupts im Vorjahr seinen Marschall [[Boris Petrowitsch Scheremetew|Scheremetjew]] beauftragt, mit einem 20.000 Mann starken Heer das 7.000 Mann zählende und zersplitterte Heer Lewenhaupts von Riga abzuschneiden. Dazu musste der Vormarsch möglichst lange geheimgehalten werden, um die Konzentration der gegnerischen Kräfte zu verhindern. Dies gelang jedoch nicht, so dass Lewenhaupt seine Truppen rechtzeitig zusammenziehen konnte. Am 16. Juli 1705 stellte sich Lewenhaupt mit seinem ganzen Heer in Schlachtordnung gegen die heranrückende russische Armee auf. Nach vier Stunden Kampf siegten die Schweden in der [[Schlacht bei Gemäuterhof]] mit einem Verlust von 1500 Mann, während die zahlenmäßig überlegene russische Armee 6000 Mann verlor.<ref>Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, S. 179</ref> Der Sieg der Schweden hielt indes nicht lange vor, denn im September entsandte Peter ein weiteres, diesmal 40.000 Mann starkes Heer. Der Zar ließ seine Armee diesmal nur nachts marschieren, um die Geheimhaltung der Operation möglichst lange zu wahren. Dennoch erfuhren schwedische Kundschafter von dem neuerlichen russischen Vorstoß, so dass der zum Generalleutnant beförderte Lewenhaupt seine Truppen in und um Riga zusammenziehen konnte. Nachdem Peter I. davon Mitteilung bekommen hatte, richtete er den geplanten Vorstoß statt auf Riga auf die kleineren Festungen [[Mitau]] und [[Biskau]]. Da sich alle schwedischen Truppen um Riga befanden, konnte ganz Kurland von russischen Truppen besetzt werden.


=== Kampf um die Anerkennung des neuen Königs ===
=== Kampf um die Anerkennung des neuen Königs ===
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1706.png|thumb|Feldzug Karls XII. Ende 1705 bis Ende 1706]]
[[Datei:Karl XIIs polska fälttåg 1706.png|thumb|Feldzug Karls XII. Ende 1705 bis Ende 1706]]
Zum ersten Mal in dem Krieg nach der Schlacht bei Narwa marschierte Karls XII. mit dem schwedischen Hauptheer in das Baltikum um den dort bedrängten schwedischen Kräften zu helfen. Ausgangspunkt des Vormarsches war Warschau wo sich Karl XII. mit seinem Heer den ganzen Herbst des Jahres 1705 über aufgehalten hatte. Karl XII. beschloss zudem, die noch abtrünnigen Gebiete zum Treueschwur auf den neuen König zu zwingen. Ende des Jahres 1705 begann der Vormarsch des Heeres über die Weichsel und den [[Bug (Fluss)|Bug]] nach Litauen. Im Herbst hatten schwedische Verstärkungen aus Finnland die in Riga zusammengezogene schwedische Armee auf eine Stärke von 10.000 Mann gebracht. Die russischen Kräfte in Kurland fürchteten nun, von den Truppen Lewenhaupts in Riga und den heranmarschierenden Karl XII. in die Zange genommen zu werden. Nach der Sprengung der Festungswerke in Mitau und Bauske zogen sie sich aus Kurland zunächst nach Grodno zurück, so dass Lewenhaupt erneut Kurland besetzen konnte. Nachdem die Russen abgezogen waren, begannen die Litauer mehr und mehr zum schwedentreuen neuen polnischen König überzugehen. Die Kriegszüge in Litauen reduzierten sich durch die zunehmende Akzeptanz für den neuen König. Auch gelang eine Versöhnung der verfeindeten litauischen Adelsgeschlechter der Sapiehas und der Wienowickis. Da Graf Oginski mit seinen fortgesetzten Kampf auf Seiten Augusts II. nirgends Erfolge erzielte, gewann die schwedische Partei in Litauen nun endgültig die Überhand.
Zum ersten Mal seit der Schlacht bei Narwa marschierte Karl XII. mit dem schwedischen Hauptheer in das Baltikum, um den dort bedrängten schwedischen Kräften zu helfen. Ausgangspunkt war Warschau, wo er sich den ganzen Herbst des Jahres 1705 über aufgehalten hatte. Karl beschloss, die noch abtrünnigen Gebiete zum Treueschwur auf den neuen König zu zwingen. Ende des Jahres 1705 begann der Vormarsch des Heeres über die Weichsel und den [[Bug (Fluss)|Bug]] nach Litauen. Im Herbst hatten schwedische Verstärkungen aus Finnland die in Riga zusammengezogene Armee Lewenhaupts auf eine Stärke von 10.000 Mann gebracht. Die russischen Kräfte in Kurland fürchteten nun, von den Truppen Lewenhaupts in Riga und dem heranmarschierenden Karl in die Zange genommen zu werden. Nach der Sprengung der Festungswerke in Mitau und Bauske zogen sie sich aus Kurland zunächst nach Grodno zurück, so dass Lewenhaupt erneut Kurland besetzen konnte. Nachdem die Russen abgezogen waren, begannen die Litauer mehr und mehr zum neuen schwedentreuen König von Polen überzugehen, was die Lasten des Krieges für sie erheblich verminderte. Auch gelang eine Versöhnung der verfeindeten litauischen Adelsgeschlechter der Sapiehas und der Wienowickis. Da Graf Oginski mit seinen fortgesetzten Kampf auf Seiten Augusts II. nirgends Erfolge erzielte, gewann die schwedische Partei in Litauen nun endgültig die Oberhand.


Am 15. Januar (jul.) überquerte das Heer Karls XII. den [[Njemen]] womit der Weg nach Grodno frei war, wo das 20.000 Mann starkes russisches Heer unter Feldmarschall [[Georg Benedikt von Ogilvy]] stand. Dieses hatte im Dezember 1705 die polnische Grenze überschritten, um sich mit den sächsischen Truppen zu vereinen.<ref>Alan Axelrod: ''Little-Known Wars of Great and Lasting Impact'', 2009, S. 137.</ref> Karl XII. war den Russen zwar mit dem Hauptteil seiner Armee von fast 30.000 Mann entgegen gezogen, doch zu einer offenen Schlacht kam es nicht, da sich die russischen Truppen auf keine Auseinandersetzung mit dem Schwedenkönig einlassen wollten und sich nach [[Grodno]] zurückzogen. Aufgrund der Kälte in der fortgeschrittenen Jahreszeit konnte keine Belagerung durch die Schweden begonnen werden. So ließ Karl XII. einen Blockadering um Grodno errichten, der die Stadt und die russische Armee von der Zufuhr von Versorgungsgütern abschnitt.
Am 15. Januar (jul.) überquerte das Heer Karls XII. den [[Njemen]] auf dem Weg nach Grodno, wo ein 20.000 Mann starkes russisches Heer unter Feldmarschall [[Georg Benedikt von Ogilvy]] stand. Dieses hatte im Dezember 1705 die polnische Grenze überschritten, um sich mit den sächsischen Truppen zu vereinigen.<ref>Alan Axelrod: ''Little-Known Wars of Great and Lasting Impact'', 2009, S. 137.</ref> Karl war den Russen mit dem Hauptteil seiner Armee von fast 30.000 Mann entgegengezogen, doch zu einer Schlacht kam es nicht, da sich die russischen Truppen auf keine Auseinandersetzung mit dem Schwedenkönig einlassen wollten und sich nach [[Grodno]] zurückzogen. Aufgrund der Kälte war an eine Belagerung nicht zu denken, so ließ Karl lediglich einen Blockadering um Grodno errichten, der die Stadt und die russische Armee von der Zufuhr von Versorgungsgütern abschnitt.


Als August II. sah, dass Karl XII. Grodno nicht angreifen ließ, hielt er einen [[Kriegsrat]] ab. Der Rat beschloss anstatt auf die Armee Karls XII. zu zugehen, die Vernichtung der weiter entfernt stehenden schwedischen Abteilung unter Kommando von [[Carl Gustaf Rehnskiöld]], etwa 10.-2000 Mann. Diese war von Karl XII. zum Schutze [[Großpolen]]s und Warschaus zurückgelassen worden. August II. sollte nun gen Westen ziehen und sich auf dem Wege mit allen polnischen [[Detachement|Detachements]] vereinigen und dann mit dem in [[Schlesien]] neu aufgestellten sächsischen Heer unter Kommando von General Schulenburg vereinigen, dann das Korps von Rehnskiöld angreifen und nach einem Sieg zurück nach Grodno marschieren. Am 18. Januar ging August II. mit 2000 Mann westlich um die schwedische Blockade herum, vereinigt sich mit mehreren polnischen Truppenkontingenten und rückte am 26. Januar zum Zweiten Mal in [[Warschau]] ein. Hier rückte er nach einer kurzen Pause mit seiner inzwischen 14-15.000 Mann zählenden Armee weiter vor, um das schwedische Korps anzugreifen. Er befahl zudem General Schulenburg mit seinen Truppen das nahe stehende russische [[Korps|Hilfskorps]] von 6000 Mann aufzunehmen und nach [[Großpolen]] zu marschieren um sich mit ihm zu vereinigen. Rehnskiöld erhielt Nachricht von dem sächsischen Plan und suchte einer Vernichtung zu entgehen, indem er einen Angriff auf die noch getrennten Armeen suchte. Unter Vortäuschung eines Rückzugs ließ sich General Schulenburg auf eine Schlacht mit den Schweden ein, obwohl er sich nicht mit der Armee Augusts II. vereinigt hatte. Beide Armee trafen am 13. Februar 1706 <!--gregorianisches Datum--> bei [[Fraustadt]] aufeinander. In der [[Schlacht bei Fraustadt]] fügten die Schweden unter Rehnskiöld den Sachsen unter [[Johann Matthias von der Schulenburg|General von der Schulenburg]] eine vernichtende Niederlage zu.<ref>Stig Förster, Markus Pöhlmann, Dierk Walter: ''Kriegsherren der Weltgeschichte: 22 historische Portraits'', München 2003, S. 139.</ref> August II. brach nach dieser weiteren Niederlage den Vormarsch ab und sandte einen Teil der Truppen nach Grodno zurück und marschierte mit dem Rest des Korps nach Krakau. Die Lage in Grodno wurde nun durch die Niederlage bei Fraustadt für die russische Armee aussichtslos. Auf Entsatz konnten sie nicht mehr hoffen und die Versorgungsschwierigkeitnen hatten sich inzwischen drastisch verschlimmert. Neben der Hungersnot verbreiteten sich unter den Soldaten Krankheiten, die zu hohen Ausfällen führten. Nachdem die Nachricht von der Niederlage bei Fraustadt in Grodno eintraf beschloss der russische Kommandeur Olgivy mit den verbliebenen 10.000 dienstfähigen Männern einen Ausbruch nach Kiew. Sie entkamen den schwedischen Verfolgern und konnten sich über die Grenze retten.
Als August II. sah, dass Karl XII. untätig vor Grodno lag, hielt er einen [[Kriegsrat]] ab, der beschloss, die Abwesenheit des Königs zu nutzen, um eine weiter westlich stehende schwedische Abteilung unter dem Kommando von [[Carl Gustaf Rehnskiöld]] zu vernichten. Dieser war mit über 10.000 Mann von Karl zum Schutze [[Großpolen]]s und Warschaus zurückgelassen worden. August wollte nach Westen ziehen, sich unterwegs mit allen polnischen [[Detachement|Detachements]] und dann mit dem in [[Schlesien]] neu aufgestellten sächsischen Heer unter dem Kommando von General Schulenburg vereinigen, um das Korps von Rehnskiöld anzugreifen und nach einem Sieg zurück nach Grodno zu marschieren. Am 18. Januar umging August mit 2000 Mann die schwedische Blockade westlich, vereinigte sich mit mehreren polnischen Truppenkontingenten und rückte am 26. Januar zum zweiten Mal in [[Warschau]] ein. Dort rückte er nach einer kurzen Pause mit seiner inzwischen auf 14.000-15.000 Mann angewachsenen Armee weiter vor, um das schwedische Korps anzugreifen. Er befahl zudem General Schulenburg, mit seinen Truppen das in der Nähe liegende russische [[Korps|Hilfskorps]] von 6000 Mann aufzunehmen und nach [[Großpolen]] zu marschieren, um sich mit ihm zu vereinigen. Rehnskiöld erhielt Nachricht von dem sächsischen Plan und hoffte einer Vernichtung zu entgehen, indem er die Gegner in Kampfhandlungen verwickelte, solange sie noch getrennt waren. Durch Vortäuschung eines Rückzugs ließ sich General Schulenburg tatsächlich zum Angriff auf die zahlenmäßig unterlegenen Schweden verleiten. Ohne Verstärkung durch die polnische Armee Augusts II. erlitten Schulenbergs sächsische Rekruten in der [[Schlacht bei Fraustadt]] am 13. Februar 1706 <!--gregorianisches Datum--> eine vernichtende Niederlage durch die sturmerprobten Schweden.<ref>Stig Förster, Markus Pöhlmann, Dierk Walter: ''Kriegsherren der Weltgeschichte: 22 historische Portraits'', München 2003, S. 139.</ref> August II. brach nach diesem erneuten Rückschlag seinen Vormarsch ab, sandte einen Teil der Truppen nach Grodno zurück und marschierte mit dem Rest nach Krakau. Die Lage in Grodno wurde durch die Niederlage bei Fraustadt für die russische Armee aussichtslos. Auf Entsatz konnte sie nicht mehr hoffen und die Versorgungsschwierigkeiten hatten sich inzwischen drastisch verschlimmert. Neben der Hungersnot verbreiteten sich unter den Soldaten Krankheiten, die zu hohen Ausfällen führten. Nachdem die Nachricht von der Niederlage bei Fraustadt in Grodno eingetroffen war, beschloss der russische Kommandeur Olgivy mit den verbliebenen 10.000 kampffähigen Männern einen Ausbruch nach Kiew. Sie entkamen den schwedischen Verfolgern und konnten sich über die Grenze retten.


Karl XII. war bei der Verfolgung der russischen Armee bis [[Pinsk]] marschiert. Von dort brach er nach einer Pause am 21. Mai 1706 auf, um in den Süden Polen-Litauens zu ziehen. Die dortigen Gebiete hielten immer noch zu König August II. und lehnten einen Treuschwur auf den neuen polnischen König ab. Am 1. Juni rückte Karl XII. in [[Wolhynien]] ein. Auch hier erfolgte, mit militärischen Nachdruck, die Anerkennung des neuen schwedentreuen Königs.<ref>Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: ''Handbuch der Geschichte Weißrusslands'', Göttingen 2001, S. 112.</ref> Neben der politischen Anerkennung des neuen Königs in den abtrünnigen Gebieten und den damit verbundenen Märschen, Brandschatzungen usw. wurde während der Sommermonate auch gekämpft. So führten entlang der russisch-polnischen Grenze die Schweden mehrere Streifzüge gegen russische Stellungen durch, die aber zu keinen entscheidungsrelevanten Ergebnisse führten. Aufgrund der gemischten Erfahrungen aus den Feldzügen bezüglich der Anerkennung des neuen Königs begann Karl XII. nun seine Strategie zu überdenken. Die bisherigen Feldzüge durch Polen hatten einzig dem Zweck gedient, die Legitimität des neuen schwedentreuen Königs zu gewinnen. Solange das schwedische Heer vor Ort war, leisteten die Bewohner auch den erzwungenen Treueid. Sobald sich das schwedische Heer aber wieder fortbewegte, fielen die Bewohner von der erzwungenen Treueschwur ab und wendeten sich wieder König August II. zu. Aufgrund der Erfolglosigkeit dieser Strategie wollte Karl XII. nun den Krieg durch einen Zug nach Sachsen beenden.
Karl XII. war bei der Verfolgung der russischen Armee bis [[Pinsk]] marschiert. Von dort brach er nach einer Pause am 21. Mai 1706 auf, um in den Süden Polen-Litauens zu ziehen. Die dortigen Gebiete hielten immer noch zu August und lehnten einen Treueschwur auf König Stanislaus I. ab. Am 1. Juni rückte Karl in [[Wolhynien]] ein. Auch dort hatte man mit militärischem Nachdruck den neuen schwedentreuen König anerkannt.<ref>Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: ''Handbuch der Geschichte Weißrusslands'', Göttingen 2001, S. 112.</ref> Während der Sommermonate wurde auch gekämpft. Mehrere Streifzüge der Schweden entlang der russisch-polnischen Grenze gegen russische Stellungen brachten keine entscheidenden Ergebnisse. Aufgrund der Erfahrungen aus den Feldzügen durch Polen, die dem Zweck gedient hatten, die Legitimität des neuen schwedentreuen Königs durchzusetzen, begann Karl, seine Strategie zu überdenken. Solange das schwedische Heer vor Ort war, leisteten die Bewohner den erzwungenen Treueid. Sobald sich das schwedische Heer aber entfernt hatte, wandten sie sich wieder König August zu, der aus seinem Rückzugsgebiet in Sachsen immer wieder neue Truppen heranführte. Aufgrund der Erfolglosigkeit seiner bisherigen Strategie wollte Karl nun den Krieg durch einen Zug nach Sachsen beenden.


=== Eroberung Sachsens und Abdankung König Augusts II. ===
=== Eroberung Sachsens und Abdankung König Augusts II. ===
[[Datei:Leipzig 1706.jpg|miniatur|left|Die Übergabe der Schlüssel der Stadt Leipzig an König Karl XII. Kupferstich, frühes 18. Jahrhundert]]
[[Datei:Leipzig 1706.jpg|miniatur|left|Die Übergabe der Schlüssel der Stadt Leipzig an König Karl XII. Kupferstich, frühes 18. Jahrhundert.<br />In vielen Städten Sachsens wurden schwedische Truppen einquartiert. Anders als während des Dreißigjährigen Krieges soll es zu keinen Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung gekommen sein.]]
Im Sommer 1706 brach Karl XII. mit seinen Truppen aus dem Osten Polens auf, vereinigte sich mit der Armee Rehnskjölds und rückte am 27. August 1706 über Schlesien in das [[Kurfürstentum Sachsen]] ein. Sie eroberte Zug um Zug das Kurfürstentum und erstickte jeden Widerstand im Keim. Das Land wurde rigoros ausgebeutet. Der Vormarsch der Schweden nach Sachsen löste diplomatische Konflikte aus, denn die Besetzung eines Reichsterritoriums durch Karl XII. war ein eindeutiger Bruch des [[Reichsrecht]]s, schließlich war Karl XII. auch selbst Reichsfürst durch die schwedischen Besitzungen Schwedisch-Pommern und Bremen-Verden. Zudem marschierte Karl XII. ungefragt durch [[Schlesien]], das habsburgisches Territorium war. Ein weiterer [[Reichskrieg]] konnte aufgrund des gleichzeitigen Krieges mit Frankreich aber nicht durchgesetzt werden. Auch die Aussicht, das sich Karl XII. mit den aufständischen Ungarn verbündete oder in die habsburgische [[Erblande]] einmarschierte, und damit eine erneute Konstellation wie im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] eintrat, galt es aus Sicht des [[Wiener Hof]]es zu verhindern.<ref name="autogenerated1991">Volker Press: ''Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen'', München 1991, S. 465.</ref> Die Gefahr, dass der parallel stattfindende Große Nordische Krieg sich mit den Kämpfen in Mitteleuropa im Zuge des [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] war zu diesem Zeitpunkt groß. Beide kriegführenden Seiten waren daher bemüht, den König von Schweden als Verbündeten zu gewinnen. Zu diesem Zweck war der Kaiser sogar zu Zugeständnissen an die evangelischen Christen in den schlesischen Erblanden bereit. So erteilte er die Erlaubnis zum Bau der sogenannten Gnadenkirchen. [[Karl XII. (Schweden)|Karl XII.]] hatte jedoch kein Interesse, sich in die Auseinandersetzungen einzumischen<ref name="autogenerated1991"/> und zog es vor, erneut gegen Russland zu ziehen. Zuvor musste er aber mit dem sächsischen Kurfürst August Frieden schließen. Dieser verfügte seit der Schlacht bei Fraustadt über keine nennenswerten Truppen mehr in Polen. Da auch sein Stammland von den Schweden besetzt war, musste August Karl XII. Friedensverhandlungen anbieten. Seine Unterhändler [[Carl Piper]] und [[Olof Hermelin]] unterzeichneten am 24. September 1706 in Altranstädt einen Friedensvertrag, der aber erst bei Ratifizierung des Königs Gültigkeit erlangen konnte.
Im Sommer 1706 brach Karl XII. mit seinen Truppen aus dem Osten Polens auf, vereinigte sich mit der Armee Rehnskjölds und rückte am 27. August 1706 über Schlesien in das [[Kurfürstentum Sachsen]] ein. Die Schweden eroberten Zug um Zug das Kurfürstentum und erstickten jeden Widerstand. Das Land wurde rigoros ausgebeutet. August verfügte seit der Schlacht bei Fraustadt über keine nennenswerten Truppen mehr, und da auch sein Stammland von den Schweden besetzt war, musste er Karl Friedensverhandlungen anbieten. Der schwedische Unterhändler [[Carl Piper]] und der sächsische Vertreter [[Olof Hermelin]] unterzeichneten am 24. September 1706 in Altranstädt einen Friedensvertrag, der aber erst bei Ratifizierung durch den König Gültigkeit erlangen konnte.
[[Datei:Altranstadt Mittagessen 1706.jpg|miniatur|Offizielles Mittagessen der Teilnehmer nach der Unterzeichnung des Vertrags von Altranstadt am 7. Dezember 1706. (jul.) Kupferstich.]]
[[Datei:Altranstadt Mittagessen 1706.jpg|miniatur|Offizielles Mittagessen der Teilnehmer nach der Unterzeichnung des Vertrags von Altranstadt am 7. Dezember 1706. (jul.) Kupferstich.]]
August wollte zwar den Kriegszustand beenden, war jedoch auch an Bündniszusagen an Peter I.l gebunden, denen er den sich anbhnenden Frieden mit Schweden verheimlichte. Zusammen und auf Nachdruck russischer Truppen schlug August eher widerwillig eine letzte Schlacht gegen die Schweden bei [[Kalisch]]. In der [[Schlacht bei Kalisch]] schlugen die verbündeten russischen, sächsischen und polnischen Truppen unterlegene schwedischen Truppen unter General [[Arvid Axel Mardefelt|Mardefelt]]. Die schwedischen Truppen wurden in der Schlacht zwar völlig vernichtet. Über 100 Offiziere (unter ihnen auch polnische [[Magnat]]en) und General Mardefelt gerieten in Gefangenschaft. August lehnte auch nach dem Sieg aufgrund der weiterhin fortbestehenden Machtverhältnisse eine Annullierung des Friedensvertrages ab und kehrte nach Sachsen zurück. Dort ratifizierte er am 19. Dezember in [[Altranstädt]] den [[Altranstädter Friede|Friedensvertrag]] zwischen Schweden und Sachsen, womit August fürs Erste aus dem Krieg ausschied und Russland im Kampf gegen Karls XII. allein zurückließ.
August wollte zwar den Kriegszustand beenden, war jedoch auch durch Bündniszusagen an Peter I. gebunden, dem er den sich anbahnenden Frieden mit Schweden verheimlichte. Auf die Kunde vom Vorstoß der Schweden nach Sachsen war die russische Armee unter den Generälen [[Boris Petrowitsch Scheremetew]] und [[Alexander Danilowitsch Menschikow]] von der Ukraine bis weit ins westliche Polen vorgerückt. Menschikow führte ein Vorauskommando vor den Hauptteilen des russischen Heeres und vereinigte sich in Polen mit der verbliebenen sächsisch-polnischen Armee unter August II. So musste August unter russischem Druck offiziell den Kampf weiterführen und schlug eher widerwillig mit der vereinten, 36.000 Mann starken Armee eine letzte Schlacht gegen die Schweden bei [[Kalisz|Kalisch]].<ref name="autogenerated2004"/> In der [[Schlacht bei Kalisch]] konnten die vereinten russischen, sächsischen und polnischen Truppen numerisch unterlegene schwedische Truppen unter dem von Karl zur Verteidigung Polens zurückgelassenen General [[Arvid Axel Mardefelt]] völlig vernichten. Dabei gerieten General Mardefelt und über 100 Offiziere (unter ihnen auch polnische [[Magnat]]en) in Gefangenschaft. Dies änderte indes nichts an der weiterhin bestehenden schwedischen Übermacht, so dass August eine Annullierung des Friedensvertrages ablehnte und schnell nach Sachsen zurückkehrte, um einen Ausgleich mit Karl zu suchen. So gab der Kurfürst am 19. Dezember die Ratifizierung des [[Altranstädter Friede]]nsvertrags zwischen Schweden und Sachsen bekannt, mit dem er „auf immer“ auf die polnische Krone verzichtete und die Allianz mit Russland löste. Außerdem verpflichtete er sich zur Auslieferung der Kriegsgefangenen und Überläufer, namentlich des Johann Reinhold von Patkul. August der Starke hatte den Livländer, der ihm zum Krieg geraten hatte, bereits im Dezember 1705 festgesetzt. Nach seiner Überstellung an die Schweden ließ Karl XII. ihn als [[Landesverrat|Landesverräter]] [[rädern]] und [[Vierteilung|vierteilen]].

Für den schwedenhörigen polnischen König Stanislaus Leszczyński brachte der Vertrag keine Verbesserung seiner Situation. Es gelang ihm nicht, seine innenpolitischen Feinde einzubinden und so blieb er weiterhin vom Schutz durch die schwedischen Truppen abhängig.<ref>William Young: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, S. 454.</ref>

Der schwedische Vormarsch nach Sachsen löste 1706/07 internationale Verwicklungen aus, denn die Besetzung eines Reichsterritoriums war ein eindeutiger Bruch des [[Reichsrecht]]s, zumal Karl XII. durch seine Besitzungen Schwedisch-Pommern und Bremen-Verden selbst ein Reichsfürst war. Überdies waren die Schweden ungefragt durch [[Schlesien]] marschiert, das habsburgisches Territorium war. Ein weiterer [[Reichskrieg]] konnte aufgrund des gleichzeitigen Krieges mit Frankreich aber nicht durchgesetzt werden. Auch dass sich Karl mit den aufständischen Ungarn verbündete oder in die habsburgische [[Erblande]] einmarschierte, und damit eine erneute Konstellation wie im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] eintrat, galt es aus Sicht des Wiener Hofes zu verhindern.<ref name="autogenerated1991">Volker Press: ''Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen'', München 1991, S. 465.</ref>

Die Gefahr, dass der Große Nordische Krieg sich mit den in Mitteleuropa parallel stattfindenden Kämpfen im [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] vermischte, war zu diesem Zeitpunkt groß. Beide kriegführenden Seiten waren daher bemüht, den König von Schweden als Verbündeten zu gewinnen oder zumindest aus dem Konflikt herauszuhalten. So besuchte im April 1707 der alliierte Kommandeur der Truppen in den Niederlanden, [[John Churchill, 1. Duke of Marlborough|John Churchill, Herzog von Marlborough]] das schwedische Lager in Sachsen. Er drängte Karl, sich mit seiner Armee wieder nach Osten zu wenden und nicht weiter in das Reichsterritorium vorzudringen.<ref name="autogenerated2004">Young, William: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, Lincoln 2004, S. 454</ref> Auch der habsburgische Kaiser [[Joseph I. (HRR)|Joseph I.]] bat Karl, sich mit seinen Truppen aus Deutschland herauszuhalten. Zu diesem Zweck war der Kaiser sogar zur Anerkennung des neuen polnischen Königs und zu Zugeständnissen an die evangelischen Christen in den schlesischen Erblanden bereit, wie sie schließlich im September 1707 [[Zweiter Vertrag von Altranstädt|zweiten Vertrag von Altranstädt]] vereinbart wurden, in dem unter anderem die Erlaubnis zum Bau von sogenannten [[Gnadenkirche]]n erteilt wurde. Karl hatte kein Interesse, sich in die deutschen Angelegenheiten einzumischen und zog es vor, erneut gegen Russland zu ziehen.<ref name="autogenerated1991"/>


== Krieg in den schwedischen Ostseeprovinzen (1701–1707) ==
== Krieg in den schwedischen Ostseeprovinzen (1701–1707) ==
[[Datei:Sw BalticProv en.png|thumb|left|Die schwedischen Baltikprovinzen]]
[[Datei:Sw BalticProv en.png|thumb|Die schwedischen Baltikprovinzen]]
Fernab von den Kämpfen in Polen eroberte Russland nach der Niederlage bei Narwa Schritt für Schritt die schwedischen Ostseeprovinzen. Da die schwedische Hauptarmee in Polen gebunden war, mussten viel zu geringe schwedische Kräfte ein großes Territorium schützen. Aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen gelang ihnen das immer weniger. Die russischen Streitkräfte konnten sich so relativ ungefährdet an die schwedische Kriegstaktik gewöhnen und ihre eigenen Kriegsfähigkeiten ausbauen, mit denen sie Karl dann im Russlandfeldzug eine entscheidende Niederlage beibrachten.
[[Datei:Sheremetev1.jpg|thumb|200px|der russische Feldmarschall [[Boris Petrowitsch Scheremetew]] trug mit seinen Siegen gegen die Schweden entscheidend zum russischen Erfolg bei.]]

Fernab von den Kämpfen in Polen eroberte Russland nach der Niederlage bei Narwa Schritt für Schritt die schwedischen Ostseeprovinzen. Da die schwedische Hauptarmee in Polen gebunden war, mussten viel zu geringe schwedische Kräfte ein großes Territorium schützen. Aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen gelang ihnen das immer weniger. Die russischen Streitkräfte konnten sich so relativ ungefährdet an die schwedische Kriegstaktik gewöhnen und ihre eigenen Kriegsfähigkeiten ausbauen, die Karl XII. dann im Russlandfeldzug eine entscheidende Niederlage brachte.
=== Russische Kriegspläne nach der Schlacht bei Narva ===
=== Russische Kriegspläne nach der Schlacht bei Narva ===
Karl XII. war nach dem Sieg in der [[Schlacht bei Narva]] Ende November 1700 mit seiner Hauptarmee nach Süden gezogen um den Kampf gegen August II. zu führen. Den Oberbefehl über die schwedischen Ostseebesitzungen übertrug er in Finnland Generalmajor [[Abraham Kronhjort]], in Livland Oberst von Schlippenbach und in Riga Generalmajor Stuart. Die schwedische Kriegsschiffe im [[Ladogasee]] und im [[Peipussee|Peipussee]] wurden von Admiral [[Gideon von Numers]] kommandiert. Die russische Armee war zu dem Zeitpunkt kein ernztzunehmender Gegner mehr. Aufgrund der sich daraus ergebenden Siegesgewissheit lehnte Karl XII. russische Friedensangebote ab. Doch durch die Verlagerung der schwedischen Hauptmacht auf den polnischen Kriegsschauplatz erhöhten sich die Chancen Peters I., den Krieg zu einem günstigeren Verlauf zu führen und den gewünschten Ostseezugang für Russland zu erobern. Zar Peter I. nutzte den Abzug der schwedischen Armee und ließ die verbliebenen russischen Kräfte nach dem Desaster von Narva ihre Aktivitäten in den schwedischen Baltikumprovinzen wieder aufnehmen. Die Kriegsstrategie der Russen setzte auf Ermattung des Gegners. Dies sollte durch Streifzüge und stetigen Angriffen, verbunden mit Aushungerung der Bevölkerung durch Zerstörung der Ortschaften und Felder, erreicht werden. Gleichzeitig sollten die russischen Soldaten durch den stetigen Kampf an die schwedische Kriegstaktik und deren heftigen Attacken in der Schlacht gewöhnt werden. Diese Kriegstaktik sollte sich bewähren, bestätigte es noch die Vorurteile Karls XII., der von der Unbedeutsamkeit der russischen Schlagkraft überzeugt war, wodurch sich dieser in den Folgejahren dazu verleiten ließ, seine Kriegsanstrengungen auf den polnischen Kriegsschauplatz zu konzentrieren, als schon ein großer Teil Livlands und Ingermanlands unter russischer Kontrolle stand.
Karl XII. war nach dem Sieg in der [[Schlacht bei Narva]] Ende November 1700 mit seiner Hauptarmee nach Süden gezogen, um den Kampf gegen August II. zu führen. Den Oberbefehl über die schwedischen Ostseebesitzungen übertrug er in Finnland Generalmajor [[Abraham Kronhjort]], in Livland Oberst [[Wolmar Anton von Schlippenbach]] und in Riga Generalmajor Karl Magnus Stuart. Die schwedischen Kriegsschiffe im [[Ladogasee]] und im [[Peipussee|Peipussee]] wurden von Admiral [[Gideon von Numers]] kommandiert. Die russische Armee war zu dem Zeitpunkt kein ernstzunehmender Gegner mehr. Aufgrund der sich daraus ergebenden Siegesgewissheit lehnte Karl russische Friedensangebote ab. Die taktische Überlegenheit der Schweden über die Russen hatte sich als unüberwindliches Vorurteil auch im Denken Karls verfestigt, der von der geringen Bedeutung der russischen Schlagkraft so überzeugt war, dass er seine Kriegsanstrengungen selbst dann noch auf den polnischen Kriegsschauplatz konzentrierte, als schon ein großer Teil Livlands und Ingermanlands unter russischer Kontrolle war.
[[Datei:Sheremetev1.jpg|thumb|der russische Feldmarschall [[Boris Petrowitsch Scheremetew]] trug mit seinen Siegen gegen die Schweden entscheidend zum russischen Erfolg bei.]]
Durch die Verlagerung der schwedischen Hauptmacht auf den polnischen Kriegsschauplatz erhöhten sich jedoch die Chancen Peters I., den Krieg zu einem günstigeren Verlauf zu führen und den gewünschten Ostseezugang für Russland zu erobern. Zar Peter nutzte den Abzug der schwedischen Armee und ließ die verbliebenen russischen Kräfte nach dem Desaster von Narva ihre Aktivitäten in den schwedischen Baltikumprovinzen wieder aufnehmen. Die Kriegsstrategie der Russen setzte auf Ermattung des Gegners. Dies sollte durch Streifzüge und stetige Angriffe, verbunden mit Aushungerung der Bevölkerung durch Zerstörung der Ortschaften und Felder, erreicht werden. Gleichzeitig sollten die russischen Soldaten durch den stetigen Kampf an die schwedische Kriegstaktik mit ihren heftigen Attacken in der Schlacht gewöhnt werden.


Den Zeitgewinn durch die Abwesenheit der schwedischen Armee nutze Zar Peter I., um unter enormen Anstrengungen seine Armee wieder aufrüsten und reorganisieren zu lassen. Durch Rekrutierungen konnte die Armee wieder verstärkt werden und umfasste 1705 bereits wieder 200.000 Soldaten, nach den 34.000 verbliebenen im Jahr 1700.<ref name="Duffy17">Christopher Duffy:''Russia's military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800'', London 1981 S. 17.</ref> Er ernannte ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verlorengegangene Artilleriewaffe schnell wieder aufzubauen, ließ Peter I. Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen herzustellen. Auf dem Ladogasee und Peipussee ließ Peter I. hunderte von Kanonenboote erbauen. So verfügte die russische Armee im Frühjahr 1701 wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser.<ref name="Duffy17"/> Um seine Kriegspläne diplomatisch zu unterstützen ließ er neben den Beistandsbekundungen mit August II. auch einen Unterhändler nach Kopenhagen entsenden um Dänemark zu einer Invasion auf [[Schonen]] zu bewegen. Da der schwedische [[Reichsrat (Schweden)|Reichsrat]] eine Streitkraft bis an den [[Sund]] vorrücken ließ scheiterten die Bündnispläne. Die Dänen verschoben daraufhin den Angriff auf Schweden.
Den Zeitgewinn durch die Abwesenheit der schwedischen Armee nutzte Zar Peter, um unter enormen Anstrengungen seine Armee wieder aufrüsten und reorganisieren zu lassen. So berief er ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verlorengegangene Artilleriewaffe schnell wieder aufzubauen, ließ er Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen gießen zu lassen. Auf dem [[Ladogasee]] und dem [[Peipussee]] ließ er Hunderte von Kanonenbooten bauen. Die russische Armee verfügte bereits im Frühjahr 1701 wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser.<ref name="Duffy17"/> Durch neue Rekrutierungen verstärkt, bestand sie 1705 wieder aus 200.000 Soldaten nach den 34.000 verbliebenen im Jahr 1700.<ref name="Duffy17">Christopher Duffy:''Russia's military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800'', London 1981 S. 17.</ref>


Um seine Kriegspläne diplomatisch zu unterstützen, ließ der Zar parallel zu den Beistandsbekundungen gegenüber August II. auch einen Unterhändler nach Kopenhagen entsenden, um Dänemark zu einer Invasion auf [[Schonen]] zu bewegen. Da der schwedische [[Reichsrat (Schweden)|Reichsrat]] eine Streitkraft bis an den [[Belte und Sunde|Sund]] vorrücken ließ, scheiterten die Bündnispläne und die Dänen verschoben ihren Angriff auf später.
Die schwedischen Kräfte im Baltikum unter Kommando von [[Wolmar Anton von Schlippenbach]] waren nur sehr schwach<ref>Die Stärke der Schweden im Jahr 1701 betrug etwa: 3100 Mann Feldtruppen, 2000 Mann Garnison in [[Dorpat]], 150 Mann in Marienburg, sechs kleinere Kriegsschiffe mit 300 Mann sowie Landmiliz, Zahlen nach Angaben von W. A. v. Schlippenbach</ref> und wurden zudem in drei autonome Korps getrennt. Jedes dieser Korps für sich war zu schwach, um den russischen Kräften mit Erfolg entgegentreten zu können. Auch wurden die separierten Korps nicht koordiniert geführt.<ref>Peter Englund: ''The battle that shook Europe. Poltava and the birth of the Russian Empire'', London 2003, S. 39.</ref> Zudem setzten sich diese Truppen nicht aus den Stammregimentern zusammen, sondern aus neugeworbenen Rekruten. Schwedische Verstärkungen wurden primär dem polnischen Kriegsschauplatz zugeführt, so dass ein strategisch wichtiger Punkt nach dem anderen von der russischen Armee erobert werden konnte.

Die schwedischen Kräfte im Baltikum unter Oberst von Schlippenbach waren nur sehr schwach und waren zudem in drei autonome Korps getrennt.<ref>Sie bestanden im Jahr 1701 aus etwa 3100 Mann Feldtruppen, einer 2000 Mann starken Garnison in [[Dorpat]], 150 Mann in Marienburg, sechs kleineren Kriegsschiffen mit 300 Mann sowie Landmiliz. Zahlen nach Angaben von W. A. v. Schlippenbach</ref> Jedes dieser Korps für sich war zu schwach, um den russischen Kräften mit Erfolg entgegentreten zu können, zumal sie nicht koordiniert geführt wurden.<ref>Peter Englund: ''The battle that shook Europe. Poltava and the birth of the Russian Empire'', London 2003, S. 39.</ref> Zudem setzten sich diese Truppen nicht aus den Stammregimentern zusammen, sondern aus neugeworbenen Rekruten. Schwedische Verstärkungen wurden primär dem polnischen Kriegsschauplatz zugeführt, so dass ein strategisch wichtiger Punkt nach dem anderen von der russischen Armee erobert werden konnte.


=== Zerschlagung der Livländischen Armee ===
=== Zerschlagung der Livländischen Armee ===
Doch trotz der eigenen Schwäche blieben die Schweden zunächst offensiv, wohl auch aufgrund der kurzen temporären Schwäche Russlands. Um den einzigen verbliebenen russischen Handelshafen [[Archangelsk]] auszuschalten, unternahmen sieben bis acht schwedische Kriegsschiffe im März 1701 von [[Gothenburg]] aus einem Vorstoß nach Archangelsk. Das Unternehmen lief englischen und holländischen Handelsinteressen entgegen, die dort einen regen Handelsverkehr mit Russland führten. Beide Nationen gaben die Nachricht kurz nach dem Auslaufen der schwedischen Expeditionsflotte nach Russland weiter. Peter I. ließ Vorkehrungen treffen und die Stadt verstärken. Als die schwedische Flotte ins [[Weißes Meer|Weiße Meer]] einlief fuhren zwei [[Fregatte]]n auf eine [[Sandbank]] und mussten gesprengt werden. Der Angriff auf Archangelsk konnte durch die Verstärkungen nicht mehr durchgeführt werden, so dass die Flotte nach der Zerstörung von 17 umliegenden Dörfern heimwärts segelten. Die ersten Streifzüge in Ingermanland und Livland begannen Mitte 1701, als zuerst schwedische dann russische Kräfte in das jeweils gegnerische Gebiet marschierten und sich dort mehrere [[Scharmützel]] lieferten. Bereits 1701 hatten sich die russischen Kräfte wieder soweit erholt, dass sie erste zeitlich begrenzte Vorstöße unternehmen konnten. Von ihren Hauptquartieren bei Pskow und Nowgorod rückte im September eine etwa 26.000 Mann zählenden russische Streitmacht südlich des Peipussees nach Livland ein. Bei dem sich anschließenden Feldzug gelang es dem schwedischen General Schlippenbach, mit einer etwa 2000 Mann starken schwedischen Abteilung im September das etwa 7000 Mann zählende russische Hauptheer unter [[Boris Petrowitsch Scheremetew|Boris Scheremetjew]] in zwei Begegnungen bei [[Rõuge|Rauge]] und [[Kasaritz]] zu schlagen, wobei die Russen 2000 Verluste erlitten. Dessen ungeachtet unternahmen russische Armeeteile weiterhin sich stetig intensivierende begrenzte Angriffe auf livländisches Gebiet, dem die zahlenmäßig schwachen Schweden immer schwieriger nachkommen konnten.
Nach dem Abzug ihres Königs mit der Hauptarmee blieben die Schweden dennoch zunächst offensiv, zumindest solange Russland nach der Niederlage von Narwa noch geschwächt war. Um den einzigen verbliebenen russischen Handelshafen im [[Weißes Meer|Weißen Meer]] auszuschalten, unternahmen sieben bis acht schwedische Kriegsschiffe im März 1701 von [[Göteborg|Gothenburg]] aus einen Vorstoß nach [[Archangelsk]]. Das Unternehmen beeinträchtigte englische und holländische Handelsinteressen mit Russland. Beide Nationen meldeten das Auslaufen der schwedischen Expeditionsflotte ihrem russischen Partner. Peter ließ daraufhin die Verteidigungsbereitschaft der Stadt verstärken. Als die schwedische Flotte das Weiße Meer erreichte, liefen zwei [[Fregatte]]n auf eine [[Sandbank]] und mussten gesprengt werden. Der Angriff auf Archangelsk versprach wegen der Vorsichtsmaßnahmen Peters keinen Erfolg, so dass die Flotte nach der Zerstörung von 17 umliegenden Dörfern wieder heimwärts segelte.

Mitte 1701 führten zuerst schwedische und dann russische Kräfte Streifzüge nach Ingermanland und Livland durch und marschierten in das jeweils gegnerische Gebiet, wo sie sich mehrere [[Scharmützel]] lieferten. Die russischen Kräfte hatten sich wieder soweit erholt, dass sie zu begrenzten Offensiven in der Lage waren. Von den russischen Hauptquartieren bei [[Pskow]] und [[Nowgorod]] rückte im September eine etwa 26.000 Mann starke Streitmacht südlich des [[Peipussee]]s nach Livland ein. Bei dem anschließenden Feldzug gelang es dem schwedischen General Schlippenbach im September 1701, mit einer nur 2000 Mann starken Abteilung das etwa 7000 Mann zählende russische Hauptheer unter [[Boris Petrowitsch Scheremetew|Boris Scheremetjew]] in zwei Begegnungen bei [[Rõuge|Rauge]] und [[Kasaritz]] zu schlagen, wobei die Russen 2000 Soldaten verloren. Dessen ungeachtet unternahmen russische Armeeteile aber weiterhin begrenzte Angriffe auf livländisches Gebiet, denen die zahlenmäßig unterlegenen Schweden immer weniger entgegenzusetzen hatten.


[[Datei:Der Schweden und Moscowiter Treffen zur See.jpg|thumb|Schwedische und russische Schiffe während der Kämpfe auf dem Ladogasee 1702]]
[[Datei:Der Schweden und Moscowiter Treffen zur See.jpg|thumb|Schwedische und russische Schiffe während der Kämpfe auf dem Ladogasee 1702]]


Während der zweiten großen russischen Invasion nach Livland unter der Führung von General Boris Scheremetjew gewannen russische Streitkräfte erstmals in einer Schlacht gegen schwedischen Truppen. Hierbei wurde eine etwa 2200 Mann zählende<ref>nach anderen Angaben 3800 Schweden, </ref> schwedische livländische Armee unter Kommando von Schlippenbach in der [[Schlacht bei Erastfer]] am 30. Dezember 1701 geschlagen. Die schwedischen Verluste wurden auf etwa 1000 Mann geschätzt.<ref>William Young: ''International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great'', Lincoln 2004, S. 452 </ref> Nachdem die siegreichen Russen die Gegend geplündert und zerstört hatten, zogen sie sich allerdings wieder zurück, da Scheremetjew befürchtete, dass ihn der in [[Kurland]] weilende Karl XII. mit seiner Heeresmacht angreifen könnte. Doch der Sieg hatte psychologische Konsequenzen auf livländischer Seite zur Folge. Denn nach dieser Niederlage hatte sich die geringschätzige Sicht auf die russische Armee aufgelöst. Weitere Besorgnis löste die unausgeglichenen Stärkeverhältnisse aus, die eine dauerhafte Verteidigung Livlands zunehmend unwahrscheinlicher machte. Karl XII. lehnte dennoch die Rückkehr nach Livland ab und ließ lediglich ein paar Ergänzungstruppen nach Livland entsenden. Als Karl XII. im Sommerfeldzug des Jahres 1702 von Warschau nach Krakau marschierte und damit zu weit für ein mögliches Eingreifen entfernt war, sah Peter I. erneut die Gelegenheit für einen weiteren Einfall gegeben. Von Pskow rückte ein 30.000 Mann starkes Heer über die schwedisch-russische Grenze und erreichte am 16. Juli [[Erastfer]]. Dort erlangte die russische Armee am 19. Juli entscheidende Siege gegen die etwa 6000 Mann zählenden Schweden in den Gefechten bei [[Hummelshof]] (oder Hummelsdorf), nahe [[Dorpat]] und [[Alūksne|Marienburg]] in Livland, bei der nach schwedischen Angaben 840 Tote und 1000 Gefangene in der Schlacht selbst und weitere 1000 Schweden während der sich anschließenden Verfolgung zu beklagen waren.<ref> nach dem offiziellen russischen Bericht von der Schlacht sollen 5000 Schweden getötet worden sein, bei einem eigenen Verlust von 400 Mann, Rossiter Johnson: ''The Great Events by Famous Historians'', S. 324.</ref> Die Schlacht bedeutete das Ende der livländischen Armee und den Grundstock für die russische Eroberung Livlands. [[Wolmar]] und [[Alūksne|Marienburg]] (im August) und die ländlichen Gebiete Livlands fielen nach den beiden Schlachten in russische Hände, da die verbliebenen schwedischen Kräfte zu schwach waren, um sich den Russen in einer offenen Feldschlacht entgegenzustellen. Es folgten ausgedehnte Verwüstungen und Zerstörungen Livlands. Nach den Plünderungen zog sich die russische Armee nach Pleskow zurück, ohne das bis dahin eroberte Gebiet in Besitz zu halten.
Während der zweiten großen Invasion in Livland unter der Führung von General Boris Scheremetjew besiegten russische Streitkräfte am 30. Dezember 1701 in der [[Schlacht bei Erastfer]] erstmals eine 2200 bis 3800 Mann starke schwedisch-livländische Armee unter dem Kommando von Schlippenbach. Die schwedischen Verluste wurden auf etwa 1000 Mann geschätzt.<ref>William Young: ''International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great'', Lincoln 2004, S. 452.</ref> Nachdem die siegreichen Russen die Gegend geplündert und zerstört hatten, zogen sie sich wieder zurück, da Scheremetjew einen Angriff Karls XII. befürchtete, der sich mit einer starken Heeresmacht in [[Kurland]] aufhielt. Aus schwedischer Sicht ließen die ungleichen Kräfteverhältnisse eine erfolgreiche Verteidigung Livlands immer unwahrscheinlicher erscheinen, zumal die bisherige Geringschätzung der Russen nach ihrem jüngsten Sieg kaum noch gerechtfertigt schien. Karl lehnte dennoch die Rückkehr nach Livland ab und entsandte lediglich einige Ergänzungstruppen.

Als Karl im Sommerfeldzug des Jahres 1702 von Warschau nach Krakau marschierte und damit den nördlichen Kriegsschauplatz entblößte, sah Peter erneut die Gelegenheit für einen Einfall. Von [[Pskow]] überschritt ein 30.000 Mann starkes Heer die schwedisch-russische Grenze und erreichte am 16. Juli Erastfer. Dort erzielte die russische Armee am 19. Juli entscheidende Siege gegen die etwa 6000 Mann zählenden Schweden in den Gefechten bei [[Hummelshof]] (oder Hummelsdorf), nahe [[Dorpat]] und [[Alūksne|Marienburg]] in Livland, wobei nach schwedischen Angaben 840 eigene Tote und 1000 Gefangene in der Schlacht selbst und weitere 1000 während der anschließenden Verfolgung durch die Russen zu beklagen waren.<ref>Nach dem offiziellen russischen Bericht von der Schlacht sollen 5000 Schweden getötet worden sein, bei eigenen Verlusten von 400 Mann, Rossiter Johnson: ''The Great Events by Famous Historians'', S. 324.</ref> Die Schlacht bedeutete das Ende der livländischen Armee und den Ausgangspunkt für die russische Eroberung Livlands. Da die verbliebenen schwedischen Kräfte zu schwach waren, um sich den Russen in einer offenen Feldschlacht entgegenzustellen, fielen [[Wolmar]] und [[Alūksne|Marienburg]] sowie die ländlichen Gebiete Livlands noch im August in russische Hand. Es folgten ausgedehnte Verwüstungen und Zerstörungen Livlands. Nach den Plünderungen zog sich die russische Armee nach Pleskow zurück, ohne das eroberte Gebiet zu besetzen.


=== Eroberung des Newaumlandes und Ingermanlands ===
=== Eroberung des Newaumlandes und Ingermanlands ===
[[Datei:Belagerung Nöteborg 1702.png|miniatur|left|Belagerung der Festung Schlüsselburg (Nöteborg) 11. Oktober 1702.]]
[[Datei:Belagerung Nöteborg 1702.png|miniatur|left|Belagerung der Festung Schlüsselburg (Nöteborg) 11. Oktober 1702.]]
Das eigentliche russische Kriegsziel war einen Ostseehafen zu gründen. Dafür musste zuerst ein geeignetes Küstengebiet erobert werden. Da die livländische Armee faktisch zerstört worden war, konnte nun dauerhaftere Unternehmungen unternommen werden und das eigentliche Ziel angegangen werden. Feldmarschall Boris Scheremetjew führte dazu nach dem siegreichen Feldzug die russische Armee nordwärts gegen den Ladogasee und das [[Newa]]umland, da hier die Ostsee am weitesten an russisches Gebiet heranführte und für die Errichtung eines Hafens geeignet erschien. Gesichert wurde dieses Gebiet durch die schwedischen Festungen [[Nöteborg]] und [[Kexholm]] und auf dem Ladogasee durch eine kleine schwedische Kriegsflotte. Diese führte Angriffe gegen die russischen Gebiete durch und konnten so bisher erfolgreich russische Vorstöße unterbinden. Um dieser Bedrohung zu begegnen ließ Peter I. am südöstlichen Strandabschnitt des Ladogasees in der Nähe von [[Olonetz]] eine Schiffswerft errichten, die in der Folgezeit eine kleine Kriegsflotte errichtet. Mit dieser Flotte konnte die schwedische Flotte bis zur Festung [[Vyborg]] zurückgedrängt werden und weitere offensive Aktionen der Schweden auf den See verhindern. Das Erste Ziel der Russen war die Festung Nöteborg die auf einer Insel in der Newa an der Mündung zum Ladogasee lag und somit den Fluss und den See deckte. Diese Festung ließ Peter I. nun ungehindert belagern, da Karl XII. tief in Polen stand und die livländische Armee nicht mehr operationsfähig war. Ende September begann die [[Belagerung von Nöteborg|Belagerung Nöteborgs]] durch eine 14.000 Mann starke russische Armee, die von Feldmarschall Scheremetjew geführt wurde. Die Schweden versuchten von Finnland aus die Festung zu entsetzen, doch eine 400 Mann zählende schwedische Verstärkung aus Finnland konnte von den Belagerern zurückgeschlagen werden. Am 11. Oktober 1702 ging die zuletzt von nur noch 250 Mann besetzte Festung in russischen Besitz über. Aufgrund der strategisch wichtigen Bedeutung dieser Festung benannte Peter I. diese in ''Schlüsselburg'' um.<ref>Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 25, Harrassowitz, 2000, S. 397</ref> Peter I. kontrollierte durch die Einnahme der Festung nun den Ladogasee, die Newa, den finnischen Meerbusen und Ingermanland.
Da die livländische Armee faktisch vernichtet war, konnte Peter daran gehen, die territorialen Voraussetzungen für sein eigentliches Kriegsziel, die Gründung eines Ostseehafens, zu schaffen. Feldmarschall Boris Scheremetjew führte nach dem siegreichen Feldzug die russische Armee nordwärts gegen den [[Ladogasee]] und das [[Newa]]umland, da dort die Ostsee am weitesten an russisches Gebiet heranreichte und für die Errichtung eines Hafens geeignet erschien. Dieses Gebiet war von den Festungen [[Nöteborg]] und [[Kexholm]] der Schweden sowie einer kleinen Kriegsflotte auf dem Ladogasee gesichert, die bisher alle russischen Vorstöße unterbunden hatte. Um dieser Bedrohung entgegenzutreten, ließ Peter I. am südöstlichen Strandabschnitt des Ladogasees in der Nähe von [[Olonetz]] eine Schiffswerft errichten, die in der Folgezeit eine kleine russische Kriegsflotte baute. Mit ihr konnten die schwedischen Schiffe bis zur Festung [[Vyborg]] zurückgedrängt und weitere Aktionen der Schweden auf dem See verhindert werden. Danach wandten sich die Russen gegen die Festung Nöteborg auf einer Insel in der Newa an der Mündung zum Ladogasee und den Fluss und den See schützte. Ende September begann die [[Belagerung von Nöteborg|Belagerung Nöteborgs]] durch eine 14.000 Mann starke russische Armee unter Führung von Feldmarschall Scheremetjew. Die Schweden versuchten von Finnland aus die Festung zu entsetzen, doch eine 400 Mann zählende schwedische Verstärkung konnte von den Belagerern zurückgeschlagen werden. Am 11. Oktober 1702 eroberten die Russen die zuletzt nur noch von 250 Mann gehaltene Zitadelle. Durch die Einnahme von Nöteborg kontrollierte Peter nun den Ladogasee, die Newa, den finnischen Meerbusen und Ingermanland. Wegen der strategischen Bedeutung der Festung änderte der Zar ihren Namen in ''Schlüsselburg''.<ref>Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 25, Harrassowitz, 2000, S. 397</ref>
[[Datei:Flugblatt zur Belagerung von Nöteborg 1702.jpg|thumb|Flugblatt zur Eroberung von Nöteborg (Schlisselburg) am Newa und Lagodasee durch die Russen, 1702]]
[[Datei:Flugblatt zur Belagerung von Nöteborg 1702.jpg|thumb|Flugblatt zur Eroberung von Nöteborg (Schlisselburg) am Newa und Lagodasee durch die Russen, 1702]]
Der Vormarsch der russischen Armee ging weiter. Im März 1703 stand eine russische Armee unter Peter I. vor der schwedischen Festung [[Nyenschantz]] an der Mündung der Neva in den [[Golf von Finnland]]. Am 4. Mai gelang die Einnahme der mit 600 Mann besetzten Festung durch die Truppen von Boris Scheremetjew und mit Hilfe der neuerrichteten [[Russische Marine|Russischen Marine]]. Zwei Tage zuvor hatte Russland seinen ersten Sieg zu Wasser errungen. Acht russischen Booten gelang es, zwei schwedische Fregatten, die mit je 24 Kanonen bestückt waren zu besiegen.<ref>Nikolaus Thon: ''St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage'', Leningrad, 1990, S. 3.</ref> Da die Newa nun vollständig von russischen Kräften kontrolliert wurde, begann Zar Peter I. im sumpfigen Delta der Newa 1703 mit dem Aufbau einer Festung und später mit einer Stadt, die 1711 mit dem Namen [[Sankt Petersburg]] neue russische Hauptstadt werden sollte. Zar Peter I. ließ nach Gründung von St. Petersburg schnell eine eigene Flotte aufbauen um auch zur See den Schweden begegnen zu können und verfügte bereits im Frühjahr 1704 über eine Kriegsflotte von 40 Schiffen in der Ostsee. Der Rest von Ingermanland, inklusive [[Kingissepp|Jaama]] und [[Koporje]], fiel danach innerhalb einiger Wochen den Russen zu, da die Schweden hier über keine nennenswerten Truppen oder starke Festungen verfügten.
Der nächste Schritt Peters war im März 1703 die Belagerung von [[Nyenschantz]] an der Mündung der Newa in den [[Finnischer Meerbusen|Finnischen Meerbusen]]. Am 4. Mai gelang die Einnahme der mit 600 Mann besetzten Festung durch die Truppen von Boris Scheremetjew mit Hilfe der neuen [[Russische Marine|russischen Marine]]. Zwei Tage zuvor hatte Russland seinen ersten Sieg zu Wasser errungen. Acht russischen Booten gelang es, zwei schwedische Fregatten, die mit je 24 Kanonen bestückt waren, zu besiegen.<ref>Nikolaus Thon: ''St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage'', Leningrad, 1990, S. 3.</ref>
Da die Newa nun vollständig von russischen Kräften kontrolliert wurde, begann Zar Peter 1703 im sumpfigen Flussdelta mit dem Bau einer befestigten Stadt, die 1711 unter dem Namen [[Sankt Petersburg]] neue russische Hauptstadt werden sollte. Gleichzeitig ließ der Zar die Flotte vergrößern, um auch zur See den Schweden überlegen zu sein. Russland verfügte bereits im Frühjahr 1704 über eine Kriegsflotte von 40 Schiffen in der Ostsee.

Der Rest von Ingermanland einschließlich [[Kingissepp|Jaama]] und [[Koporje]] war nach der Einnahme von Nytenschantz innerhalb weniger Wochen ebenfalls den Russen zugefallen, da die Schweden dort nicht über nennenswerte Truppen oder Festungen verfügten. Im Juli 1703 erfolgte der erste russische Angriff auf Finnland mit der Festung [[Viborg]] als Ziel. Diese sollte auf der Seeseite von der Ruderflotte, auf der Landseite von einem Belagerungskorps unter Menschikow angegriffen werden. Unterwegs stellte sich den russischen Kräften bei [[Sestrorezk]] ein schwedisch-finnisches Kontingent entgegen, das sich jedoch nach wechselvollen Kämpfen nach Vyborg zurückziehen musste. Aus Furcht vor einer Landung schwedischer Kräfte wurden die Belagerungspläne jedoch aufgegeben und die russischen Kräfte zurückbeordert.


Im Juli 1703 erfolgte der erste russische Angriff auf Finnland. Ziel der russischen Expedition war die Festung [[Viborg]]. Diese sollte von Seeseite her mit der Ruderflotte, von Landeseite her mit einem Belagerungskorps unter Menschikow angegriffen werden. Auf dem Weg dahin stellte sich ein finnisches Kontingent den russischen Kräften bei [[Sestrorezk]] entgegen. Nach wechselvollen Kämpfen mussten sich die Schweden nach Vyborg zurückziehen. Aus Angst vor einer Landung schwedischer Kräfte wurde aber die geplante Belagerung abgebrochen und die russischen Kräfte zurückgezogen. Nachdem sich das russische Korps zurückgezogen hatte, ließ Peter I. es nach Livland und Estland marschieren um den bedrängten polnischen König August II. zu unterstützen. Aber anstatt dort die schwach besetzten Festungen zu belagern, begnügten sich die Russen mit der Verheerung des Landes.
Nach der Rückkehr des russischen Korps aus Finnland ließ es Peter nach Livland und Estland marschieren, um den bedrängten polnischen König August II. zu unterstützen. Anstatt die schwach besetzten Festungen der Schweden zu belagern, begnügten sich die Russen mit der Verheerung des Landes.


=== Festigung der russischen Position im Baltikum ===
=== Festigung der russischen Position im Baltikum ===
[[Datei:Bm02104abm.jpg|thumb|left|Kupferstich der Belagerung der Festung Narwa durch russische Truppen]]
[[Datei:Bm02104abm.jpg|thumb|left|Kupferstich der Belagerung der Festung Narwa durch russische Truppen]]
Auch nach den russischen Erfolgen im Newaumland war Karl XII. nicht zu einer Verstärkung der livländischen Streitkräfte oder zu einem persönlichen Eingreifen auf diesem Schauplatz bereit, obwohl er zu Anfang 1704 im nahegelegenen Wespreußen seine Winterquartiere bezogen hatte. So mussten sämtliche Aushebungen auf dem schwedischen Kernland nach Polen abgeführt werden. Die von Peter I. gerüstete Flotte die sich gegen die schwedische Handelsschifffahrt richtete, durfte ebenso nur von wenigen Fregatten bekämpft werden. So zog Karl XII. im Juli 1704 mit seinem 30.000 Mann starken Heer nach Warschau um die Wahl seines Favoriten zum polnischen König zu sichern und gab Livland den russischen Eroberungszügen bloß.
Auch nach den russischen Erfolgen im Newa-Umland war Karl nicht zu einer Verstärkung der livländischen Streitkräfte oder zu einem persönlichen Eingreifen auf diesem Kriegsschauplatz bereit, obwohl er Anfang 1704 im nahegelegenen Wespreußen seine Winterquartiere bezogen hatte. So mussten auf seinen Befehl sämtliche Aushebungen auf dem schwedischen Kernland nach Polen geführt werden und im Juli 1704 entblößte der Schwedenkönig Livland noch weiter, als er mit 30.000 Mann nach Warschau zog, um die Wahl seines Favoriten zum polnischen König zu sichern.


Um die Pläne für einen neuen Ostseehafen der Russen zu stören, segelte nach dem der Winter vorüber war, eine kleine schwedische Flotte mit einem Linienschiff, fünf Fregatten und fünf [[Brigantine (Schiffstyp)|Brigantinen]] zum Finnischen Meerbusen mit dem Auftrag die dortige neue Stadt St. Petersburg und neu errichtete russische Flotte zu zerstören. Mit 1000 Mann Verstärkung aus Viborg sollte ein Angriff von Land und zur See erfolgen. Nach einer zunächst erfolgreichen Landung auf der befestigten Insel [[Kronstadt (Russland)|Kronstadt]] wurde die Unternehmung aufgrund des hartnäckgien Widerstands aufgegeben und die Flotte segelte zurück nach Kronstädt.
Die von Peter I. gerüstete Flotte, die sich gegen die schwedische Handelsschifffahrt richtete, durfte ebenso nur von wenigen Fregatten bekämpft werden. Um die Pläne für einen neuen Ostseehafen der Russen zu stören, segelte nach dem Winter eine kleine schwedische Flotte mit einem Linienschiff, fünf Fregatten und fünf [[Brigantine (Schiffstyp)|Brigantinen]] zum Finnischen Meerbusen mit dem Auftrag, die russische Flotte zu vernichten und die neue Stadt in den Newa-Sümpfen zu zerstören. Mit 1000 Mann Verstärkung aus Viborg sollte ein Angriff an Land und zur See erfolgen. Nach einer zunächst erfolgreichen Landung auf der befestigten Insel [[Kronstadt (Russland)|Kronstadt]] musste die Unternehmung aufgrund des hartnäckigen Widerstands jedoch aufgegeben werden und die Flotte segelte zurück.

Weitere Kämpfe wurden auf dem [[Peipussee]] ausgetragen. Für die Eroberung Livlands war die Herrschaft auf dem Peipussee Voraussetzung. Hier dominierten noch die Schweden, die über 14 Boote mit 98 Kanonen verfügten. Um dem zu begegnen wurde während der Wintermonate 1703/04 von den Russen eine Anzahl von Booten errichtet. Anfang Mai 1704 gelang damit die völlige Zerstörung der schwedischen Flotte und damit die russische Hoheit auf dem See. Dadurch konnten die russischen Streitkräfte für die weiteren Eroberungszüge nun auch über den See versorgt werden und größere und dauerhaftere Unternehmungen stattfinden. Bereits im Sommer 1704 wurde eine russische Armee, unter dem Kommando von [[Marschall|Feldmarschall]] [[Georg Benedikt von Ogilvy]]s (1651–1710), von [[Ingermanland]] aus zur [[Belagerung von Narva|Eroberung von Narva]] angesetzt. Gleichzeitig stieß eine weitere russische Armee gegen [[Tartu|Dorpat]] vor. Ziel dieser Operationen war die Einnahme dieser wichtigen Grenzfestungen, um dadurch das im Vorjahr eroberte Ingermanland mit dem neuen St. Petersburg zu schützen und die Möglichkeit zur Eroberung [[Livland]]s zu gewinnen. Ein schwedischer Entsatzversuch unter Schlippenbach mit 1800 verbliebenen Soldaten scheiterte unter Verlust der gesamten Streitkraft. Anfang Juni wurde Dorpat eingeschlossen. Am 14. Juli 1704 fiel die Stadt in russische Hände. Bereits im April war Narwa von 20.000 Russen unter Anwesenheit Peters I. eingeschlossen worden. Drei Wochen nach Dorpat fiel am 9. August auch diese Festung nach einem heftigen Sturmangriff und schweren Kämpfen in der Stadt den Russen in die Hände. Bei der Eroberung Narwas fielen 1725 Schweden in Gefangenschaft.
Weitere Kämpfe wurden auf dem [[Peipussee]] ausgetragen, dessen Beherrschung eine Voraussetzung für die Eroberung Livlands war. Hier dominierten zunächst noch die Schweden, die über 14 Boote mit 98 Kanonen verfügten. Um dem zu begegnen, bauten die Russen während der Wintermonate 1703/04 eine Anzahl von Booten. Anfang Mai 1704 gelang damit die völlige Vernichtung der schwedischen Flotte. Durch die Kontrolle des Sees konnten die russischen Streitkräfte für die weiteren Eroberungszüge nun auch über die Binnengewässer versorgt werden.

Bereits im Sommer 1704 wurde eine russische Armee unter dem Kommando von [[Marschall|Feldmarschall]] [[Georg Benedikt von Ogilvy]] (1651–1710), von [[Ingermanland]] zur [[Belagerung von Narva|Eroberung von Narva]] geschickt. Gleichzeitig stieß eine weitere Armee gegen [[Tartu|Dorpat]] vor. Ziel dieser Operationen war die Einnahme dieser wichtigen Grenzfestungen, um dadurch das im Vorjahr eroberte Ingermanland mit der geplanten Hauptstadt zu schützen und [[Livland]] zu erobern. Ein schwedischer Entsatzversuch unter Schlippenbach mit 1800 verbliebenen Soldaten scheiterte unter Verlust der gesamten Streitkraft. Anfang Juni wurde Dorpat eingeschlossen und am 14. Juli 1704 fiel die Stadt in russische Hand. Bereits im April war Narwa von 20.000 Russen unter Anwesenheit Peters I. eingeschlossen worden. Drei Wochen nach Dorpat fiel am 9. August auch diese Festung nach einem heftigen Sturmangriff und schweren Kämpfen in der Stadt. Bei der Eroberung Narwas wurden 1725 Schweden gefangengenommen.


=== Erfolglose schwedische Angriffe auf St. Petersburg ===
=== Erfolglose schwedische Angriffe auf St. Petersburg ===
[[Datei:Karte des Newastroms.jpg|miniatur|left|Abbildung des Newastroms mit der neugegründeten Stadt St. Petersburg und den zerstörten Festungen Nöteborg und Nytenschantz]]
[[Datei:Prospect von Petersburg und Retusari.jpg|thumb|Das gerade erst gegründete Petersburg in der Ferne nur schemenhaft zu erkennen. Die Darstellung zeigt im Wesentlichen ein Seegefecht zwischen der schwedischen und der russischen Flotte vor der Insel Kotlin (Retusari). Die russischen Schiffe haben sich im Schutz der Festung Kronstadt versammelt (hier "Cronschantz" bezeichnet), die Schweden greifen von See kommend an.]]

Nach den Erfolgen der Vorjahre blieb Russland 1705 in der Defensive und konzentrierte sich auf die Sicherung der Eroberungen. Schweden hingegen ging in die Offensive, nachdem sie durch die russischen Eroberungen und den schnellen Fortschritten bei der Errichtung von St. Petersburg aufgeschreckt wurden. Dazu wurden 6000 Rekruten zur Verstärkung der dortigen Streitkräfte in die Ostseeprovinzen gesandt. Ein erster Angriff schwedischer Truppen gegen das neugegründete Kronstadt im Januar 1705 endete im Wesentlichen ergebnislos. Im Frühling segelte eine Flotte mit 20 Kriegsschiffen von Karlskrona nach Viborg und dann nach Kronstadt. Das ganze Landungsunternehmen scheiterte wie im Vorjahr, wobei die Schweden mehrere hundert Tote verloren. Ein dritter Landungsversuch auf Kronstadt scheiterte am 15. Juli unter dem Verlust von 600 Schweden. Bis Dezember kreuzte das schwedische Geschwader im finnischen Meerbusen und unterband so den Warenhandel. Es zeigte sich bereits hier eine Uneinigkeit der regionalen schwedischen Kommandeure, die zu unabgestimmten Alleingängen führten und von den Russen ohne große Mühe abgeschlagen werden konnten.
Nach den Erfolgen der Vorjahre blieb Russland 1705 in der Defensive und konzentrierte sich auf die Sicherung der Eroberungen. Die Schweden hingegen gingen in die Offensive, nachdem sie durch die schnellen Fortschritte beim Bau von St. Petersburg aufgeschreckt worden waren. Dazu wurden 6000 Rekruten zur Verstärkung der Streitkräfte in die Ostseeprovinzen gesandt. Ein erster Angriff schwedischer Truppen gegen das neubefestigte Kronstadt im Januar 1705 endete im Wesentlichen ergebnislos. Im Frühling segelte eine Flotte mit 20 Kriegsschiffen von Karlskrona nach Viborg und dann nach Kronstadt. Das Landungsunternehmen scheiterte wie im Vorjahr, wobei die Schweden mehrere hundert Tote beklagten. Ein dritter Landungsversuch auf Kronstadt scheiterte am 15. Juli mit dem Verlust von 600 Schweden. Bis Dezember kreuzte das schwedische Geschwader im Finnischen Meerbusen und unterband den Warenhandel. Es zeigte sich jedoch bereits eine Uneinigkeit der regionalen schwedischen Kommandeure, die zu unabgestimmten Alleingängen neigten, die von den Russen ohne große Mühe abgewehrt werden konnten.
[[Datei:Prospect von Petersburg und Retusari.jpg|thumb|Das gerade erst gegründete St. Petersburg ist in der Ferne nur schemenhaft zu erkennen. Die Darstellung zeigt im Wesentlichen ein Seegefecht zwischen der schwedischen und der russischen Flotte vor der Insel Kotlin (Retusari). Die russischen Schiffe haben sich im Schutz der Festung Kronstadt versammelt (hier ''Cronschantz'' bezeichnet), die Schweden greifen von der See kommend an.]]
1706 fanden nur wenige Kämpfe in den schwedischen Ostseeprovinzen statt. In der ersten Hälfte des Jahres waren die russischen Truppen auf dem polnischen Kriegsschauplatz eingesetzt, um den stark bedrängten König August II. zu unterstützen und Karl XII. in Polen zu binden. Im Norden blieb Peter I. daher defensiv. Die schwedischen Kräfte waren nicht stark genug für offensive Unternehmungen. Neben einigen Streifzügen nach Russland wurde ein erneuter Flottenvorstoß mit 14 Kriegsschiffen nach St. Petersburg unternommen, der aber wieder ergebnislos blieb. Vyborg, der mehrmals Petersburg angegriffen hatte, wurde ab 11. Oktober 1706 kurzfristig von einer 20.000 Mann starken russischen Armee belagert, die jedoch ebenfalls keinen Erfolg hatte. Dennoch waren 1707 nur noch wenige Hauptorte und Festungen im Baltikum in schwedischer Hand, darunter [[Riga]], [[Pärnu|Pernau]], [[Arensburg]] und [[Tallinn|Reval]]. Der erwartete Angriff Karls auf Russland führte indes zu einer Pause auf diesem Kriegsschauplatz.

Die russischen Siege waren bisher immer durch eine deutliche zahlenmäßige Überlegenheit sichergestellt worden. Die Taktik konzentrierte sich auf die Schwachpunkte des Gegners mit Angriffen auf isolierte schwedische Festungen mit kleinen Garnisonen. Am Anfang vermied es die russische Armee noch, größere Festungen anzugreifen. Die planmäßige Anwendung der Taktik der [[Verbrannte Erde|verbrannten Erde]] war ein Kennzeichen der Kriegsführung seitens der Russen. Ihr Ziel war, das Baltikum als schwedische Basis für weitere [[Operation (Militär)|Operationen]] untauglich zu machen. Zahlreiche Einwohner wurden durch die russische Armee verschleppt. Viele von ihnen endeten als Leibeigene auf den Gütern hoher russischer Offiziere oder wurden als Sklaven an die [[Tataren]] oder die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] verkauft.<ref>Peter Englund:''The Battle that Shook Europe'', Pearson Education Verlag, S. 40.</ref> Durch die erfolgreichen Einsätze im Baltikum hatte die russische Armee an Selbstvertrauen gewonnen. Sie bewiesen, dass sich die Zarenarmee in wenigen Jahren effektiv entwickelt hatte.


== Die Kriegswende (1708–1709) ==
Im Folgejahr 1706 fanden nur wenige Kämpfe in den schwedischen Ostseeprovinzen statt. Während der ersten Hälfte des Jahres waren die russischen Truppen auf dem polnischen Kriegsschauplatz gebunden, um den stark bedrängten König August II. zu unterstützen und Karl XII. in Polen zu binden. Peter I. blieb daher defensiv. Die schwedischen Kräfte waren ihrerseits nicht zahlreich genug für offensive Unternehmungen. Neben einigen schwedischen Streifzügen nach Russland wurde ein erneuter Flottenvorstoß mit 14 Kriegsschiffen nach Petersburg unternommen, der aber ergebnislos blieb. Vyborg, von dem mehrfach Angriffe gegen Petersburg ausgeführt worden waren, wurde ab den 11. Oktober 1706 kurzzeitig von einer 20.000 Mann starken russischen Armee erfolglos belagert. So waren 1707 nur noch wenige Hauptorte und Festungen, namentlich [[Riga]], [[Pärnu|Pernau]], [[Arensburg]] und [[Tallinn|Reval]], in schwedischen Händen. Der erwartete Angriff Karls XII. auf Russland führte zu einer Kriegspause auf diesem Schauplatz.
Mit dem Frieden von Altranstädt war es Karl XII. nach sechs langen Kriegsjahren gelungen, August II. zum Verzicht auf den polnischen Thron zu bewegen. Der Erfolg wurde jedoch dadurch getrübt, dass sich inzwischen die schwedischen Ostseeprovinzen mehrheitlich in russischem Besitz befanden. Überdies war 1706 eine russische Armee in Westpolen einmarschiert und hielt es besetzt. Während seines Marsches nach Sachsen hatte Karl den besorgten westeuropäischen Großmächten zugesagt, sich mit seiner Armee nicht in den Spanischen Erbfolgekrieg einzumischen, sondern wieder dem Osten zuzuwenden. Zar Peter, der letzte Gegner Karls, sollte deshalb durch einen direkten Feldzug auf seine Hauptstadt Moskau ausgeschaltet werden. Dies entwickelte sich jedoch äußerst ungünstig für die Schweden, da die russischen Streitkräfte konsequent die Taktik der verbrannten Erde anwendeten und so dem schwedischen Heer Versorgungsnöte bereiteten. Karl versuchte diesen Schwierigkeiten durch einen Zug in die Ukraine zu begegnen, um Moskau von Süden her angreifen zu können. Dabei erlitt er 1709 eine entscheidende Niederlage bei [[Poltawa]], die das Ende der schwedischen Armee in Russland bedeutete. Auf die Nachricht von der Niederlage des bis dahin praktisch unbesiegten Schwedenkönigs traten Dänemark und Sachsen erneut in den Krieg ein, während Karl, vom Mutterland abgeschnitten, nach Süden ins Osmanische Reich auswich, wo er die nächsten Jahre zwangsweise im Exil verbrachte. Eine direkte Invasion Dänemarks in Südschweden scheiterte jedoch, wodurch ein schneller Sieg der Alliierten verhindert und der Krieg verlängert wurde.


Die russischen Siege wurden durch eine deutliche numerische Überlegenheit sichergestellt. Die russische Taktik konzentrierte sich auf Angriffe auf isolierte und nur mit kleinen Garnisonen versehene schwedische Festungen. Besonders am Anfang vermied es die russische Armee noch, größere Festungen anzugreifen. Ein besonderes Kennzeichen dieses Kriegsschauplatzes war auch die planmäßige Anwendung der Taktik der [[Verbrannte Erde|verbrannten Erde]] seitens der Russen. Das Ziel, das die Russen damit verfolgten, war es, das Baltikum als mögliche schwedische Basis für weitere [[Operation (Militär)|Operationen]] untauglich zu machen. Eine große Zahl an Einwohnern wurde im Zuge dieser Taktik durch die russische Armee verschleppt. Viele dieser Verschleppten endeten als Leibeigene auf den Gütern hoher russischer Offiziere oder wurden als Sklaven an die [[Tataren]] oder die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] veräußert.<ref>Peter Englund:''The Battle that Shook Europe'', Pearson Education Verlag, S. 40.</ref> Durch die Einsätze und die militärischen Erfolge auf diesem Kriegsschauplatz in diesen Jahren hatte die russische Armee wertvolle Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen. Die Siege zeigten, wie effektiv sich die Zarenarmee in nur wenigen Jahren entwickelt hatte.
== Die Kriegswende (1708-1709)==
=== Der Russlandfeldzug Karls XII. ===
=== Der Russlandfeldzug Karls XII. ===
[[Datei:Abbildung der Schlacht zwischen den russischen und schwedischen Heeren bei Poltawa, 27. Juni 1709.jpg|thumb|left|Darstellung der berühmten Schlacht zwischen den russischen und schwedischen Heeren nahe Poltawa am 27. Juni 1709]]
Die Hauptziele Karls nach dem Frieden von Altranstädt waren, die besetzten Gebiete in den schwedischen Ostseeprovinzen zu befreien und einen dauerhaften Frieden zu schließen, der die Großmachtstellung Schwedens sicherte. Daher lehnte er im Februar, Juni und August 1707 in Altranstädt mehrere Friedensangebote des Zaren ab, weil er sie für ein Täuschungsmanöver hielt und mit Peter I. nur zu den eigenen Bedingungen Frieden schließen wollte. Tatsächlich war Russland friedensbereit und hätte sich mit [[Ingermanland]] zufrieden gegeben. Durch den schwedischen König wurde ihm aber die Fortsetzung des Krieges aufgezwungen.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997, S. 111.</ref>
Karl XII. hoffte, seine Kriegsziele zu erreichen, ohne die schwedischen Ostseeprovinzen in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Aus diesem Grund wurde ein Vormarsch auf St. Petersburg von vornherein ausgeschlossen. Stattdessen wollte Karl die russische Armee aus Polen herausmanövrieren, um weitere Verheerungen des nun mit Schweden verbündeten Landes zu vermeiden. Von der russischen Grenze sollte dann das schwedische Heer direkt gegen Moskau vorrücken, während zur gleichen Zeit die verbündeten Osmanen einen Angriff an der russischen Südgrenze vortrugen.<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 29.</ref>

Im September 1707 begann der lange vorbereitete Feldzug gegen Russland. Die schwedische Hauptarmee bestand aus 36.000 erfahrenen und ausgeruhten Soldaten, neu eingekleidet und mit neuen Waffen ausgerüstet. Die schwedische Kriegskasse war um mehrere Millionen Taler angewachsen. Der Vormarsch sollte auf direktem Weg über [[Smolensk]] erfolgen. Auf russischer Seite hoffte man, dass die immer noch in Polen stehende Armee Menschikows den Vormarsch Karls lange genug aufhalten könnte, bis Zar Peter die Verteidigung entlang der russischen Grenze organisiert hatte. Polen zu halten, war jedoch nicht beabsichtigt.<ref name="Angus Konstam S. 30">Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 30.</ref> Stattdessen sollte die sich zurückziehende russische Armee Menschikows die Politik der [[Verbrannte Erde|verbrannten Erde]] anwenden und so der vorstoßenden schwedischen Armee die Versorgungsgrundlage entziehen. Am 7. September 1707 überschritt diese bei [[Steinau an der Oder]] die polnische Grenze. Die Armee Menschikows ging einer Schlacht aus dem Weg und zog sich aus dem westlichen Teil Polens in Richtung Osten hinter die Weichsel zurück. Auf dem Rückzug ließ Menschikow Dörfer entlang des Weges verbrennen, Brunnen vergiften und alle Vorratslager vernichten. Ende Oktober 1707 ließ Karl wegen der beginnenden Schlammperiode im Herbst seine Armee östlich von [[Posen]] halten, wo neue Rekruten die schwedischen Streitkräfte auf eine Stärke von 44.000 Mann vergrößerten.<ref name="Karl XII s 151"> Bengt Liljegren|Liljegren, Bengt - Karl XII: En biografi, Historiska media, 2000, Sidan 151.</ref> <ref name="Angus Konstam S. 30"/> Nachdem der Frost die Wege wieder passierbar gemacht hatte und die Flüsse zugefroren waren, überquerte das schwedische Heer nach viermonatiger Ruhepause in den letzten Tagen des Jahres 1707 die zugefrorene [[Weichsel]]. Menschikow ging auch jetzt einer Konfrontation aus dem Weg und zog sich weiter zurück. Anstatt der von der russischen Armee verwüsteten Spur zu folgen, marschierten die Schweden durch das als unpassierbar geltende [[Masuren]], wodurch sie die vorbereiteten Verteidigungslinien der Russen umgingen.<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 32.</ref>

=== Der direkte Vormarsch auf Moskau scheitert ===
[[Datei:Holowczynkrigsplan.jpeg|miniatur|left|Schwedischer Schlachtplan von der [[Schlacht von Golowtschin]] am 14. Juli 1708]]
Mitte Januar 1708 ließ die schwedische Armee Masuren hinter sich und erreichte am 28. Januar 1708 [[Grodno]]. Zar Peter, der sich unweit der Stadt mit Menschikow traf, hielt die Stärke der russischen Armee für zu gering, um dort die schwedische Armee aufhalten zu können, und befahl den weiteren Rückzug zur litauisch-russischen Grenze.<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 33.</ref> Der schwedische Vormarsch dauerte bis Anfang Februar an, bis das Heer Karls XII. bei der litauischen Stadt [[Smorgoni]] die Winterlager bezog. Während dieses Aufenthaltes traf sich Karl mit General Lewenhaupt. Die Auswirkungen der russischen Taktik machten sich bereits durch Versorgungsmängel bemerkbar, die den weiteren Vorstoß gefährdeten. So vereinbarten Karl und Lewenhaupt, dass Letzterer mit der 12.000 Mann starken livländischen Armee und einem Versorgungszug erst Mitte des Jahres zum Hauptheer Karls stoßen sollte. Die Verpflegungsengpässe zwangen das schwedische Heer, Mitte März nach [[Radovskoviche]] nahe [[Minsk]] zu ziehen, wo die Versorgungslage weniger prekär war. Die Armee blieb dort für weitere drei Monate, um sich auf den bevorstehenden Feldzug vorzubereiten. Um den polnischen König [[Stanislaus I. Leszczyński]] während der Abwesenheit Karls zu unterstützen, wurden 5000 Mann abgestellt und zurückgeschickt, so dass sich die Armee auf 38.000 Mann verringerte.<ref name="Poltava 1709 S. 34">Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 34.</ref> Die schwedische Armee verteilte sich nun zwischen Grodno und Radovskoviche, während sich das 50.000 Mann starke russische Heer entlang der Linie [[Polotsk]] an der [[Düna]] bis [[Mogilev]] am [[Dnjepr]] aufgestellt hatte.<ref name="Poltava 1709 S. 34"/> Neben dem Schutz Moskaus durch Scheremetew suchte das russische Heer auch einer möglichen Bedrohung St. Petersburgs zu begegnen, was zu einer größeren Zergliederung der Kräfte führte. Einen Vorschlag seines Beraters [[Carl Piper]], den weiteren Vormarsch auf St. Petersburg zu richten und damit die livländischen Provinzen zu sichern, lehnte Karl ab und entschied sich, den Marsch auf Moskau fortzusetzen. Nach dem Beginn des Sommerfeldzugs am 1. Juni setzte das schwedische Heer am 18. Juni über die [[Beresina]]. Die russischen Kräfte konnten sich einem Umgehungsversuch der Schweden entziehen und zogen sich hinter die nächste Flussbarriere, den [[Drut]] zurück. Am 30. Juni erreichte Karl die Vabitch, einen Seitenarm des Druts nahe dem Dorf [[Halowchyn]]. Dort befand sich die Hauptverteidigungslinie der russischen Armee, und es kam zum Kampf. In der [[Schlacht von Golowtschin]] schlugen die Schweden am 14. Juli 1708 die 39.000 Mann starke russische Armee unter Scheremetew, der seine Truppen jedoch in guter Ordnung zurückziehen konnte. Der Sieg wird als [[Pyrrhussieg]] der Schweden eingestuft, da viele der 1000 Verwundeten aufgrund mangelhafter medizinischer Versorgung starben. Die Schlacht selbst war nicht kriegsentscheidend, obwohl die Schweden die nord-südlichen Flussbarrieren überwinden konnten und der Weg nach Moskau offen war.<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 42.</ref> Am 7. Juli erreichten die Schweden Mogilev am Dnjepr, wo sie in den nächsten vier Wochen blieben.

Um die Ankunft General Lewenhaupts mit der Verstärkung aus Livland und den dringend benötigten Versorgungszügen abzuwarten, ließ Karl den Vormarsch der schwedischen Hauptarmee bei [[Mahiljou|Mogilew]] stoppen.<ref name="autogenerated2">Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997, S. 112.</ref>
Lewenhaupt war tatsächlich Ende Juni mit 13.000 Mann Verstärkung und 16 Kanonen von Riga aus aufgebrochen, doch verzögerte schlechtes Wetter seinen Vormarsch.<ref>Konovaltjuk & Lyth, Pavel & Einar (2009) (in Swedish). Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Svenskt Militärhistorisk Biblioteks Förlag, S. 229–235. ISBN 978-91-85789-14-6.</ref> Als das schwedische Hauptheer in der ersten Augustwoche den Dnjepr überschritt, war die Armee Lewenhaupts immer noch nicht eingetroffen. Karl marschierte nun nach Südosten, um die Aufmerksamkeit der Russen auf sich zu ziehen und das Versorgungsheer vor einem Angriff zu schützen. Am 21. August erreichten die Schweden Chemikow am Fluss [[Sozh]], wo sie eine weitere Woche innehielten. Als Karl am 23. August seinen Vorstoß wieder nach Norden richtete, war der Weg nach Smolensk frei, da Peter I. wegen dieses Vorstoßes seine Position bei [[Horki]] verlassen hatte und ihm gefolgt war.

Peter I. musste seine Truppen erneut nach Norden marschieren lassen, um den schwedischen Vormarsch zu blockieren. Als die Schweden [[Malatitze]] erreichten, fanden sie eine beträchtliche Anzahl russischer Armeekräfte vor sich, die den Weg nach Smolensk sperrten. In dem folgenden Gefecht verloren die Russen und mussten mit 700 Toten im Vergleich zu den 300 Toten der Schweden, erneut höhere Verluste einstecken. Ein mögliches Gefecht mit der russischen Hauptarmee kam nicht zustande, weil sich die Russen zurückzogen, als Karl Verstärkungen heranzog. Das Treffen bei Malatitze war dennoch von Bedeutung, weil die Russen dort endlich ihre gewachsene Moral und ihr Können im Kampf unter Beweis stellten. Die Truppen des Zaren hatten inzwischen mindestens das Niveau der Sachsen erreicht, wie ein schwedischer Kommandeur nach dem Gefecht notierte:
{{Zitat|Die Schweden müssen den Moskowitern zugestehen, dass sie ihre Lektion gelernt haben, viel besser als sie es in den Schlachten bei Narwa oder Fraustadt getan haben und dass sie hinsichtlich Disziplin und Mut den Sachsen ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind|Jeffereyes<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 42</ref>}}

=== Die schwedische Versorgungsarmee wird vernichtet ===
[[Datei:Abbildung der Schlacht zwischen Russen und Schweden bei Lesnaja, 28. September 1708.jpg|thumb|Darstellung der [[Schlacht bei Lesnaja]] beim Dorf Lesnaja]]
[[Datei:Abbildung der Schlacht zwischen Russen und Schweden bei Lesnaja, 28. September 1708.jpg|thumb|Darstellung der [[Schlacht bei Lesnaja]] beim Dorf Lesnaja]]
Peter behielt seine Strategie bei, sich keiner Entscheidungsschlacht zu stellen; seine Armee zog sich in die Wälder zurück. Am 4. September setzte Karl seinen Vormarsch fort und erreichte [[Tatarsk]] und [[Starishi]]. Dort musste er sich jedoch seine ausweglose Situation eingestehen, als die Versorgung mit Nahrungsmitteln einen kritischen Punkt erreichte und Späher berichteten, dass vor ihnen nichts als verwüstetes Land lag. Die [[Desertion]]en stiegen an, und Nachrichten von Lewenhaupts Versorgungskolonne lagen immer noch nicht vor. Schließlich entschied sich der schwedische König, den Marsch auf Moskau abzubrechen. Sein Hauptziel war nun, seine Armee am Leben zu erhalten, und so schwenkte er am 15. September nach Süden in die noch nicht verwüsteten Regionen.
Nachdem August II. 1706 aus dem Krieg ausgeschieden war, blieb nur noch Russland als einziger Kriegsgegner Karls XII. erhalten. Mehrere Friedensangebote Zar Peters I. im Februar, Juni und August 1707 lehnte der in Sachsen verweilende Karl XII. ab, da er diese für ein Täuschungsmanöver hielt. Tatsächlich war aber Zar Peter I. friedensbereit und hätte sich mit dem Zuspruch von [[Ingermanland]] zufrieden gegeben. Durch den Entschluss des schwedischen Königs wurde ihm aber die Fortsetzung des Krieges aufgezwungen.<ref>Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997, S. 111.</ref>

Als Karl Mitte September Tatarsk verließ, war die Versorgungsarmee Lewenhaupts noch 80 Meilen von der schwedischen Hauptarmee entfernt. Peter plante, die Lücke zwischen beiden Heeren zu nutzen, und übertrug General Scheremetew das Kommando über die russische Hauptarmee, die der Armee Karls folgen sollte. Zusammen mit seinem engsten Vertrauten Menschikow, den er nach dem Sieg von Kalisch zum Herzog von Ingermanland erhoben hatte, übernahm der Zar selbst das Kommando über zehn Bataillone seiner am meisten erfahrenen Infanterie, zehn Dragonerregimenter und vier Batterien berittener Artillerie, zusammen 11.625 Mann. Lewenhaupts Truppe bestand aus 7500 Mann Infanterie und 5000 Reitern, die einen Versorgungszug mit fast 1000 Wagen begleiteten. Am 18. September erreichte Lewenhaupt den [[Dnjepr]]. Der Übergang über den Fluss zog sich über eine ganze Woche hin, in der sich die Russen den Schweden näherten, um schließlich die Verfolgung aufzunehmen. Am 27. September wurden die Schweden beim Dorf [[Lesnaja]] eingeholt. In der [[Schlacht bei Lesnaja]] verloren sie ihren gesamten Versorgungszug, außerdem 607 Reiter, 751 Dragoner und 4449 Mann Infanterie, von denen 3000 Mann gefangengenommen wurden. Lewenhaupt führte die verbliebenen Reste zehn Tage später zur schwedischen Hauptarmee und so erhielt der König am 6. Oktober eine ganz andere Nachricht von seinem Versorgungszug als er gehofft hatte.<ref>Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 52.</ref>

Fernab davon konnte zur gleichen Zeit ein weiterer schwedischer Vorstoß von russischen Kräften abgeschlagen werden. Eine schwedische Streitkraft von 12.000 Mann sollte [[Ingermanland]] von Finnland aus erobern und die neue russische Stadt [[Sankt Petersburg]] niederbrennen. Aufgrund der starken Verteidigung der Stadt mussten die Schweden den Plan jedoch aufgeben und unter Verlust von 3000 Mann den Rückzug nach [[Wyborg]] antreten.


=== Karl XII. weicht nach Süden in die Ukraine aus ===
Karl XII. war der Ansicht dass nur ein Vorstoß in das Herz des Russischen Zarentums den Krieg beenden könnte, und wandte sich im September 1707 in einem Feldzug gegen Russland. Als er Sachsen verließ und durch Polen-Litauen nach Russland zog, hatte er seine Armee auf 44.000 Mann vergrößert (seine Hauptarmee bestand aus 36.000 Soldaten), neu eingekleidet und mit neuen Waffen ausgerüstet. Seine Kriegskasse war um mehrere Millionen Taler größer. In Polen stießen 8.000 schwedische Rekruten sowie 16.000 Soldaten von Seiten [[Stanislaus I. Leszczyński|Leszczyńskis]] und [[Józef Potocki]]s zu ihm.<ref name="Karl XII s 151"> Bengt Liljegren|Liljegren, Bengt - Karl XII: En biografi, Historiska media, 2000, Sidan 151.</ref> Somit zog der König mit 60.000 Soldaten gegen Moskau. Der Feldzug verlief zunächst erfolgreich. Nach einer viermonatigen Ruhepause überschritt Karl XII. in einem Winterfeldzug am 1. Januar 1708 die Weichsel und nahm [[Grodno]] ein. Das schwedische Heer setzte, nachdem am 1. Juni der Sommerfeldzug begonnen wurde, am 18. Juni über die [[Beresina]] und schlug am 14. Juli 1708 eine 39.000 Mann starke russische Armee<ref>''[[Schwedische Nationalenzyklopädie]]''</ref> unter Scheremetew in der [[Schlacht von Golowtschin]]. Am 10. September besiegte es eine russische Armee von 13.000 Mann unter Fürst [[Michail Golizyn]] bei [[Moljatitschi]] und am 20. September 16.000 russische Soldaten unter Generalleutnant [[Rudolf Friedrich Bauer]]<ref>''Nilsson Karl XII.se''>http://www.karlxii.se/?p=305</ref> südlich von [[Smolensk]]. Zu diesem Zeitpunkt war es nur noch zehn Tagesmärsche von Moskau entfernt. Da die Schweden aber durch die russische Taktik der verbrannten Erde an Versorgungsmängeln litten, befahl Karl XII. General [[Adam Ludwig Lewenhaupt]], von Riga aus mit 13.000 Mann Verstärkung, 16 Kanonen<ref>Konovaltjuk & Lyth, Pavel & Einar (2009) (in Swedish). Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Svenskt Militärhistorisk Biblioteks Förlag. p. 229–235. ISBN 978-91-85789-14-6</ref> und Versorgungszügen zu ihm zu stoßen. Karl XII. ließ den Vormarsch daher bei [[Mahiljou|Mogilew]] stoppen. Dies war auch durch die erfolgreiche Störung der Nordroute durch Peter I. und durch die bewusste Verheerung der Gebiete zurückzuführen, die eine Versorgung der schwedischen Armee unmöglich machte.<ref name="autogenerated2">Hans-Joachim Torke: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997, S. 112.</ref> So entschloss sich Karl XII. im Herbst 1708 zu einem Angriff auf Moskau über die Ukraine, da die dortigen Versorgungsbedingungen eine bessere Grundlage für die Fortsetzung des Feldzuges boten.
[[Datei:Karte Schlacht bei Poltawa 1709.jpg|thumb|Karte der Schlacht bei Poltawa, mit französischem Kommentar; Militärarchiv von Schweden, Stockholm.]]
[[Datei:Karte Schlacht bei Poltawa 1709.jpg|thumb|Karte der Schlacht bei Poltawa, mit französischem Kommentar; Militärarchiv von Schweden, Stockholm.]]
Das Ziel Karls XII., von [[Severia]] entlang der Straße von [[Kaluga]] nach Moskau zu marschieren, sobald sich die Versorgungslage des Heeres verbessert hätte, war durch das Desaster bei Lesnaja nicht mehr erreichbar. Karl nahm daher Zuflucht zu einer neuen Strategie: Er war bereits seit längerem in Kontakt mit dem [[Ataman]] der ukrainischen [[Kosaken]], [[Iwan Masepa]]. Im [[Don (Russland)|Don]]gebiet war im Herbst 1707 der [[Bulawin-Aufstand]] der Kosaken und Bauern ausgebrochen, der sich gegen die Zarenherrschaft richtete und von Peter I. rigoros niedergeschlagen wurde. Masepa war beim Zaren in Ungnade gefallen; er betrachtete dies als einen Verstoß Russlands gegen den [[Vertrag von Perejaslaw]]. Seitdem suchte er einen Weg, die Ukraine aus der russischen Umklammerung zu lösen. Dazu versprach er dem Schwedenkönig, dass er ihn mit einer 100.000 Mann starken Armee unterstützen würde, wenn die Schweden in die Ukraine vorrückten. Karl XII. marschierte daraufhin gegen den Rat seiner Generäle in die Ukraine. Doch die erwartete Verstärkung durch die Kosaken blieb aus; die Russen hatten eine Armee unter General Menschikow entsandt, dessen Truppen Masepas Hauptstadt [[Baturyn]] besetzten und ohne Federlesen viele seiner Unterstützer töteten, wobei auch 6000–7500 Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen waren<ref>Павленко С. Загибель Батурина. К. 2007 p. 252</ref>. So konnte Masepa nur einen kleinen Teil der versprochenen Männer bereitstellen, zunächst 3000, später 15.000 Mann.<ref name="autogenerated2"/> Karl verbrachte den Winter in der Ukraine, immer noch zuversichtlich, seine Ziele im nächsten Jahr zu erreichen. Am 23. Dezember stellte sich ein russisches Bataillon bei [[Weprik (Psel)|Weprik]] am [[Psel]] den Schweden entgegen, das den Angreifern bis zum 7. Januar standhalten konnte. Ende Januar 1709 setzte er seinen Marsch in den Süden fort. Allerdings wirkte sich der Winter von 1708/09, der schwerste des Jahrhunderts, für die Schweden verheerend aus.
Eine schwedische Streitkraft von 12.000 Mann, die [[Ingermanland]] von Finnland aus erobern und die neue russische Stadt [[Sankt Petersburg]] niederbrennen sollte, musste aufgrund der starken Verteidigung der Stadt diesen Plan aufgeben und unter einen Verlust von 3000 Mann den Rückzug nach [[Wyborg]] antreten.


=== Die Katastrophe bei Poltawa ===
1708 erschienen erneut russische Truppen in Polen. Ihnen gelang es während eines ungewöhnlichen Schneestrums, in der [[Schlacht bei Lesnaja]] am 9. Oktober 1708<!--gregorianisches Datum--> den Tross der schwedischen Armee zu erbeuten, die damit von ihrer Versorgung abgeschnitten war. General Lewenhaupt und über 6000 schwedische Soldaten schafften es nach dieser verlustreichen Schlacht, ohne Versorgungstross zum schwedischen Hauptheer zu stoßen.
[[Datei:Abbildung der Schlacht zwischen den russischen und schwedischen Heeren bei Poltawa, 27. Juni 1709.jpg|thumb|left|Darstellung der berühmten Schlacht zwischen den russischen und schwedischen Heeren nahe Poltawa am 27. Juni 1709]]
[[Datei:Triumphaler Einzug der Russischen Armee nach der Schlacht bei Poltawa.jpg|miniatur|Triumphaler Einzug der russischen Armee nach der Schlacht bei Poltawa in Moskau]]
So waren zu Beginn des Frühjahrs 1709 weniger als 30.000 Mann mit wenigen Kanonen, knapp die Hälfte der schwedischen Armee, in Russland einsatzbereit. Besonders die in Deutschland angeworbenen Soldaten hatten die Kälte nicht verkraftet. Unterstützt wurden sie von den Verbänden der [[Saporoger Kosaken]], die Zar Peter zwangen, seine Kräfte aufzuteilen. Trotz der angespannten Versorgungslage entschied sich Karl, die Stadt [[Poltawa]] zu belagern, einen Nachschubstützpunkt mit großen Vorräten an Schießpulver und anderen Versorgungsgütern. Er blockierte die Stadt Anfang April 1709 mit 8000 seiner Soldaten, eine schnelle Kapitulation erwartend. Die russische Garnison unter Oberst A. Kelin wurde jedoch von ukrainischen Kosaken und der einheimischen Bevölkerung unterstützt und hielt 87 Tage stand. Nachdem Zar Peter die Saporoger Kosaken geschlagen hatte, wandte er sich mit seiner insgesamt 60.000 Mann starken Armee nach Poltawa, um die belagerte Stadt zu entsetzen. Sie überquerten den Fluss [[Worskla]] und errichteten einige Kilometer nördlich der Stadt ein befestigtes Lager. Als das russische Kommando von der schwierigen Lage der schwedischen Armee erfuhr, gab der Zar seine ausweichende Politik auf. Karl XII., der am 28. Juni<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup> bei einer Aufklärungsaktion verwundet worden war, entschied sich, dem drohenden Angriff durch eine Attacke auf das befestigte Lager zuvorzukommen. Um alle Kräfte auf diese Aufgabe zu konzentrieren, forderte Lewenhaupt die Aufgabe der Belagerung, aber der König lehnte ab und ließ Poltawa weiter belagern. In der eigentlichen Schlacht wurden deshalb lediglich 20.000 Mann unter Feldmarschall Rehnskiöld eingesetzt. Da es an Schießpulver mangelte, mussten die Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und überwiegend ungeladenen Musketen in die Schlacht gehen. Nur 4 von 32 Kanonen konnten für die Attacke eingesetzt werden. So kam es am 8. Juli 1709<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup> in der Ukraine zur entscheidenden [[Schlacht bei Poltawa]]. Eine Überraschungsattacke sollte die Russen in Verwirrung und Auflösung stürzen. Doch nachdem dem schwedischen Überfall nur sehr begrenzte Erfolge beschieden waren, stellten sich die Russen zur offenen Feldschlacht, in der sie den Schweden dank ihrer Übermacht eine vernichtende Niederlage zufügten. Viele schwedische Offiziere, darunter auch Feldmarschall Rehnskiöld, gerieten in russische Gefangenschaft.
Während der König wartete, erhielt er in Mogilew Nachricht vom [[Ataman]] der ukrainischen [[Kosaken]], [[Iwan Masepa]]:<br>
In [[Don]]gebiet herrschte seit Herbst 1707 ein Kosaken- und Bauernaufstand, der sogenannte [[Bulawin-Aufstand]], der sich gegen die Zarenherrschaft direkt richtete und von Peter I. rigoros niedergeschlagen wurde. Masepa war beim Zaren in Ungnade gefallen, was er allerdings als Verstoß Russlands gegen den [[Vertrag von Perejaslaw]] betrachtete und von da an einen Weg suchte, die Ukraine aus der russischen Umklammerung zu lösen. Er versprach, dass er einen Großaufstand anführen und ihn mit einer 100.000 Mann starken Armee unterstützen würde, wenn die Schweden in die Ukraine vorrückten. Karl XII. marschierte daraufhin wider den Rat seiner Generäle in die Ukraine. Doch die erwartete Verstärkung durch die mit Schweden verbündeten Kosaken unter Ataman Iwan Masepa blieb aus. Die Russen hatten eine Armee unter Prinz [[Alexander Danilowitsch Menschikow]] entsandt, der [[Baturyn]], Masepas Hauptstadt, besetzte und viele seiner Unterstützer sowie 6 - 7.500 Zivilisten tötete<ref>Павленко С. Загибель Батурина. К. 2007 p. 252</ref>. So konnte Masepa nur einen kleinen Teil der versprochenen Männer aufstellen, zunächst 3000 Mann, später 15.000 Mann.<ref name="autogenerated2"/> Nichtsdestoweniger verbrachte Karl XII. den Winter in der Ukraine, immer noch selbstbewusst seine Ziele zu erreichen. In dieser Zeit stellte sich am 23. Dezember ein russisches Bataillon bei [[Weprik (Psel)|Weprik]] am [[Psel]] den Schweden entgegen, welches bis zum 7. Januar den Angreifern standhalten konnte. Ende Januar 1709 setzte Karl XII. seinen Marsch in den Süden fort. Allerdings wirkte sich der Winter von 1708/09, der schwerste in diesem Jahrhundert, für die Schweden verheerend aus.
=== Die Katastrophe bei Poltawa===
[[Datei:Triumphaler Einzug der Russischen Armee nach der Schlacht bei Poltawa.jpg|miniatur|Triumphaler Einzug der Russischen Armee nach der Schlacht bei Poltawa in Moskau]]
So war zu Beginn des Frühjahrs 1709 nur noch knapp die Hälfte der schwedischen Armee in Russland, weniger als 30.000 Mann mit wenigen Kanonen einsatzbereit. Besonders die in Deutschland angeworbenen Soldaten hatten die Kälte nicht verkraftet. Weitere Unterstützung boten die Verbände der [[Saporoger Kosaken]], die von Masepa aufgestachelt wurden und Zar Peter zwangen seine Anstrengungen zu teilen. Trotz der angespannten Versorgungslage entschied sich Karl XII., die Stadt [[Poltawa]] zu belagern, einen Nachschubstützpunkt mit großen Vorräten an Schießpulver und anderen Versorgungsgütern. Er blockierte die Stadt Anfang April 1709 mit 8.000 seiner Soldaten, eine schnelle Kapitulation erwartend; jedoch hielten die Russen unter Obersten A. Kelin, deren Garnison von ukrainischen Kosaken sowie von der einheimischen Bevölkerung unterstützt wurde, 87 Tage aus. Nachdem Zar Peter die Saporoger Kosaken geschlagen hatte, wandte er sich mit seiner insgesamt 60.000 Mann starken Armee der belagerten Stadt Poltawa zu, um diese zu entsetzen. Die russische Armee überquerte den Fluss [[Worskla]] und errichtete ein befestigtes Lager ein paar Kilometer nördlich der Stadt. Als Zar Peter die Lage der schwedischen Armee mitgeteilt bekam, gab er seine bisherige Politik der Schlachtausweichung auf. Karl XII., welcher am 28. Juni<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup> bei einer Aufklärungsaktion verwundet worden war, entschied sich zur Attacke auf das befestigte Lager am Morgen des 8. Juli 1709<sup>[[Gregorianischer Kalender|greg.]]</sup>. Lewenhaupt forderte die Aufgabe der Belagerung, aber der König lehnte ab und ließ die [[Schlacht bei Poltawa#Belagerung von Poltawa und Vorbereitung der Schlacht|Belagerung von Poltawa]] aufrechterhalten. Lediglich 20.000 Mann unter Feldmarschall Rehnskiöld wurden in der eigentlichen Schlacht eingesetzt. Da es einen Mangel an Schießpulver gab, mussten die Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und mehrheitlich leeren Musketen in die Schlacht gehen. Nur 4 von 32 Kanonen konnten für die Attacke auf schwedischer Seite eingesetzt werden. So kam es in der [[Ukraine]] zur entscheidenden [[Schlacht bei Poltawa]]. Entsprechend dem Charakter Karls XII. sollte eine Überraschungsattacke die Russen in Verwirrung und Auflösung stürzen. Doch die Schweden erlitten wegen Munitionsmangel eine vernichtende Niederlage, wobei viele Offiziere, unter ihnen auch Feldmarschall Rehnskiöld in russische Gefangenschaft gerieten.


[[Datei:Perewolotnja-1709.PNG|thumb|Darstellung der Situation vor der Kapitulation bei Perewolotschna am 11. Juli 1709 (Russen = rot; Schweden = blau)]]
[[Datei:Perewolotnja-1709.PNG|thumb|Darstellung der Situation vor der Kapitulation bei Perewolotschna am 11. Juli 1709 (Russen = rot; Schweden = blau)]]


Nach der Schlacht sammelten sich die zurückflutenden Schweden im Lager bei Puschkariwka. Insgesamt bestand die gesamte schwedische Armee noch aus etwa 15.000 Mann und 6.000 Kosaken.<ref>A. D. von Drygalski: Poltawa, in: Bernhard von Poten: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, Bd.8, Leipzig 1879, S.7</ref> Als Rückzugslinie stand der Weg nach Süden zur Verfügung. Nach einer Reorganisierung und Auffrischung sollte die Armee durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt werden. Noch am Schlachttag marschierte die Armee entlang der Worskla nach Süden ab. Am 10. Juli traf das Heer bei [[Perewolotschna (Poltawa)|Perewolotschna]] am Zusammenfluss von Worskla und [[Dnepr]] ein und musste feststellen, dass es dort weder Brücken noch Furten gab und dass die wenigen vorhandenen Boote nicht ausreichten, um die gesamte schwedische Armee zu evakuieren.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S. 456.</ref>
Nach der Schlacht sammelte sich das zurückflutende Heer, das nur noch aus etwa 15.000 Mann und 6.000 Kosaken bestand, im Lager bei Puschkariwka.<ref>A. D. von Drygalski: Poltawa, in: Bernhard von Poten: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, Bd.8, Leipzig 1879, S. 7.</ref> Nach einer Reorganisierung und Auffrischung sollte die Armee auf einer südlichen Rückzugslinie durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt werden. Noch am Schlachttag marschierten die Soldaten entlang der Worskla nach Süden. Am 10. Juli traf das Heer bei [[Perewolotschna (Poltawa)|Perewolotschna]] am Zusammenfluss von Worskla und [[Dnepr]] ein. Man musste feststellen, dass es dort weder Brücken noch [[Furt]]en gab und die wenigen vorhandenen Boote nicht ausreichten, um die gesamte schwedische Armee zu evakuieren.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S. 456.</ref>


Man beschloss daher im schwedischen Hauptquartier, dass Karl XII., die Verwundeten, sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den [[Dnepr]] überqueren und auf osmanisches Gebiet ziehen sollten. Das Heer hingegen sollte die [[Worskla]] wieder hinauf marschieren und nach Süden zur Krim einschwenken. Von dort sollte es wieder zum König stoßen. In der Nacht zum {{JULGREGDATUM|11|7|1709}} setzte der König mit [[Iwan Masepa]], dessen Gefährten [[Kost Hordijenko]], sowie 900 Schweden und 2000 Kosaken über den Fluss. Die Armee, die nun unter dem Befehl des Generals Lewenhaupt stand, bereitete den Abmarsch für den folgenden Morgen vor. Um 8 Uhr traf jedoch eine russische Kolonne von 6000 Dragonern und 3000 Kalmücken unter General Menschikow ein. Lewenhaupt leitete sofort Verhandlungen ein und man einigte sich schließlich, zu kapitulieren, obwohl man den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen war. Am Morgen des {{JULGREGDATUM|11|7|1709|Kurz="true"}} um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils auf ihren Pferden, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S.458f</ref> Die Kolonne König Karls XII. erreichte wenige Tage später am 17. Juli den Bug, wo der [[Pascha]] von [[Otschakiw|Otschakow]] seine Erlaubnis erteilte, das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]] zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte das Übersetzen über den Bug nicht mehr und wurde von 6.000 russischen Reitern unter General Wolkonski eingeholt und niedergemacht.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S. 460.</ref> Damit endete der russische Feldzug Karls XII. in einer desaströsen Niederlage, die die Wende in diesem Krieg bedeutete.
Das schwedische Hauptquartier beschloss nun, dass die Verwundeten sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den [[Dnepr]] überqueren und auf osmanisches Gebiet ziehen sollten. Das Heer hingegen sollte an der [[Worskla]] wieder zurückmarschieren, nach Süden zur [[Krim]] einschwenken und dort wieder zum König stoßen. In der Nacht zum {{JULGREGDATUM|11|7|1709}} setzte der König mit [[Iwan Masepa]], dessen Gefährten [[Kost Hordijenko]] sowie 900 Schweden und 2000 Kosaken über den Fluss. Die Armee, die nun unter dem Befehl von General Lewenhaupt stand, bereitete den Abmarsch für den folgenden Morgen vor. Um acht Uhr traf jedoch eine russische Einheit von 6000 Dragonern und 3000 Kalmücken unter dem noch auf dem Schlachtfeld von Poltawa zum Feldmarschall beförderten Menschikow ein. Lewenhaupt nahm sofort Verhandlungen auf und man einigte sich auf eine Kapitulation, obwohl die Schweden den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen waren. Am Morgen des {{JULGREGDATUM|11|7|1709|Kurz="true"}} um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils zu Pferde, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S.458f.</ref> Insgesamt gingen nach Poltawa fast 30.000 Schweden in russische Kriegsgefangenschaft, darunter 2300 Offiziere. Nur den Vornehmsten wurde erlaubt, in Moskau zu wohnen, wie General Lewenhaupt und Staatsrat Piper, die ihre Heimat nie wiedersahen.
Die Truppen um König Karl erreichten am 17. Juli den Bug, wo der [[Pascha (Titel)|Pascha]] von [[Otschakiw|Otschakow]] die Erlaubnis erteilte, das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]] zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte den Übergang nicht mehr und wurde nördlich des Bug von 6000 russischen Reitern eingeholt und niedergemacht.<ref>Robert K. Massie: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987, S. 460.</ref> Damit endete der Russlandfeldzug Karls mit einer katastrophalen Niederlage, die zur entscheidenden Wende des gesamten Krieges wurde.


=== Erneuerung der Nordischen Allianz ===
=== Erneuerung der Nordischen Allianz ===
[[Datei:Königstreffen 1709.jpg|thumb|left|200px|Dreikönigstreffen: Friedrich I. in Preußen (Mitte), August II. (der Starke), Kurfürst von Sachsen und zeitweilig König von Polen (links), Friedrich IV. von Dänemark (rechts)<br />''Gemälde von Samuel Theodor Gericke, zu besichtigen im [[Schloss Caputh]]'']][[Datei:Grosser Nordischer Krieg Phase2.png|thumb|305px|Darstellung der Feldzüge nach der Kriegswende infolge der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 bis zum Friedensschluss 1721<br /><br />Die Kriegshandlungen konzentrieren sich in dieser Phase fast nur noch auf die schwedischen Herrschaftsgebiete. So fanden schwere Kämpfe um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland statt, die 1715 mit der Eroberung durch die Alliierten endeten. Weitere Kämpfe fanden im heutigen Finnland, der Ostsee und Norwegen statt.]]
[[Datei:Königstreffen 1709.jpg|thumb|left|Dreikönigstreffen: Friedrich I. in Preußen (Mitte), August II. (der Starke), Kurfürst von Sachsen und zeitweilig König von Polen (links), Friedrich IV. von Dänemark (rechts)<br />''Gemälde von Samuel Theodor Gericke, zu besichtigen im [[Schloss Caputh]]'']]


Nach der Niederlage bei Poltawa war das schwedische Kernland weitgehend vom Schutz durch die eigenen Truppen entblößt. Zudem befand sich der schwedische König Tausende Kilometer von seinem Reich entfernt. Unter diesen für sie günstigen Bedingungen erneuerten die einstigen Alliierten die alten Bündnisse.<ref>Stewart P. Oakley: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992, S. 110.</ref>
Nach dem Sieg bei Poltawa war das schwedische Kernland weitgehend vom Schutz durch die eigenen Truppen entblößt. Zudem befand sich der schwedische König tausende Kilometer vom Schwedischen Reich entfernt. Unter Ausnutzung dieser günstigen Bedingungen wurden in kurzer Zeit die alten Bündnisse der einstigen Alliierten wieder erneuert.<ref>Stewart P. Oakley: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992, S. 110</ref> Zuerst wurde Polen von der schwedischen Herrschaft befreit. Die russische Armee marschierte hierzu in das schwedisch besetzte Polen ein. Nach Verhandlungen des Zaren Peter I. mit den ehemaligen Bündnispartner kündigte Kurfürst August den [[Frieden von Altranstädt]] mit Schweden auf. Am 20. August 1709 marschierten erneut sächsische Truppen in Polen ein. Die schwachen schwedischen Truppen unter Kommando des Generals [[Krassau]] mit 9000 Mann zogen sich nach [[Stettin]] und [[Stralsund]], in [[Schwedisch-Pommern]] zurück. Der von den Schweden inthronisierte polnische König Stanislaus Leszczynski floh über Stettin und [[Kristianstad]] nach [[Stockholm]]. Zar Peter I. ließ die schwedischen Truppen durch eine russische Abteilung unter Kommando von Menschikow bis nach Pommern verfolgen. Die Rolle Polens als Kriegsführende Macht hatte sich seit Kriegsbeginn immer weiter reduziert. So blieb Polen in der Folgezeit nur eine untergeordnete Rolle da es August II. nicht gelungen war, die Königmacht zu stärken. Die Wiedereinsetzung der Königswürde für August II. konnte auch nur mit russischer Hilfeleistung erfolgen. Dies war ein Symbol für die nun folgende Fremdbestimmung und Außensteuerung der polnischen Republik.<ref>Heinz Duchhardt: ''Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806'', München 1990, S. 75.</ref>


Am 28. Juni 1709, noch vor Poltawa hatten Dänemark und das Kurfürstentum Sachsen ihren [[Bündnis]]vertrag in Dresden erneuert. [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich I.]] König in Preußen wurde von Friedrich IV. und August II. beim [[Dreikönigstreffen (1709)|Dreikönigstreffen]] 1709 stark umworben, dem Bündnis beizutrteten, mied aber aufgrund der Belastungen im Spanischen Erbfolgekrieg und aufgrund von Neutralitätsvereinbarungen mit Schweden einen offenen Kriegseintritt.
Bereits vor der Schlacht von Poltawa hatte das Kurfürstentum Sachsen am 28. Juni 1709 in Dresden seinen [[Bündnis]]vertrag mit Dänemark wieder aufleben lassen. Beim [[Dreikönigstreffen (1709)|Dreikönigstreffen]] in Potsdam und Berlin umwarben August der Starke und der dänische Monarch Friedrich IV. im Juli 1709 zeitgleich mit der Entscheidung in der Ukraine auch den preußischen König [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich I.]], der sich jedoch aufgrund der Belastungen im Spanischen Erbfolgekrieg und in Erinnerung an frühere Neutralitätsvereinbarungen mit Schweden nicht dazu durchringen konnte, dem Bündnis beizutreten.


Nach Einmarsch der russischen Armee in Polen und Verhandlungen Peters I. mit seinem ehemaligen Bündnispartner kündigte der Kurfürst von Sachsen im August den [[Frieden von Altranstädt]] mit Schweden auf. Am 20. August 1709 marschierten erneut sächsische Truppen in Polen ein. Die schwachen schwedischen Truppen unter dem Kommando des Generals [[Krassau]] zogen sich mit 9000 Mann nach [[Stettin]] und [[Stralsund]] in [[Schwedisch-Pommern]] zurück. Der von den Schweden inthronisierte polnische König Stanislaus I. Leszczynski floh über Stettin und [[Kristianstad]] nach [[Stockholm]]. Zar Peter I. ließ die schwedischen Truppen durch eine russische Abteilung unter dem Kommando von Menschikow bis nach Pommern verfolgen. Die Rolle Polens als kriegsführende Macht hatte sich seit Kriegsbeginn immer weiter reduziert. So blieb dem Land in der Folgezeit nur eine untergeordnete Funktion, da es August II. nicht gelungen war, die Macht der Monarchie zu stärken. Die Wiedereinsetzung der Königswürde für August konnte auch nur mit russischer Hilfeleistung erfolgen. Dies war ein Symbol für die zunehmende Fremdbestimmung und Außensteuerung der polnischen Republik.<ref>Heinz Duchhardt: ''Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806'', München 1990, S. 75.</ref>
Am 7. Oktober 1709 wurde die antischwedische sächsisch-russische Allianz im [[Vertrag von Thorn]] erneuert. Bei [[Jarosław]] folgte der dänisch russische Beistandspakt am 10. Juni 1710.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 336.</ref> Nachdem König Karl XII. vom Osmanischen Reich aus erneut Friedensverhandlungen ablehnte, vereinbarten Dänemark und das Zarentum Russland einen Plan, der die schwedische Hauptstadt Stockholm bedrohen sollte um so Schweden zum Frieden zu zwingen. Es wurden hierzu zwei Eroberungsrouten festgelegt. Eine sollte angeführt durch Dänemark durch das südliche Schweden führen und die andere, von Russland angeführt über die Eroberung von Finnland und den Alandinseln Stockholm von der Seeseite her bedrohen. In den Folgejahren kam es insbesondere auf dem Kriegsschauplatz in Norddeutschland zu gemeinsamen alliierten Aktionen, während der Kriegsschauplatz in der nördlichen Ostsee und in Finnland allein von Russland getragen wurde.

[[Datei:Grosser Nordischer Krieg Phase2.png|thumb|hochkant=1.5|Darstellung der Feldzüge nach der Kriegswende infolge der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 bis zum Friedensschluss 1721<br /><br />Die Kriegshandlungen konzentrieren sich in dieser Phase fast nur noch auf die schwedischen Herrschaftsgebiete. So fanden schwere Kämpfe um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland statt, die 1715 mit der Eroberung durch die Alliierten endeten. Weitere Kämpfe fanden im heutigen Finnland, der Ostsee und Norwegen statt.]]

Am 7. Oktober 1709 wurde die antischwedische sächsisch-russische Allianz im [[Vertrag von Thorn]] erneuert. Bei [[Jarosław]] folgte am 10. Juni 1710 der dänisch-russische Beistandspakt.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 336.</ref> Nachdem König Karl XII. von seinem Exil im Osmanischen Reich aus erneut Friedensverhandlungen ablehnte, vereinbarten Dänemark und Russland einen Plan zur Bedrohung der schwedische Hauptstadt Stockholm, um so den Gegner zum Frieden zu zwingen. In den Folgejahren kam es jedoch lediglich auf dem Kriegsschauplatz in Norddeutschland zu gemeinsamen alliierten Aktionen, während die Kämpfe in Finnland und in der nördlichen Ostsee von Russland weitgehend allein bestritten wurden.


=== Die dänische Invasion in Schonen ===
=== Die dänische Invasion in Schonen ===

Der gemeinsame dänisch-russische Angriffsplan sah eine Zangenbewegung auf zwei entgegengesetzten Eroberungsrouten vor. Der dänische Vormarsch auf Stockholm sollte durch das südliche Schweden führen, während Russland nach Eroberung Finnlands und der [[Alandinseln]] seinen Angriff von der Seeseite her vorzutragen gedachte. Die südliche Angriffsroute wurde von den Alliierten als die wichtigere angesehen und primär verfolgt. Im Spätherbst 1709 begannen die Dänen mit den Vorbereitungen zur Invasion Schonens und zogen eine große Flotte auf dem [[Öresund]] zusammen. Am {{JULGREGDATUM|12|11|1709|Kurz="true"}}/ 2. November 1709<sup>[[Schwedischer Kalender|schwed.]]</sup> landete die Invasionsstreitmacht beim Fischerdorf [[Råå]]. Die schwedische Seite leistete dort so gut wie keine Gegenwehr. Obwohl die schwedische Armee kurz nach Poltawa mit der Rekrutierung neuer Soldaten begonnen hatte, konnte der schwedische Befehlshaber [[Magnus Stenbock]] im Spätsommer 1709 erst ein kampftaugliches schonisches Regiment präsentieren. Da ein Gegenangriff sinnlos erschien, zog man sich nach [[Småland]] zurück. Im Dezember kontrollierte Dänemark fast das gesamte zentrale Schonen mit Ausnahme von [[Malmö]] und [[Landskrona]]. Ziel der dänischen Kriegsplanung war die Eroberung der schwedischen [[Marinestützpunkt|Flottenbasis]] in [[Karlskrona]]. Die dänische Armee besiegte im Januar 1710 eine kleinere schwedische Einheit bei [[Kristianstad]].

[[Datei:Battle of Helsingborg print.jpg|thumb|left|Kupferstich der Schlacht von Helsingborg]]
[[Datei:Battle of Helsingborg print.jpg|thumb|left|Kupferstich der Schlacht von Helsingborg]]
Die südliche Angriffsroute wurde von den Alliierten als die wichtigere angesehen und wurde primär verfolgt. Im Spätherbst 1709 begannen die Dänen mit der Umsetzung des Plans der Bedrohung [[Stockholm]]s durch eine Invasion in Schonen. Eine große dänische Invasionsflotte wurde hierzu auf dem [[Öresund]] zusammengezogen. Am {{JULGREGDATUM|12|11|1709|Kurz="true"}}/ <span style="margin-left:-0.1em">2. November 1709<sup>[[Schwedischer Kalender|schwed.]]</sup> landete die Invasionsstreitmacht beim Fischerdorf [[Råå]]. Die schwedische Seite leistete hier so gut wie keine Gegenwehr. Die Armee war nach Poltawa zu sehr gehandicapt, da mehrere Regimenter nicht mehr existierten. Obwohl Schwedens Armee kurz nach Poltawa mit der Rekrutierung neuen Personals begann, konnte [[Magnus Stenbock]] im Spätsommer 1709 erst ein schonisches Regiment präsentieren, das kampftauglich war. Da ein Gegenangriff sinnlos erschien, zog man sich nach [[Småland]] zurück. Im Dezember kontrollierte Dänemark fast das gesamte zentrale Schonen mit Ausnahme von [[Malmö]] und [[Landskrona]]. Ziel der dänischen Seite war es, die schwedische [[Marinestützpunkt|Flottenbasis]] in [[Karlskrona]] zu erobern, und so arbeitete sich die dänische Armee schnell voran. Im Januar 1710 besiegte die dänsiche Streitmacht eine kleinere schwedische Einheit bei [[Kristianstad]].</span>


Magnus Stenbock arbeitete eifrig daran, die schwedische Armee zu verstärken. Mehrere neue Regimenter versammelten sich bei [[Växjö]], wo die unerfahrenen Truppen auf dem Eis eines zugefrorenen Sees Kampftechniken übten. Bis zum {{JULGREGDATUM|15|2|1710|Kurz="true"}}/ <span style="margin-left:-0.1em">5.&nbsp;Februar&nbsp;1710<sup>[[Schwedischer Kalender|schwed.]]</sup> war Stenbocks Truppe nach [[Osby]] gezogen, wo sich ihnen weitere Verbände anschlossen. Die schwedische Streitmacht in Südschweden zählte nun 16.000 Mann. Helsingborg galt nach Stenbocks Meinung als Schlüssel zu Schonen und so marschierte das Heer südwärts, um die dänischen Versorgungslinien abzuschneiden.
Magnus Stenbock arbeitete unterdessen daran, die schwedische Armee zu verstärken. Mehrere neue Regimenter sammelten sich bei [[Växjö]], wo die unerfahrenen Truppen auf dem Eis eines zugefrorenen Sees Kampftechniken übten. Bis zum {{JULGREGDATUM|15|2|1710|Kurz="true"}}/ <span style="margin-left:-0.1em">5.&nbsp;Februar&nbsp;1710<sup>[[Schwedischer Kalender|schwed.]]</sup> war Stenbocks Truppe nach [[Osby]] gezogen, wo sich ihr weitere Verbände anschlossen. Die schwedischen Kräfte in Südschweden zählten nun 16.000 Mann. Helsingborg galt nach Stenbocks Meinung als Schlüssel zu Schonen und so marschierte das Heer südwärts, um die dänischen Versorgungslinien abzuschneiden. In der [[Schlacht von Helsingborg]] fiel die Entscheidung zugunsten der Schweden. Nach ihrer Niederlage verschanzten sich die Reste der dänischen Armee hinter den Schutzwällen der Stadt. Da die eigenen Kräfte angesichts der befestigten Stellung der Dänen nicht ausreichten, verzichtete der schwedische Kriegsrat auf einen Sturmangriff, und Magnus Stenbock befahl die Belagerung Helsingborgs. Am 4. März jul./15. März greg./5. März 1710 schwed. waren die dänischen Verbände so weit geschwächt, dass sie Schonen verließen und sich nach Dänemark einschifften. Das Unternehmen war damit gescheitert und der originäre Kriegsplan nicht mehr zu erfüllen. Die dänischen Verluste bei dem gescheiterten Invasionsversuch waren niederschmetternd. Über 7500 Mann waren gefallen, verwundet oder gefangen genommen. Die schwedische Seite hatte etwa 2800 Tote oder Verwundete zu beklagen.</span>
Nach einem schwedischen Sieg in der [[Schlacht von Helsingborg]] verschanzten sich die Reste der dänischen Armee hinter den Schutzwällen Helsingborgs. Magnus Stenbock vermied einen weiteren Angriff, da die Dänen hier in überlegener Position waren. Stattdessen belagerte Stenbock die Stadt. Der schwedische Kriegsrat befand die eigene Armee als zu schwach für eine Erstürmung der Stadt und so wartete diese ab. Am 4. März jul./ 15. März greg./ 5. März 1710 schwed. war die dänische Seite so weit ausgezehrt, dass sie Schonen verließ und sich zurück nach Dänemark einschiffte. Das Unternehmen war damit gescheitert und der originäre Kriegsplan als auch ein rasches Kriegsende nicht mehr zu erfüllen. Die dänischen Verluste bei dem gescheiterten Invasionsversuch waren niederschmetternd. Über 7500 Mann waren gefallen, verwundet oder gefangen genommen. Die schwedische Seite hatte etwa 2800 Tote oder Verwundete zu beklagen.</span>


== Russische Offensiven im Osten (1710–1714) ==
== Russische Offensiven im Osten (1710–1714) ==
Nach der Kriegswende hatten sich die Bündnispartner über die weiteren Angriffe gegen Schweden abgesprochen. Nachdem Dänemark durch die voreilige Invasion Südschwedens eine schwere Niederlage erlitten hatte, konzentrierte es sich zusammen mit Russland und Sachsen auf die Eroberung der schwedischen Besitzungen in Norddeutschland. Russland griff gleichzeitig auch die letzten Besitzungen in den schwedischen Ostseeprovinzen an. Die Kriegserklärung des Osmanischen Reiches verzögerte zunächst weitere Offensivunternehmungen gegen Schweden. Zar Peter I. erlitt zwar eine Niederlage gegen die Osmanen, konnte aber 1713 den Krieg gegen Schweden wieder aufnehmen und bis 1714 ganz Finnland erobern. Das russische Flottenbauprogramm mündete im Gewinn der Seeherrschaft in der Ostsee, wodurch die schwedische Küste in den Folgejahren russischen Angriffen schutzlos ausgeliefert war.


=== Vollständige Eroberung Livlands und Estlands ===
=== Vollständige Eroberung Livlands und Estlands ===
[[Datei:Riga plan by DEWITT - GMII.jpg|thumb|left|Belagerung von riga 1710]]
[[Datei:Riga plan by DEWITT - GMII.jpg|thumb|left|Belagerung von Riga 1710]]
Während Karl XII. beim Sultan über den Kriegseintritt des Osmanischen Reichs verhandelte, vollendete Zar Peter die Eroberung von Livland und Estland. Die Russen eroberten im Juni [[Wyborg]], am 4. Juli 1710 ergab sich die Stadt [[Riga]] nach längerer Belagerung den Truppen des russischen Generals [[Boris Petrowitsch Scheremetjew]] und im September ergab sich [[Tallinn|Reval]] dem russischen Kommandeur [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]]. Damit erhielten die Russen drei hochseetüchtige Ostseehäfen und eine verbesserte Verteidigungsbasis für St. Petersburg, welches daraufhin zur Hauptstadt des Russischen Reiches erklärt wird. Danach verlagerte sich die Aufmerksamkeit Russlands aufgrund des Krieges gegen das Osmanische Reich für einige Zeit weg von Finnland.<ref>[http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Riga], abgefragt am 9. Januar 2010</ref>
Während Karl XII. beim Sultan über den Kriegseintritt des Osmanischen Reichs verhandelte, vollendete Zar Peter die Eroberung von Livland und Estland. Die Russen eroberten im Juni 1710 [[Wyborg]], am 4. Juli kapitulierte [[Riga]] nach längerer Belagerung durch die Truppen des Feldmarschalls [[Boris Petrowitsch Scheremetjew]] und im September ergab sich [[Tallinn|Reval]] dem russischen Kommandeur [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]]. Damit erhielten die Russen drei hochseetüchtige Ostseehäfen und ein weites, stark gesichertes Umland von St. Petersburg, das zur neuen Hauptstadt des Russischen Reiches erklärt wurde. Anschließend verlagerte sich die Aufmerksamkeit Russlands aufgrund des Krieges gegen das Osmanische Reich für einige Zeit nach Süden.<ref>[http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Riga], abgefragt am 9. Januar 2010</ref>


=== Der Krieg gegen die Osmanen ===
=== Der Krieg gegen die Osmanen ===
[[Datei:Prut pohod in 1711-en.svg|thumb|[[Pruthfeldzug]] Zar Peters I.]]
[[Datei:Prut pohod in 1711-en.svg|thumb|[[Pruthfeldzug]] Zar Peters I.]]
Zar Peters großer Sieg bei Poltawa und seine nachfolgenden Eroberungen im Baltikum wurden insbesondere am Hof des Sultans auf Drängen des Krim-Chans, Karl XII. und Masepas mit Argwohn verfolgt. Peter schickte seinen Botschafter [[Peter Tolstoi]] nach Istanbul und forderte die Auslieferung Karls. Diese wurde abgelehnt. Als Zar Peter I. zunehmend nervöser eine eindeutige Antwort von der Pforte forderte, ob es Krieg oder Frieden wolle, ließ [[Ahmed III.]] als Antwort den Botschafter ins Gefängnis werfen. Am 8. März 1711 erreichte den russischen Monarchen die Kriegserklärung.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 338.</ref> Damit ergab sich für Zar Peter eine gefährliche Situation, die den Erfolg bei Poltawa in Frage stellen konnte, da von den Verbündeten keine Hilfeleistungen zu erwarten waren.
Zar Peters großer Sieg bei Poltawa und seine nachfolgenden Eroberungen im Baltikum wurden insbesondere am Hof des Sultans mit Argwohn verfolgt, wo außer Masepa und Karl XII. auch der [[Khanat der Krim|Krim-Khan]] [[Devlet II. Giray]] auf Gegenmaßnahmen drängte. Peter schickte seinen Botschafter [[Peter Tolstoi]] nach Istanbul und forderte die Auslieferung Karls, die jedoch abgelehnt wurde. Als Zar Peter mit Nachdruck eine Entscheidung der [[Hohe Pforte|Hohen Pforte]] über Krieg oder Frieden verlangte, ließ [[Sultan]] [[Ahmed III.]] den Botschafter als Antwort ins Gefängnis werfen. Nachdem Devlet II. Giray im Januar 1711 mit über 80.000 [[Tataren]], unterstützt von 10.000 pro-schwedischen ukrainischen [[Kosaken]], mehr als 4.000 Polen und 700 Schweden in der Ukraine eingefallen war, erklärte Peter I. am 25. Februar in der [[Uspenski-Kathedrale]] im [[Moskauer Kreml]] den Krieg gegen das Osmanische Reich. Am 8. März 1711 erreichte den russischen Monarchen die Kriegserklärung der Osmanen.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 338.</ref> Damit ergab sich für Zar Peter eine gefährliche Situation, die den Erfolg bei Poltawa in Frage stellen konnte, da er sich nun in einem Zweifrontenkrieg befand und von seinen Verbündeten kaum wirksame Hilfe erwarten konnte.

Daraufhin fiel Zar Peter I., selbst durch eine schwere Krankheit geschwächt, mit seiner Armee ins Osmanische Reich ein. Er hoffte auf einen Aufstand der orthodoxen Christen in den osmanischen Gebieten, der die osmanischen Truppen daran hindern würde, die Donau zu überqueren bevor er den [[Dnjestr]] erreichte. Dieser Aufstand blieb aber aus. Am 5. Juli erreichte Peter I. [[Jassy]]. Am 17. Juli meldete die Vorhut den Vorstoß des Großwesirs. Die ganze russische Armee eilte nun zurück zum Pruth, die ganze Zeit über in Rückzugsgefechte verwickelt. Am 19. Juli verschanzte sich die 38.000 Mann starke russische Armee. Die mehrfach überlegenen osmanischen Truppen kesselten ihn bei [[Huși]], einem kleinen Ort am [[Pruth]], ein. Peter I. war nun auf Gnade und Ungnade des Großwesirs ausgeliefert. [[Had Baltaji]] blieb eine Woche an Ort und Stelle und hätte die russische Armee ohne einen Mann zu verlieren aushungern lassen können. Die osmanische Armee nutzten jedoch ihre überlegene Position nicht aus und ließen ihn für eine Summe von 250.000 [[Rubel]] ehrenvoll abziehen.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 339</ref> Im [[Frieden vom Pruth]] verpflichtete Peter sich, die Festung [[Asow]] abzutreten und sich aus den Gebieten der Kosaken zurückzuziehen. Karl XII. verblieb weiter im Osmanischen Reich und versuchte im November 1711 und im November 1712 ein zweites und drittes Mal erfolglos den Sultan zum Krieg gegen Russland zu überreden. Die [[Hohe Pforte]] hatte aber keine Gelder für eine kriegerische Unternehmung mehr übrig. Der [[Frieden von Adrianopel (1713)|Frieden von Adrianopel]] vom 24. Juni 1713, vermittelt von den Seemächten, klärte die übrig gebliebenen Differenzen beider Mächte.
Aus diesem Grund suchte Peter I. die Entscheidung in der Offensive und fiel mit seiner Armee über den [[Dnjestr]] ins Osmanische Reich ein. Er hoffte auf einen Aufstand der orthodoxen Christen auf dem [[Balkan]], der die osmanischen Truppen daran hindern würde, die Donau zu überqueren. Dieser Aufstand, der ihm von dem [[Fürstentum Moldau|moldawischen Fürsten]] [[Dimitrie Cantemir]] in Aussicht gestellt worden war, blieb aber aus. Am 5. Juli 1711 erreichte der durch eine schwere Krankheit geschwächte Zar [[Jassy]]. Am 17. Juli meldete die Vorhut den Vorstoß des osmanischen [[Großwesir]]s [[Baltaji Mehmed Pascha]]. Die gesamte russische Armee eilte nun zurück zum [[Pruth]] und war ständig in Rückzugsgefechte verwickelt. Als sich die 38.000 Russen am 19. Juli bei [[Huși]], einem kleinen Ort am Pruth verschanzten, wurden sie von mehrfach überlegenen osmanischen Truppen eingekesselt. Peter war nun auf Gnade oder Ungnade dem Großwesir ausgeliefert, der jedoch auf die mögliche Aushungerung der Russen verzichtete und stattdessen das Friedensangebot des Zaren annahm, der anscheinend durch Zahlung von 250.000 [[Rubel]] nachhalf, um einen ehrenvollen Abzug zu erhalten.<ref>Robert Nisbet Bain: ''Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900'', Cambridge 1905, S. 339.</ref> Im [[Frieden vom Pruth]] trat Russland die 1696 eroberte Festung [[Asow]] wieder an das Osmanische Reich ab und verpflichtete sich zum Abzug aus den Gebieten der Kosaken. Karl XII. verblieb weiter im Osmanischen Reich und versuchte im November 1711 und im November 1712 zwei weitere Male erfolglos, den Sultan zum Krieg gegen Russland zu überreden. Die Hohe Pforte hatte aber keine finanziellen Mittel für weitere kriegerische Unternehmungen zur Verfügung. Der [[Frieden von Adrianopel (1713)|Frieden von Adrianopel]] vom 24. Juni 1713, vermittelt von den Seemächten, klärte die übrigen Differenzen zwischen Russland und dem Osmanischen Reich.


=== Eroberung Finnlands ===
=== Eroberung Finnlands ===
[[Datei:Pälkäne 1713.png|miniatur|left|Schlacht von Palkäne 17. Oktober 1713]]
[[Datei:Pälkäne 1713.png|miniatur|left|[[Schlacht von Pälkäne]] 17. Oktober 1713]]
Zar Peter I. wendete sich nach der erfolglosen [[Pruth-Kampagne]] wieder dem Kriegsschauplatz an der Ostsee zu und erhöhte den Druck auf Stockholm. 1712 verhinderten noch logistische Probleme eine groß angelegte Invasion Finnlands. Im Frühling 1713 begann die lang geplante amphibische Invasion Finnlands. Eine russische Flotte mit „200 Segeln“ und 16.000 Mann besetzt segelte hierzu von Petersburg und landeten am 10. Mai bei [[Helsingfors]]. Der dortige schwedische Kommandant [[Georg Henrik Lybecker]] wartete jedoch das Bombardement der Invasionsstreitmacht nicht ab, verbrannte die Stadt, räumte darauf selbst die finnische Hauptstadt [[Turku|Abo]] und zog sich, von den Russen gefolgt, in das Innere des Landes zurück.<ref>Stewart P. Oakley: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992, S. 113</ref> Bevor Zar Peter I., der als Konteradmiral bei der Unternehmung beiwohnte, im September nach Russland zurückkehrte, übertrug er [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]] das Kommando über die Flotte. General [[Carl Gustaf Armfeldt (1666–1736)|Carl Gustaf Armfeldt]] wurde das Kommando über die Truppen in Finnland im August 1713 übertragen und löste den erfolglosen Lybecker ab. Lybecker hatte ihm eine hungernde, demoralisierte und schlecht ausgerüstete Armee hinterlassen. Erkundungsunternehmungen waren unmöglich, da die Kavallerie für solche Aufgaben nicht mehr einsatzfähig war. Als der russische General [[Michail Michailowitsch Golizyn|Michail Golizyn]], im Februar 1714 nach [[Österbotten]] marschierte, platzierte General Armfeldt seine Streitkräfte in einer Defensivposition bei dem Dorf Napo, östlich von [[Vaasa]]. Nach der sich anschließenden [[Schlacht bei Storkyro]] am 19. Februar, bei der die russische Armee siegte, wurde die gesamte schwedische Armee in Finnland zerstört.
Nach der erfolglosen Kampagne am Pruth wandte Zar Peter sich wieder dem Kriegsschauplatz an der Ostsee zu, um den Druck auf Stockholm zu erhöhen. Nach Überwindung einiger logistischer Probleme begann im Frühling 1713 die lang geplante Invasion Finnlands. Eine russische Flotte mit „200 Segeln“ und 16.000 Mann lief von Petersburg aus und landete am 10. Mai bei [[Helsingfors]]. Der dortige schwedische Kommandant [[Georg Henrik Lybecker]] wartete jedoch das Bombardement der Invasionsstreitmacht nicht ab, sondern verbrannte die Stadt und zog sich, nachdem er auch die finnische Hauptstadt [[Turku|Abo]] vor den russischen Verfolgern geräumt hatte, ins Landesinnere zurück.<ref>Stewart P. Oakley: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992, S. 113.</ref> Bevor Zar Peter, der als Konteradmiral der Unternehmung beiwohnte, im September nach Russland zurückkehrte, übertrug er [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]] das Kommando über die Flotte. Bei den Schweden wurde der erfolglose Lybecker im August 1713 durch General [[Carl Gustaf Armfeldt (1666–1736)|Carl Gustaf Armfeldt]] abgelöst. Lybecker hatte eine schlecht ausgerüstete, hungernde und demoralisierte Armee hinterlassen, in der es vor allem an der Aufklärung haperte, da die Kavallerie für solche Aufgaben nicht mehr einsatzfähig war. Als der russische General [[Michail Michailowitsch Golizyn|Michail Golizyn]] im Februar 1714 nach [[Österbotten]] marschierte, platzierte Armfeldt seine Streitkräfte in einer Defensivposition bei dem Dorf Napo, östlich von [[Vaasa]]. Nach dem russischen Sieg am 19. Februar in der [[Schlacht bei Storkyro]] wurde die gesamte schwedische Armee in Finnland vernichtet.
[[Datei:Bakua.jpg|thumb|200px|Die Seeschlacht bei Hangö am 27. August 1714]]
[[Datei:Bakua.jpg|thumb|Die Seeschlacht bei Hangö am 27. August 1714]]


=== Russland gewinnt die Seeherrschaft in der Ostsee ===
=== Russland gewinnt die Seeherrschaft in der Ostsee ===
Zur Bedrohung Stockholms war die Seeherrschaft in der nördlichen Ostsee eine Grundvoraussetzung. Zu Land waren die russischen Streitkräfte zwar der schwedischen überlegen. Zu Wasser aber dominierten die Schweden mit ihren großen Linienschiffen, die viele Geschütze tragen konnten. Die einzige Chance der russischen Flotte für einen Sieg war eine Schlacht in Küstennähe. Unter Aufbietung aller Mittel verdoppelte der Zar seine Ostseeflotte und stellte sie unter das Kommando erfahrener Venezianer und Griechen. Ende Mai 1714 ging die Flotte von [[Kronstadt (Russland)|Kronstadt]] in See, mit dem Ziel den weiteren Vormarsch in Finnland zu decken und auf [[Åland]] zu landen. Im August 1714 lagen sich die beiden Flotten bei [[Hanko|Hangö]] gegenüber. Während einer anhaltenden Flaute kämpften sich die kleineren, aber wendigen russischen Schiffe durch den schwedischen Geschützhagel und enterten die unbeweglichen schwedischen Schiffe eins nach dem anderen. Die russische Flotte konnte nun nach Aland fahren und dort mehrere Male landen. Damit herrschte die russische Flotte über die nördliche Ostsee. Der Sieg der russischen Flotte sicherte nicht allein die Eroberung Finnlands, sondern veranlasste auch die Eroberung der [[Alandinseln]]. Mit der Wegnahme der Stadt [[Savonlinna|Nyslott]] am 9. August wurde die Eroberung Süd[[finnland]]s abgeschlossen, das als Basis für Angriffe gegen das schwedische Kernland benutzt wurde, die sich in den Folgejahren anschlossen. Fürst Golizyn wurde nach der Eroberung Finnlands zum Gouverneur ernannt. In der finnischen Geschichte ging die Zeit der russischen Besetzung zwischen 1713 und 1721 als Zeit des [[Großer Unfrieden|Großen Unfriedens]] ein.
Für die Bedrohung Stockholms war die Seeherrschaft in der nördlichen Ostsee eine Grundvoraussetzung. Zu Land waren die russischen Streitkräfte zwar den schwedischen überlegen. Zu Wasser aber dominierten die Schweden mit ihren großen Linienschiffen, die viele Geschütze tragen konnten. Die einzige Chance der russischen Flotte für einen Sieg war eine Schlacht in Küstennähe. Unter Aufbietung aller Mittel verdoppelte der Zar seine Ostseeflotte und stellte die Schiffe unter das Kommando erfahrener Venezianer und Griechen. Ende Mai 1714 stach Admiral Apraxin von [[Kronstadt (Russland)|Kronstadt]] in See mit dem Auftrag, den weiteren Vormarsch in Finnland zu decken und auf [[Åland]] zu landen. Im August 1714 lagen sich die beiden Flotten bei der [[Hanko]]-Halbinsel gegenüber. Nachdem Peter I. persönlich weitere Verstärkungen aus dem Baltikum heranführte, kämpften sich die russischen [[Galeere]]n während einer anhaltenden Flaute durch den schwedischen Geschützhagel und enterten die unbeweglichen schwedischen Schiffe. Anschließend landeten die Russen auf den [[Alandinseln]]. Damit herrschte die russische Flotte über die nördliche Ostsee.
Der [[Seeschlacht von Hanko|Seesieg von Hanko]] ermöglichte nicht nur die Einnahme Ålands sondern sicherte auch die Eroberung Südfinnlands, die mit der Wegnahme der Stadt [[Savonlinna|Nyslott]] am 9. August abgeschlossen wurde. In den Folgejahren wurde der Hafen als Basis für Angriffe gegen das schwedische Kernland benutzt. Zum Gouverneur Finnlands wurde Fürst Golizyn ernannt. In der finnischen Geschichte ging die Zeit der russischen Besetzung zwischen 1713 und 1721 als ''Zeit des Großen Unfriedens'' ein.


== Kampf um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland (1711–1715) ==
== Kampf um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland (1711–1715) ==
[[Datei:Großer Nordischer Krieg in Pommern.PNG|thumb|upright|Norddeutscher Kriegsschauplatz zwischen 1711 und 1715]]
[[Datei:Großer Nordischer Krieg in Pommern.PNG|thumb|upright|Norddeutscher Kriegsschauplatz zwischen 1711 und 1715]]
{{Hauptartikel|Pommernfeldzug 1715/1716}}
Während Russland 1710 und 1711 problemlos die verbliebenen schwedischen Festungen in Livland und Estland erobert hatte und in den Folgejahren auch Finnland ganz erobern konnte, verlief die Eroberung der schwedischen Besitzungen in Norddeutschland wesentlich schwieriger. Grund dafür waren die starken Festungsanlagen in Wismar, Stralsund und Stettin. Zudem beherrschten die Schweden die südliche Ostsee und konnten mehrfach Truppenverstärkungen anlanden und die Belagerung der Alliierten unwirksam machen. Die Dänen, Russen und Sachsen mussten ihrerseits lange Marschwege zu den Kriegsschauplatz in Kauf nehmen. Die Alliierten traten auf diesem Schauplatz das einzige Mal zusammen und in Abstimmung miteinander auf. Dennoch verzögerten mehrfach Unstimmigkeiten und gegenseitiges Misstrauen ein wirkungsvolleres Vorgehen, so dass sie drei Anläufe benötigten, um die letzten schwedischen Bastionen in Schwedisch-Pommern zu erobern. Erst die Kriegseintritte Hannovers und Preußens 1715 brachten den Alliierten die endgültige militärische Oberhand.
=== Alliierte Angriffe auf Stralsund und Wismar scheitern ===
Nach dem gescheiterten Invasionsversuch in Schonen 1710 verlagerten sich die Kriegsbemühungen Dänemarks nach Norddeutschland. Ursprünglich war geplant, dass ein weiterer dänischer Angriff auf Schweden im nächsten Jahr von [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] ausgehen sollte. Dort aber herrschte die [[Pest]], die eine Kriegführung unmöglich machte. Stattdessen entschied sich der dänische König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV.]], seine weiteren Kriegsbemühungen auf die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland zu verlagern. Die Staaten der [[Große Allianz|großen Allianz]] hatten ein großes Interesse den Krieg von Deutschland fernzuhalten. So war im [[Haager Konzert]] am 31. März 1710 vom habsburgischen Kaiser, Holland und England 1710 die Neutralität der schwedischen und dänischen Besitzungen in Deutschland festgesetzt worden. Da aber Karl XII. gegen diesen Vertrag protestierte, hielten sich auch die Dänen im Folgenden nicht an diese Vereinbarung. Eine dänische Armee von 19.000 Mann sammelte sich hierauf in [[Holstein]] und startete im Juli die Feldzugskampagne. Nach dem erfolgten Vormarsch wurde seit dem 17. August 1711 die Festung [[Wismar]] von einem dänischen Einschließungskorps unter Generalleutnant Schönfeld [[Blockade (Militär)|blockiert]]. Die Bündnispartner König Friedrichs IV., insbesondere [[August II. (Polen)|August der Starke]], konnten den König davon überzeugen, alle Bemühungen auf die Eroberung der bedeutenderen Festung [[Stralsund]] zu konzentrieren. Im Ergebnis nahm die dänische Armee ihren Marsch durch [[Mecklenburg]] Richtung Schwedisch-Pommern wieder auf und ließ lediglich ein schwaches Beobachtungs- und Blockadekorps vor Wismar zurück, das letztendlich die schwedische Enklave nicht erobern konnte. Am 29. August 1711 drangen erstmals dänische Truppen unter dem Kommando König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrichs IV.]] von [[Mecklenburg]] aus bei [[Ribnitz-Damgarten|Damgarten]] in Schwedisch-Pommern ein. Die Schweden hatten hier nur 8.000 Mann unter Oberst [[Karl Gustav Düker]] stehen.<ref>Hans Branig: ''Geschichte Pommerns Teil II. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts''. Köln 2000, 53.</ref> Zu den Dänen stießen Anfang September 1711 russische Truppen unter Menschikow und sächsische Truppen unter Flemming aus Polen. Sie waren durch die [[Neumark (Landschaft)|Neumark]] und die [[Uckermark]] gekommen und vereinigten sich bald darauf mit dem dänischen Heer. Damit gingen die Mitglieder der Nordallianz zum ersten Mal in all den Jahren des Krieges in einer gemeinsamen Operation vor.<ref>Evgeniĭ Viktorovich Anisimov: ''The reforms of Peter the Great. Progress through coercion in Russia'', London 1993, S. 134.</ref> Die zahlenmäßig unterlegenen Schweden beschränkten sich deshalb auf die Verteidigung der beiden Festungen Stettin und Stralsund sowie der Insel [[Rügen]].


Während Russland 1710 und 1711 die verbliebenen schwedischen Festungen in Livland und Estland erobert hatte und in den Folgejahren auch ganz Finnland unter seine Kontrolle brachte, gestaltete sich die Eroberung der schwedischen Besitzungen in Norddeutschland wesentlich schwieriger. Grund dafür waren die starken Festungsanlagen in [[Wismar]], [[Stralsund]] und [[Stettin]]. Zudem beherrschten die Schweden die südliche Ostsee und konnten mehrfach Nachschub und frische Truppen anlanden, um die Belagerungsanstrengungen der Alliierten zu durchkreuzen. Die Dänen, Russen und Sachsen mussten ihrerseits lange Anmarschwege in Kauf nehmen. Obwohl die Verbündeten an diesem Schauplatz zum ersten und einzigen Mal in koordinierter Abstimmung auftraten, verzögerten Unstimmigkeiten und gegenseitiges Misstrauen ein wirkungsvolleres Vorgehen, so dass sie drei Anläufe benötigten, um die letzten schwedischen Bastionen in Schwedisch-Pommern zu erobern. Erst der Kriegseintritt Hannovers und Preußens 1715 brachte der Koalition endgültig die militärische Oberhand.
Ab dem 7. September 1711 kam es zu einer ersten Belagerung von Stralsund durch die verbündeten Heere, der sich weitere in den Folgejahren anschließen sollte. Die Besatzung der Schweden bestand aus 9000 Mann unter Kommando von Generalmajor Ekeblad. Der alliierten Belagerungsarmee fehlte schwere [[Artillerie]] und genügend Nahrungsmittel für die rund 30.000 Mann starke Truppe.<ref>Herbert Ewe, ''Geschichte der Stadt Stralsund''. Weimar 1984, S. 194.</ref> Grund dafür waren Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Alliierten. Erst Anfang November erreichten einige Schiffe mit der geforderten Artillerie das Belagerungsheer, das zu diesem Zeitpunkt bereits hohe Ausfälle aufgrund von Krankheiten und Hunger erlitten hatte. Am 4. Dezember ging die schwedische Flotte, bestehend aus 24 Linienschiffen und vier Fregatten, von Karlskrona aus in See, um die belagerte Festung zu entsetzen. Am 8. Dezember 1711 setzte die Flotte bei Perth auf Rügen 6.000 Schweden zur Unterstützung Stralsunds an Land. Friedrich IV. gab nun die Hoffnung auf eine baldige Eroberung auf und zog sich am 7. Januar 1712 nach über 17 Wochen Belagerung mit dem verbliebenen Heer, wovon er mehr als ein Drittel vor Stralsund verloren hatte, nach Wismar und Mecklenburg zurück.<ref>Knut Lundblad: ''Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden'', Band 2, 1840, S. 234</ref> Vor Wismar gelang den Dänen zwar ein erfolgreiches [[Gefecht bei Lübow]] gegen einen großangelegten Ausfall der schwedischen Garnison. Aber nachdem die Festung Wismar von der Seeseite weitere 2000 Mann Verstärkung erhielt, zogen sich auch hier die Dänen zu den Winterlagern nach Mecklenburg zurück.

=== Vergebliche Belagerung von Wismar und Stralsund ===
Nach dem gescheiterten Invasionsversuch in Schonen 1710 verlagerten sich im Folgejahr die Kriegsbemühungen Dänemarks nach Norddeutschland. Ursprünglich hatte der dänische König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV.]] einen weiteren Angriff auf Schweden von [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] aus geplant, doch die [[Pest]] auf der Insel vereitelte die Durchführung. Daher entschied er sich, seine weiteren Kriegsbemühungen auf die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland zu konzentrieren. Die Staaten der [[Große Allianz|Großen Allianz]] hatten ein starkes Interesse, den Krieg von Deutschland fernzuhalten. So war im ''Haager Konzert'' am 31. März 1710 durch Kaiser [[Joseph I. (HRR)|Joseph I. von Habsburg]] in Übereinstimmung mit Holland und England die Neutralität der schwedischen und dänischen Besitzungen in Deutschland festgelegt worden. Da aber Karl XII. gegen diesen Vertrag protestierte, hielten sich auch die Dänen im Folgenden nicht an die Vereinbarung. Eine dänische Armee von 19.000 Mann sammelte sich in [[Holstein]] und startete im Juli den Feldzug. Nach erfolgreichem Vormarsch wurde ab dem 17. August 1711 die Festung [[Wismar]] von einem dänischen Einschließungskorps unter Generalleutnant Schönfeld [[Blockade (Militär)|blockiert]]. Die Bündnispartner König Friedrichs IV., insbesondere [[August II. (Polen)|August der Starke]], konnten diesen jedoch davon überzeugen, alle Bemühungen auf die Eroberung der bedeutenderen Festung [[Stralsund]] zu konzentrieren. So nahm die dänische Armee ihren Marsch durch [[Mecklenburg]] wieder auf und ließ lediglich ein schwaches Beobachtungs- und Blockadekorps vor Wismar zurück, das die schwedische Enklave nicht erobern konnte. Am 29. August 1711 drangen erstmals dänische Truppen unter dem Kommando ihres Königs bei [[Ribnitz-Damgarten|Damgarten]] in Schwedisch-Pommern ein. Die Schweden hatten dort nur 8000 Mann unter Oberst [[Karl Gustav Düker]] stehen.<ref>Hans Branig: ''Geschichte Pommerns Teil II. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts''. Köln 2000, 53.</ref> Zu den Dänen stießen Anfang September 1711 russische Truppen unter Feldmarschall Menschikow und sächsische unter General [[Jacob Heinrich von Flemming|Flemming]] aus Polen. Sie waren durch die brandenburgische [[Neumark (Landschaft)|Neumark]] und die [[Uckermark]] gezogen und vereinigten sich vor Stralsund mit dem dänischen Heer. Damit gingen die Mitglieder der Nordallianz zum ersten Mal in einer gemeinsamen Operation vor.<ref>Evgeniĭ Viktorovich Anisimov: ''The reforms of Peter the Great. Progress through coercion in Russia'', London 1993, S. 134.</ref> Die zahlenmäßig unterlegenen Schweden beschränkten sich aufgrund der gegnerischen Übermacht auf die Verteidigung der beiden Festungen Stettin und Stralsund sowie der Insel [[Rügen]].

Ab dem 7. September 1711 kam es zur [ersten Belagerung von Stralsund durch die verbündeten Heere, der sich in den Folgejahren weitere anschlossen. Die Besatzung der Schweden bestand aus 9000 Mann unter dem Kommando von Generalmajor Ekeblad. Der Fortgang der Belagerung stockte aber, da es der alliierten Belagerungsarmee an schwerer [[Artillerie]] und Nahrungsmitteln für die rund 30.000 Mann starke Truppe fehlte.<ref>Herbert Ewe, ''Geschichte der Stadt Stralsund''. Weimar 1984, S. 194.</ref> Grund dafür waren Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Alliierten. Erst Anfang November erreichten einige Schiffe mit der angeforderten Artillerie das Belagerungsheer, das zu diesem Zeitpunkt bereits hohe Ausfälle aufgrund von Krankheiten und Hunger hatte. Die Schweden besaßen im südlichen Teil der Ostsee immer noch die Seeherrschaft und konnten so vom gegenüberliegenden Flottenstützpunkt in Karlskrona die belagerte Festung wirksam entsetzen. Am 4. Dezember stach die schwedische Flotte, bestehend aus 24 Linienschiffen und vier Fregatten, mit diesem Auftrag von Karlskrona aus in See. Am 8. Dezember 1711 setzte sie bei Perth auf Rügen 6000 Schweden zur Unterstützung Stralsunds an Land. Friedrich IV. gab die Hoffnung auf eine baldige Eroberung auf und zog sich am 7. Januar 1712 mit den verbliebenen Kräften nach Wismar und Mecklenburg zurück. Während der siebzehnwöchigen Belagerung Stralsunds hatte er mehr als ein Drittel seiner Truppenstärke eingebüßt.<ref>Knut Lundblad: ''Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden'', Band 2, 1840, S. 234</ref> Vor Wismar gelang den Dänen zwar ein Sieg im [[Gefecht bei Lübow]] gegen einen großangelegten [[Ausfall (Taktik)|Ausfall]] der schwedischen Garnison. Aber nachdem die Festung von der Seeseite weitere 2000 Mann Verstärkung aus Schweden erhalten hatte, zogen sich auch dort die Dänen in die [[Winterlager]] nach Mecklenburg zurück.


=== Eroberung von Bremen-Verden ===
=== Eroberung von Bremen-Verden ===
Dänemark konzentrierte sich für die kommende Feldzugsaison 1712 auf das schwedische [[Bremen-Verden]], während Russland und Sachsen ihrerseits Schwedisch-Pommern angriffen. 1712 marschierte die 12.000 Mann starke dänische Armee in das schwedische [[Verden (Territorium)|Herzogtum Verden]] ein. Dieses weit entfernte schwedische Besitztum war nur sehr schlecht geschützt. In [[Stade]] verfügte der schwedische Gouverneur Graf [[Maurtiz Bellingk]] über 2200 Mann und eine unzuverlässige Landmiliz. Die Stimmung der Bewohner in Bremen-Verden war aufgrund der jahrelangen Rekrutierungen zunehmend schwedenfeindlich, so dass ein teils offen ausgetragener Aufstand ausbrach, der nur mit dem Einsatz bewaffneter Konflikt niedergeschlagen werden konnte. Da der Kurfürst von Hannover dem dänischen Heer den Durchmarsch durch sein Land verwehrte, setzten die Dänen bei [[Brockdorf]] über die [[Elbe]]. Am 31. Juli setzten die Dänen mit 150 Schiffen bei [[Drochtersen]] auf der anderen Elbeseite über. [[Buxtehude]] und die Schwingerschanze fielen sofort in dänischen Besitz. Nachdem sächsische Artillerie eingetroffen war, rückte die dänische Armee vor [[Stade]]. Am 6. September 1712 wurde die Stadt den Dänen übergeben. Am 1. Oktober fiel auch das Bremerland in dänischen Besitz. [[Ottersberg]] und [[Verden]] wurden von [[Kurhannover]] besetzt, da es nicht zulassen konnte, erneut vom Meer abgeschnitten zu sein, und den dänischen Machtzuwachs nicht hinnehmen konnte. Schließlich war es im Interesse Hannovers, seine Ansprüche auf das gesamte Gebiet für spätere Friedensverhandlungen zu manifestieren. Die [[Welfen]] versuchten, Dänemark zu einem Verzicht auf die Herzogtümer zu bewegen. In langwierigen Verhandlungen konnte kein Durchbruch erzielt werden, da Dänemark auf hohe finanzielle Entschädigungen drängte. Erst als [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I.]] Ende 1714 englischer König geworden war und nun eine Großmacht mit einer starken Flotte hinter sich hatte, kam Bewegung in die Verhandlungen. Großbritannien beteiligte sich zwar nicht direkt am Krieg, leistete den Nordischen Alliierten jedoch durch den Schutz der Schifffahrt und durch seine Präsenz in der Ostsee indirekt Hilfe. Als Preußen Hannover in einem Bündnisvertrag am 27. April 1715 den Besitz Bremen-Verdens zusicherte, konnte sich Dänemark dem diplomatischen Druck in der antischwedischen Koalition nicht mehr versagen und trat am 2. Mai 1715 Bremen-Verden gegen eine hannoversche Ausgleichszahlung ab.
Dänemark konzentrierte sich in der Feldzugsaison 1712 auf das schwedische [[Bremen-Verden]], während Russland und Sachsen Schwedisch-Pommern angriffen. 1712 marschierte die 12.000 Mann starke dänische Armee in das schwedische [[Verden (Territorium)|Herzogtum Verden]] ein. Dieses weit entfernte schwedische Besitztum war nur sehr schlecht geschützt. Im Hauptort [[Stade]] verfügte der schwedische Gouverneur Graf [[Maurtiz Bellingk]] zwar über 2200 Mann und eine unzuverlässige Landmiliz. Die Stimmung der einheimischen Bevölkerung war aber aufgrund der jahrelangen Rekrutierungen zunehmend schwedenfeindlich, so dass ein Aufstand ausbrach, der nur mit Waffengewalt niedergeschlagen werden konnte. Da der Kurfürst von Hannover dem dänischen Heer den Durchmarsch durch sein Land verwehrte, setzten die vorstoßenden Dänen ihre Truppen am 31. Juli mit 150 Schiffen bei [[Brokdorf|Brockdorf]] und [[Drochtersen]] über die [[Elbe]]. [[Buxtehude]] und die [[Bremen-Verdener Feldzug#Belagerung Stades 1676|Schwingerschanze]] stellten keine Hindernisse dar, und nachdem sächsische Artillerie eingetroffen war, rückte die dänische Armee vor [[Stade]]. Am 6. September 1712 wurde die Stadt den Dänen übergeben. Am 1. Oktober fiel auch das Bremerland. Damit war ganz Bremen-Verden von Dänemark erobert.
[[Ottersberg]] und [[Verden]] wurden von [[Kurhannover]] besetzt, das nicht zulassen wollte, durch den dänischen Machtzuwachs erneut vom Meer abgeschnitten zu werden. Deshalb lag es im Interesse Hannovers, seine Ansprüche auf das gesamte Gebiet für spätere Friedensverhandlungen anzumelden. Das hannoversche Herrschergeschlecht der [[Welfen]] versuchte, Dänemark auf diplomatischem Weg zu einem Verzicht auf die Herzogtümer zu bewegen. In den sich anschließenden langwierigen Verhandlungen konnte zunächst kein Durchbruch erzielt werden, da Dänemark auf hohe finanzielle Entschädigungen drängte. Erst als [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I.]] Ende 1714 englischer König wurde und eine Großmacht mit einer starken Flotte hinter sich hatte, kam Bewegung in die Verhandlungen. [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]] beteiligte sich zwar nicht direkt am Krieg, leistete den nordischen Alliierten jedoch durch seine Flottenpräsenz in der Ostsee indirekt Hilfe. Als Preußen Hannover in einem Bündnisvertrag am 27. April 1715 den Besitz Bremen-Verdens zusicherte, konnte sich Dänemark dem diplomatischen Druck in der antischwedischen Koalition nicht mehr versagen und trat am 2. Mai 1715 Bremen-Verden gegen eine hannoversche Ausgleichszahlung ab.


=== Schwedischer Feldzug nach Holstein ===
=== Schwedischer Feldzug nach Holstein ===
[[Datei:Altona.brand.1713.jpg|thumb|left|250px|Das dänische Altona wird während [[Magnus Stenbock|Stenbock]]'s Kampagne 1713 niedergebrannt.]]
[[Datei:Altona.brand.1713.jpg|thumb|left|Das dänische Altona wird während [[Magnus Stenbock|Stenbocks]] Kampagne 1713 niedergebrannt.]]
Russland konzentrierte sich im Feldzugsjahr 1712 zuerst auf Stettin. Hierzu zogen sie 40.000 Mann im Juni 1712 zusammen. Peter I. wollte Stettin erobern, um so Preußen in den offenen Krieg gegen Schweden zu locken. Aufgrund der Verzögerungen bei dem Transport der dänischen Belagerungsartillerie hob [[Alexander Danilowitsch Menschikow|Menschikow]] die Blockade auf und zog mit dem Heer gegen Stralsund. Es kam zur [[Belagerung von Stralsund (1712)|zweiten Belagerung von Stralsund]], bei der die Verbündeten 7.000 Sachsen und 38.000 Russen aufboten. In Schweden waren derweil neue Anwerbungen getätigt worden um den Krieg auf deutschen bzw. polnischen Boden zu tragen. Am 3. September lief die schwedische Flotte aus [[Karlskrona]] mit 24 [[Linienschiff]]en, drei [[Fregatte]]n und 130 [[Transportschiff]]en mit 10.000 Mann aus. Im September 1712 landete der schwedische Feldherr Stenbock mit 10.000 Mann auf [[Rügen]] an. Der Großteil der Transportflotte wurde jedoch von der dänischen Kriegsflotte zerstört, nachdem die schwedische Kriegsflotte die Aufmerksamkeit der dänischen Flotte nicht auf sich ziehen konnte und ausmanövriert wurde. Durch den Verlust der Transportflotte war eine Versorgung der angelandeten Truppen nicht mehr möglich. Auch der geplante zweite Transport mit 6000 Mann und Artillerie und [[Tross]] konnte nicht mehr stattfinden. Als die Truppen sich auf Rügen etwas erholt hatten, wurden sie nach Stralsund gebracht.
Russlands Kriegsbemühungen richteten sich im Feldzugsjahr 1712 zunächst auf Stettin, mit dessen Eroberung man hoffte, das an der Odermündung interessierte Preußen zum Kriegseintritt gegen Schweden zu bewegen. Hierzu zogen die Russen im Juni 1712 40.000 Mann vor der Stadt zusammen. Dänemark wollte den Angriff durch Überstellung seiner Belagerungsartillerie unterstützen; die eigene konnte von der russischen Armee wegen des weiten Anmarschweges nicht mitgeführt werden. Aufgrund der Verzögerungen beim Transport der dänischen Mörser und Kanonen hob Feldmarschall [[Alexander Danilowitsch Menschikow|Menschikow]] aber die Blockade auf und zog weiter gegen Stralsund, für dessen zweite Belagerung 7.000 Sachsen und 38.000 Russen aufgeboten wurden. In Schweden waren unterdessen neue Anwerbungen getätigt worden, um den Krieg auf deutschen bzw. polnischen Boden zu tragen und so die bedrängten Festungen in Schwedisch-Pommern zu entlasten. Am 3. September lief die schwedische Flotte von [[Karlskrona]] mit 24 [[Linienschiff]]en, drei [[Fregatte]]n und 130 [[Transportschiff]]en mit 10.000 Mann aus. Wenige Tage später landete der zum Feldmarschall beförderte Magnus Stenbock mit dem schwedischen Heer auf [[Rügen]]. Der Großteil der Transportschiffe wurde jedoch von der dänischen Kriegsflotte zerstört, da die schwedischen Kriegsschiffe von den Dänen ausmanövriert wurden und sie die unbewaffnete Transportflotte schutzlos zurückließen. Durch diesen Verlust war die Versorgung der angelandeten schwedischen Truppen unterbrochen und auch der geplante zweite Transport mit weiteren 6000 Mann, der Artillerie und dem [[Tross]] konnte nicht mehr stattfinden. Nachdem die schwedischen Soldaten sich auf Rügen etwas erholt hatten, wurden sie nach Stralsund gebracht.


Durch die Landung scheiterte die Belagerung Stralsunds durch die Alliierten erneut. Das strategische Ziel des schwedischen Heeres war es aber, die Verbündeten aus Pommern zurückzudrängen und den Krieg nach Mecklenburg und [[Holstein]] zu verlagern. Die Sachsen und Russen hatten während der Blockierung Stralsunds Gräben von [[Greifswald]] bis zum [[Tribsees]] gezogen, die von den Schweden nicht durchbrochen werden konnten. So musste sich Stenbock den Weg durch [[Mecklenburg]] bahnen. Am 2. November brach er mit 14.000 Mann Infanterie und Kavallerie auf. Der Ausbruch führte über den Pass bei [[Damgarten]] über die [[Recknitz]] zur pommerschen Grenze. Am 4. November stand die ganze schwedische Armee auf mecklenburgischen Boden. Die dort stehenden dänischen und sächsischen Truppen zogen sich zurück. Am 5. November ließ der sächsische Kurfürst, der nach Tribsee und [[Sülze]] vorgerückt war, dem dänischen König [[Friedrich IV. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich IV.]] die Lage erklären und um eine Vereinigung der Truppen ersuchen. Diese war aber durch den Vormarsch der Schweden unmöglich geworden. Die schwedische Armee zog weiter nach [[Rostock]] und nahm die Stadt ein, da hier eine bessere Kommunikation mit [[Wismar]], Stralsund und Schweden möglich war, für die Absprache der weiteren Kriegsziele. Die sächsischen und russischen Truppen waren den Bewegungen Stenbocks gefolgt und zogen nach [[Güstrow]]. Bei Unterhandlungen der Kriegsparteien wurde ein 14-tägiger Waffenstillstand vereinbart, der von den Alliierten dazu genutzt werden sollte, die schwedische Armee einzukreisen. Die Dänen hingen bei dem Vormarsch noch zurück.
Durch die Landung der schwedischen Truppen musste die Belagerung Stralsunds durch die Alliierten erneut abgebrochen werden. Die Stadt war aber nicht in der Lage, ein so großes Heer längerfristig zu versorgen. Weil ein Rücktransport ebenfalls unmöglich war, musste Stenbock den Ausbruch wagen, um die Koalitionsverbände aus Pommern zurückzudrängen und den Krieg nach Mecklenburg und [[Holstein]] zu verlagern. Da die sächsischen und russischen Truppen während der Blockierung Stralsunds Gräben von [[Greifswald]] bis nach [[Tribsees]] gezogen hatten, war ein Durchbruch der Schweden in Pommern jedoch nicht möglich, und so musste sich Stenbock den Weg durch Mecklenburg bahnen. Am 2. November brach er mit 14.000 Mann Infanterie und Kavallerie auf. Der Ausbruch führte über den Pass bei [[Damgarten]] über die [[Recknitz]] zur pommerschen Grenze. Am 4. November stand die ganze schwedische Armee auf mecklenburgischem Boden. Die dort stehenden dänischen und sächsischen Truppen zogen sich daraufhin zurück. Am 5. November ließ der sächsische Kurfürst, der nach Tribsees und [[Sülze]] vorgerückt war, dem dänischen König Friedrich IV. die Lage erklären und um eine Vereinigung der Truppen ersuchen. Diese war aber durch den Vormarsch der Schweden unmöglich geworden. Die schwedische Armee zog weiter nach [[Rostock]] und nahm die Stadt ein, da von dort eine bessere Kommunikation mit [[Wismar]], Stralsund und Schweden möglich war. Die sächsischen und russischen Truppen waren den Bewegungen Stenbocks gefolgt und zogen nach [[Güstrow]]. Bei Unterhandlungen der Kriegsparteien wurde ein 14-tägiger Waffenstillstand vereinbart, der von den Alliierten dazu genutzt werden sollte, die schwedische Armee einzukreisen und Zeit zu gewinnen, da die Dänen bei ihrem Vormarsch noch zurücklagen.


Stenbock sah die Notwendigkeit, dass er die Gegner einzeln angreifen müsse, bevor sie sich vereinigen konnten. Aus Wismar trafen weitere Verstärkungen für Stenbock ein. Als Stenbock von dem Annahen der dänischen Armee unter Friedrich IV. hörte, beschloss er die dänische Armee anzugreifen, noch ehe sie sich mit den Sachsen und Russen vereinigen konnten. Als die Dänen Mecklenburg erreichten gab Stenbock Befehl nach [[Neukloster]] zu marschieren. Die dänische Armee bestand nach dem Feldzug in Bremen-Verden und durch Krankheiten und Desertionen erlittenen Verlusten nur noch aus 17 nicht mehr vollzähligen [[Bataillon]]en, 46 [[Schwadron|Schwadronen]] und 17 Stück leichte Artillerie. Hochgerechnet etwa 15.000 Mann, davon 6000 Reiter. Die Dänen erwarteten zudem sächsische Verstärkung die aber erst nach Beginn der Schlacht, etwa 3000 Mann stark, eintrafen.
Stenbock sah die Notwendigkeit, die Gegner einzeln anzugreifen, bevor sie sich vereinigen konnten. Von der Garnison in Wismar trafen weitere Verstärkungen für die geplante Unternehmung ein. Als Stenbock von dem Nahen der dänischen Armee unter Friedrich IV. hörte, beschloss er, zuerst die dänische Armee anzugreifen, noch ehe sie sich mit den Sachsen und Russen vereinigen könnte. Er gab deshalb Befehl, nach [[Neukloster]] zu marschieren. Nach dem Feldzug in Bremen-Verden und infolge weiterer Verluste durch Krankheiten und Desertionen bestand die dänische Armee nur noch aus 17 [[Bataillon]]en Infanterie unter Sollstärke, 46 [[Schwadron|Schwadronen]] Kavallerie und 17 Stück leichter Artillerie, insgesamt etwa 15.000 Mann, davon 6.000 Reiter. Die Dänen erwarteten sächsische Verstärkung, die aber erst nach Beginn der Schlacht in einer Stärke von etwa 3.000 Mann eintraf.
[[Datei:SwedishArmyinGreatNorthernWar.jpg|thumb|200px|Schwedische Kavallerie in der [[Schlacht bei Gadebusch]]]]
[[Datei:SwedishArmyinGreatNorthernWar.jpg|thumb|Schwedische Kavallerie in der [[Schlacht bei Gadebusch]]]]
Am 20. Dezember 1712 siegte das schwedische Heer unter Stenbock in der [[Schlacht bei Gadebusch]] gegen die Verbündeten sächsischen und dänischen Truppen. Diese verloren 6.000 Soldaten und mussten sich fluchtartig zurückziehen. Die schwedische Armee hatte aber in der Schlacht hohe Verluste erlitten und litt weiter unter Versorgungsengpässen. Die dänische Infanterie war zwar zersplittert worden und hatte hohe Verluste erlitten, jedoch konnten sie sich bald wieder organisieren und erholen. Stenbock entschied sich mit seiner Armee nach Holstein zu marschieren, da dort eine bessere Versorgungslage zu erwarten war und Dänemark so unter Druck gesetzt werden konnte. Im Januar 1713 ließ Stenbock die [[Hamburg-Altona#Geschichte|Stadt Altona]] als Vergeltung für den vorherigen dänischen Angriff auf Stade niederbrennen.<ref>Ein zeitgenössischer Bericht über den Brand befindet sich auf Wikisource: [[s:Nachricht über den Brand von Altona 1713|Nachricht über den Brand von Altona 1713]]</ref> Anschließend zog er weiter in die dänischen Herzogtümer [[Schleswig]] und [[Holstein]]. Durch eine Vereinigung der Dänen mit den Sachsen und Russen in Holstein wurde die Lage für die schwedische Armee in Holstein unhaltbar. Am 31. Januar 1713 drängten russische Truppen unter Kommando Peters I. das schwedische Heer in die holsteinische Festung bei [[Tönning]]. In der zu Schleswig-Holstein-Gottorf gehörenden Festung Tönning wurde Magnus Stenbock im Februar 1713 mit 11.000 Mann von einer Übermacht dänischer, russischer und sächsischer Truppen eingeschlossen und kapitulierte nach drei Monaten Belagerung am 16. Mai 1713.<ref>Evgeniĭ Viktorovich Anisimov: ''The reforms of Peter the Great: progress through coercion in Russia'', M.E. Sharpe 1993, S. 135.</ref> Die dänischen Truppen blieben rund um Tönning, das weiterhin von den Gottorfern gehalten wurde. Erst im Februar 1714 waren die letzten Vorräte verbraucht und die Festung musste kapitulieren.
In der folgenden [[Schlacht bei Gadebusch]] siegte das schwedische Heer am 20. Dezember 1712 gegen die verbündeten Dänen und Sachsen, die 6.000 Mann verloren und einen fluchtartigen Rückzug antraten. Die schwedische Armee hatte in der Schlacht jedoch ebenfalls hohe Verluste erlitten und hatte weiterhin Versorgungsengpässe. Die dänische Infanterie war zwar zerstreut worden, konnte sich jedoch bald wieder reorganisieren und blieb trotz der hohen Verluste operationsfähig. Stenbock entschied sich deshalb, mit seiner angeschlagenen Armee nach Holstein zu marschieren, da dort eine bessere Versorgungslage zu erwarten war und Dänemark so weiter unter Druck gesetzt werden konnte. Bei dem Vormarsch ließ er im Januar 1713 die [[Hamburg-Altona#Geschichte|Stadt Altona]] als Vergeltung für den vorherigen dänischen Angriff auf Stade niederbrennen.<ref>Ein zeitgenössischer Bericht über den Brand befindet sich auf Wikisource: [[s:Nachricht über den Brand von Altona 1713|Nachricht über den Brand von Altona 1713]]</ref> Anschließend zog er weiter in die dänischen Herzogtümer [[Schleswig]] und [[Holstein]]. Durch eine Vereinigung der Dänen mit den Sachsen und Russen wurde die Lage für die schwedische Armee in Holstein jedoch unhaltbar. Die russische Armee hatte inzwischen zu den Schweden aufgeschlossen, und der russische Zar Peter I. leitete persönlich diese Unternehmung. Am 31. Januar 1713 drängten russische Truppen das schwedische Heer in die zu [[Schleswig-Holstein-Gottorf|Holstein-Gottorf]] gehörende Festung [[Tönning]]. Dort wurde Magnus Stenbock im Februar 1713 mit 11.000 Mann von einer Übermacht dänischer, russischer und sächsischer Truppen eingeschlossen und nach dreimonatiger Belagerung am 16. Mai 1713 zur Kapitulation gezwungen.<ref>Evgeniĭ Viktorovich Anisimov: ''The reforms of Peter the Great: progress through coercion in Russia'', M.E. Sharpe 1993, S. 135.</ref> Der schwedische General verbrachte den Rest seiner Tage in dänischer Festungshaft, wo er sich als Miniaturschnitzer beschäftigte, dessen unnachahmlich filigrane Arbeiten ein handwerkliches Rätsel sind.<ref>Matthias Schulz: ''[http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,646123,00.html Der Herr der Ringe.]'' In: ''Der Spiegel.'' Nr. 36. Hamburg 2009, S.114ff. {{ISSN|0038-7452}}</ref>


=== Eroberung von Stettin ===
=== Eroberung von Stettin ===
Bremen-Verden, Stettin und das ungeschützte Land in Schwedisch-Pommern befanden sich zu Anfang 1713 in alliiertem Besitz. Gleichzeitig gingen russische Streitkräfte offensiv gegen Finnland vor. Mit dem Verlust der Feldarmee unter Stenbock konnten die verbliebenen Kräfte keine Änderung der Situation in Schwedisch-Pommern mehr erwirken. Dafür waren die Kräfte des Schwedischen Reiches bereits zu sehr beansprucht. Gottorf schien für Schweden ebenso verloren. Auch Preußen, das sich bisher aus dem Konflikt herausgehalten hatte, wartete nur auf einen günstigen Augenblick zum Kriegseintritt. Um die deutschen Besitzungen für Schweden zu retten wurden diplomatische Vereinbarungen getroffen, die [[Stettin]] in die Hand einer dritten Neutralen Macht legen sollte. Die Abtretungsverhandlungen Schwedens mit Preußen scheiterten. Stattdessen führte der neue König [[Friedrich Wilhelm I. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]] die Verhandlungen über eine Abtretung Stettins mit den Alliierten. Diese marschierten nach der Beendigung der [[Belagerung von Tönning]] ungehindert aus Holstein wieder nach Pommern ein. Zur Vergeltung des im Vorjahres abgebrannten Altonas wurden [[Wolgast]] und [[Garz]] in Schutt und Asche gelegt. Im August 1713 begannen russische und sächsische Einheiten unter Führung des Fürsten [[Alexander Danilowitsch Menschikow|Menschikow]] einen Angriff auf Stettin, welches über eine [[Garnison]] von 4300 Mann verfügte. Die Stadt ergab sich am 19. September 1713, nachdem ein achtstündiges [[Bombardement]] der sächsischen Belagerungsartillerie große Teile der Stadt zerstört hatte. Wenige Tage nach der Übergabe einigten sich die Alliierten mit Preußen, das als neutrale Besatzungsmacht die Stadt übernehmen sollte und gegen Zahlung von 400.000 Reichstalern zukünftig behalten durfte. Am 6. Oktober 1713 marschierten, nach Verhandlungen und Zahlung der genannten Summe an die Alliierten,<ref name="Lucht99">Dietmar Lucht: ''Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verlag Wissenschaft und Politik'', Köln, S. 99.</ref> preußische Truppen in Stettin ein. Im Juni 1713 begann ein sächsisches Heer die [[Belagerung von Stralsund (1713)|dritte Belagerung von Stralsund]]. Zeitgleich landete ein sächsisch-dänisches Heer auf Rügen, konnte dort aber nicht dauerhaft Boden gewinnen. Aufgrund von Versorgungsengpässen und Abstimmungsschwierigkeiten unter den Alliierten hoben diese im Oktober die Belagerung erneut auf.
Bremen-Verden, Stettin und das ungeschützte Land in Schwedisch-Pommern befanden sich Anfang 1713 unter alliierter Kontrolle. Gleichzeitig gingen russische Streitkräfte offensiv gegen Finnland vor. Mit dem Verlust der Feldarmee unter Stenbock konnten die verbliebenen Kräfte keine Änderung der Situation in Schwedisch-Pommern erwirken. Dafür waren die Kräfte des schwedischen Reiches bereits zu sehr beansprucht. Gottorf schien für Schweden ebenso verloren. Auch Preußen, das sich bisher aus dem Konflikt herausgehalten hatte, wartete nur auf einen günstigen Augenblick zum Kriegseintritt. Um die deutschen Besitzungen für Schweden zu retten, sollten diplomatische Vereinbarungen getroffen werden, mit denen das Schicksal [[Stettin]]s in die Hand einer dritten, neutralen Macht gelegt werden sollte. Die Abtretungsverhandlungen Schwedens mit Preußen scheiterten aber. Stattdessen führte der neue preußische König [[Friedrich Wilhelm I. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]] die Verhandlungen über eine Abtretung Stettins mit den Alliierten. Diese marschierten nach dem Ende der Belagerung von Tönning ungehindert aus Holstein wieder nach Pommern ein. Zur Vergeltung für die Zerstörung Altonas wurden [[Wolgast]] und [[Garz (Usedom)|Garz]] in Schutt und Asche gelegt. Im August 1713 begannen russische und sächsische Einheiten unter Führung des Fürsten Menschikow einen Angriff auf Stettin, das über eine [[Garnison]] mit 4300 Mann verfügte. Die Stadt ergab sich am 19. September 1713, nachdem ein achtstündiges [[Bombardement]] der sächsischen Belagerungsartillerie große Teile zerstört hatte. Wenige Tage nach der Übergabe einigten sich die Alliierten mit Preußen, das als neutrale Besatzungsmacht die Stadt übernehmen sollte und gegen Zahlung von 400.000 Reichstalern zukünftig behalten durfte. Nach Zahlung dieser Summe marschierten am 6. Oktober 1713 preußische Truppen in Stettin ein.<ref name="Lucht99">Dietmar Lucht: ''Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verlag Wissenschaft und Politik'', Köln, S. 99.</ref> Im Juni 1713 begann ein sächsisches Heer die dritte Belagerung von Stralsund. Zeitgleich landete ein sächsisch-dänisches Heer auf Rügen, konnte dort aber nicht dauerhaft Boden gewinnen. Aufgrund von Versorgungsengpässen und Abstimmungsschwierigkeiten unter den Alliierten wurde im Oktober auch die Belagerung von Stralsund erneut aufgehoben.


=== Der Kriegseintritt von Preußen und Hannover ===
=== Der Kriegseintritt von Preußen und Hannover ===
Schwedisch-Pommern war inzwischen bis auf Stralsund und der Enklave Wismar komplett von den verbündeten Dänen, Russen und Sachsen erobert und von Preußen als neutraler Macht besetzt worden. Die von Preußen über zehn Jahre betriebene Ausgleichspolitik zwischen den Gegnern endete, nachdem Friedrich I. den [[Friede von Utrecht]] unterzeichnete. Er nahm die Chancen war, in die Endphase des Krieges einzugreifen und das alte hohenzollersche Ziel der Verdrängung Schwedens von der südlichen Ostseeküste zu erreichen.
Schwedisch-Pommern war inzwischen bis auf Stralsund und die Enklave Wismar komplett von den verbündeten Dänen, Russen und Sachsen erobert oder von Preußen als neutraler Macht besetzt. Preußen hatte seine über zehn Jahre betriebene Ausgleichspolitik zwischen den Gegnern beendet, nachdem Friedrich I. den [[Friede von Utrecht|Frieden von Utrecht]] zur Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges unterzeichnet hatte. Die Berliner Führung nahm daher die Chance wahr, mit den freigewordenen Truppen in die Endphase des Nordischen Krieges einzugreifen, um das alte Ziel der Verdrängung Schwedens von der südlichen Ostseeküste zu erreichen.


Die neue Politik wurde auch von seinem Thronnachfolger [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]] fortgeführt. Friedrich Wilhelm I. schloss am 22. Juni 1713 mit Dänemark einen Vertrag ab, der eine gemeinsame Besetzung Vorpommerns vorsah und Preußen den südlich der Peene gelegenen Teil Pommerns in Aussicht stellte. Am 6. Oktober 1713 kamen Russland und Preußen überein, dass Preußen das Gebiet bis zur Peene (mit Usedom und Wollin) zur Verwaltung erhalten sollte. Am 12. Juni 1714 schlossen sie einen Vertrag, der Preußen den Erwerb eines Teils Vorpommerns endgültig zusicherte.<ref>Heinz Duchhardt: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806, S. 76.</ref> Dem gleichen Zweck diente auch ein Bündnis Preußens mit Hannover vom 27. April 1714. Der Kreis der Feinde Karls XII. schloss sich, als Kur-Hannover, das von Dänemark den Besitz Bremen-Verdens zugesprochen bekam, dem russisch-preußischen Abkommen im November 1714 beitrat. Der Kurfürst von Hannover war seit 1714 auch König von Großbritannien und Irland. Großbritannien als solches war von dem Kriegseintritt ausgeschlossen, lediglich die Stammlande Georgs I. erklärte den Krieg gegen Schweden.<ref>Stewart P. Oakley: ''War and peace in the Baltic, 1560–1790'', London 1992, S. 114.</ref>Nach der erfolgten Übergabe Bremen-Verdens an Hannover, erklärte Preußen, die schwedische Imbesitznahme Usedoms als Anlass nehmend, am 1. Mai Schweden den Krieg. Am 15. Oktober 1715 folgte die Kriegserklärung Hannovers an Schweden.
Nach dem Tod des ersten preußischen Königs im Februar 1713 wurde die neue Politik auch von seinem Nachfolger [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]] fortgeführt. Er schloss am 22. Juni 1713 mit Dänemark einen Vertrag, der eine gemeinsame Besetzung Vorpommerns vorsah und Preußen den südlich der [[Peene]] gelegenen Teil in Aussicht stellte. Am 6. Oktober 1713 kamen auch Russland und Preußen überein, dass Preußen das Gebiet bis zur Peene (mit Usedom und Wollin) zur Verwaltung erhalten sollte. Am 12. Juni 1714 schlossen sie einen Vertrag, der Preußen den Erwerb eines Teils Vorpommerns endgültig zusicherte.<ref>Heinz Duchhardt: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806, S. 76.</ref> Dem gleichen Zweck diente auch ein Bündnis Preußens mit Hannover vom 27. April 1714. Der Kreis der Feinde Karls XII. schloss sich, als Kur-Hannover, das von Dänemark den Besitz Bremen-Verdens zugesprochen bekam, dem russisch-preußischen Abkommen im November 1714 beitrat. Der Kurfürst von Hannover war seit 1714 auch König von Großbritannien und Irland. Nach der Übergabe Bremen-Verdens an Hannover erklärte Preußen, die schwedische Inbesitznahme Usedoms zum Anlass nehmend, am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Am 15. Oktober folgte die Kriegserklärung Hannovers an Schweden. Das Königreich Großbritannien blieb von dem Krieg ausgeschlossen, der nur die Stammlande Georgs I. betraf.<ref name="War and peace in the Baltic, 1560–1790 S. 114">Stewart P. Oakley: ''War and peace in the Baltic, 1560–1790'', London 1992, S. 114.</ref>


Die beiden Seemächte England und die Niederlande waren aufgrund des Krieges in großer Sorge um ihren Seehandel in der Ostsee. Nachdem Karl XII. seinen Kaufleuten befahl mit allen Feinden den Handel einzustellen, entsandte England eine britische Flotte unter Kommando von Admiral Sir [[John Norris (Admiral)|John Norris]] im Mai 1715 in die Ostsee, um die englischen und holländischen Handelsschiffe zu schützen. Die britische Flotte vereinigte sich dort mit holländischen Kriegsschiffen. Dadurch musste die schwedische Kriegsflotte in Karlskrona verblieben. Die englisch-holländische Flotte griff selbst aktiv in das Kriegsgeschehen ein, als sich acht englische und holländische Schiffe der dänischen Kriegsflotte bei der Belagerung von Stralsund im Juli 1715 anschlossen.<ref>Stewart P. Oakley: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992, S. 114</ref>
Die beiden Seemächte England und die Niederlande waren aufgrund des Krieges in großer Sorge um ihren Seehandel in der Ostsee. Nachdem Karl XII. seinen Kaufleuten befohlen hatte, mit allen Feinden den Handel einzustellen, entsandte England im Mai 1715 eine britische Flotte unter dem Kommando von Admiral [[John Norris (Admiral)|John Norris]] in die Ostsee, um die englischen und holländischen Handelsschiffe zu schützen. Die britische Flotte vereinigte sich dort mit holländischen Kriegsschiffen und zwang dadurch die schwedische Kriegsflotte in Karlskrona zur Untätigkeit. Die englisch-holländische Flotte griff auch selbst aktiv in das Kriegsgeschehen ein, als sich im Juli 1715 acht englische und holländische Schiffe der dänischen Kriegsflotte bei der Belagerung von Stralsund anschlossen.<ref name="War and peace in the Baltic, 1560–1790 S. 114"/>


=== Die Rückkehr des Königs ===
=== Die Rückkehr des Königs ===
[[Datei:Schwedisches Lager bei Bender.jpg|miniatur|left|Das schwedische Lager bei Bender, 1711. Nachdem der Sultan Karl XII. und seinen Begleitern Asyl gewährt hatte, wurde südlich der Stadt Bender ein befestigtes Lager errichtet. Im oberen Bildabschnitt ist der König reitend und in Begleitung von Major Axel Sparre dargestellt.]]
Weder vor Stralsund noch vor Wismar kam es 1714 zu Kampfhandlungen. Die Sachsen hatten sich aus Pommern zurückgezogen und Peter I. war mit der Eroberung Finnlands beschäftigt. Dänemark selbst hatte keine finanziellen Mittel zur Aufnahme eines neuen Feldzuges. Auch in dieser für Schweden äußerst kritischen Lage lehnte [[Karl XII. (Schweden)|Karl XII.]] mehrere Friedensangebote ab. Nachdem keine Aussicht auf einen erneuten Kriegseintritt des Osmanischen Reiches gegen Russland bestand, kehrte Karl XII. im November 1714 aus [[Bender (Moldawien)|Bender]] im heutigen Moldawien in die Festung [[Geschichte der Hansestadt Stralsund|Stralsund]] zurück. Zu der Rückkehr bewogen ihn auch die politischen Umwälzungen in Schweden, die zu einer Gefahr seiner Herrschaft angewachsen war. Von der Stadtbevölkerung umjubelt, war es unter Verkennung der Situation sein Ziel, die früheren Machtverhältnisse in Pommern wiederherzustellen. Unter seiner Führung wurde der Ausbau der Befestigungsanlagen, an dem bis zu 10.000 Menschen beteiligt waren, forciert.<ref name="Ewe196">Herbert Ewe, Geschichte der Stadt Stralsund. Weimar 1984, S. 196.</ref>
Weder vor Stralsund noch vor Wismar kam es 1714 zu Kampfhandlungen. Die Sachsen hatten sich aus Pommern zurückgezogen und Peter I. war mit der Eroberung Finnlands beschäftigt. Dänemark selbst hatte keine finanziellen Mittel für einen neuen Feldzug. Auch in dieser für Schweden äußerst kritischen Lage lehnte Karl XII. mehrere Friedensangebote ab. Nachdem aber keine Aussicht auf einen erneuten Kriegseintritt des Osmanischen Reiches gegen Russland bestand, kehrte Karl im November 1714 aus [[Bender (Moldawien)|Bender]] (im heutigen [[Moldawien]]) in einem fünfzehntägigen Gewaltritt nach Schwedisch-Pommern zurück. Zu der Rückkehr bewogen ihn neben der Aufforderung des Sultans auch die politischen Umwälzungen in Schweden, die eine ernste Gefährdung seiner Herrschaft zu werden drohten. Von der Stadtbevölkerung in [[Geschichte der Hansestadt Stralsund|Stralsund]] umjubelt, war unter Verkennung der Lage sein Ziel, die früheren Machtverhältnisse in Pommern wiederherzustellen. Unter seiner Führung wurde dazu der Ausbau der Befestigungsanlagen forciert, an dem bis zu 10.000 Menschen beteiligt waren.<ref name="Ewe196">Herbert Ewe, Geschichte der Stadt Stralsund. Weimar 1984, S. 196.</ref> Zudem stellte er wieder eine kleine Armee auf, die zwar mangelhaft ausgerüstet, ihm aber treu ergeben war.
Zudem stellte er eine kleine, mangelhaft ausgerüstete, aber ihm ergebene Armee auf.


=== Eroberung der letzten schwedischen Festungen===
=== Einnahme der letzten schwedischen Festungen ===
[[Datei:Landung auf Rügen 1715.JPG|thumb|250px|Schematische Darstellung der Landung und Aufstellung der Alliierten bei [[Putbus|Stresow]] und des Angriffspunktes der darauffolgenden schwedischen Attacke]]
[[Datei:Landung auf Rügen 1715.JPG|thumb|Schematische Darstellung der Landung und Aufstellung der Alliierten bei [[Putbus|Stresow]] und des Angriffspunktes der darauffolgenden schwedischen Attacke]]
Im Januar 1715 eröffnete Karl XII. die Operationen und besetzte zur Sicherung der Stralsunder Festung die Süd- und Ostküste Rügens. Am 23. Februar 1715 nahm Karl XII. [[Wolgast]] ein, das von einem zwanzig Mann starken preußischen Posten besetzt war.<ref>Curt Jany: ''Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914''. Bd. 1, Osnabrück 1967, S. 634.</ref> Am 22. April landeten schwedische Truppen auf der Insel [[Usedom]] und überrumpelten eine kleine preußische Abteilung.<ref name="Lucht99" />
Im Januar 1715 bestzte Karl XII. besetzte zur Sicherung der Stralsunder Festung die Süd- und Ostküste Rügens. Am 23. Februar nahm er [[Wolgast]] ein, das von einem zwanzig Mann starken preußischen Posten besetzt war.<ref>Curt Jany: ''Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914''. Bd. 1, Osnabrück 1967, S. 634.</ref> Am 22. April landeten schwedische Truppen auf der Insel [[Usedom]] und überrumpelten eine kleine preußische Abteilung.<ref name="Lucht99" />
Daraufhin ließ Friedrich Wilhelm I. den schwedischen Gesandten ausweisen und gab die Anweisung zum Beginn des geplanten [[Feldzug]]s. Preußen erklärte offiziell am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Ab dem 1. Mai 1715 bezog das preußische Heer bei [[Stettin]] ein [[Feldlager]], zu dem vierzehn Tage später ein sächsisches Korps von 8000 Mann unter dem General [[Christoph August von Wackerbarth]] hinzu stieß. Das Oberkommando des preußischen Kontingentes übernahm König Friedrich Wilhelm I. selbst. Unter ihm führte der Feldmarschall Fürst [[Leopold I. (Anhalt-Dessau)|Leopold I. von Anhalt-Dessau]] das Kommando. In der zweiten Junihälfte trat die dänische Armee den Vormarsch durch Mecklenburg an. Eine dänische Abteilung von vier Bataillonen und zwölf Schwadronen unter dem Kommando des Generalleutnants Friedrich von Legardt schloss [[Wismar]] ein, den zweiten Stützpunkt der Schweden auf deutschem Boden, dessen Besatzung 2500 Mann zählte. König Friedrich Wilhelm I. verstärkte die Belagerungstruppen seinerseits durch zwei Bataillone und zwölf Schwadronen unter Kommando des Generalmajors von der Albe. Das Belagerungskorps zählte nun zusammen etwa 8000 Mann. Auf See blockierten zudem dänische Schiffe den Zugang zu Wismar.
Daraufhin ließ Friedrich Wilhelm I. den schwedischen Gesandten ausweisen und gab Anweisung zum Beginn des geplanten [[Pommernfeldzug 1715/1716|Pommernfeldzugs]]. Preußen erklärte am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Am gleichen Tag bezog das preußische Heer bei [[Stettin]] ein [[Feldlager]], zu dem vierzehn Tage später ein sächsisches Korps von 8000 Mann unter dem General [[Christoph August von Wackerbarth]] hinzustieß. Das Oberkommando des preußischen Kontingents übernahm König Friedrich Wilhelm I. selbst. Unter ihm führte der Feldmarschall Fürst [[Leopold I. (Anhalt-Dessau)|Leopold I. von Anhalt-Dessau]] das Kommando. In der zweiten Junihälfte trat die dänische Armee den Vormarsch durch Mecklenburg an. Eine dänische Abteilung von vier Bataillonen und zwölf Schwadronen unter dem Kommando des Generalleutnants [[Friedrich von Legardt]] schloss [[Wismar]] ein, den zweiten Stützpunkt der Schweden auf deutschem Boden mit 2500 Mann Besatzung. König Friedrich Wilhelm I. verstärkte die Belagerungstruppen durch zwei Bataillone und zwölf Schwadronen unter dem Kommando des Generalmajors [[George Friedrich von der Albe]]. Das Belagerungskorps zählte nun etwa 8000 Mann. Auf See blockierten dänische Schiffe den Zugang zu Wismar.


Am 28. Juni brach die preußisch-sächsische Armee aus ihrem Lager bei Stettin auf. Ohne auf Widerstand zu treffen, gingen die Preußen mittels einer Pontonbrücke bei Loitz, die Sachsen bei Jarmen über die Peene und vereinigten sich Mitte Juli mit den Dänen vor Stralsund. Die Dänen hatten unter dem Kommando des Generalfeldmarschalls [[Karl Rudolf von Württemberg]] bei [[Damgarten]] die [[Recknitz]] überquert und waren ebenfalls auf keine feindliche Gegenwehr gestoßen.
Am 28. Juni brach schließlich die preußisch-sächsische Armee aus ihrem Lager bei Stettin auf.
[[Datei:Belagerung von Stralsund 1715.JPG|thumb|left|Schematische Darstellung der Belagerung von Stralsund 1715]]
Ohne auf Widerstand zu treffen, gingen die Preußen mittels einer Pontonbrücke bei Loitz, die Sachsen bei Jarmen über die Peene und vereinigten sich Mitte Juli mit den Dänen vor Stralsund. Diese gingen unter Kommando des Generalfeldmarschalls Karl Rudolf von Württemberg bei [[Damgarten]] über die [[Recknitz]] und trafen ebenfalls auf keine feindliche Gegenwehr.
Karl XII. hatte zuvor seine noch in Pommern verbliebenen Truppen nach Stralsund zurückgenommen, da er es aufgrund der numerischen und qualitativen Überlegenheit der alliierten Kräfte nicht auf eine Entscheidung in einer Feldschlacht ankommen lassen wollte. Am 12. Juli 1715 vereinigten sich die drei alliierten Heere vor Stralsund und begannen mit der Belagerung. Ein schwedisches Geschwader, das bei [[Ruden (Insel)|Ruden]] vor der Peenemündung operierte, wurde am 8. August 1715 in der [[Seeschlacht bei Jasmund]] von der inzwischen vollständig eingetroffenen dänischen Kriegsflotte geschlagen. Als Folge des Seegefechts war die Kraft der Schweden zur See gebrochen und ihre Flotte musste sich dauerhaft nach Karlskrona zurückziehen. Den Alliierten gelang am 17. November die Eroberung Rügens, womit die Lage der belagerten Stadt nahezu aussichtslos wurde. Nach monatelanger Belagerung Stralsunds ergaben sich die eingeschlossenen Schweden am 23. Dezember 1715. König Karl konnte im letzten Moment unter glücklichen Umständen in einem Fischerboot über die Ostsee nach Schweden entkommen. Die [[Belagerung von Wismar (1715/16)|Belagerung Wismars]], zu der am 2. November noch zwei Bataillone und vier Schwadronen aus Hannover eintrafen, zog sich den Winter über hin und führte bei den Belagerungstruppen wegen der strengen Kälte zu großen Beschwerden. Nach zehnmonatiger Belagerung wurde schließlich am 19. April 1716 Wismar durch preußische und hannoversche Truppen eingenommen. Damit fiel auch der letzte schwedische Besitz in Norddeutschland.
[[Datei:Belagerung von Stralsund 1715.JPG|thumb|left|250px|Schematische Darstellung der Belagerung von Stralsund 1715]]
Karl XII. hatte zuvor seine noch in Pommern verbliebenen Truppen nach Stralsund zurückgenommen, da er es aufgrund der numerischen und qualitativen Überlegenheit der alliierten Kräfte nicht auf eine Entscheidung in einer Feldschlacht ankommen lassen wollte. Am 12. Juli 1715 vereinigten sich die drei alliierten Heere vor Stralsund, womit die Belagerung der Festung Stralsund begann. Ein schwedisches Geschwader das vor der Insel Ruden operierte, wurde am 8. August 1715 in der [[Seeschlacht bei Jasmund]] von der inzwischen eingetroffenen gesamten dänischen Kriegsflotte geschlagen werden. Als Folge des Seegefechts war die Kraft der Schweden zur See gebrochen und die Flotte musste sich dauerhaft nach Karlskrona zurückziehen. Den Alliierten gelang am 17. November die Eroberung Rügens, womit die Lage der Stadt nahezu aussichtslos geworden war. Nach einer monatelangen [[Belagerung von Stralsund (1715)|Belagerung von Stralsund]] während des [[Pommernfeldzug 1715/1716|Pommernfeldzuges]] ergaben sich die eingeschlossenen Schweden am 23. Dezember 1715. König Karl XII. konnte im letzten Moment unter glücklichen Umständen in einem Fischerboot über die Ostsee nach Schweden entkommen. Die [[Belagerung von Wismar (1715/16)|Belagerung Wismars]], zu der am 2. November noch zwei Bataillone und vier Schwadronen aus Hannover eintrafen, zog sich den Winter über hin und führte bei den Belagerungstruppen wegen der strengen Kälte zu großen Beschwerden. Nach zehnmonatiger Belagerung wurde schließlich am 19. April 1716 Wismar durch preußische und hannoversche Truppen erobert. Damit fiel auch der letzte schwedische Besitz in Norddeutschland in feindliche Hände.


== Die Endphase des Kriegs (1716–1721) ==
In den Folgejahren unternahm Karl XII. noch weitere Kriegszüge gegen Norwegen. In der Ostsee dominierte inzwischen die russische Marine und führte Störaktionen gegen die schwedische Küste durch. Erst mit dem Tod des Königs konnte der Weg für einen Frieden für das völlig erschöpfte Land frei gemacht werden.


Zurück in Schweden führte Karl XII. noch weitere Kriegszüge gegen Norwegen. In der Ostsee dominierte inzwischen die russische Marine und führte Störaktionen gegen die schwedische Küste durch. Insgesamt war die Endphase des Krieges jedoch mehr von diplomatischen Verwerfungen der Allianzpartner als von militärischen Aktionen gekennzeichnet. Die an den europäischen Höfen sehr bewusst wahrgenommene Verschiebung der Machtverhältnisse durch die russischen Siege über Schweden lösten unter den etablierten europäischen Großmächten Befürchtungen über eine mögliche russische Vorherrschaft im Ostseeraum aus. England zeigte sich hierbei als größter Gegner einer russischen Machtdominanz in Nordeuropa. Da Zar Peter zeitweise große Truppenkontingente in Dänemark, Mecklenburg und Polen unterhielt, schlossen sich das Heilige Römische Reich, die Niederlande, Frankreich, Sachsen und Dänemark der englischen Linie an.
== Die Endphase des Kriegs (1716-1721) ==
Die Endphase des Krieges war mehr durch diplomatische Verwerfungen der Allianzpartner als durch militärische Aktionen gekennzeichnet. Die an den europäischen Höfen sehr bewusst wahrgenommene Verschiebung der Machtverhältnisse durch die russischen Siege über Schweden lösten Ängste über eine mögliche russische Dominanz im Ostseeraum unter den etablierten europäischen Großmächten aus. England bildete hierbei der größte Gegner gegenüber einer russischen Machtdominanz in Nordeuropa. Da Zar Peter I. zeitweise große Truppenkontingente in Dänemark, Mecklenburg und in Polen unterhielt, schlossen sich das Heilige Römische Reich, die Niederlande, Frankreich, Sachsen und Dänemark der englischen Linie an.


Karl XII. versuchte die Spannungen zwischen seinen Kriegsgegnern zu nutzen und verhandelte mit beiden Seiten über Friedensschlüsse. Über die Ernsthaftigkeit dieser Vorstöße wird unter Historikern gezweifelt. So glaubte Karl XII. bis zu seinem Tod, den Krieg mit militärischen Mitteln zu einem für Schweden noch günstigen Ende zu bringen. Erst nach seinem Tod 1719 wendete sich Schweden vollständig England zu, schloss mit Dänemark, Preußen, und Hannover Frieden und hoffte mit Unterstützung Englands, seine an Russland verlorenen Ostseeprovinzen zurückzugewinnen. Aufgrund der Gefahr eines neuen Krieges mit Spanien waren die Mächte jedoch nicht bereit, einen offenen Krieg mit Russland zu riskieren, so dass Schweden letztendlich alleingelassen wurde und zu ungünstigen Bedingungen Frieden mit Russland schließen musste.
Karl XII. versuchte die Spannungen zwischen seinen Kriegsgegnern zu nutzen und verhandelte mit beiden Seiten über Friedensschlüsse. Die Ernsthaftigkeit dieser Vorstöße wird von Historikern aber bezweifelt. So glaubte Karl bis zuletzt, den Krieg mit militärischen Mitteln zu einem für Schweden noch günstigen Ende zu bringen. Erst nach seinem Tod 1719 wandte sich Schweden vollständig England zu, schloss mit Dänemark, Preußen und Hannover Frieden und hoffte mit Unterstützung Englands, seine an Russland verlorenen Ostseeprovinzen zurückzugewinnen. Aufgrund der Gefahr eines neuen Krieges mit Spanien waren die Mächte jedoch nicht bereit, einen offenen Krieg mit Russland zu wagen, so dass Schweden alleingelassen wurde und zu ungünstigen Bedingungen Frieden mit Russland schließen musste.


=== Europäisierung der Ostseefrage ===
=== Europäisierung der Ostseefrage ===
Weitergehende Bemühungen Zar Peters I. in Norddeutschland Fuß zu fassen, bestärkte das Misstrauen der anderen Bündnispartner, woraus sich Verzögerungen und Unstimmigkeiten beim weiteren Vorgehen gegen Schweden ergaben und den Krieg verlängerten.<ref>C.T. Atkinson: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969, S. 69.</ref> [[Georg I.]], König von England und Kurfürst von Hannover unterstützte Russland zwar um an die schwedischen Besitzungen an der Nordseeküste und so die Landbrücke nach England zu gewinnen, fürchtete sich aber auch vor einer zu starken Dominanz Russland in der Ostsee und änderte seinen diplomatischen Kurs um das weitere Vordringen Russlands zu stoppen. Akut wurden die englischen Befürchtungen als Zar Peter I. am 19. April 1716 einen Bündnisvertrag mit dem Herzog [[Karl Leopold (Mecklenburg)|Karl Leopold]] von Mecklenburg abschloss. Zudem heiratete Karl Leopold die Nichte des Zaren [[Katharina Iwanowna]]. Russland erhielt dadurch einen Stützpunkt für seine Armee auf deutschem Boden, der Herzog Hilfe gegen die Landstände. Außerdem war so Mecklenburg als weiterer Verbündeter gegen Schweden gewonnen worden. Karl Leopold benötigte die russischen Truppen zum Beenden des Konflikts mit der Ritterschaft und im Winter 1716/17 schlugen 40.000 russische Soldaten ihre Quartiere im Herzogtum [[Mecklenburg-Schwerin]] auf. Der Zar spielte fortan auch aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen in [[Mecklenburg]] einen wichtigen Part in der Reichspolitik. Das englische Parlament wollte nun wie Kaiser [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] das weitere russische Vordringen in den Ostseeraum verhindern. Es fürchtete, dass Russland den Ostseehandel monopolisieren könnte.<ref>Stephen J. Lee: ''Peter the Great'', London 1996, S. 35.</ref> Karl VI. erteilte 1717 Hannover den Exekutionsauftrag gegen den despotisch regierenden Karl Leopold von Mecklenburg.
Weitergehende Bemühungen Zar Peters I., in Norddeutschland Fuß zu fassen, bestärkten das Misstrauen der anderen Bündnispartner, woraus sich Verzögerungen und Unstimmigkeiten beim weiteren Vorgehen gegen Schweden ergaben, die den Krieg verlängerten.<ref>C.T. Atkinson: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969, S. 69.</ref> [[Georg I.]], König von England und Kurfürst von Hannover, unterstützte Russland zwar, um mit Bremen-Verden eine Landbrücke nach England zu gewinnen, fürchtete sich aber auch vor einer zu starken Dominanz Russland in der Ostsee und war deshalb zu einer Kursänderung bereit. Akut wurden die englischen Befürchtungen, als Zar Peter I. am 19. April 1716 einen Bündnisvertrag mit dem [[Karl Leopold (Mecklenburg)|Herzog Karl Leopold]] von Mecklenburg schloss, dem er überdies die Hand der Zarennichte [[Katharina Iwanowna]] anbot. Russland erhielt dadurch einen Stützpunkt für seine Armee auf deutschem Boden und gewann Mecklenburg als weiteren Verbündeten gegen Schweden. Im Gegenzug erhielt der Herzog im Konflikt mit der Ritterschaft Hilfe gegen seine Landstände. Im Winter 1716/17 schlugen 40.000 russische Soldaten ihre Quartiere im Herzogtum [[Mecklenburg-Schwerin]] auf. Der Zar spielte fortan auch aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu [[Mecklenburg]] einen wichtigen Part in der Reichspolitik. Das englische Parlament wollte nun ebenso wie Kaiser [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] das weitere russische Vordringen in den Ostseeraum verhindern, weil es fürchtete, dass Russland den Ostseehandel monopolisieren könnte.<ref>Stephen J. Lee: ''Peter the Great'', London 1996, S. 35.</ref> Nach Klagen der mecklenburgischen Landstände wegen der fortgesetzten Rechtsbrüche ihres Herzogs verhängte Kaiser Karl VI. 1717 einen [[Reichsexekution]]sbeschluss gegen Karl Leopold von Mecklenburg.


=== Bildung einer antirussischen Allianz ===
=== Bildung einer antirussischen Allianz ===
Nachdem Karl XII. von Stralsund nach Schweden zurückgekehrt war, nutzte er die alliierten Unstimmigkeiten bei seinen Bemühungen zur Wiederherstellung seines Reiches, indem er seine Kräfte primär gegen [[Dänemark-Norwegen]] konzentrierte. Während des Winters 1715/16 plante Karl XII. über die zugefrorene Ostsee von [[Skane]] nach [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] zu marschieren. Der Winter fiel aber mild aus, sodass dieser Plan nicht umsetzbar war. So entschied er sich gegen die dänische Provinz Norwegen zu ziehen. Er konnte zwar das von seinen Einwohnern verlassene [[Oslo|Christiania]] (das heutige Oslo) im dänisch kontrollierten Norwegen erobern und zog dann gegen Frederikshald, aber nach der Verbrennung seiner Flotte durch die Dänen musste er im Juli nach Schweden zurückkehren.
Nachdem Karl XII. von Stralsund nach Schweden zurückgekehrt war, nutzte er die alliierten Unstimmigkeiten bei seinen Bemühungen um Wiederherstellung seines Reiches, indem er seine Kräfte gegen [[Dänemark-Norwegen]] konzentrierte. Während des Winters 1715/16 plante Karl, über die zugefrorene Ostsee von [[Schonen]] nach [[Seeland (Dänemark)|Seeland]] zu marschieren. Der Winter fiel aber mild aus, sodass dieser Plan nicht umsetzbar war. So entschied er sich, gegen die dänische Provinz Norwegen zu ziehen. Er konnte zwar das von seinen Einwohnern verlassene [[Oslo|Christiania]] (das heutige Oslo) im dänisch kontrollierten Norwegen erobern und zog dann gegen [[Fredrikshald]], aber nach der Verbrennung seiner Flotte durch die Dänen musste er im Juli nach Schweden zurückkehren.


Die Invasion Norwegens brachte Kopenhagen dazu eine erneute Invasion Schwedens zu unternehmen. Der Plan einher russisch-dänischen Invasion wurde bereits seit einiger Zeit diskutiert, doch wurde er bis dahin nie umgesetzt. Im Februar 1716 präsentierte Peter I. im Zuge der [[Zweite Europareise|Zweiten Europareise]] des Zaren in Altona [[George Westphal]] einen detaillierten Invasionsplan. Russische Truppen sollten bis [[Sjaelland]] transportiert werden. Von da sollte zusammen mit dänischen Truppen eine Invasion auf Schweden unternommen werden, unterstützt durch eine britische Flotte.
Die Invasion Norwegens ermutigte Kopenhagen, erneut in Schweden einzudringen. Der Plan einer gemeinsamen russisch-dänischen Invasion wurde bereits seit einiger Zeit diskutiert. Im Februar 1716 präsentierte Peter I. bei seiner zweiten Europareise in Altona einen detaillierten Invasionsplan. Russische Truppen sollten bis [[Sjaelland]] transportiert werden. Von dort sollte zusammen mit dänischen Truppen in Schweden eingefallen werden, unterstützt durch eine britische Flotte.
[[Datei:Goertz karl12.jpg|thumb|[[Georg Heinrich von Görtz]] (rechts) gewann in den letzten Regierungsjahren (1715-1718) Karl XII. großen Einfluss auf dessen Außenpolitik und einen möglichen Ausgleich mit Russland]]
[[Datei:Goertz karl12.jpg|thumb|[[Georg Heinrich von Görtz]] (rechts) gewann in den letzten Regierungsjahren (1715-1718) Karls XII. großen Einfluss auf die schwedische Außenpolitik. Er befürwortete einen Ausgleich mit Russland.]]
Die diplomatischen Verwerfungen die im Wesentlichen durch die russischen Aktivitäten in Mecklenburg verursacht wurden, störten den Invasionsplan und verursachten das alliierte Misstrauen gegen Peter I. An den europäischen Höfen wurde vermutet, das Peter I. einen Separatfrieden mit Schweden geschlossen hat und die Invasionspläne lediglich als Maske für eine Ausweitung der russischen Stützpunkte in Deutschland nutzte.<ref>John Joseph Murray: ''George I, the Baltic and the Whig split of 1717. A study in propaganda'', London 1969, S. 226.</ref> Bei einem Treffen zwischen Peter I. und Friedrich IV. am 28. Mai 1716 in [[Hamburg-Horn|Ham und Horn]], bei Hamburg wurden die Invasionspläne weiter spezifiziert. Im September 1716 wurde eine 30.000 Mann starke Armee auf preußischen Schiffen von Warnemünde in Mecklenburg nach Seeland geschifft. Dort stand bereits eine 24.000 Mann starke dänische Armee. Die dänische Kriegflotte, bestehend aus 24 Linienschiffen wurde verstärkt durch die russische Kriegs- und Galleerenflotte zuzüglich britischer und holländischer Flottengeschwader. Die alliierte Invasionsflotte, bestehend aus 67 Linienschifffen und Fregatten, stand nun bereit für die Invasion Schonens.<ref>Stewart P. Oakley: ''War and peace in the Baltic, 1560-1790'', London 1992, S. 114.</ref> [[Zar]] [[Peter I. (Russland)|Peter I.]], der sich gerade wieder auf Europareise befand, sagte überraschend die schon fest geplante Landung ab. Dadurch erwachte unter den Verbündeten neues Misstrauen gegen die Russen: sie argwöhnten, dass sich Peter I. im Reich festsetzen wolle. Peters I. Versuche bei einem Aufenthalt in Paris ein französisch-russisches Bündnis zu schmieden scheiterten. Die daraufhin von England begonnene diplomatische Offensive führte Russland nun in die außenpolitische Isolation. Georg I. erreichte eine Tripelallianz mit Großbritannien-Hannover, die Niederlande und Frankreich im Januar 1717. Hannover und Dänemark zogen sich aus der nordischen Koalition zurück. Im März 1717 unterzeichnete das englische Parlament die Zustimmung zur Durchsetzung der neuen englischen Außenpolitik die Flotte einzusetzen. Die Trippelallianz wurde im August 1718 um Österreich ergänzt, das mit dem Osmanischen Reich gerade Frieden geschlossen hatte. Die nun formierte [[Quadrupelallianz]] wurde durch den [[Vertrag von Wien]] im Januar 1719 erweitert, indem sich Sachsen, England-Hannover und Österreich zusammenschlossen, um Russland aus Polen-Litauen zurückzudrängen, das dort eine 35.000 Mann starke Armee hielt.<ref>William Young: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, S. 464</ref>
Die diplomatischen Verwerfungen, die im Wesentlichen durch die russischen Aktivitäten in Mecklenburg verursacht wurden, störten den Invasionsplan jedoch und schürten das Misstrauen der Verbündeten gegen den Zaren. An den europäischen Höfen wurde vermutet, dass Peter einen Separatfrieden mit Schweden geschlossen hatte und die Invasionspläne lediglich als Maske für eine Ausweitung der russischen Stützpunkte in Deutschland nutzen wollte.<ref>John Joseph Murray: ''George I, the Baltic and the Whig split of 1717. A study in propaganda'', London 1969, S. 226.</ref> Bei einem Treffen Peters I. und Friedrichs IV. am 28. Mai 1716 in [[Hamburg-Horn|Ham und Horn]] bei Hamburg wurden die Invasionspläne weiter gegliedert. Im September 1716 wurde eine 30.000 Mann starke Armee auf preußischen Schiffen von Warnemünde in Mecklenburg nach Seeland verschifft. Dort stand bereits eine 24.000 Mann starke dänische Armee. Die dänische Kriegsflotte, bestehend aus 24 Linienschiffen, wurde durch die russische Kriegs- und Galeerenflotte sowie britische und holländische Flottengeschwader verstärkt. Die alliierte Invasionsflotte, bestehend aus 67 Linienschiffen und Fregatten, stand nun bereit für die Invasion Schonens.<ref>Stewart P. Oakley: ''War and peace in the Baltic, 1560-1790'', London 1992, S. 114.</ref> Doch dann sagte der Zar, der sich gerade wieder auf Europareise befand, die schon fest geplante Landung überraschend ab, und weckte dadurch erneut das Misstrauen der Verbündeten, die weiter argwöhnten, dass sich Peter I. im Reich festsetzen wollte. Nachdem der Versuch des Zaren, bei einem Aufenthalt in Paris ein französisch-russisches Bündnis zu schmieden, erfolglos blieb, führte eine diplomatische Offensive Englands Russland endgültig in die außenpolitische Isolation. Um Januar 1717 schloss Georg I. eine [[Tripelallianz]] mit Großbritannien-Hannover, den Niederlanden und Frankreich. Hannover und Dänemark zogen sich aus der nordischen Koalition zurück. Im März 1717 erteilte das englische Parlament die Zustimmung zum Einsatz der Flotte zur Durchsetzung der neuen englischen Außenpolitik. Die Tripelallianz wurde im August 1718 mit Österreich ergänzt, das mit dem Osmanischen Reich gerade Frieden geschlossen hatte. Die nun formierte [[Quadrupelallianz]] wurde durch den Vertrag von Wien im Januar 1719 erweitert, mit dem sich Sachsen, England-Hannover und Österreich zusammenschlossen, um Russland aus Polen-Litauen zurückzudrängen, das dort eine 35.000 Mann starke Armee unterhielt.<ref>William Young: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, S. 464</ref>


=== Beginn russisch-schwedischer Friedensunterhandlungen ===
=== Beginn russisch-schwedischer Friedensunterhandlungen ===


Während sich 1717 diplomatische Umwälzungen vollzogen brachte das Jahr für alle Kriegsparteien militärisch eine Ruhepause. König Karl XII. entwickelte trotz alle Niederlagen und der erdrückenden Übermacht seiner Feinde ständig neue Ideen und Pläne. [[Georg Heinrich von Görtz]], der Bevollmächtige Karls XII. witterte eine Chance mit den Russen zu einem Separatfrieden zu gelangen, um dafür den Rücken frei zu haben für Rückeroberungen in Norddeutschland und gegen Dänemark.
Während sich 1717 diplomatische Umwälzungen vollzogen, brachte das Jahr für alle Kriegsparteien militärisch eine Ruhepause. König Karl entwickelte trotz aller Niederlagen und der erdrückenden Übermacht seiner Feinde ständig neue Ideen und Pläne. [[Georg Heinrich von Görtz]], der engste Berater Karls in seinen letzten Jahren, witterte eine Chance, mit den Russen zu einem Separatfrieden zu gelangen, um im Gegenzug freie Hand für Rückeroberungen in Norddeutschland und Dänemark zu haben.


Auf einem Treffen mit Zar Peter im Lustschloss [[Het Loo]] in Holland im August 1717 konnte Görtz wesentliche Vorbehalte des Zaren für einen Annäherung ausräumen und es kam im folgenden Jahr ab Mai 1718 zu Friedensverhandlungen auf den [[Alandinseln]]. Verhandlungsführer bei den Schweden waren neben Görtz [[Carl Gyllenborg]], bei den Russen der Westfale Heinrich [[Heinrich Johann Friedrich Ostermann|Ostermann]] (1687–1747) und der Schotte General [[Jacob Daniel Bruce|James Bruce]]. Der schwedische Plan sah vor, das Russland alle seine Besitzungen bis auf Finnland behalten könne, dafür aber zustimme, das Norwegen und Hannover Besitztümer Schwedens werden. Ebenso sollte eine Anlandung in Schottland dafür sorgen, das die Jakobisten an die Macht kämen.<ref>Carl Wernicke: ''Die Geschichte der Welt'', Bände 2-3, Berlin 1857, S. 104</ref> Für den starrköpfigen [[Karl XII. (Schweden)|Karl XII.]] waren die Verhandlungen nur ein Zeitgewinn, er wäre niemals bereit gewesen auf [[Finnland]] und seine ehemaligen baltischen Provinzen [[Estland]] und [[Livland]] zu verzichten, auch wenn ihm Peter Unterstützung gegen Hannover und Dänemark zusagte. Görtz pendelt den ganzen Sommer zwischen dem König und den [[Alandinseln]] hin und her.
Auf einem Treffen mit Zar Peter im Lustschloss [[Het Loo]] in Holland im August 1717 konnte Görtz wesentliche Vorbehalte des Zaren gegen eine Annäherung ausräumen und im folgenden Jahr kam es ab Mai 1718 zu Friedensverhandlungen auf den Alandinseln. Verhandlungsführer waren bei den Schweden Görtz und [[Carl Gyllenborg]], bei den Russen der Westfale [[Heinrich Johann Friedrich Ostermann|Heinrich Ostermann]] und der schottische General [[Jacob Daniel Bruce|James Bruce]]. Der schwedische Plan sah vor, dass Russland alle seine Besitzungen bis auf Finnland behalten, dafür aber Norwegen und Hannover den Schweden zufallen sollten. Ferner sollte eine Landung in Schottland eine Rückkehr der [[Jakobiten]] auf den dortigen Thron vorbereiten.<ref>Carl Wernicke: ''Die Geschichte der Welt'', Bände 2-3, Berlin 1857, S. 104</ref>


=== Der Tod des Königs ===
=== Der Tod des Königs ===
[[Datei:Belagerung von Friedrichshall 1718.jpg|miniatur|Belagerung von Frederikshald 1718<br />''Kupferstich aus dem [[Theatrum Europaeum]]'']]
[[Datei:Karl XIIs likfärd (1884), målning av Gustaf Cederström (1845-1933).jpg|thumb|Der Leichnam Karls XII. wird überführt<br />G. Cederström Krusenberg, 1884]]
Die alliierten Unstimmigkeiten brachten wiederum Schweden neue Hoffnung auf einen günstigen Friedensschluss. Der Beginn des neuen Norwegenfeldzuges sollte sowohl dem Zaren als auch den Engländern die scheinbar ungebrochene Kraft Schwedens demonstrieren. Während Karl XII. selbst mit dem Hauptheer gegen [[Halden (Norwegen)|Frederikshald]] zog, musste General Armfeld mit einer anderen Abteilung nördlicher über die Kiölen gegen [[Trondheim]] ziehen, und Norwegen damit zu zerteilen. Der Feldzug nach Norwegen fiel auf allgemeine Missbilligung in Schweden. Das Land war am Ende seiner Kräfte. In Stockholm selbst wurden auf den Straßen Verhungerte gefunden.<ref>Bruno Hildebrand, Johannes Conrad, Edgar Loening, Ludwig Elster et al.: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 3, Jena 1864, S. 280.</ref> Der größere Teil des schwedischen Heeres ging in zerrissenen Kleidern. Viele Offiziere und Soldaten litten an Hunger. Als der König am 11. Dezember 1718 bei der [[Belagerung von Frederikshald]], bei der er sich seinem Charakter entsprechend unbekümmert in vorderster Linie exponierte, von einem Heckenschützen erschossen wurde, war der Nordische Krieg mit einem Schlag so gut wie beendet. Gleich nach dem Tod des Königs hob Prinz [[Friedrich I. (Hessen-Kassel)|Friedrich von Hessen-Kassel]], der Ehemann von Karls Schwester Ulrike Eleonore, die Belagerung auf und führte das Heer nach Schweden zurück.
Die alliierten Unstimmigkeiten ließen in Stockholm neue Hoffnung auf einen günstigen Friedensschluss keimen. Der Beginn des neuen Norwegenfeldzuges sollte dem Zaren wie den Engländern die scheinbar ungebrochene Kraft Schwedens demonstrieren. Während Karl selbst mit dem Hauptheer gegen [[Halden (Norwegen)|Frederikshald]] zog, musste General Armfeld mit einer anderen Abteilung nördlich über die Kiölen gegen [[Trondheim]] ziehen, um die Verbindung zwischen den Landesteilen abzuschneiden. In Schweden traf der Feldzug allerdings auf allgemeine Missbilligung. Das Land war am Ende seiner Kräfte, in Stockholm wurden sogar Verhungerte auf den Straßen gefunden.<ref>Bruno Hildebrand, Johannes Conrad, Edgar Loening, Ludwig Elster et al.: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 3, Jena 1864, S. 280.</ref> Auch viele Offiziere und Soldaten litten Hunger und der größere Teil des schwedischen Heeres hatte zerrissene Kleider. Als König Karl XII. am 11. Dezember 1718 bei der Belagerung von [[Festung Frederiksten|Frederikshald]] in vorderster Linie einer feindlichen Kugel zum Opfer fiel, war der Nordische Krieg mit einem Schlag so gut wie beendet. Gleich nach dem Tod des Königs hob sein Schwager Prinz [[Friedrich I. (Hessen-Kassel)|Friedrich von Hessen-Kassel]] die Belagerung auf und führte das Heer nach Schweden zurück.


Zudem geriet der Feldzug von [[Carl Gustaf Armfeldt (1666–1736)|Carl Gustaf Armfeldt]] aufgrund von logistischen Problemen in Schwierigkeiten, und als der König bei der [[Festung Frederiksten]] fiel, setzte am {{JULGREGDATUM|12|1|1719}} der Rückzug in Richtung [[Schweden]] ein. Als die Armee das [[Fjell|Öyfjell]] überquerte, zog ein so heftiger Schneesturm auf, dass 3700 der 5800 Mann starken Armee erfroren. Dies ging als der [[Todesmarsch der Karoliner]] in die Geschichte ein.
Der Feldzug nach Trondheim endete ebenfalls in einer Katastrophe. Als Armfeldt auf die Nachricht vom Tod des König am {{JULGREGDATUM|12|1|1719}} den Rückzug nach Schweden befahl, setzte auf dem [[Fjell|Öyfjell]] ein so heftiger Schneesturm ein, dass 3700 der 5800 Soldaten erfroren. Der Untergang von Armfeldts Armee ging als [[Todesmarsch der Karoliner]] in die Geschichte ein.
[[Datei:Karl XIIs likfärd (1884), målning av Gustaf Cederström (1845-1933).jpg|thumb|left|Der Leichnam Karls XII. wird überführt<br />G. Cederström Krusenberg, 1884]]
In Schweden wurde die politische Macht vom König auf den [[Reichstag (Schweden)|Reichstag]] übertragen und die anti-russisch eingestellte Aristokratie übernahm die Herrschaft. Nach dem Verzicht seiner Frau [[Ulrika Eleonore (Schweden)|Ulrika Eleonore]], der Schwester Karls XII., erlangte Friedrich von Hessen-Kassel die schwedische Krone, blieb aber in der Folge vom [[Reichsrat (Schweden)|Reichsrat]] abhängig. Mit einem Schlag änderte sich der außenpolitische Kurs. Auf Rat von französischen und englischen Gesandten wurden die Verhandlungen mit Russland abgebrochen; stattdessen wurden unter Vermittlung Frankreichs die Friedensverhandlungen mit Großbritannien-Hannover, Preußen und Dänemark vorangetrieben.<ref>J. O. Lindsay: The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63, S. 198</ref> Es zeichnete sich nun eine starke europäische Allianz gegen Russland ab, deren Umrisse deutlich wurden, als der Kaiser im Februar 1719 das [[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg|Kurfürstentum Hannover]] mit der Ausführung der zwei Jahre zuvor verhängten Reichsexekution beauftragte und 12.000 welfische Truppen den Herzog Karl Leopold aus Mecklenburg verjagten.<ref>C.T. Atkinson: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969, S. 70.</ref>


=== Frieden mit Hannover-England, Preußen und Dänemark ===
In Schweden wurde die politische Macht vom König auf den [[Reichstag (Schweden)|Reichstag]] übertragen und die anti-russisch eingestellte Aristokratie übernahm die Herrschaft. Friedrich von Hessen-Kassel übernahm die Krone durch Verzicht seiner Frau, blieb aber in der Folge vom schwedischen [[Reichsrat (Schweden)|Reichsrat]] abhängig. Mit einem Schlag änderte sich der außenpolitische Kurs auf Rat von französischen und englischen Gesandten wurden die Unterhandlungen mit Russland abgebrochen.<ref>J. O. Lindsay: The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63, S. 198</ref> Mit Großbritannien-Hannover, Preußen, Dänemark wurde dagegen unter Vermittlung Frankreichs der Reihe nach Frieden geschlossen.
Die Formierung einer starken europäischen Allianz gegen Russland schien nahe zu sein. Im Februar 1719 autorisierte Wien Hannover dazu mit 12.000 welfischen Truppen Mecklenburg zu besetzen und den pro-russischen Herzog aus Mecklenburg zu vertreiben.<ref>C.T. Atkinson: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969, S. 70.</ref>

=== Frieden mit Hannover-England, Preußen und Dänemark===
[[Datei:Friedensvertrag 1719 Stockholm.png|thumb| Abbild der letzten Seite des [[Präliminarfrieden]] zu Stockholm zwischen Hannover-Großbritannien und Schweden vom 19. November 1719]]
[[Datei:Friedensvertrag 1719 Stockholm.png|thumb| Abbild der letzten Seite des [[Präliminarfrieden]] zu Stockholm zwischen Hannover-Großbritannien und Schweden vom 19. November 1719]]
Mit Hannover-England schloss Schweden nach langwierigen Verhandlungen als erstes Frieden. Noch 1718 hatte sich der schwedische König nur zu einer Abtretung eines kleinen Teils von Bremen-Verden bereit erklärt, nicht jedoch der gesamten Herzogtümer Bremen und Verden. Erst durch seinen Tod Ende 1718 war der Weg für erfolgversprechende Friedensverhandlungen frei, die im Mai 1719 in Stockholm begannen. Streitpunkte waren die Höhe der Ablösesumme für Bremen-Verden, das Ausmaß der künftigen Verluste Schwedens in Pommern sowie der Einsatz der englischen Flotte zum Schutz Schwedens gegen einen russischen oder dänischen Angriff.


Schweden stand gleichzeitig unter starkem militärischen Druck Russlands. So errang die russische Flotte am 24. Mai 1719 ihren ersten Sieg in der offenen [[Seeschlacht bei Ösel]]. Um Schweden zur Unterzeichnung des Friedensvertrags zu zwingen, entschied sich Peter I. zu einer Landeoperation im schwedischen Kernland. Gleichzeitige erfolgte im August 1719 eine Landung südlich und nördlich von Stockholm. An der Operation waren 20 Linienschiffe, einige hundert Ruderschiffe sowie 26.000 Mann Landungstruppen beteiligt. Im Verlauf der Invasion wurden acht größere Städte zerstört, darunter die damals zweitgrößte Stadt [[Norrköping]]. Durch Großadmiral Apraxin ließ Zar Peter die Küste von [[Västerbotten|Westbothnien]] niederbrennen. 13 Städte, 361 Dörfer und 441 adlige Güter wurden zerstört.
Mit Hannover-England schloss Schweden als erstes Frieden. Dem voraus gingen langwierige Verhandlungen. Noch 1718 hatte sich der schwedische König Karl XII. nur zu einer Abtretung eines kleinen Teils von Bremen-Verden bereit erklärt, nicht jedoch der gesamten Herzogtümer Bremen und Verden. Erst durch den Tod Karls XII. am 11. Dezember 1718 war der Weg für erfolgversprechende Friedensverhandlungen, die im Mai 1719 in Stockholm begannen, frei geworden. Streitpunkte waren die Höhe der Ablösesumme für Bremen-Verden, das Ausmaß der künftigen Verluste Schwedens in Pommern sowie der Einsatz der englischen Flotte zum Schutz Schwedens gegen einen russischen oder dänischen Angriff. Schweden stand gleichzeitig unter starkem militärischem Druck Russlands.
[[Datei:Battle of grengam.jpg|thumb|left|Seeschlacht bei Grönham am 7. August 1720]]
So errang die russische Flotte ihren ersten Sieg in offener [[Seeschlacht bei Ösel|Seeschlacht bei Saaremaa]] am 24. Mai 1719. Um Schweden zur Unterzeichnung des Friedensvertrags zu zwingen, entschied sich Peter I., eine Landeoperation im schwedischen Kernland durchzuführen. Im August 1719 erfolgte eine gleichzeitige Landung südlich und nördlich von Stockholm. An der Operation waren 20 Linienschiffe, einige hundert Ruderschiffe sowie 26.000 Mann Landungstruppen beteiligt. Im Verlauf der Operationen wurden acht größere Städte (u.a. die damals zweitgrößte Stadt [[Norrköping]]) zerstört. Durch den General [[Fjodor Matwejewitsch Apraxin]] ließ Zar Peter I. die Küste von [[Westbothnien]] niederbrennen. 13 Städte, 361 Dörfer und 441 adlige Güter wurden zerstört.
Die russischen Vorstöße beschleunigten die Friedensschlüsse zwischen den restlichen Gegnern mit Schweden noch. Im November 1719 stellte Dänemark die Kampfhandlungen mit Schweden ein. Unter Vermittlung des englischen Bevollmächtigten [[John Carteret, 2. Earl Granville|Carteret]] wurde Am 22. November 1719 in einem [[Präliminarfrieden]] zu Stockholm der Krieg mit Großbritannien beendet. Hannover erhielt in diesem die Herzogtümer Bremen-Verden gegen eine Zahlung von einer Million Reichstalern und leistete Schweden indirekt englische Unterstützung zu. Im [[Hamburger Vergleich (1729)]] erkannte Schweden die Abtretung des Herzogtums Verden an Hannover an.


Die russischen Vorstöße beschleunigten die Friedensschlüsse Schwedens mit seinen übrigen Gegnern. Im November 1719 stellte Dänemark die Kampfhandlungen mit Schweden ein. Unter Vermittlung des englischen Bevollmächtigten [[John Carteret, 2. Earl Granville|John Carteret]] wurde am 22. November 1719 in einem [[Präliminarfrieden]] zu Stockholm der Krieg mit Großbritannien beendet. Hannover erhielt gegen eine Zahlung von einer Million Reichstalern die Herzogtümer Bremen-Verden und sagte Schweden indirekt englische Unterstützung zu. Endgültig anerkannt wurde die Abtretung erst im [[Hamburger Vergleich (1729)|Hamburger Vergleich]] des Jahres 1729.
Am {{JULGREGDATUM|1|2|1720}} kam es nach langwierigen Verhandlungen zum [[Frieden von Stockholm]] zwischen Preußen und Schweden. Preußen behielt Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie Vorpommern bis zur Peene für eine finanzielle Gegenleistung von 2 Millionen Reichstalern.<ref>J. O. Lindsay: The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63, S. 199</ref> Am {{JULGREGDATUM|14|7|1720}} beendeten Dänemark und Schweden den Krieg im [[Frieden von Frederiksborg]] nach über acht Monaten Unterhandlungen. Dänemark gab Schweden Rügen und Vorpommern nördlich der Peene sowie die Herrschaft Wismar zurück, das dafür 600.000 Taler bezahlte und auf die Zollfreiheit im Sund verzichtete.<ref>Robert Nisbet Bain: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006, S. 346</ref>


Am {{JULGREGDATUM|1|2|1720}} kam es nach langwierigen Verhandlungen zum [[Frieden von Stockholm]] zwischen Preußen und Schweden. Preußen behielt Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie Vorpommern bis zur Peene für eine finanzielle Gegenleistung von 2 Millionen Reichstalern.<ref>J. O. Lindsay: The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63, S. 199</ref> Am {{JULGREGDATUM|14|7|1720}} beendeten Dänemark und Schweden den Krieg im [[Frieden von Frederiksborg]] nach über acht Monaten Unterhandlungen. Dänemark gab Rügen und Vorpommern nördlich der Peene sowie die Herrschaft Wismar an Schweden zurück, das dafür 600.000 Taler bezahlte und auf die Zollfreiheit im Sund verzichtete.<ref>Robert Nisbet Bain: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006, S. 346</ref>
Zu diesem Zeitpunkt hatte England eine große Koalition gegen Russland aufgebaut, es reichte aber nicht, um die Kriegshandlungen im Norden zu beenden. Preußen und Sachsen tendierten dazu sich erneut dem Zaren zu zuwenden und von Großbritannien zu entfernen. Auch der Kaiser in Wien wurde unruhig aufgrund der anhaltenden Besetzung Mecklenburgs durch welfische Truppen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte England eine große Koalition gegen Russland aufgebaut, die jedoch nicht ausreichte, um die Kriegshandlungen im Norden zu beenden. Preußen und Sachsen tendierten dazu, von Großbritannien wieder abzurücken, um sich erneut dem Zaren zuzuwenden. Auch der Kaiser in Wien wurde aufgrund der anhaltenden Besetzung Mecklenburgs durch welfische Truppen unruhig.


=== Frieden mit Russland ===
=== Frieden mit Russland ===
[[Datei:Nystad Unterzeichnung 1721.jpg|miniatur|left|Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Nystadt am 20. August 1721. Radierung, 1721.]]
[[Datei:Battle of grengam.jpg|thumb|left|[[Seeschlacht bei Grönham]] am 7. August 1720]]
Die Entscheidung Englands, die in der Ostsee segelnde Flotte unter Kommando von Norris gegen Russland einzusetzen, blieb erfolglos. Die englischen Schiffe konnten die russischen Schiffe nicht bis in den Golf von Finnland folgen. Am 7. August 1720 wurde ein schwedisches Geschwader in der [[Seeschlacht bei Grönham]] von einem russischen geschlagen, und 1721 wurde Stockholm selbst nur durch die Ankunft einer britischen Flotte vor einem russischen Angriff gerettet. Der englischen Flotte gelang es nicht, die russischen Angriffe auf das schwedische Festland zu unterbinden. <ref>Robert Nisbet Bain: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006, S. 347</ref> Großbritannien erkannte, dass es nicht möglich war, eine Kriegskoalition gegen Russland zu bilden. Preußen fuhr einen strikten Neutralitätskurs und auch die anderen englischen Inititativen an den Höfen in Wien und Warschau blieben erfolglos. Daher drängte nun auch das Vereinigte Königreich darauf, die Friedensverhandlungen mit Russland so schnell wie möglich aufzunehmen. Infolge eines [[Südseeblase|Finanzcrashs]] war es für den [[Georg I. (Großbritannien)|britischen König Georg I.]] nun auch nicht mehr möglich, die Schweden finanziell zu unterstützen. Somit blieb das ohne Unterstützung dastehende Schweden nichts anderes übrig, als unter französischer Vermittlung mit Russland am 28. April, in [[Uusikaupunki|Nystadt]], einem kleinen finnischen Städtchen unweit von Äbo in direkte Friedensunterhandlungen zu treten.
Die Entscheidung Englands, seine in der Ostsee unter dem Kommando von Admiral Norris segelnde Flotte gegen Russland einzusetzen, blieb im Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Die englischen Geschwader konnten den russischen Schiffen nicht bis in den Golf von Finnland folgen. Der englischen Flotte gelang es auch nicht, die russischen Angriffe auf das schwedische Festland zu unterbinden. Am 7. August 1720 wurde ein schwedisches Geschwader in der [[Seeschlacht bei Grönham]] von einem russischen geschlagen, und 1721 wurde Stockholm selbst nur durch die Ankunft einer britischen Flotte vor einem russischen Angriff gerettet.<ref name="Robert Nisbet Bain S. 347">Robert Nisbet Bain: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006, S. 347.</ref> Großbritannien erkannte nun, dass es außer Stande war, eine wirksame Kriegskoalition gegen Russland zu bilden. Preußen hielt einen strikten Neutralitätskurs ein und auch die anderen englischen Initiativen an den Höfen in Wien und Warschau blieben erfolglos. Daher drängte nun auch das Vereinigte Königreich darauf, so schnell wie möglich Friedensverhandlungen mit Russland aufzunehmen. Infolge einer [[Südseeblase|Spekulationskrise]] war es für den britischen König Georg I. nun auch nicht mehr möglich, die Schweden finanziell zu unterstützen. Somit blieb dem ohne Unterstützung dastehenden Schweden nichts anderes übrig, als unter französischer Vermittlung in direkte Friedensverhandlungen mit Russland zu einzutreten, die ab dem 28. April 1721 in [[Uusikaupunki|Nystadt]], einem kleinen finnischen Städtchen unweit von Äbo, begannen.
[[Datei:Nystad Unterzeichnung 1721.jpg|miniatur|Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Nystadt am 20. August 1721. Radierung, 1721.]]
Am 10. September 1721 trat Schweden im [[Frieden von Nystad|Friedensvertrag von Nystad]] die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln [[Saaremaa|Ösel]] und [[Hiiumaa|Dagö]] sowie [[Karelien|Südkarelien]] an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte. Zudem leistete Russland Schweden Reparationen in Höhe von 2 Millionen Reichstalern.<ref name="Robert Nisbet Bain S. 347"/> Schweden erhielt das Recht, in Riga, Reval und Arensburg alljährlich Getreide im Wert von 50.000 Rubel zollfrei aufzukaufen; ausgenommen waren hiervon Jahre der Missernte.


Im Zuge der Friedensverhandlungen am Ende des Krieges bot Königin [[Ulrika Eleonora]] am 7. Januar 1720 auch August dem Starken einen Waffenstillstand an. In diesem Angebot wählte sie absichtlich die Anrede „Friedrich August“ und drückte damit aus, dass der sächsische Kurfürst nach der Wiederwahl 1710 von Schweden nach wie vor nicht als polnischer König anerkannt war. Obwohl August II. mit einer Revision des [[Frieden von Altranstädt|Friedens von Altranstädt]] die Anerkennung seiner polnischen Königswürde zu verknüpfen hoffte, kam es jedoch zu keinem Abschluss. An den Friedensschlüssen nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges war Sachsen-Polen, obwohl aktive Kriegspartei, damit nicht beteiligt. Eine beiderseitige Bekräftigung des faktischen Friedenszustandes zwischen Sachsen und Schweden fand erst im April 1729 statt. Der polnische Sejm hatte zuvor 1726 zu Grodno beschlossen, in Friedensgespräche mit Schweden einzutreten und frühere Friedensabkommen, in erster Linie den [[Frieden von Oliva]], zu bestätigen. Nach einer ersten Absichtsbekundung 1729 begannen erneut Verhandlungen, in deren Verlauf Schweden im Februar 1730 und Polen im September 1732 Entwürfe vorlegten, die in einer beidseitigen Friedensdeklaration mündeten.
Am 10. September 1721 trat Schweden im [[Frieden von Nystad|Friedensvertrag von Nystad]], die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln [[Saaremaa|Ösel]] und [[Hiiumaa|Dagö]] sowie [[Karelien|Südkarelien]] an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte. Zudem leistete Russland Schweden Reparationen in Höhe von 2 Millionen Reichstalern.<ref>Robert Nisbet Bain: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006, S. 347</ref> Schweden erhielt das Recht in Riga, Reval und Arensburg Getreide im Wert von 50.000 Rubel alljährlich zollfrei aufzukaufen; ausgenommen waren hiervon Jahre der Missernte.

Im Zuge der Friedensverhandlungen zu Ende des Krieges bot Königin [[Ulrika Eleonora]] am 7. Januar 1720 August II. einen Waffenstillstand an. In diesem Angebot wählt sie ausdrücklich die Anrede „Friedrich August“ und drückte damit aus, dass der sächsische Kurfürst zwar den Thron 1710 auf dem Weg der Berufung durch den polnischen Adel wiedererlangt hatte, von Schweden jedoch nach wie vor nicht anerkannt war. Für August II. wäre die Anerkennung der polnischen Königswürde einer Revision des [[Frieden von Altranstädt|Friedens von Altranstädt]] gleichgekommen. Zu einer Annahme des Friedensangebotes durch [[Sachsen-Polen]] kam es nicht. An den Friedensschlüssen am Ende des Großen Nordischen Krieges war Sachsen-Polen, obwohl aktive Kriegpartei, damit nicht beteiligt. Eine beidseitige Bekräftigung des faktischen Friedenszustandes findet erst im April 1729 statt. 1726 hatte der polnische Sejm zu Grodno beschlossen, in Friedensgespräche mit Schweden einzutreten und frühere Friedensabkommen, in erster Linie den [[Frieden von Oliva]], zu bestätigen. Nach der ersten Friedensdeklaration 1729 begannen erneut Verhandlungen, in deren Verlauf Schweden im Februar 1730 und Polen im September 1732 Entwürfe vorlegten, die in diese beidseitige Deklaration mündeten.


== Folgen und Auswirkungen des Krieges ==
== Folgen und Auswirkungen des Krieges ==
Der Krieg hatte gravierende Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung im schwedischen Reich. Auf fünf Frauen kamen zuletzt nur noch drei Männer, was dazu führte, dass vorwiegend Frauen die landwirtschaftliche Arbeit übernehmen mussten. Finnland hatte die höchsten Verluste erlitten und 16 Prozent seiner Bevölkerung eingebüßt. In Schweden betrug der Blutzoll 10 Prozent. Finnland war so schwer getroffen, dass der schwedische Gouverneur für sechs Jahre darauf verzichtete, Steuern zu erheben. <ref>Franklin Daniel Scott: ''Sweden, the nation's history'', Minneapolis 1978, S. 259.</ref>

[[Datei:NystatIngria.png|thumb|Gebietsgewinne Russlands]]
[[Datei:NystatIngria.png|thumb|Gebietsgewinne Russlands]]
Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Schweden verlor seine Besitzungen im Baltikum und in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene) und somit seine Stellung als nordische Großmacht. An seine Stelle trat das [[Russisches Kaiserreich|Zarenreich]], das nicht nur zur neuen Vormacht an der Ostsee aufstieg, sondern auch eine entscheidende Rolle bei der Neuordnung Europas gespielt hatte.<ref>Geoffrey Parker: ''The Cambridge illustrated history of warfare''. Cambridge 2005, S. 155.</ref> Der Nordische Krieg hatte dem russischen Volk jedoch das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.<ref>Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte - Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 181.</ref> Allein zwischen 1705 und 1713 gab es zehn [[Musterung]]en, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren dabei so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges 54.000 russische Soldaten an Krankheiten starben und nur etwa 45.000 tödlich verwundet wurden. aber .<ref name="Schmidt37">Christoph Schmidt: ''Russische Geschichte 1547–1917'', München 2003, S. 37.</ref> Peters neue Hauptstadt entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete, eine Entwicklung, die die um ihren Ostseehandel besorgte Seemacht Großbritannien nicht gerne sah, aber auch nicht verhindern konnte.<ref>Klaus Zernack: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche''. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79, hier: S. 71.</ref> Mitten im Krieg schuf Peter der Große so die Grundlagen der russischen Großmacht; zur Unterstreichung des neuen Anspruchs ließ er das ''Russische Zarentum'' in ''Russisches Kaiserreich'' umbenennen und seinen Titel offiziell von ''Zar'' in ''Kaiser'' (Император, Imperator) ändern. Russland war nach der jahrhundertelangen Entfremdung, bedingt durch die [[Tataren]]herrschaft, wieder ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.<ref>Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte - Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 180</ref>
Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Brandenburg und Russland waren aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt.<ref>Klaus Zernack: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche''. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79, hier: S. 57</ref>
Schweden verlor seine Besitzungen in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene) und im Baltikum und somit seine Stellung als nordische Großmacht an [[Russisches Kaiserreich|Russland]], welches als neue Militärmacht am Baltikum im Blickfeld Europas aufgetaucht<ref>Geoffrey Parker: ''The Cambridge illustrated history of warfare''. Cambridge 2005, S. 155.</ref> und für die europäische Neuordnung verantwortlich war. Denn nun wurde das nach dem Frieden von Zar Peter ''Imperiale'' ernannte Russische Reich von nun an wieder in die allgemeine europäische Geschichte verwickelt und ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.<ref>Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte - Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 180</ref> Russlands neue Hauptstadt entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete. Eine Entwicklung, die die um ihre Handelsbeziehungen in die Ostsee besorgte See- und Handelsmacht Großbritannien nicht gerne sah, aber auch nicht verhindern konnte.<ref>Klaus Zernack: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche''. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79, hier: S. 71.</ref>


Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Einflusssphäre des Zarenreichs geriet, ab 1768 de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und bis 1795 von seinen Nachbarn vollständig aufgeteilt wurde.<ref>Norman Davies: ''Im Herzen Europas. Geschichte Polens''. München 2000, S. 277.</ref>
Dennoch hatte der Nordische Krieg dem russischen Volk das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.<ref>Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte - Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 181.</ref> Allein zwischen 1705 und 1713 während des Großen Nordischen Krieges gab es 10 [[Musterung]]en, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren allerdings so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges etwa 45.000 russische Soldaten tödlich verletzt wurden, aber 54.000 an Krankheiten starben.<ref name="Schmidt37">Christoph Schmidt: ''Russische Geschichte 1547–1917'', München 2003, S. 37.</ref>
Der Niedergang Schwedens und Sachsen-Polens wiederum befreite Preußen von zwei starken potentiellen Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen.<ref>Paul Kennedy: ''The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000'', New York 1987, S. 97.</ref> Nachdem sie im Verlauf des Großen Nordischen Kriegs aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt waren, komplettierten Russland und Preußen in den folgenden Jahrhunderten neben Frankreich, Österreich und Großbritannien die [[Pentarchie]] der europäischen Großmächte.<ref>Klaus Zernack: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche''. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79, hier: S. 57.</ref>
Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Einflusssphäre Russlands geriet und ab 1768, aufgrund des Zusammenbruchs seiner Wehrorganisation, de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielte.<ref>Norman Davies: ''Im Herzen Europas. Geschichte Polens''. München 2000, S. 277.</ref>
Der Niedergang Schwedens und Polens wiederum befreite Preußen von zwei potentiell starken Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen.<ref>Paul Kennedy: ''The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000'', New York 1987, S. 97.</ref>
Zusammen mit Frankreich, Österreich und Großbritannien sollten Russland und Preußen künftig eine [[Pentarchie]] der Großmächte bilden.


== Einzelnachweise ==
Der Krieg hatte soziologisch gravierende Auswirkungen auf das Schwedische Reich. Das Verhältnis Frauen zu Männer betrug 5:3. Finnland hatte die höchsten Verluste erlitten. 16% seiner Bevölkerung fiel in dem Krieg. In Schweden betrug der Blutzoll 10% der Bevölkerung. Finnland war so schwer getroffen, dass der schwedische Gouverneur für sechs Jahre darauf verzichtete, Steuern zu erheben. Der Mangel an Männern im Schwedischen Reich führte dazu, dass vorwiegend Frauen die landwirtschaftliche Arbeit übernehmen mussten.<ref>Franklin Daniel Scott: ''Sweden, the nation's history'', Minneapolis 1978, S. 259.</ref>
<references/>

== Nachweise ==


=== Weblinks ===
== Weblinks ==


{{commons|Great Northern War|Großer Nordischer Krieg}}
{{commons|Great Northern War|Großer Nordischer Krieg}}
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* [http://www.litdok.de/cgi-bin/litdok?lang=de&t_multi=x&v_0=THS&q_0=krieg,+grosser+nordischer+(1700-1721) Publikationen zum Nordischen Krieg (1700–1721) bei] LitDok Ostmitteleuropa / [[Herder-Institut (Marburg)]]
* [http://www.litdok.de/cgi-bin/litdok?lang=de&t_multi=x&v_0=THS&q_0=krieg,+grosser+nordischer+(1700-1721) Publikationen zum Nordischen Krieg (1700–1721) bei] LitDok Ostmitteleuropa / [[Herder-Institut (Marburg)]]


=== Literatur ===
== Literatur ==
* Anisimov, Evgeniĭ Viktorovich: ''The reforms of Peter the Great: progress through coercion in Russia'', M.E. Sharpe 1993
* Anisimov, Evgeniĭ Viktorovich: ''The reforms of Peter the Great: progress through coercion in Russia'', M.E. Sharpe 1993
* Atkinson, C.T.: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969
* Atkinson, C.T.: ''A history of Germany, 1715–1815'', New York 1969
* Axelrod, Alan: ''Little-Known Wars of Great and Lasting Impact'', Beverly 2009
* Axelrod, Alan: ''Little-Known Wars of Great and Lasting Impact'', Beverly 2009
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* [[Norman Davies|Davies, Norman]]: ''Im Herzen Europas. Geschichte Polens.'' München 2000.
* [[Norman Davies|Davies, Norman]]: ''Im Herzen Europas. Geschichte Polens.'' München 2000.
* Duchhardt, Heinz: ''Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806'', Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 4, München 1990
* Duchhardt, Heinz: ''Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806'', Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 4, München 1990
* [[Christopher Duffy|Duffy, Christopher]]: ''Russia's military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800'', London 1981
* [[Christopher Duffy|Duffy, Christopher]]: ''Russia’s military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800'', London 1981
* Englung, Peter: ''The Battle that Shook Europe'', Pearson Education Verlag, New York 2003
* Englung, Peter: ''The Battle that Shook Europe'', Pearson Education Verlag, New York 2003
* Ewe, Herbert: ''Geschichte der Stadt Stralsund'', Weimar 1984
* Ewe, Herbert: ''Geschichte der Stadt Stralsund'', Weimar 1984
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* [[Geoffrey Parker|Parker, Geoffrey]]: ''The Cambridge illustrated history of warfare.'' Cambridge 2005.
* [[Geoffrey Parker|Parker, Geoffrey]]: ''The Cambridge illustrated history of warfare.'' Cambridge 2005.
* [[Georg Piltz|Piltz, Georg]]: ''August der Starke. Träume und Taten eines deutschen Fürsten.'' Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986. ISBN 3-355-00012-4
* [[Georg Piltz|Piltz, Georg]]: ''August der Starke. Träume und Taten eines deutschen Fürsten.'' Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986. ISBN 3-355-00012-4
* Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte - Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998,
* Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: ''Weltgeschichte Russland'', Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998,
* Griesinger, Theodor: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869
* Griesinger, Theodor: ''Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten'', Band 3, Stuttgart 1869
* Hildebrand, Bruno; Conrad, Johannes; Loening Edgar; Elster, Ludwig et al.: ''Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik'', Band 3, Jena 1864
* Hildebrand, Bruno; Conrad, Johannes; Loening Edgar; Elster, Ludwig et al.: ''Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik'', Band 3, Jena 1864
* Jany, Curt: ''Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914.'' Bd. 1, Biblio Verlag, Osnabrück 1967, S. 632–641.
* Jany, Curt: ''Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914.'' Bd. 1, Biblio Verlag, Osnabrück 1967, S. 632–641.
* Johnson, Rossiter: ''The Great Events by Famous Historians'', 2004
* Johnson, Rossiter: ''The Great Events by Famous Historians'', 2004
* [[Paul Kennedy|Kennedy, Paul]]: ''The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000.'' New York 1987.
* [[Paul Kennedy|Kennedy, Paul]]: ''The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000.'' New York 1987.
* Konovaltjuk & Lyth, Pavel & Einar (2009) (in Schwedisch). Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Svenskt Militärhistorisk Biblioteks Förlag. ISBN 978-91-85789-14-6
* Konovaltjuk & Lyth, Pavel & Einar (2009) (in Schwedisch). Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Svenskt Militärhistorisk Biblioteks Förlag. ISBN 978-91-85789-14-6
* Konstam, Angus: ''Poltava 1709: Russia Comes of Age'', Osprey Publishing, 1994
* Lee, Stephen J.: ''Peter the Great'', London 1996
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* Lindsay, J. O.: ''The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63'', Camebridge 1957
* Lindsay, J. O.: ''The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63'', Camebridge 1957
* Lucht, Dietmar: ''Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges.'' Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1996. ISBN 3-8046-8817-9
* Lucht, Dietmar: ''Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges.'' Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1996. ISBN 3-8046-8817-9
* Lundblad, Knut: ''Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden'', Band 2, 1840
* Lundblad, Knut: ''Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden'', Band 2, 1840
* Massie, Robert K.: ''Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987,
* Massie, Robert K.: ''Peter der Große Sein Leben und seine Zeit'', Frankfurt/ Main 1987,
* Murray, John Joseph: ''George I, the Baltic and the Whig split of 1717. A study in propaganda'', London 1969
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* Oakley, Stewart P.: ''War and peace in the Baltic, 1560-1790'', London 1992
* Oakley, Stewart P.: ''War and peace in the Baltic, 1560-1790'', London 1992
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* Scheck, Werner: ''Geschichte Russlands.'' Wilhelm Heyne Verlag, München 1977. ISBN 3-453-48035-X
* Scheck, Werner: ''Geschichte Russlands.'' Wilhelm Heyne Verlag, München 1977. ISBN 3-453-48035-X
* Schmidt, Christoph: Russische Geschichte 1547–1917, München 2003
* Schmidt, Christoph: Russische Geschichte 1547–1917, München 2003
* Scott, Franklin Daniel: ''Sweden, the nation's history'', Minneapolis 1978
* Scott, Franklin Daniel: ''Sweden, the nation’s history'', Minneapolis 1978
* Thon, Nikolaus: ''St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage'', Leningrad, 1990
* Thon, Nikolaus: ''St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage'', Leningrad, 1990
* Torke, Hans-Joachim: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997
* Torke, Hans-Joachim: ''Einführung in die Geschichte Russlands'', München 1997
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* Wernicke, Carl: ''Die Geschichte der Welt'', Bände 2-3, Berlin 1857
* Wernicke, Carl: ''Die Geschichte der Welt'', Bände 2-3, Berlin 1857
* [[Klaus Zernack|Zernack, Klaus]]: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche.'' In: ''Zeitschrift für historische Forschung'' 1 (1974) S. 55–79.
* [[Klaus Zernack|Zernack, Klaus]]: ''Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche.'' In: ''Zeitschrift für historische Forschung'' 1 (1974) S. 55–79.

=== Einzelnachweise ===
<references/>


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[[af:Groot Nordiese Oorlog]]
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Version vom 20. April 2011, 00:29 Uhr

Großer Nordischer Krieg
Datei:Stora nordiska kriget.jpg
Gemäldezusammenschnitt dem Uhrzeigersinn nach: Schlacht von Poltawa, Schlacht von Gangut, Schlacht bei Narva, Schlacht bei Gadebusch, Schlacht von Storkyro
Datum12. Februar 1700 – 10. September 1721
OrtMittel-, Nord- und Osteuropa
Ausgangalliierter Sieg
FriedensschlussPräliminarfrieden zu Stockholm, Frieden von Stockholm, Frieden von Frederiksborg, Frieden von Nystad
Konfliktparteien

Königreich Schweden (1700–1721)
Hetmanat (1708–1709)
Osmanisches Reich (1710–1711)

Zarentum Russland (1700–1721)
Sachsen-Polen (1700–1706, 1709–1719)
Dänemark-Norwegen (1700, 1709–1720)
Königreich Preußen (ab 1715)
Kurfürstentum Hannover (ab 1715)

Befehlshaber
Schweden:
König Karl XII.
Generäle Carl Gustaf Rehnskiöld, Adam Ludwig Lewenhaupt, Magnus Stenbock, Carl Gustaf Armfeldt
Polen:
König Stanislaus I. Leszczyński
Hetmanat:
Iwan Masepa
Osmanisches Reich:
Sultan Ahmed III.
Großwesir Baltaji Mehmed Pascha
Krim-Khan Devlet II. Giray
Russland:
Zar Peter der Große
Feldmarschälle Boris Scheremetew, Alexander Menschikow;
Admiral Fjodor Apraxin
Sachsen-Polen:
König August der Starke
Generäle Jacob Heinrich von Flemming, Georg von Ogilvy, Johann Matthias von der Schulenburg
Dänemark:
König Friedrich IV.
Preußen:
König Friedrich Wilhelm I.
Feldmarschall Leopold I. von Anhalt-Dessau
Hannover-England:
König Georg I.
Vorlage:Linkbox Großer Nordischer Krieg

Der Große Nordische Krieg war ein in Nord-, Mittel- und Osteuropa geführter Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum in den Jahren 1700 bis 1721.

Eine Dreierallianz, bestehend aus dem Russischen Zarenreich, den Personalunionen Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen, griff im März 1700 das Schwedische Reich an, das von dem 18-jährigen, als jung und unerfahren geltenden König Karl XII. regiert wurde. Trotz der ungünstigen Ausgangslage blieb der schwedische König zunächst siegreich und erreichte, dass Dänemark-Norwegen (1700) und Sachsen-Polen (1706) aus dem Krieg ausschieden. Als er sich 1708 anschickte, Russland in einem letzten Feldzug zu besiegen, erlitten die Schweden in der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 eine verheerende Niederlage, welche die Kriegswende bedeutete.

Von dieser Niederlage ihres ehemaligen Gegners ermutigt, traten Dänemark und Sachsen wieder in den Krieg gegen Schweden ein. Von nun an bis zum Kriegsende behielten die Alliierten die Initiative und drängten die Schweden in die Defensive. Erst nachdem der als uneinsichtig und kriegsbesessen geltende Schwedenkönig im Herbst 1718 während einer Belagerung vor Frederikshald in Norwegen fiel, konnte der für sein Land aussichtslos gewordene Krieg beendet werden. Die Friedensbedingungen im Frieden von Nystad, dem Frieden von Frederiksborg und dem Frieden von Stockholm bedeuteten das Ende des schwedischen Status als europäische Großmacht und den gleichzeitigen Aufstieg Russlands als neue Großmacht.

Die Ausgangssituation

Die Vorgeschichte

Die Ursachen des Großen Nordischen Krieges waren vielfältiger Natur und hatten ihre Ursprünge bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In zahlreichen Kriegen gegen die Königreiche Dänemark und Polen-Litauen sowie das Russische Zarenreich hatte Schweden bis 1660 die Vormachtstellung im Ostseeraum errungen. Dabei hatte es das Zarenreich im Frieden von Stolbowo (1617) den Zugang zur Ostsee genommen und Dänemark mit dem Frieden von Oliva (1660) die uneingeschränkte Herrschaft über den Sund entrissen. Wie schon im Dreißigjährigen Krieg war Schweden auch in den folgenden Jahren außenpolitisch von Frankreich unterstützt worden und konnte so seinen Besitzstand wahren.

Als Folge dieser Entwicklungen zeichneten sich am Ende des 17. Jahrhunderts in Nordosteuropa folgende Konfliktlinien ab:

Entwicklung des schwedischen Imperiums im frühmodernen Europa (1560–1815)
  • Einen Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden stellte die Frage um die gottorfschen Anteile an den Herzogtümern Holstein und vor allem Schleswig dar. Die Herzogtümer waren 1544 in königliche, gottorfsche und gemeinsam regierte Anteile aufgeteilt worden.[1] Trotzdem verblieb Holstein formell kaiserliches und Schleswig dänisches Lehen. Nach dem Frieden von Roskilde 1658 wurden die Anteile der mit den Schweden alliierten Gottorfer im Herzogtum Schleswig vom dänischen Lehen entbunden. Die dänische Außenpolitik, die sich durch die Allianz der Gottorfer mit den Schweden von zwei Seiten bedroht sah, versuchte die verlorenen Gebiete wieder Dänemark einzuverleiben. Die Unabhängigkeit des Teilherzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf garantierte lediglich die schwedische Regierung, die davon ausging, dass sie mit dem verbündeten Territorium im Falle eines Krieges gegen Dänemark über eine strategische Basis für Truppenaufmärsche und Angriffe auf das dänische Festland verfügte.[2]
  • Einen weiteren Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden bildeten die früher dänischen und seit 1658 zu Schweden gehörenden Provinzen Schonen (Skåne), Blekinge und Halland. Die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Schonens hatte bereits 1675 zum letztlich erfolglosen Kriegseintritt Dänemarks in den Nordischen Krieg von 1674 bis 1679 geführt.[2]
  • Unter König Karl XI. von Schweden (1655–1697) war es zu den so genannten Reduktionen gekommen, durch die der Landbesitz des Adels größtenteils an die Krone überging. Diese Praxis stieß unter anderem in Livland auf den Widerstand der betroffenen Fürsten, die sich daraufhin um ausländische Hilfe bemühten.[2]
  • In Russland hatte Zar Peter I. (1672–1725) erkannt, dass das Fehlen eines Zugangs zur Ostsee den russischen Handel beeinträchtigte. Seine Anstrengungen richteten sich deshalb vor allem gegen Schweden, das die Ostseeküste besetzt hielt.[2]
  • Kurfürst August I. von Sachsen (1670–1733) war im Jahre 1697 als August II. zum König von Polen gewählt worden und strebte danach, sich dort Anerkennung zu verschaffen, um das Königtum in eine Erbmonarchie umwandeln zu können. Dabei beriet ihn der aus Livland geflohene Johann Reinhold von Patkul (1660–1707). Dieser meinte, dass die Rückeroberung des einst polnischen Livlands August zu einigem Prestige verhelfen würde. Der lokale Adel würde diesen Schritt willkommen heißen und sich gegen die schwedische Herrschaft erheben.[2]

Zwischen den drei potentiellen Gegnern Schwedens zeichnete sich bald nach der Thronbesteigung des erst 15-jährigen Karls XII. von Schweden (1682–1718) der Zusammenschluss zu einer Allianz ab. Bereits im ersten Regierungsjahr hatte der junge König seinen Schwager Friedrich IV. (1671–1702), den Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf, zum Oberbefehlshaber aller schwedischen Truppen in Deutschland gemacht und ihn beauftragt, die Landesverteidigung des Gottorfer Teilherzogtums zu verbessern. Diese offensichtlich militärischen Vorbereitungen gaben im Juni 1698 den Anstoß zu ersten Bündnisverhandlungen zwischen Dänemark und Russland.[3] Im August 1698 trafen sich Zar Peter I. und König August II. in Rawa, wo sie erste Absprachen für einen gemeinsamen Angriff auf Schweden trafen.[4] Auf Betreiben Patkuls kam es schließlich am 11. Novemberjul. / 21. November 1699greg. mit dem Vertrag von Preobraschenskoje zum formalen Bündnis zwischen Sachsen-Polen und Russland. Am 23. Novemberjul. / 3. Dezember 1699greg. wurde eine weitere Allianz zwischen Zar Peter I. und König Friedrich IV. von Dänemark (1671–1730) abgeschlossen. Dänemark war seit März 1698 auch mit Sachsen in einer Defensivallianz verbündet. In beiden Verträgen wurde Schweden allerdings nicht explizit als Ziel dieser Abkommen erwähnt. Sie verpflichteten die Vertragspartner lediglich dazu, sich im Falle eines Angriffs oder wenn der Handel eines der Länder durch andere Staaten beeinträchtigt würde, Beistand zu leisten. Weiterhin ließ Zar Peter Klauseln einfügen, nach denen er erst nach einem Friedensschluss zwischen Russland und dem Osmanischen Reich (→ Russisch-Türkischer Krieg (1686–1700)) an die Bestimmungen der Verträge gebunden war.[5]

Die beteiligten Mächte

  • Schweden

war seit dem Dreißigjährigen Krieg zur hegemonialen Großmacht im Ostseeraum aufgestiegen, deren Besitzungen sich auch über alle Gegenküsten erstreckten, von Bremen über Vorpommern und das Baltikum bis nach Finnland. Diese verstreuten Territorien galt es gegen die Begehrlichkeiten der Nachbarn zu verteidigen, die als Binnenstaaten in ihrem Streben zum Meer durch den schwedischen Besitz blockiert waren. Die schwere Aufgabe fiel dem erst 18jährigen Karl XII. zu, der sich allerdings auf eine den Gegnern zunächst in allen Belangen weit überlegene Armee mit kompetenten Befehlshabern stützen konnte. Nach einer eindrucksvollen Serie von Siegen galt der junge König daher bald als das größte militärische Genie seiner Zeit. Sein wichtigster politischer Berater war der vorsichtige Staatsmann Carl Piper, der wiederholt zum Ausgleich mit dem Gegner riet, damit jedoch nicht durchdringen konnte. Ein bemerkenswerter Charakterzug Karls XII. war, dass er sich von einem gesetzten Ziel nicht mehr abbringen ließ. So gab er nach erfolgreicher Abwehr der ersten russischen Invasion der Niederringung Augusts II. in Polen Priorität und ließ sich auch durch die alarmierenden Nachrichten aus dem Baltikum von seinem Hass nicht ablenken. Nachdem er mehrere günstige Gelegenheiten für einen Frieden versäumte, wurde dem schwedischen König nachgesagt, dass er vom Krieg geradezu besessen sei. Nach der für Schweden katastrophalen Kriegswende 1709 und dem unfreiwilligen Exil im Osmanischen Reich wurden seine eigensinnigen Charakterzüge zunehmend zur Last, da er die Erschöpfung seines Landes nicht zur Kenntnis nehmen und bis zuletzt an seinen Großmachtplänen festhalten wollte.

  • Russland

war zu Beginn des Krieges noch ein weithin rückständiger Binnenstand, der im Norden durch die schwedische Expansion und im Süden durch das Osmanische Reich in seinem Streben nach Zugang zu den Weltmeeren blockiert wurde. Zar Peter I. war ein weltoffener Charakter von systematischer Zielstrebigkeit, der die wichtigste Phase seiner Ausbildung in Holland genossen und sich dabei von der Bedeutung des Seehandels überzeugt hatte. Peter hielt es deshalb für unverzichtbar, einen Ostseehafen zu erwerben, damit sein Reich Anschluss an die rasante Entwicklung im übrigen Europa gewinnen konnte. Nachdem die russische Armee sich in einem ersten Versuch als unzulänglich erwies, ging Peter daran, seine Streitkräfte zu modernisieren, um die erforderlichen Territorien im Baltikum erobern zu können. Bei seiner Aufrüstung, zu der bald auch der Aufbau einer Flotte gehörte, konnte der Zar sich auf die umfangreichen Ressourcen seines Landes stützen, dem es vor allem an Rekruten nicht mangelte. Durch harte Ausbildung und schrittweise Steigerung der gestellten Aufgaben gelang es allmählich, Anschluss an den militärtechnischen Stand der feindlichen Armeen zu gewinnen. Nach erfolgreicher Abwehr der schwedischen Invasion in der Ukraine erhöhten sich die anfänglich begrenzten Ambitionen Russlands, was neue Gegner auf den Plan rief, die jedoch nicht mehr in der Lage waren, die russischen Kerninteressen zu gefährden. Zum militärischen Beraterstab des Zaren zählten sein Vertrauter Alexander Danilowitsch Menschikow, sein Außenminister Fjodor Alexejewitsch Golowin, der Feldmarschall Boris Petrowitsch Scheremetew und der Admiral Fjodor Matwejewitsch Apraxin.

  • Sachsen-Polen

war durch die Personalunion 1697 bei der Wahl des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. zum König von Polen entstanden. Der Entschluss zur Kandidatur war aus dem Streben Sachsens nach außenpolitischer Souveränität und Emanzipation vom Reich erwachsen, wie es etwa zur gleichen Zeit auch Brandenburg-Preußen vormachte. Um den Titel annehmen zu können, war August sogar vom protestantischen Konfession zum Katholizismus konvertiert, wodurch Sachsen seine Führungsrolle unter den evangelischen Reichsständen einbüßte. Mit dem polnischen Thron, zu dem auch der Titel des Großfürsten von Litauen gehörte, herrschte August der Starke theoretisch über einen der größten Territorialstaaten Europas. Tatsächlich aber befand sich die polnische Wahlmonarchie seit längerer Zeit in einer schweren Krise, und wegen der Adelsherrschaft mit ihren Freiheitsprivilegien galt das Land als nahezu unregierbar. Diese Erfahrung musste auch August II. machen, der seine Reformpläne nur zu einem geringen Teil durchsetzen konnte. Dennoch fand der großzügige und feinsinnige König offenbar den richtigen Ton gegenüber den polnischen Adligen, da er trotz aller Rückschläge über einigen Rückhalt im Lande verfügte. Die sächsischen und polnischen Truppen waren zu Beginn des Krieges besser ausgerüstet als ihre russischen Verbündeten, aufgrund schwacher Führung blieben sie den Schweden jedoch meist deutlich unterlegen. Die grundlegenden Defizite seiner politischen und militärischen Macht wusste August II. jedoch durch taktische Flexibilität zumindest teilweise wettzumachen, wobei ihm zugute kam, dass er über zwei Länder gleichzeitig regierte und die Ressourcen des einen einsetzen konnte, um die Schwächen des anderen auszugleichen. Nach dem erzwungenen Thronverzicht 1706 gab August seine Ambitionen keineswegs verloren und nutzte die erste Gelegenheit, um sich wieder ins Spiel zu bringen.

  • Dänemark

hatte parallel zum Aufstieg Schwedens einen Niedergang erfahren, behauptete jedoch seine Position in Norwegen. Der dänische König Friedrich IV. hatte erst ein Jahr vor Kriegsbeginn den Thron bestiegen. Er konnte jedoch an die absolutistische Tradition seines Vaters anknüpfen und erwies sich als einer der klügsten Herrscher seines Landes. Die dänischen Interessen zielten vor allem auf die Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen in Südschweden (Schonen, Halland und Blekinge) und die Konsolidierung der Krone in Schleswig-Holstein. Den Anforderungen einer Invasion waren die dänischen Truppen zwar nicht gewachsen, aber die dänische Flotte war eine ernstzunehmende Herausforderung für die Schweden.

  • Das Osmanische Reich

war nach dem Ende des Großen Türkenkriegs im Frieden von Karlowitz (1799) zunächst an der Konsolidierung seiner Position interessiert und daher allenfalls zu begrenzten Kriegshandlungen bereit.

  • Brandenburg-Preußen, Braunschweig-Hannover, der habsburgische Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und die Seemächte England und Holland

waren während der ersten Hälfte des Krieges in den gleichzeitig stattfindenden Spanischen Erbfolgekrieg involviert und deshalb daran interessiert, den Konflikt im Norden von ihren Grenzen fernzuhalten. Erst nachdem der Krieg gegen Frankreich 1714 geendet hatte, zeigten sie sich ab 1715 kriegsbereit, wobei Preußen den Erwerb der bisher schwedischen Odermündung mit Stettin anstrebte, während Braunschweig in Bremen-Verden einen Zugang zum Meer suchte, der umso wichtiger schien, als der Kurfürst Georg I. Ludwig ab 1714 als König Georg I. auch über Großbritannien und Irland herrschte.

Abwehr des alliierten Angriffs auf Schweden (1700)

Sächsische und dänische Angriffe

Die Beschießung von Kokenhausen in Livland durch sächsische Truppen (Herbst 1700); Zeitgenössischer Druck

Am 12. Februar 1700 drang General Jacob Heinrich von Flemming an der Spitze von etwa 14.000 sächsischen Soldaten in Livland ein, um die Provinz und ihre Hauptstadt Riga einzunehmen.[6] Generalgouverneur Livlands war der Feldmarschall Graf Erik von Dahlberg, gleichzeitig Schwedens berühmtester Festungsbaumeister, der seine Hauptstadt in exzellenten Verteidigungszustand versetzte. Angesichts der starken Mauern Rigas nahmen die Sachsen zunächst das benachbarte Dünamünde ein (13.–15. März 1700), das von August II. sogleich in Augustusburg umbenannt wurde.[7] Danach richteten die sächsischen Truppen eine Blockade um Riga ein, ohne jedoch die Festung ernstlich anzugreifen. Nach acht Wochen ergriffen hingegen Dahlbergs Schweden die Initiative und schlugen die Sachsen im Gefecht bei Jungfernhof (6. Mai 1700). Die sächsischen Truppen wichen hinter die Düna aus und warteten zunächst auf Verstärkungen. Als diese im Juni 1700 unter Generalfeldmarschall Adam Heinrich von Steinau eintrafen, begleitete sie August II. persönlich. Steinau ging im Juli wieder zum Angriff über, schlug ein schwedisches Detachement unter General Otto Ottoson Vellingk in der Nähe von Jungfernhof und begann die eigentliche Belagerung von Riga. Als die Belagerung kaum Fortschritte erzielte, beschloss man auf sächsischer Seite, zunächst größere Teile Livlands zu sichern. Aus diesem Grund wurde im Herbst auch die kleinere Festung Kokenhausen belagert und am 17. Oktober 1700 erobert. Danach suchten die Sachsen ihre Winterquartiere in Kurland auf.[8] Die schwedischen Truppen in Livland rekrutierten sich überwiegend aus Esten, Letten und Finnen und waren vorerst auf sich allein gestellt. Es kam ihnen jedoch zugute, dass sich der livländische Adel nicht gegen die schwedische Herrschaft erhob. Stattdessen kam es im Zuge des sächsischen Einmarsches zu Bauernrevolten, was die Adligen umso mehr an die schwedische Krone anlehnen ließ.[9]

Blockade der Stadt Riga durch die polnischen und sächsischen Truppen im Jahr 1700

Inzwischen hatte am 11. März 1700 auch König Friedrich IV. von Dänemark Schweden den Krieg erklärt. An der Trave war bereits ein dänisches Korps von 14.000 Mann unter dem Befehl des Herzogs Ferdinand Wilhelm von Württemberg zusammengezogen worden. Diese Truppen setzten sich am 17. März 1700 in Bewegung, besetzten mehrere Orte in Holstein-Gottorf und schlossen am 22. April 1700 Tönning ein. Während der Belagerung von Tönningen wurde die Stadt ab dem 26. April mit Granaten beschossen. Unterdessen blieben auf Seeland nur zwei Kavallerieregimenter, das Marinerregiment und zwei Bataillone Infanterie zurück. Der Schutz der dänischen Kerngebiete gegen Schweden wurde als Hauptaufgabe der dänischen Flotte übertragen, die mit 29 Linienschiffen und 15 Fregatten im Mai in See stach. Sie wurde von dem jungen Ulrich Friedrich Gyldenløve kommandiert und hatte den Auftrag, die schwedische Flotte in Karlskrona zu überwachen; sollten die Schweden Kurs auf dänisches Gebiet nehmen, lautete der Befehl, sie unverzüglich anzugreifen. Im Mai 1700 sammelte sich indessen eine schwedische Armee aus den Regimentern in Schwedisch-Pommern und Bremen-Verden, die unter dem Befehl des Feldmarschalls Nils Karlsson Gyllenstierna stand. Ab dem Sommer wurde dieser auch von einem holländisch-hannoveranischen Hilfskorps unterstützt. Die Truppen vereinigten sich bei Altona und eilten zum Entsatz von Tönningen. Der Herzog von Württemberg gab daraufhin die Belagerung der Stadt am 2. Juni auf und wich einer Schlacht gegen die schwedischen Truppen aus.[10]

Darstellung der Feldzüge während der ersten Phase des Krieges vom Kriegsausbruch 1700 bis zur Kriegswende infolge der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709.

Schwedische Gegenoffensive in Seeland

Schweden konnte in der ersten Phase aufgrund seiner Anfangserfolge weitgehend das Kriegsgeschehen bestimmen. Zentrale Kriegsschauplätze waren in erster Linie Sachsen-Polen und das bis dahin schwedische Livland und Estland, das die russische Zarenarmee bis 1706 in einem separat geführten Nebenkrieg eroberte.

In Schweden wurde unterdessen die Kriegsbereitschaft von Heer und Flotte hergestellt. Etwa 5.000 neue Matrosen wurden angeworben und die Stärke der Flotte unter Admiral Hans Wachtmeister damit auf 16.000 Mann gebracht. Zusätzlich wurden sämtliche Handelsschiffe in schwedischen Häfen für die anstehenden Truppentransporte requiriert.[11] Insgesamt verfügte Schweden über 42 Linienschiffe in der Ostsee gegenüber insgesamt 33 dänischen.[12] Ebenso schnell wurde das Heer aufgerüstet. Entsprechend dem Einteilungswerk wurden die regionalen Regimenter mobilisiert und dazu eine größere Anzahl neuer Einheiten aufgestellt. Insgesamt umfassten die Truppen bald 77.000 Mann.[11] Eine weitere Unterstützung erhielt Schweden im Juni durch eine englisch-niederländische Flotte von 25 Linienschiffen unter den Admiralen George Rooke und Philipp van Almonde. Die Seemächte waren beunruhigt wegen des bevorstehenden Todes des spanischen Königs, von dem erwartet wurde, dass er einen europäischen Erbfolgekrieg nach sich ziehen könnte. Angesichts dieser ungewissen Lage waren sie nicht bereit, ihre wichtigen Handels- und Nachschubrouten in der Ostsee durch einen dänisch-schwedischen Krieg gefährden zu lassen. Aus diesem Grund hatten sie sich entschlossen, Schweden gegen den Angreifer Dänemark beizustehen.[13]

Belagerung von Kopenhagen 1700

Mitte Juni 1700 lag das englisch-niederländische Geschwader vor Göteborg, während Karl XII. am 16. Juni in Karlskrona mit der schwedischen Flotte in See stach. Zwischen den Verbündeten lag im Öresund die dänische Flotte, um die Vereinigung ihrer Gegner zu verhindern. Karl ließ seine Flotte jedoch eine enge Fahrrinne am östlichen Ufer entlang nehmen und erreichte bald die verbündeten Schiffe. Gemeinsam verfügten die Verbündeten nun über mehr als 60 Schiffe und waren der dänischen Flotte fast um das Doppelte überlegen. Der dänische Admiral Gyldenstierna entschloss sich deshalb, einer Seeschlacht auszuweichen und zog sich zurück. Nunmehr konnten am 25. Juli die ersten schwedischen Truppen unter dem Schutz ihrer Schiffsgeschütze auf Seeland landen. Anfang August 1700 verfügten sie dort bereits über etwa 14.000 Mann gegenüber weniger als 5.000 dänischen Soldaten. Es gelang ihnen deshalb schnell, Kopenhagen einzuschließen und mit der Artillerie zu beschießen. König Friedrich IV. hatte die Seeherrschaft verloren, und seine Armee stand weit im Süden in Holstein-Gottorp, wo die Kämpfe für ihn ebenfalls ungünstig verliefen. Er hatte keine andere Möglichkeit, als sich mit Karl zu verständigen. Am 18. August 1700 schlossen die beiden Herrscher den Frieden von Traventhal, der den Status quo ante wiederherstellte.[14]

Narva-Feldzug

Ursprünglich hatten die Alliierten vereinbart, dass Russland gleich nach dem Friedensschluss mit dem Osmanischen Reich, möglichst jedoch im April 1700, den Krieg gegen Schweden eröffnen sollte. Doch die Friedensverhandlungen zogen sich in die Länge und Peter I. zögerte, trotz des Drängens von August II., sich am Krieg zu beteiligen. Erst Mitte August 1700 gelang eine Verständigung mit den Osmanen und am 19. August erklärte Peter I. Schweden schließlich den Krieg. Er tat dies jedoch in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass am Vortag mit Dänemark bereits ein wichtiger Verbündeter der Koalition weggefallen war. In einem Bericht hielt der niederländische Gesandte am 3. September deshalb fest: „Wenn diese Neuigkeit vierzehn Tage früher eingetroffen wäre, so zweifle ich sehr, ob S. Czarische Majestät sich mit ihrer Armee in Marsch gesetzt oder S. Majestät dem König von Schweden den Krieg erklärt hätte.“[15]

Schlacht bei Narva am 20. November
aus: Johann Christoph Brotze: Sammlung verschiedner Liefländischer Monumente

Allerdings hatte Peter I. bereits im Sommer 1700 eine Armee an den schwedischen Grenzen aufstellen lassen, die zu einem großen Teil aus jungen, nach westeuropäischem Vorbild ausgebildeten Rekruten bestand. Insgesamt wurden die Streitkräfte in drei Divisionen unter den Generälen Golowin, Weide und Repnin geteilt. Zu diesen stießen noch einmal 10.500 Kosaken, sodass sich die Gesamtstreitmacht auf etwa 64.000 Mann belief. Von diesen stand jedoch noch ein großer Teil im Landesinneren.[16] Mitte September rückte eine russische Vorhut in schwedisches Territorium ein, und am 4. Oktober 1700 begann die russische Hauptarmee mit etwa 35.000 Soldaten die Belagerung von Narva. Peter I. hatte vor dem Krieg Ingermanland und Karelien für sich reklamiert, um einen sicheren Zugang zur Ostsee zu erhalten. Narva lag zwar nur 35 Kilometer von den russischen Grenzen entfernt, aber in dem von August II. beanspruchten Livland. Bei den Verbündeten regte sich deshalb Misstrauen gegenüber dem Zaren und man fürchtete, dass dieser Livland für sich erobern wollte. Drei Gründe sprachen jedoch für Narva als Ziel des russischen Angriffs: Es lag südlich von Ingermanland und konnte den Schweden als Einfallstor in diese Provinz dienen. Es lag unweit der russischen Grenzen und war damit ein logistisch relativ einfach zu erreichendes Ziel. Wichtig war nicht zuletzt, dass fast der gesamte Handel Russlands nach Westen über Riga und Narva lief und der Zar ungern beide Städte im Besitz Augusts II. gesehen hätte.[17]

Unterdessen hatte Karl XII. seine Armee bis zum 24. August 1700 wieder aus Dänemark abgezogen. Seitdem bereitete er in Südschweden eine Expedition nach Livland vor, um dort den sächsischen Truppen entgegen zu treten. Trotz der drohenden Herbststürme verließ Karl am 1. Oktober Karlskrona und erreichte am 6. Oktober Pärnu. Die schwedischen Verbände hatten Verluste durch heftige Stürme hinnehmen müssen. Trotzdem wurde die Flotte sofort wieder zurückgeschickt, um weitere Soldaten und die schwere Artillerie zu überführen. Da er den alten Dahlberg in Riga siegreich fand und die Sachsen bereits in den Winterquartieren, beschloss er, sich gegen die russische Armee bei Narva zu wenden. Er verlegte seine Truppen nach Reval, wo er weitere Verstärkungen aus der Region versammelte und seine Verbände mehrere Wochen exerzieren ließ. Am 13. November 1700 brach er mit etwa 10.500 Soldaten nach Osten auf. Der Marsch im kalten Wetter und fast ohne jeden Nachschub erwies sich als schwierig, doch am 19. November erreichten die Schweden die russischen Stellungen. Am folgenden Tag kam es schließlich zur Schlacht bei Narva (20. November 1700), in der die schwedischen Truppen die zahlenmäßig weit überlegene russische Armee vernichtend schlugen. Im Verlauf der Kämpfe und bei der darauf folgenden Flucht löste sich das russische Heer nahezu vollständig auf und verlor praktisch die gesamte Artillerie. Allerdings waren auch die geringen schwedischen Kräfte geschwächt und auch sie mussten, nachdem Narva wieder befreit worden war, zunächst ihre Winterquartiere beziehen.[18]

Entthronungskrieg gegen August II. (1701–1706)

Ende 1700 hatte Karl XII. Schweden erfolgreich verteidigt und alle feindlichen Truppen vom schwedischen Territorium vertrieben. Anstatt das geschlagene russische Heer zu verfolgen, um es vollständig zu vernichten und seinen Gegner Zar Peter I. auch zum Frieden zu zwingen, wandte sich der König nun seinem dritten Gegner, dem sächsischen Kurfürsten und König von Polen zu.

Der Krieg in Polen war von einer persönlichen Fehde zwischen Karl XII. und August II. geprägt. Entgegen aller Ratschläge seiner Berater lehnte es Karl stets ab, für ihn vorteilhafte Friedensangebote seines Gegners zu akzeptieren. Sein vordergründiges Ziel war es, zu jedem Preis August II. den polnischen Königsthron zu entreißen. Neben der Hauptarmee Karls, die während des Entthronungskrieges nahezu das gesamte polnische Territorium durchzog, fanden weitere Kämpfe um die Herrschaft in Kurland und Litauen zwischen schwedischen Truppen unter dem Oberbefehl von Lewenhaupt und russischen Einheiten statt. Die militärische Entwicklung im Baltikum hielt Karl für nachrangig. Er erwartete, die russische Armee jederzeit aufs Neue besiegen zu können wie bei Narva 1700. Zu einer Überschneidung der beiden Kriegsschauplätze im Baltikum und in Polen kam es nur 1705, als ein russisches Heer, das 1705 in Kurland einmarschierte, sich vor dem herannahenden Karl XII. zurückziehen musste, ohne dass es zu einer offenen Schlacht kam. In jahrelangen Feldzügen verausgabte sich Karl mit dem schwedischen Heer in Polen und Sachsen, während das schwedische Livland von russischen Armeen verwüstet wurde. Der Krieg in Polen endete erst 1706 mit dem Altranstäder Frieden, in dem August II. zum Verzicht auf den polnischen Thron gezwungen wurde.

Besetzung des Herzogtums Kurland

Lager der polnischen und schwedischen Truppen entlang der Düna, 1700

August II. bereitete sich nun auf die im neuen Jahr zu erwartende schwedische Offensive vor. Als nachteilig erwies sich dabei die Weigerung seiner polnischen Untertanen, den Krieg finanziell und mit Truppen zu unterstützen. Der polnische Reichstag vom Februar 1701 erwirkte lediglich die Unterstützung Augusts durch ein kleines Hilfskorps von 6000 Polen und Litauern, zu wenig für den anstehenden Kampf gegen Karl. Als Reaktion auf die schwedischen Erfolge trafen sich im Februar 1701 August II. und Peter I. in einer völlig veränderten Situation, um ihr Bündnis zu erneuern. Peter brauchte Zeit, um die russische Zarenarmee zu reorganisieren und aufzurüsten. August brauchte einen starken Verbündeten im Rücken der Schweden. Zar Peter versprach, 20.000 Mann an die Düna zu entsenden, so dass August zur Abwehr des schwedischen Angriffs im Juni 1701 über ein 48.000 Mann starkes Heer aus Sachsen, Polen, Litauern und Russen verfügen konnte.[19] Unter dem Eindruck der schwedischen Erfolge suchten beide Bündnispartner jeder für sich aus dem Krieg auszuscheren: Ungeachtet ihrer Übereinkunft und ohne Mitwissen des anderen boten sie dem Schwedenkönig einen Separatfrieden an. Karl XII. wollte jedoch keinen Frieden und rüstete verstärkt für den geplanten Feldzug gegen Polen. Dazu ließ er für 1701 insgesamt 80.492 Mann aufstellen. 17.000 Mann wurden zur Deckung des Landesinneren abgestellt, 18.000 Mann schützten Schwedisch-Pommern, 45.000 Mann waren auf Livland, Estland und Ingermanland verteilt.[20] Der größte Teil der schwedischen Truppen in Livland wurde um Dorpat konzentriert.

Bombardierung der Festung Dünamünde durch königlich-schwedische Truppen im Jahr 1701

Nach den üblichen Heerschauen begann am 17. Juni 1701 der schwedische Vormarsch über Wolmar und Wenden nach Riga. Karl plante, sein Heer über die Düna zwischen Kokenhusen und Riga zu setzen. Die Sachsen hatten dieses Vorgehen vermutet und an mehreren Übergangsstellungen entlang der Düna Feldbefestigungen errichtet. Beide Heere standen sich erstmals am 8. Julijul. / 19. Juli 1701greg. bei Riga an der Düna gegenüber. Die sächsisch-russische Armee war mit 25.000 Mann der etwa 20.000 Schweden zählenden Armee leicht überlegen[21] Dieser Vorteil ging jedoch verloren, da der sächsische Oberbefehlshaber Adam Heinrich von Steinau sich durch schwedische Ablenkungsmanöver täuschen ließ und seine Einheiten entlang der Düna zersplitterte. So gelang es der schwedischen Infanterie, den reißenden Fluss zu überqueren und einen Brückenkopf an dem von den Sachsen gehaltenen Flussufer zu bilden. Die sächsische Armee erlitt in der sich anschließenden Schlacht an der Düna eine Niederlage, konnte sich aber sammeln und bis auf preußisches Territorium geordnet zurückziehen. Die russischen Truppen zogen sich ebenso, von der erneuten Niederlage geschockt, nach Russland zurück. Ganz Kurland stand der schwedischen Armee damit offen. Karl besetzte mit seinen siegreichen Truppen Mitau, die Hauptstadt des Herzogtums Kurland, das unter polnischer Lehnshoheit stand.

Eroberung von Warschau und Krakau

Feldzüge Karls XII. von seinem Winterlager in Kurland Anfang 1702 bis zur Aufnahme der Winterlager in Westpreußen Ende 1703

Die polnisch-litauische Republik protestierte gegen die Verletzung des polnischen Hoheitsgebietes, durch den Vormarsch der Schweden nach Kurland, denn nicht die Republik (vertreten durch den Sejm) befand sich im Krieg mit Schweden sondern nur der König von Polen. Als August der Starke erneut Verhandlungen anbot, empfahlen die Ratgeber Karls XII., mit dem König von Polen Frieden zu schließen. Am weitesten ging dabei der Generalgouverneur Livlands Erik von Dahlberg, der aus Protest gegen die Kriegspläne seines Königs schließlich sogar den Rücktritt einreichte. Doch Karl blieb starrsinnig und verlangte vom Sejm die Wahl eines neuen Königs. Dies lehnte die Mehrheit des polnischen Adels jedoch ab.[22]

Im Januar 1702 verlegte Karl sein Heer von Kurland nach Litauen. Am 23. März 1702 verließen die Schweden ihr Winterquartier und fielen in Polen ein. Ohne auf die geplanten Verstärkungen aus Pommern zu warten, marschierte Karl mit seinem Heer direkt gegen Warschau, das sich am 14. Mai 1702 kampflos ergab. Die polnische Hauptstadt wurde zur Zahlung einer hohen Kontribution gezwungen, bevor Karl seinen Marsch nach Krakau fortsetzte. Die Befürchtung, dass Schweden in einem denkbaren Friedensvertrag Territorialgewinne in Polen suchen würde, veranlasste nun auch den polnischen Adel, sich an dem Krieg zu beteiligen.

Kupferstich mit einer Darstellung der Schlacht bei Klissow zwischen Schweden und Sachsen am 19. Juli 1702

Bevor Karl XII. Warschau besetzte, war August II. mit der polnischen Kronarmee, etwa 8.000 Mann stark, nach Krakau gezogen, um sich dort mit der 22.000 Mann starken sächsischen Armee zu vereinigen, die in Sachsen neu aufgestellt worden war.[23] Die polnische Kronarmee unter Hieronim Augustyn Lubomirski war schlecht ausgerüstet, mangelhaft verpflegt und wenig motiviert, für die Sache des sächsischen Königs zu kämpfen. Als sich das 24.000–30.000 Mann starke polnisch-sächsische Heer südlich von Kielce den nur 12.000 Mann zählenden Schweden entgegenstellte, erleichterte dieser Umstand den Schweden am 8. Julijul. / 19. Juli 1702greg. in der Schlacht bei Klissow einen umfassenden Sieg. Dabei wurden 2000 Sachsen getötet oder verletzt und weitere 700 gerieten in schwedische Gefangenschaft. Die Schweden eroberten 48 Kanonen und hatten selbst 300 Tote und 800 Verletzte zu beklagen.[24] Ferner erbeuteten sie den gesamten Tross sowie Augusts Feldkasse mit 150.000 Reichstalern und sein Silbergeschirr. Die geringe Truppenstärke der Schweden erlaubte aber keine Verfolgung der geschlagenen polnisch-sächsischen Armee und so konnte August die verbliebenen Einheiten seines Heeres in den östlichen Landesteilen von Polen wieder sammeln. Sein schneller Rückzug über Sandomierz nach Thorn erlaubte es Karl, am 31. Juli 1702 Krakau zu besetzen. Schweden kontrollierte nun die Residenzstadt Warschau und die Krönungsstadt Krakau. Über die Hälfte des polnischen Reiches blieb aber weiter in den Händen Augusts II.

Krieg in Kurland und Litauen

Neben den Kriegsereignissen in Polen kam es auch zu Kampfhandlungen in Kurland und Litauen um die Vorherrschaft im Baltikum. Zum Schutz Kurlands war nach dem Abmarsch der Hauptarmee unter Karl XII. im Januar 1702 ein schwedisches Korps unter dem Kommando von Karl Magnus Stuart zurückgelassen worden. Aufgrund einer nicht heilenden Wunde überließ dieser die eigentliche Truppenführung jedoch Oberst Graf Adam Ludwig Lewenhaupt. In Litauen selbst stand unter dem Kommando der Generäle Carl Mörner und Magnus Stenbock eine weitere schwedische Abteilung von mehreren Tausend Mann, die im Juni 1702 zu großen Teilen Karl XII. nachfolgte und nur eine kleine Truppe zurückließ.

In Litauen waren sich die Partei des Fürsten Sapieha und die des Grafen Grzegorz Antoni Oginski feindlich gegenübergestanden.[25] Die Familie Sapieha und ihre polnischen Anhänger unterstützten die Schweden auf litauischem Gebiet, während Graf Oginski auf Seiten Augusts gegen die Schweden kämpfte. Als die Sapiehas sich nach dem Abzug der Schweden zeitweilig aus Litauen zurückzogen, nutzte Oginski die Situation und griff von Mai bis Dezember 1702 die schwedischen Truppen in Litauen und Kurland an. Sein Ziel war die Eroberung der Festung Birze als Ausgangsbasis für weitere Unternehmungen. Bei einem seiner Versuche stellte das Heer Oginskis aus 2500 Russen und 4500 Polen eine 1300 Mann starke schwedische Abteilung, die zur Entsetzung der Festung ausgesandt worden war. Am 19. März 1703 besiegte die unterlegene schwedische Abteilung das russisch-polnische Heer im Gefecht bei Schagarini. Oginski zog sich daraufhin nach Polen zurück, um sich mit den Truppen Augusts zu vereinigen.

Schwedische Eroberung West- und Zentralpolens

Schlacht von Pultusk 1703

August II. hatte den Schweden nach der Niederlage bei Klissow am 19. Juli 1702 abermals Friedensverhandlungen angeboten. Er wollte den schwedischen Forderungen so weit als möglich entgegenkommen. Nur König von Polen wünschte er zu bleiben. Auch der Kardinal-Primas unterbreitete im Namen der Republik Polen Vorschläge für einen Frieden. Er bot Karl XII. Polnisch Livland, Kurland und eine hohe Kriegsentschädigung an. Karl hätte lediglich auf die Absetzung des Königs verzichten müssen, wozu er jedoch nicht bereit war.[26] So ging der Krieg weiter. Nach einer mehrwöchigen Verzögerung durch einen Beinbruch Karls setzten die Schweden ihren Vormarsch entlang der Weichsel fort. Ende Herbst 1702 verlegte Karl seine Truppen in die Winterquartiere bei Sandomierz und Kasimierz in der Nähe von Krakau. August II. musste, zur weiteren Kriegsführung gezwungen, erneut eine Armee aufbauen, um den schwedischen Vormarsch aufzuhalten. Er hielt in Thorn einen Reichstag ab, auf dem ihm 100.000 Mann zugesagt wurden. Um die Gelder hierfür aufzubringen, reiste er im Dezember nach Dresden.[27]

„Prospect von der Stadt THORN So Anno 1703 im Majo von Ihro Königl. Mayten von schweden KÖNIG CARL den XII blocquirt“

In den ersten Monaten des Jahres 1703 ruhte der Krieg. Erst im März brach Karl XII. mit seinem Heer in Richtung Warschau auf, das er Anfang April erreichte. Anfang April 1703 verließ August II. Dresden, um von Thorn und Marienburg aus einen neuen Feldzug zu beginnen. Er hatte die Zeit genutzt, um ein neues sächsisch-litauisches Heer aufzustellen. Als Karl erfuhr, dass die feindliche Armee bei Pultusk lagerte, verließ er Warschau und überschritt mit seiner Kavallerie den Bug. Am 21. April 1703 wurden die Sachsen in der Schlacht bei Pultusk völlig überrumpelt. Der Sieg kostete die Schweden lediglich 12 Mann, während die sächsisch-litauische Armee neben mehreren Hundert Toten und Verwundeten auch 700 Gefangene zu verschmerzen hatte.[28] Nach der Niederlage bei Pultusk waren die Sachsen zu schwach, um sich der schwedischen Armee im offenen Feld zu stellen. Sie zogen sich in die Festung Thorn zurück. Karl XII. zog daraufhin nordwärts, um den letzten Rest der demoralisierten sächsischen Armee zu vernichten. Nach monatelanger Belagerung von Thorn nahm er die Stadt im September 1703 ein. Die Schweden erbeuteten 96 Kanonen, 9 Mörser, 30 Feldschlangen, 8.000 Musketen und 100.000 Taler. Mehrere Tausend Sachsen gingen in Kriegsgefangenschaft. Die Einnahme von Thorn brachte König Karl die vollständige Kontrolle Polens. Um künftigen Widerstand der Stadt, die den Schweden ein halbes Jahr getrotzt hatte, auszuschließen, wurden ihre Befestigungsanlagen geschleift.[29] Am 21. November verließen die Schweden Thorn in Richtung Elbing. Das abschreckende Beispiel erzielte die gewünschte Wirkung, und unter dem Eindruck des ihm vorauseilenden Kriegsruhms unterwarfen sich viele weitere Städte dem Schwedenkönig, um gegen Zahlung hoher Tribute verschont zu bleiben. Kurz vor Weihnachten ließ Karl sein Heer in Westpreußen Winterquartiere beziehen, da diese Gegend vom Krieg bisher unberührt geblieben war.

Die Konföderationen von Warschau und Sandomir

Karl XII. empfängt 1704 Stanisław Leszczyński (1677-1766), Kupferstich von Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726-1801)

Nach den katastrophalen Feldzügen von 1702 und 1703 wurde die militärische Lage Augusts II. aussichtslos, seine finanziellen Mittel waren erschöpft, und seine Machtbasis in Polen begann zu bröckeln. Unter dem Eindruck des wirtschaftlichen Niedergangs des Landes spaltete sich der polnische Adel in unterschiedliche Lager auf. 1704 gründete sich die schwedenfreundliche Konföderation von Warschau und drängte auf eine Beendigung des Krieges. Ihr schloss sich Stanislaus Leszczyński an, der ab 1704 die Friedensverhandlungen mit den Schweden führte. Da er das Vertrauen ihres Königs gewann, sah Karl XII. in Stanislaus bald den geeigneten Kandidaten für die vorgesehene Neuwahl des polnischen Königs.

Auch in Sachsen gab es Widerstand gegen die Polenpolitik des Kurfürsten. August führte eine Akzisesteuer ein, um seine Kriegskasse zu füllen und die Armee aufrüsten zu können. Das brachte die sächsischen Stände gegen ihn auf. Außerdem erregte er den Unmut der Bevölkerung durch aggressive Methoden der Rekrutenwerbung. Durch russische Unterstützung gelang es ihm jedoch, erneut ein Heer von 23.000 Sachsen, Kosaken und Russen aufzustellen. Litauen, Wolhynien, Rotrussland und Kleinpolen waren dem sächsischen König weiterhin treu, sodass August sich mit seinem Hof nach Sandomierz zurückziehen konnte. Dort hatten Teile des polnischen Adels eine Konföderation zu seiner Unterstützung gebildet, die sich gegen die schwedische Besetzung Polens und den von Schweden geforderten neuen König wandte. Die Konföderation von Sandomir unter dem Hetman Adam Mikołaj Sieniawski weigerte sich, eine Abdankung Augusts und die Thronbesteigung Stanislaus Leszczynskis anzuerkennen. Einen echten Kräfteausgleich bedeutete dies aber nicht, denn die Konföderation hatte nur geringe militärische Bedeutung und ihre Truppen konnten allenfalls den Nachschub der Schweden stören.

Wahl eines neuen schwedentreuen Königs von Polen

Am 12. Juli 1704 wurde gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem Schutz der schwedischen Armee Stanislaus I. Leszczyński zum König gewählt.

Ende Mai 1704 brach Karl XII. von seinem Winterquartier nach Warschau auf, um die geplante Königswahl zu schützen. Das Heer bestand aus 17.700 Mann Infanterie und 13.500 Mann Kavallerie.[30] Nach der Ankunft Karls in Warschau wurde unter dem Schutz der schwedischen Armee am 12. Juli 1704 Stanislaus I. Leszczyński gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels zum König gewählt.

Feldzüge Karls XII. von Mai 1704 bis Dezember 1705

Nach der Wahl ging Karl mit einem starken Armeekorps gegen die abtrünnigen Gebiete vor, die dem neuen König die Gefolgschaft versagten. August erkannte die Wahl nicht an und wich mit seiner Armee dem vorrückenden Karl aus. Als das schwedische Heer im Juli bis Jarosław vorrückte, nutzte August die Gelegenheit, wieder nach Warschau zu ziehen. Statt ihn zu verfolgen, eroberte Karl in einem Sturmangriff Ende August das schlecht befestigte Lemberg.[31] Währenddessen hatte August Warschau erreicht, wo sich auch der neu gewählte König aufhielt. In der Stadt selbst standen 675 Schweden und etwa 6000 Polen, die den schwedentreuen König schützen sollten. Die meisten polnischen Soldaten desertierten und auch der polnische König floh aus der Stadt, so dass allein die Schweden Widerstand leisteten. Am 26. Mai 1704 musste die schwedische Garnison vor August II. kapitulieren. Nach der Einnahme von Warschau zog August nach Großpolen. Das dortige schwache schwedische Kontingent musste sich daraufhin zurückziehen.

Bei Lemberg erhielt Karl die Nachricht von der Einnahme Narvas durch russische Truppen. Einen Zug nach Norden schloss er aber weiterhin aus. Mit zweiwöchiger Verzögerung kehrte das schwedische Heer Mitte September nach Warschau zurück, um die Stadt erneut zu erobern. August ließ es nicht auf einen Kampf ankommen, sondern floh vor der Ankunft Karls aus seiner Hauptstadt und übertrug General Johann Matthias von der Schulenburg das Kommando über die sächsische Armee. Auch dieser wagte keine offene Feldschlacht und zog sich nach Posen zurück, wo ein russisches Kontingent unter dem Kommando von Johann Reinhold von Patkul die Stadt eingeschlossen hatte. Nach der erneuten Eroberung Warschaus ließ Karl das sächsisch-polnische Heer verfolgen. Dabei wurde eine russische Abteilung von 2000 Mann in einem Gefecht besiegt, 900 Russen fielen.[32] Die restlichen Russen kämpften am Folgetag fast bis zum letzten Mann. Trotz des geschickten Rückzugs der Sachsen unter Schulenburg holte Karl einen Teil der sächsischen Armee kurz vor der schlesischen Grenze ein. In der Schlacht bei Punitz hielten 5000 Sachsen gegen vier anstürmende schwedische Dragonerregimenter stand. Schulenburg gelang es, seine Truppen geordnet über die Oder nach Sachsen zurückzuziehen. Wegen der anstrengenden Märsche musste Karl bereits Anfang November sein Winterquartier beziehen. Er wählte hierzu den an Schlesien grenzenden Distrikt Großpolen aus, der vom Krieg bis dahin weitgehend verschont geblieben war.

Entwicklung in Kurland und Litauen

Schlacht bei Jakobstadt

Nach dem Sieg Lewenhaupts im Vorjahr kehrte Jan Kazimierz Sapieha im Frühjahr 1704 nach Litauen zurück und verstärkte dort Lewenhaupts Position. Nach der Wahl Leszczyńskis zum neuen polnischen König hatte Lewenhaupt von Karl XII. den Befehl erhalten, die Ansprüche der Sapiehas in ihrer Heimat durchzusetzen. Lewenhaupt drang mit seinen Truppen von Kurland aus nach Litauen ein, worauf sich die Anhänger Augusts II. unter Führung von Graf Oginski zurückziehen mussten. Lewenhaupt konnte den litauischen Adel zwar auf die schwedische Seite ziehen und den litauischen Landtag zur Huldigung auf den neuen polnischen König bewegen, doch danach musste er wieder nach Mitau zurückkehren, da eine russische Armee herannahte und Kurland bedrohte. Das russische Heer vereinigte sich mit loyalen polnischen Truppen und zog zur Festung Seelburg an der Düna, die nur mit einer kleinen Garnison von 300 Schweden besetzt war. Lewenhaupt eilte sofort herbei, um die belagerte Festung zu entsetzen. Die russisch-polnische Armee brach darauf die Belagerung ab, um sich dem herannahenden Gegner entgegenzustellen. Am 26. Juli 1704 trafen die beiden Armeen bei Jakobstadt aufeinander, wo das zahlenmäßig weit unterlegene schwedisch-polnische Heer mit 3085 Schweden und 3000 Polen erneut ein zahlenmäßig weit überlegenes Heer von 6000 Russen und 10.000 Polen besiegte.[33] Die russischen Truppen mussten sich zurückziehen. Von dem Schlachtfeld bei Jakobstadt wandte sich Lewenhaupt zunächst gegen die zwischen Riga und Mitau gelegene Festung Birze, die von Truppen Oginskis besetzt worden war. Die Besatzung der Festung, bestehend aus 800 Polen, kapitulierte sofort und erhielt freien Abzug. Lewenhaupt entließ seine Truppen für den Rest des Jahres in die Winterquartiere, womit auch der Krieg in Litauen und Kurland eine Ruhepause hatte.

Krönung des schwedentreuen Königs in Warschau

In Polen gab es in der ersten Hälfte des Jahres 1705 keine kriegerischen Ereignisse. Die schwedische Armee unter Karl XII. lagerte untätig in der Stadt Rawitsch, die zugleich Hauptquartier der Schweden in Polen war. Es wurde entschieden, dass der im Vorjahr gewählte Stanislaus Leszczyński im Juli 1705 zum polnischen König gekrönt werden sollte.[34] Für die Schweden war die Sicherung der Thronfolge deshalb so wichtig, weil nur mit ihrem Wunschkandidaten die bereits angelaufenen Friedensverhandlungen mit Polen abgeschlossen werden konnten. Der bisherige König August II. war zwar auch zu Friedensverhandlungen bereit, doch mit der Hoffnung auf einen für ihre Zwecke fügsameren Kandidaten auf dem polnischen Thron verhärtete sich die schwedische Position, bis die Schweden in der Entthronung des Wettiners die einzige Möglichkeit sahen, einen Frieden in ihrem Sinne zu schließen.

Gefecht bei Rakowitz am 31. Juli 1705

Anders als die Schweden blieb August II. nicht untätig und konnte mit russischer Unterstützung erneut ein Heer aufstellen, das die Krönung des schwedischen Gegenkönigs verhindern sollte. Zum Befehlshaber ernannte er auf Vorschlag Johann Patkuls dessen livländischen Landsmann Otto Arnold Paykull, der mit 6000 Polen und 4000 Sachsen nach Warschau vorrückte. Um die Sicherheit des Thronfolgers zu gewährleisten, hatte Karl XII. den Generalleutnant Carl Nieroth mit 2000 Mann in die Hauptstadt entsandt. Am 31. Juli 1705 trafen beide Heere bei Warschau in der Schlacht von Rakowitz aufeinander, in der die sächsisch-polnische Armee von der fünfmal kleineren schwedischen Armee besiegt wurde. Generalleutnant Paykull fiel mitsamt seiner diplomatischen Korrespondenz in die Hände der Schweden und wurde als Staatsgefangener nach Stockholm gebracht. Dort beeindruckte er seine Richter mit der Behauptung, er kenne das Geheimnis zur Herstellung von Gold. Doch obwohl er eine Probe seiner alchemistischen Kunst ablegte, hielt Karl XII. die Sache keiner weiteren Untersuchung wert und ließ ihn wegen Landesverrats enthaupten.

Als Folge der Schlacht konnte am 4. Oktober 1705 Stanislaus Leszczyński in Warschau ungehindert zum neuen polnischen König gekrönt werden. Er blieb aber militärisch und finanziell völlig abhängig von seinen schwedischen Schutzheeren und wurde nach wie vor nicht in allen Landesteilen anerkannt. Lediglich Großpolen, Westpreußen, Masowien und Kleinpolen unterstellten sich ihm, während Litauen und Wolhynien weiterhin zu August II. und Peter I. hielten. Als direkte Folge der Königskrönung schloss am 18. November 1705 das Königreich Polen in der Person Leszczyńskis den Warschauer Frieden mit Schweden. Der bisherige König des Landes und Kurfürst von Sachsen, August II., akzeptierte diesen Frieden nicht und erklärte, dass nur zwischen Schweden und Polen kein Krieg mehr herrsche, jedoch nicht zwischen Schweden und dem Kurfürstentum Sachsen.

Der Krieg ging auch in Kurland und Litauen weiter. Peter I. hatte aufgrund der Erfolge Lewenhaupts im Vorjahr seinen Marschall Scheremetjew beauftragt, mit einem 20.000 Mann starken Heer das 7.000 Mann zählende und zersplitterte Heer Lewenhaupts von Riga abzuschneiden. Dazu musste der Vormarsch möglichst lange geheimgehalten werden, um die Konzentration der gegnerischen Kräfte zu verhindern. Dies gelang jedoch nicht, so dass Lewenhaupt seine Truppen rechtzeitig zusammenziehen konnte. Am 16. Juli 1705 stellte sich Lewenhaupt mit seinem ganzen Heer in Schlachtordnung gegen die heranrückende russische Armee auf. Nach vier Stunden Kampf siegten die Schweden in der Schlacht bei Gemäuterhof mit einem Verlust von 1500 Mann, während die zahlenmäßig überlegene russische Armee 6000 Mann verlor.[35] Der Sieg der Schweden hielt indes nicht lange vor, denn im September entsandte Peter ein weiteres, diesmal 40.000 Mann starkes Heer. Der Zar ließ seine Armee diesmal nur nachts marschieren, um die Geheimhaltung der Operation möglichst lange zu wahren. Dennoch erfuhren schwedische Kundschafter von dem neuerlichen russischen Vorstoß, so dass der zum Generalleutnant beförderte Lewenhaupt seine Truppen in und um Riga zusammenziehen konnte. Nachdem Peter I. davon Mitteilung bekommen hatte, richtete er den geplanten Vorstoß statt auf Riga auf die kleineren Festungen Mitau und Biskau. Da sich alle schwedischen Truppen um Riga befanden, konnte ganz Kurland von russischen Truppen besetzt werden.

Kampf um die Anerkennung des neuen Königs

Feldzug Karls XII. Ende 1705 bis Ende 1706

Zum ersten Mal seit der Schlacht bei Narwa marschierte Karl XII. mit dem schwedischen Hauptheer in das Baltikum, um den dort bedrängten schwedischen Kräften zu helfen. Ausgangspunkt war Warschau, wo er sich den ganzen Herbst des Jahres 1705 über aufgehalten hatte. Karl beschloss, die noch abtrünnigen Gebiete zum Treueschwur auf den neuen König zu zwingen. Ende des Jahres 1705 begann der Vormarsch des Heeres über die Weichsel und den Bug nach Litauen. Im Herbst hatten schwedische Verstärkungen aus Finnland die in Riga zusammengezogene Armee Lewenhaupts auf eine Stärke von 10.000 Mann gebracht. Die russischen Kräfte in Kurland fürchteten nun, von den Truppen Lewenhaupts in Riga und dem heranmarschierenden Karl in die Zange genommen zu werden. Nach der Sprengung der Festungswerke in Mitau und Bauske zogen sie sich aus Kurland zunächst nach Grodno zurück, so dass Lewenhaupt erneut Kurland besetzen konnte. Nachdem die Russen abgezogen waren, begannen die Litauer mehr und mehr zum neuen schwedentreuen König von Polen überzugehen, was die Lasten des Krieges für sie erheblich verminderte. Auch gelang eine Versöhnung der verfeindeten litauischen Adelsgeschlechter der Sapiehas und der Wienowickis. Da Graf Oginski mit seinen fortgesetzten Kampf auf Seiten Augusts II. nirgends Erfolge erzielte, gewann die schwedische Partei in Litauen nun endgültig die Oberhand.

Am 15. Januar (jul.) überquerte das Heer Karls XII. den Njemen auf dem Weg nach Grodno, wo ein 20.000 Mann starkes russisches Heer unter Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvy stand. Dieses hatte im Dezember 1705 die polnische Grenze überschritten, um sich mit den sächsischen Truppen zu vereinigen.[36] Karl war den Russen mit dem Hauptteil seiner Armee von fast 30.000 Mann entgegengezogen, doch zu einer Schlacht kam es nicht, da sich die russischen Truppen auf keine Auseinandersetzung mit dem Schwedenkönig einlassen wollten und sich nach Grodno zurückzogen. Aufgrund der Kälte war an eine Belagerung nicht zu denken, so ließ Karl lediglich einen Blockadering um Grodno errichten, der die Stadt und die russische Armee von der Zufuhr von Versorgungsgütern abschnitt.

Als August II. sah, dass Karl XII. untätig vor Grodno lag, hielt er einen Kriegsrat ab, der beschloss, die Abwesenheit des Königs zu nutzen, um eine weiter westlich stehende schwedische Abteilung unter dem Kommando von Carl Gustaf Rehnskiöld zu vernichten. Dieser war mit über 10.000 Mann von Karl zum Schutze Großpolens und Warschaus zurückgelassen worden. August wollte nach Westen ziehen, sich unterwegs mit allen polnischen Detachements und dann mit dem in Schlesien neu aufgestellten sächsischen Heer unter dem Kommando von General Schulenburg vereinigen, um das Korps von Rehnskiöld anzugreifen und nach einem Sieg zurück nach Grodno zu marschieren. Am 18. Januar umging August mit 2000 Mann die schwedische Blockade westlich, vereinigte sich mit mehreren polnischen Truppenkontingenten und rückte am 26. Januar zum zweiten Mal in Warschau ein. Dort rückte er nach einer kurzen Pause mit seiner inzwischen auf 14.000-15.000 Mann angewachsenen Armee weiter vor, um das schwedische Korps anzugreifen. Er befahl zudem General Schulenburg, mit seinen Truppen das in der Nähe liegende russische Hilfskorps von 6000 Mann aufzunehmen und nach Großpolen zu marschieren, um sich mit ihm zu vereinigen. Rehnskiöld erhielt Nachricht von dem sächsischen Plan und hoffte einer Vernichtung zu entgehen, indem er die Gegner in Kampfhandlungen verwickelte, solange sie noch getrennt waren. Durch Vortäuschung eines Rückzugs ließ sich General Schulenburg tatsächlich zum Angriff auf die zahlenmäßig unterlegenen Schweden verleiten. Ohne Verstärkung durch die polnische Armee Augusts II. erlitten Schulenbergs sächsische Rekruten in der Schlacht bei Fraustadt am 13. Februar 1706 eine vernichtende Niederlage durch die sturmerprobten Schweden.[37] August II. brach nach diesem erneuten Rückschlag seinen Vormarsch ab, sandte einen Teil der Truppen nach Grodno zurück und marschierte mit dem Rest nach Krakau. Die Lage in Grodno wurde durch die Niederlage bei Fraustadt für die russische Armee aussichtslos. Auf Entsatz konnte sie nicht mehr hoffen und die Versorgungsschwierigkeiten hatten sich inzwischen drastisch verschlimmert. Neben der Hungersnot verbreiteten sich unter den Soldaten Krankheiten, die zu hohen Ausfällen führten. Nachdem die Nachricht von der Niederlage bei Fraustadt in Grodno eingetroffen war, beschloss der russische Kommandeur Olgivy mit den verbliebenen 10.000 kampffähigen Männern einen Ausbruch nach Kiew. Sie entkamen den schwedischen Verfolgern und konnten sich über die Grenze retten.

Karl XII. war bei der Verfolgung der russischen Armee bis Pinsk marschiert. Von dort brach er nach einer Pause am 21. Mai 1706 auf, um in den Süden Polen-Litauens zu ziehen. Die dortigen Gebiete hielten immer noch zu August und lehnten einen Treueschwur auf König Stanislaus I. ab. Am 1. Juni rückte Karl in Wolhynien ein. Auch dort hatte man mit militärischem Nachdruck den neuen schwedentreuen König anerkannt.[38] Während der Sommermonate wurde auch gekämpft. Mehrere Streifzüge der Schweden entlang der russisch-polnischen Grenze gegen russische Stellungen brachten keine entscheidenden Ergebnisse. Aufgrund der Erfahrungen aus den Feldzügen durch Polen, die dem Zweck gedient hatten, die Legitimität des neuen schwedentreuen Königs durchzusetzen, begann Karl, seine Strategie zu überdenken. Solange das schwedische Heer vor Ort war, leisteten die Bewohner den erzwungenen Treueid. Sobald sich das schwedische Heer aber entfernt hatte, wandten sie sich wieder König August zu, der aus seinem Rückzugsgebiet in Sachsen immer wieder neue Truppen heranführte. Aufgrund der Erfolglosigkeit seiner bisherigen Strategie wollte Karl nun den Krieg durch einen Zug nach Sachsen beenden.

Eroberung Sachsens und Abdankung König Augusts II.

Die Übergabe der Schlüssel der Stadt Leipzig an König Karl XII. Kupferstich, frühes 18. Jahrhundert.
In vielen Städten Sachsens wurden schwedische Truppen einquartiert. Anders als während des Dreißigjährigen Krieges soll es zu keinen Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung gekommen sein.

Im Sommer 1706 brach Karl XII. mit seinen Truppen aus dem Osten Polens auf, vereinigte sich mit der Armee Rehnskjölds und rückte am 27. August 1706 über Schlesien in das Kurfürstentum Sachsen ein. Die Schweden eroberten Zug um Zug das Kurfürstentum und erstickten jeden Widerstand. Das Land wurde rigoros ausgebeutet. August verfügte seit der Schlacht bei Fraustadt über keine nennenswerten Truppen mehr, und da auch sein Stammland von den Schweden besetzt war, musste er Karl Friedensverhandlungen anbieten. Der schwedische Unterhändler Carl Piper und der sächsische Vertreter Olof Hermelin unterzeichneten am 24. September 1706 in Altranstädt einen Friedensvertrag, der aber erst bei Ratifizierung durch den König Gültigkeit erlangen konnte.

Offizielles Mittagessen der Teilnehmer nach der Unterzeichnung des Vertrags von Altranstadt am 7. Dezember 1706. (jul.) Kupferstich.

August wollte zwar den Kriegszustand beenden, war jedoch auch durch Bündniszusagen an Peter I. gebunden, dem er den sich anbahnenden Frieden mit Schweden verheimlichte. Auf die Kunde vom Vorstoß der Schweden nach Sachsen war die russische Armee unter den Generälen Boris Petrowitsch Scheremetew und Alexander Danilowitsch Menschikow von der Ukraine bis weit ins westliche Polen vorgerückt. Menschikow führte ein Vorauskommando vor den Hauptteilen des russischen Heeres und vereinigte sich in Polen mit der verbliebenen sächsisch-polnischen Armee unter August II. So musste August unter russischem Druck offiziell den Kampf weiterführen und schlug eher widerwillig mit der vereinten, 36.000 Mann starken Armee eine letzte Schlacht gegen die Schweden bei Kalisch.[39] In der Schlacht bei Kalisch konnten die vereinten russischen, sächsischen und polnischen Truppen numerisch unterlegene schwedische Truppen unter dem von Karl zur Verteidigung Polens zurückgelassenen General Arvid Axel Mardefelt völlig vernichten. Dabei gerieten General Mardefelt und über 100 Offiziere (unter ihnen auch polnische Magnaten) in Gefangenschaft. Dies änderte indes nichts an der weiterhin bestehenden schwedischen Übermacht, so dass August eine Annullierung des Friedensvertrages ablehnte und schnell nach Sachsen zurückkehrte, um einen Ausgleich mit Karl zu suchen. So gab der Kurfürst am 19. Dezember die Ratifizierung des Altranstädter Friedensvertrags zwischen Schweden und Sachsen bekannt, mit dem er „auf immer“ auf die polnische Krone verzichtete und die Allianz mit Russland löste. Außerdem verpflichtete er sich zur Auslieferung der Kriegsgefangenen und Überläufer, namentlich des Johann Reinhold von Patkul. August der Starke hatte den Livländer, der ihm zum Krieg geraten hatte, bereits im Dezember 1705 festgesetzt. Nach seiner Überstellung an die Schweden ließ Karl XII. ihn als Landesverräter rädern und vierteilen.

Für den schwedenhörigen polnischen König Stanislaus Leszczyński brachte der Vertrag keine Verbesserung seiner Situation. Es gelang ihm nicht, seine innenpolitischen Feinde einzubinden und so blieb er weiterhin vom Schutz durch die schwedischen Truppen abhängig.[40]

Der schwedische Vormarsch nach Sachsen löste 1706/07 internationale Verwicklungen aus, denn die Besetzung eines Reichsterritoriums war ein eindeutiger Bruch des Reichsrechts, zumal Karl XII. durch seine Besitzungen Schwedisch-Pommern und Bremen-Verden selbst ein Reichsfürst war. Überdies waren die Schweden ungefragt durch Schlesien marschiert, das habsburgisches Territorium war. Ein weiterer Reichskrieg konnte aufgrund des gleichzeitigen Krieges mit Frankreich aber nicht durchgesetzt werden. Auch dass sich Karl mit den aufständischen Ungarn verbündete oder in die habsburgische Erblande einmarschierte, und damit eine erneute Konstellation wie im Dreißigjährigen Krieg eintrat, galt es aus Sicht des Wiener Hofes zu verhindern.[41]

Die Gefahr, dass der Große Nordische Krieg sich mit den in Mitteleuropa parallel stattfindenden Kämpfen im Spanischen Erbfolgekrieg vermischte, war zu diesem Zeitpunkt groß. Beide kriegführenden Seiten waren daher bemüht, den König von Schweden als Verbündeten zu gewinnen oder zumindest aus dem Konflikt herauszuhalten. So besuchte im April 1707 der alliierte Kommandeur der Truppen in den Niederlanden, John Churchill, Herzog von Marlborough das schwedische Lager in Sachsen. Er drängte Karl, sich mit seiner Armee wieder nach Osten zu wenden und nicht weiter in das Reichsterritorium vorzudringen.[39] Auch der habsburgische Kaiser Joseph I. bat Karl, sich mit seinen Truppen aus Deutschland herauszuhalten. Zu diesem Zweck war der Kaiser sogar zur Anerkennung des neuen polnischen Königs und zu Zugeständnissen an die evangelischen Christen in den schlesischen Erblanden bereit, wie sie schließlich im September 1707 zweiten Vertrag von Altranstädt vereinbart wurden, in dem unter anderem die Erlaubnis zum Bau von sogenannten Gnadenkirchen erteilt wurde. Karl hatte kein Interesse, sich in die deutschen Angelegenheiten einzumischen und zog es vor, erneut gegen Russland zu ziehen.[41]

Krieg in den schwedischen Ostseeprovinzen (1701–1707)

Die schwedischen Baltikprovinzen

Fernab von den Kämpfen in Polen eroberte Russland nach der Niederlage bei Narwa Schritt für Schritt die schwedischen Ostseeprovinzen. Da die schwedische Hauptarmee in Polen gebunden war, mussten viel zu geringe schwedische Kräfte ein großes Territorium schützen. Aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen gelang ihnen das immer weniger. Die russischen Streitkräfte konnten sich so relativ ungefährdet an die schwedische Kriegstaktik gewöhnen und ihre eigenen Kriegsfähigkeiten ausbauen, mit denen sie Karl dann im Russlandfeldzug eine entscheidende Niederlage beibrachten.

Russische Kriegspläne nach der Schlacht bei Narva

Karl XII. war nach dem Sieg in der Schlacht bei Narva Ende November 1700 mit seiner Hauptarmee nach Süden gezogen, um den Kampf gegen August II. zu führen. Den Oberbefehl über die schwedischen Ostseebesitzungen übertrug er in Finnland Generalmajor Abraham Kronhjort, in Livland Oberst Wolmar Anton von Schlippenbach und in Riga Generalmajor Karl Magnus Stuart. Die schwedischen Kriegsschiffe im Ladogasee und im Peipussee wurden von Admiral Gideon von Numers kommandiert. Die russische Armee war zu dem Zeitpunkt kein ernstzunehmender Gegner mehr. Aufgrund der sich daraus ergebenden Siegesgewissheit lehnte Karl russische Friedensangebote ab. Die taktische Überlegenheit der Schweden über die Russen hatte sich als unüberwindliches Vorurteil auch im Denken Karls verfestigt, der von der geringen Bedeutung der russischen Schlagkraft so überzeugt war, dass er seine Kriegsanstrengungen selbst dann noch auf den polnischen Kriegsschauplatz konzentrierte, als schon ein großer Teil Livlands und Ingermanlands unter russischer Kontrolle war.

der russische Feldmarschall Boris Petrowitsch Scheremetew trug mit seinen Siegen gegen die Schweden entscheidend zum russischen Erfolg bei.

Durch die Verlagerung der schwedischen Hauptmacht auf den polnischen Kriegsschauplatz erhöhten sich jedoch die Chancen Peters I., den Krieg zu einem günstigeren Verlauf zu führen und den gewünschten Ostseezugang für Russland zu erobern. Zar Peter nutzte den Abzug der schwedischen Armee und ließ die verbliebenen russischen Kräfte nach dem Desaster von Narva ihre Aktivitäten in den schwedischen Baltikumprovinzen wieder aufnehmen. Die Kriegsstrategie der Russen setzte auf Ermattung des Gegners. Dies sollte durch Streifzüge und stetige Angriffe, verbunden mit Aushungerung der Bevölkerung durch Zerstörung der Ortschaften und Felder, erreicht werden. Gleichzeitig sollten die russischen Soldaten durch den stetigen Kampf an die schwedische Kriegstaktik mit ihren heftigen Attacken in der Schlacht gewöhnt werden.

Den Zeitgewinn durch die Abwesenheit der schwedischen Armee nutzte Zar Peter, um unter enormen Anstrengungen seine Armee wieder aufrüsten und reorganisieren zu lassen. So berief er ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verlorengegangene Artilleriewaffe schnell wieder aufzubauen, ließ er Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen gießen zu lassen. Auf dem Ladogasee und dem Peipussee ließ er Hunderte von Kanonenbooten bauen. Die russische Armee verfügte bereits im Frühjahr 1701 wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser.[42] Durch neue Rekrutierungen verstärkt, bestand sie 1705 wieder aus 200.000 Soldaten nach den 34.000 verbliebenen im Jahr 1700.[42]

Um seine Kriegspläne diplomatisch zu unterstützen, ließ der Zar parallel zu den Beistandsbekundungen gegenüber August II. auch einen Unterhändler nach Kopenhagen entsenden, um Dänemark zu einer Invasion auf Schonen zu bewegen. Da der schwedische Reichsrat eine Streitkraft bis an den Sund vorrücken ließ, scheiterten die Bündnispläne und die Dänen verschoben ihren Angriff auf später.

Die schwedischen Kräfte im Baltikum unter Oberst von Schlippenbach waren nur sehr schwach und waren zudem in drei autonome Korps getrennt.[43] Jedes dieser Korps für sich war zu schwach, um den russischen Kräften mit Erfolg entgegentreten zu können, zumal sie nicht koordiniert geführt wurden.[44] Zudem setzten sich diese Truppen nicht aus den Stammregimentern zusammen, sondern aus neugeworbenen Rekruten. Schwedische Verstärkungen wurden primär dem polnischen Kriegsschauplatz zugeführt, so dass ein strategisch wichtiger Punkt nach dem anderen von der russischen Armee erobert werden konnte.

Zerschlagung der Livländischen Armee

Nach dem Abzug ihres Königs mit der Hauptarmee blieben die Schweden dennoch zunächst offensiv, zumindest solange Russland nach der Niederlage von Narwa noch geschwächt war. Um den einzigen verbliebenen russischen Handelshafen im Weißen Meer auszuschalten, unternahmen sieben bis acht schwedische Kriegsschiffe im März 1701 von Gothenburg aus einen Vorstoß nach Archangelsk. Das Unternehmen beeinträchtigte englische und holländische Handelsinteressen mit Russland. Beide Nationen meldeten das Auslaufen der schwedischen Expeditionsflotte ihrem russischen Partner. Peter ließ daraufhin die Verteidigungsbereitschaft der Stadt verstärken. Als die schwedische Flotte das Weiße Meer erreichte, liefen zwei Fregatten auf eine Sandbank und mussten gesprengt werden. Der Angriff auf Archangelsk versprach wegen der Vorsichtsmaßnahmen Peters keinen Erfolg, so dass die Flotte nach der Zerstörung von 17 umliegenden Dörfern wieder heimwärts segelte.

Mitte 1701 führten zuerst schwedische und dann russische Kräfte Streifzüge nach Ingermanland und Livland durch und marschierten in das jeweils gegnerische Gebiet, wo sie sich mehrere Scharmützel lieferten. Die russischen Kräfte hatten sich wieder soweit erholt, dass sie zu begrenzten Offensiven in der Lage waren. Von den russischen Hauptquartieren bei Pskow und Nowgorod rückte im September eine etwa 26.000 Mann starke Streitmacht südlich des Peipussees nach Livland ein. Bei dem anschließenden Feldzug gelang es dem schwedischen General Schlippenbach im September 1701, mit einer nur 2000 Mann starken Abteilung das etwa 7000 Mann zählende russische Hauptheer unter Boris Scheremetjew in zwei Begegnungen bei Rauge und Kasaritz zu schlagen, wobei die Russen 2000 Soldaten verloren. Dessen ungeachtet unternahmen russische Armeeteile aber weiterhin begrenzte Angriffe auf livländisches Gebiet, denen die zahlenmäßig unterlegenen Schweden immer weniger entgegenzusetzen hatten.

Schwedische und russische Schiffe während der Kämpfe auf dem Ladogasee 1702

Während der zweiten großen Invasion in Livland unter der Führung von General Boris Scheremetjew besiegten russische Streitkräfte am 30. Dezember 1701 in der Schlacht bei Erastfer erstmals eine 2200 bis 3800 Mann starke schwedisch-livländische Armee unter dem Kommando von Schlippenbach. Die schwedischen Verluste wurden auf etwa 1000 Mann geschätzt.[45] Nachdem die siegreichen Russen die Gegend geplündert und zerstört hatten, zogen sie sich wieder zurück, da Scheremetjew einen Angriff Karls XII. befürchtete, der sich mit einer starken Heeresmacht in Kurland aufhielt. Aus schwedischer Sicht ließen die ungleichen Kräfteverhältnisse eine erfolgreiche Verteidigung Livlands immer unwahrscheinlicher erscheinen, zumal die bisherige Geringschätzung der Russen nach ihrem jüngsten Sieg kaum noch gerechtfertigt schien. Karl lehnte dennoch die Rückkehr nach Livland ab und entsandte lediglich einige Ergänzungstruppen.

Als Karl im Sommerfeldzug des Jahres 1702 von Warschau nach Krakau marschierte und damit den nördlichen Kriegsschauplatz entblößte, sah Peter erneut die Gelegenheit für einen Einfall. Von Pskow überschritt ein 30.000 Mann starkes Heer die schwedisch-russische Grenze und erreichte am 16. Juli Erastfer. Dort erzielte die russische Armee am 19. Juli entscheidende Siege gegen die etwa 6000 Mann zählenden Schweden in den Gefechten bei Hummelshof (oder Hummelsdorf), nahe Dorpat und Marienburg in Livland, wobei nach schwedischen Angaben 840 eigene Tote und 1000 Gefangene in der Schlacht selbst und weitere 1000 während der anschließenden Verfolgung durch die Russen zu beklagen waren.[46] Die Schlacht bedeutete das Ende der livländischen Armee und den Ausgangspunkt für die russische Eroberung Livlands. Da die verbliebenen schwedischen Kräfte zu schwach waren, um sich den Russen in einer offenen Feldschlacht entgegenzustellen, fielen Wolmar und Marienburg sowie die ländlichen Gebiete Livlands noch im August in russische Hand. Es folgten ausgedehnte Verwüstungen und Zerstörungen Livlands. Nach den Plünderungen zog sich die russische Armee nach Pleskow zurück, ohne das eroberte Gebiet zu besetzen.

Eroberung des Newaumlandes und Ingermanlands

Belagerung der Festung Schlüsselburg (Nöteborg) 11. Oktober 1702.

Da die livländische Armee faktisch vernichtet war, konnte Peter daran gehen, die territorialen Voraussetzungen für sein eigentliches Kriegsziel, die Gründung eines Ostseehafens, zu schaffen. Feldmarschall Boris Scheremetjew führte nach dem siegreichen Feldzug die russische Armee nordwärts gegen den Ladogasee und das Newaumland, da dort die Ostsee am weitesten an russisches Gebiet heranreichte und für die Errichtung eines Hafens geeignet erschien. Dieses Gebiet war von den Festungen Nöteborg und Kexholm der Schweden sowie einer kleinen Kriegsflotte auf dem Ladogasee gesichert, die bisher alle russischen Vorstöße unterbunden hatte. Um dieser Bedrohung entgegenzutreten, ließ Peter I. am südöstlichen Strandabschnitt des Ladogasees in der Nähe von Olonetz eine Schiffswerft errichten, die in der Folgezeit eine kleine russische Kriegsflotte baute. Mit ihr konnten die schwedischen Schiffe bis zur Festung Vyborg zurückgedrängt und weitere Aktionen der Schweden auf dem See verhindert werden. Danach wandten sich die Russen gegen die Festung Nöteborg auf einer Insel in der Newa an der Mündung zum Ladogasee und den Fluss und den See schützte. Ende September begann die Belagerung Nöteborgs durch eine 14.000 Mann starke russische Armee unter Führung von Feldmarschall Scheremetjew. Die Schweden versuchten von Finnland aus die Festung zu entsetzen, doch eine 400 Mann zählende schwedische Verstärkung konnte von den Belagerern zurückgeschlagen werden. Am 11. Oktober 1702 eroberten die Russen die zuletzt nur noch von 250 Mann gehaltene Zitadelle. Durch die Einnahme von Nöteborg kontrollierte Peter nun den Ladogasee, die Newa, den finnischen Meerbusen und Ingermanland. Wegen der strategischen Bedeutung der Festung änderte der Zar ihren Namen in Schlüsselburg.[47]

Flugblatt zur Eroberung von Nöteborg (Schlisselburg) am Newa und Lagodasee durch die Russen, 1702

Der nächste Schritt Peters war im März 1703 die Belagerung von Nyenschantz an der Mündung der Newa in den Finnischen Meerbusen. Am 4. Mai gelang die Einnahme der mit 600 Mann besetzten Festung durch die Truppen von Boris Scheremetjew mit Hilfe der neuen russischen Marine. Zwei Tage zuvor hatte Russland seinen ersten Sieg zu Wasser errungen. Acht russischen Booten gelang es, zwei schwedische Fregatten, die mit je 24 Kanonen bestückt waren, zu besiegen.[48]

Da die Newa nun vollständig von russischen Kräften kontrolliert wurde, begann Zar Peter 1703 im sumpfigen Flussdelta mit dem Bau einer befestigten Stadt, die 1711 unter dem Namen Sankt Petersburg neue russische Hauptstadt werden sollte. Gleichzeitig ließ der Zar die Flotte vergrößern, um auch zur See den Schweden überlegen zu sein. Russland verfügte bereits im Frühjahr 1704 über eine Kriegsflotte von 40 Schiffen in der Ostsee.

Der Rest von Ingermanland einschließlich Jaama und Koporje war nach der Einnahme von Nytenschantz innerhalb weniger Wochen ebenfalls den Russen zugefallen, da die Schweden dort nicht über nennenswerte Truppen oder Festungen verfügten. Im Juli 1703 erfolgte der erste russische Angriff auf Finnland mit der Festung Viborg als Ziel. Diese sollte auf der Seeseite von der Ruderflotte, auf der Landseite von einem Belagerungskorps unter Menschikow angegriffen werden. Unterwegs stellte sich den russischen Kräften bei Sestrorezk ein schwedisch-finnisches Kontingent entgegen, das sich jedoch nach wechselvollen Kämpfen nach Vyborg zurückziehen musste. Aus Furcht vor einer Landung schwedischer Kräfte wurden die Belagerungspläne jedoch aufgegeben und die russischen Kräfte zurückbeordert.

Nach der Rückkehr des russischen Korps aus Finnland ließ es Peter nach Livland und Estland marschieren, um den bedrängten polnischen König August II. zu unterstützen. Anstatt die schwach besetzten Festungen der Schweden zu belagern, begnügten sich die Russen mit der Verheerung des Landes.

Festigung der russischen Position im Baltikum

Kupferstich der Belagerung der Festung Narwa durch russische Truppen

Auch nach den russischen Erfolgen im Newa-Umland war Karl nicht zu einer Verstärkung der livländischen Streitkräfte oder zu einem persönlichen Eingreifen auf diesem Kriegsschauplatz bereit, obwohl er Anfang 1704 im nahegelegenen Wespreußen seine Winterquartiere bezogen hatte. So mussten auf seinen Befehl sämtliche Aushebungen auf dem schwedischen Kernland nach Polen geführt werden und im Juli 1704 entblößte der Schwedenkönig Livland noch weiter, als er mit 30.000 Mann nach Warschau zog, um die Wahl seines Favoriten zum polnischen König zu sichern.

Die von Peter I. gerüstete Flotte, die sich gegen die schwedische Handelsschifffahrt richtete, durfte ebenso nur von wenigen Fregatten bekämpft werden. Um die Pläne für einen neuen Ostseehafen der Russen zu stören, segelte nach dem Winter eine kleine schwedische Flotte mit einem Linienschiff, fünf Fregatten und fünf Brigantinen zum Finnischen Meerbusen mit dem Auftrag, die russische Flotte zu vernichten und die neue Stadt in den Newa-Sümpfen zu zerstören. Mit 1000 Mann Verstärkung aus Viborg sollte ein Angriff an Land und zur See erfolgen. Nach einer zunächst erfolgreichen Landung auf der befestigten Insel Kronstadt musste die Unternehmung aufgrund des hartnäckigen Widerstands jedoch aufgegeben werden und die Flotte segelte zurück.

Weitere Kämpfe wurden auf dem Peipussee ausgetragen, dessen Beherrschung eine Voraussetzung für die Eroberung Livlands war. Hier dominierten zunächst noch die Schweden, die über 14 Boote mit 98 Kanonen verfügten. Um dem zu begegnen, bauten die Russen während der Wintermonate 1703/04 eine Anzahl von Booten. Anfang Mai 1704 gelang damit die völlige Vernichtung der schwedischen Flotte. Durch die Kontrolle des Sees konnten die russischen Streitkräfte für die weiteren Eroberungszüge nun auch über die Binnengewässer versorgt werden.

Bereits im Sommer 1704 wurde eine russische Armee unter dem Kommando von Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvy (1651–1710), von Ingermanland zur Eroberung von Narva geschickt. Gleichzeitig stieß eine weitere Armee gegen Dorpat vor. Ziel dieser Operationen war die Einnahme dieser wichtigen Grenzfestungen, um dadurch das im Vorjahr eroberte Ingermanland mit der geplanten Hauptstadt zu schützen und Livland zu erobern. Ein schwedischer Entsatzversuch unter Schlippenbach mit 1800 verbliebenen Soldaten scheiterte unter Verlust der gesamten Streitkraft. Anfang Juni wurde Dorpat eingeschlossen und am 14. Juli 1704 fiel die Stadt in russische Hand. Bereits im April war Narwa von 20.000 Russen unter Anwesenheit Peters I. eingeschlossen worden. Drei Wochen nach Dorpat fiel am 9. August auch diese Festung nach einem heftigen Sturmangriff und schweren Kämpfen in der Stadt. Bei der Eroberung Narwas wurden 1725 Schweden gefangengenommen.

Erfolglose schwedische Angriffe auf St. Petersburg

Abbildung des Newastroms mit der neugegründeten Stadt St. Petersburg und den zerstörten Festungen Nöteborg und Nytenschantz

Nach den Erfolgen der Vorjahre blieb Russland 1705 in der Defensive und konzentrierte sich auf die Sicherung der Eroberungen. Die Schweden hingegen gingen in die Offensive, nachdem sie durch die schnellen Fortschritte beim Bau von St. Petersburg aufgeschreckt worden waren. Dazu wurden 6000 Rekruten zur Verstärkung der Streitkräfte in die Ostseeprovinzen gesandt. Ein erster Angriff schwedischer Truppen gegen das neubefestigte Kronstadt im Januar 1705 endete im Wesentlichen ergebnislos. Im Frühling segelte eine Flotte mit 20 Kriegsschiffen von Karlskrona nach Viborg und dann nach Kronstadt. Das Landungsunternehmen scheiterte wie im Vorjahr, wobei die Schweden mehrere hundert Tote beklagten. Ein dritter Landungsversuch auf Kronstadt scheiterte am 15. Juli mit dem Verlust von 600 Schweden. Bis Dezember kreuzte das schwedische Geschwader im Finnischen Meerbusen und unterband den Warenhandel. Es zeigte sich jedoch bereits eine Uneinigkeit der regionalen schwedischen Kommandeure, die zu unabgestimmten Alleingängen neigten, die von den Russen ohne große Mühe abgewehrt werden konnten.

Das gerade erst gegründete St. Petersburg ist in der Ferne nur schemenhaft zu erkennen. Die Darstellung zeigt im Wesentlichen ein Seegefecht zwischen der schwedischen und der russischen Flotte vor der Insel Kotlin (Retusari). Die russischen Schiffe haben sich im Schutz der Festung Kronstadt versammelt (hier Cronschantz bezeichnet), die Schweden greifen von der See kommend an.

1706 fanden nur wenige Kämpfe in den schwedischen Ostseeprovinzen statt. In der ersten Hälfte des Jahres waren die russischen Truppen auf dem polnischen Kriegsschauplatz eingesetzt, um den stark bedrängten König August II. zu unterstützen und Karl XII. in Polen zu binden. Im Norden blieb Peter I. daher defensiv. Die schwedischen Kräfte waren nicht stark genug für offensive Unternehmungen. Neben einigen Streifzügen nach Russland wurde ein erneuter Flottenvorstoß mit 14 Kriegsschiffen nach St. Petersburg unternommen, der aber wieder ergebnislos blieb. Vyborg, der mehrmals Petersburg angegriffen hatte, wurde ab 11. Oktober 1706 kurzfristig von einer 20.000 Mann starken russischen Armee belagert, die jedoch ebenfalls keinen Erfolg hatte. Dennoch waren 1707 nur noch wenige Hauptorte und Festungen im Baltikum in schwedischer Hand, darunter Riga, Pernau, Arensburg und Reval. Der erwartete Angriff Karls auf Russland führte indes zu einer Pause auf diesem Kriegsschauplatz.

Die russischen Siege waren bisher immer durch eine deutliche zahlenmäßige Überlegenheit sichergestellt worden. Die Taktik konzentrierte sich auf die Schwachpunkte des Gegners mit Angriffen auf isolierte schwedische Festungen mit kleinen Garnisonen. Am Anfang vermied es die russische Armee noch, größere Festungen anzugreifen. Die planmäßige Anwendung der Taktik der verbrannten Erde war ein Kennzeichen der Kriegsführung seitens der Russen. Ihr Ziel war, das Baltikum als schwedische Basis für weitere Operationen untauglich zu machen. Zahlreiche Einwohner wurden durch die russische Armee verschleppt. Viele von ihnen endeten als Leibeigene auf den Gütern hoher russischer Offiziere oder wurden als Sklaven an die Tataren oder die Osmanen verkauft.[49] Durch die erfolgreichen Einsätze im Baltikum hatte die russische Armee an Selbstvertrauen gewonnen. Sie bewiesen, dass sich die Zarenarmee in wenigen Jahren effektiv entwickelt hatte.

Die Kriegswende (1708–1709)

Mit dem Frieden von Altranstädt war es Karl XII. nach sechs langen Kriegsjahren gelungen, August II. zum Verzicht auf den polnischen Thron zu bewegen. Der Erfolg wurde jedoch dadurch getrübt, dass sich inzwischen die schwedischen Ostseeprovinzen mehrheitlich in russischem Besitz befanden. Überdies war 1706 eine russische Armee in Westpolen einmarschiert und hielt es besetzt. Während seines Marsches nach Sachsen hatte Karl den besorgten westeuropäischen Großmächten zugesagt, sich mit seiner Armee nicht in den Spanischen Erbfolgekrieg einzumischen, sondern wieder dem Osten zuzuwenden. Zar Peter, der letzte Gegner Karls, sollte deshalb durch einen direkten Feldzug auf seine Hauptstadt Moskau ausgeschaltet werden. Dies entwickelte sich jedoch äußerst ungünstig für die Schweden, da die russischen Streitkräfte konsequent die Taktik der verbrannten Erde anwendeten und so dem schwedischen Heer Versorgungsnöte bereiteten. Karl versuchte diesen Schwierigkeiten durch einen Zug in die Ukraine zu begegnen, um Moskau von Süden her angreifen zu können. Dabei erlitt er 1709 eine entscheidende Niederlage bei Poltawa, die das Ende der schwedischen Armee in Russland bedeutete. Auf die Nachricht von der Niederlage des bis dahin praktisch unbesiegten Schwedenkönigs traten Dänemark und Sachsen erneut in den Krieg ein, während Karl, vom Mutterland abgeschnitten, nach Süden ins Osmanische Reich auswich, wo er die nächsten Jahre zwangsweise im Exil verbrachte. Eine direkte Invasion Dänemarks in Südschweden scheiterte jedoch, wodurch ein schneller Sieg der Alliierten verhindert und der Krieg verlängert wurde.

Der Russlandfeldzug Karls XII.

Darstellung der berühmten Schlacht zwischen den russischen und schwedischen Heeren nahe Poltawa am 27. Juni 1709

Die Hauptziele Karls nach dem Frieden von Altranstädt waren, die besetzten Gebiete in den schwedischen Ostseeprovinzen zu befreien und einen dauerhaften Frieden zu schließen, der die Großmachtstellung Schwedens sicherte. Daher lehnte er im Februar, Juni und August 1707 in Altranstädt mehrere Friedensangebote des Zaren ab, weil er sie für ein Täuschungsmanöver hielt und mit Peter I. nur zu den eigenen Bedingungen Frieden schließen wollte. Tatsächlich war Russland friedensbereit und hätte sich mit Ingermanland zufrieden gegeben. Durch den schwedischen König wurde ihm aber die Fortsetzung des Krieges aufgezwungen.[50] Karl XII. hoffte, seine Kriegsziele zu erreichen, ohne die schwedischen Ostseeprovinzen in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Aus diesem Grund wurde ein Vormarsch auf St. Petersburg von vornherein ausgeschlossen. Stattdessen wollte Karl die russische Armee aus Polen herausmanövrieren, um weitere Verheerungen des nun mit Schweden verbündeten Landes zu vermeiden. Von der russischen Grenze sollte dann das schwedische Heer direkt gegen Moskau vorrücken, während zur gleichen Zeit die verbündeten Osmanen einen Angriff an der russischen Südgrenze vortrugen.[51]

Im September 1707 begann der lange vorbereitete Feldzug gegen Russland. Die schwedische Hauptarmee bestand aus 36.000 erfahrenen und ausgeruhten Soldaten, neu eingekleidet und mit neuen Waffen ausgerüstet. Die schwedische Kriegskasse war um mehrere Millionen Taler angewachsen. Der Vormarsch sollte auf direktem Weg über Smolensk erfolgen. Auf russischer Seite hoffte man, dass die immer noch in Polen stehende Armee Menschikows den Vormarsch Karls lange genug aufhalten könnte, bis Zar Peter die Verteidigung entlang der russischen Grenze organisiert hatte. Polen zu halten, war jedoch nicht beabsichtigt.[52] Stattdessen sollte die sich zurückziehende russische Armee Menschikows die Politik der verbrannten Erde anwenden und so der vorstoßenden schwedischen Armee die Versorgungsgrundlage entziehen. Am 7. September 1707 überschritt diese bei Steinau an der Oder die polnische Grenze. Die Armee Menschikows ging einer Schlacht aus dem Weg und zog sich aus dem westlichen Teil Polens in Richtung Osten hinter die Weichsel zurück. Auf dem Rückzug ließ Menschikow Dörfer entlang des Weges verbrennen, Brunnen vergiften und alle Vorratslager vernichten. Ende Oktober 1707 ließ Karl wegen der beginnenden Schlammperiode im Herbst seine Armee östlich von Posen halten, wo neue Rekruten die schwedischen Streitkräfte auf eine Stärke von 44.000 Mann vergrößerten.[53] [52] Nachdem der Frost die Wege wieder passierbar gemacht hatte und die Flüsse zugefroren waren, überquerte das schwedische Heer nach viermonatiger Ruhepause in den letzten Tagen des Jahres 1707 die zugefrorene Weichsel. Menschikow ging auch jetzt einer Konfrontation aus dem Weg und zog sich weiter zurück. Anstatt der von der russischen Armee verwüsteten Spur zu folgen, marschierten die Schweden durch das als unpassierbar geltende Masuren, wodurch sie die vorbereiteten Verteidigungslinien der Russen umgingen.[54]

Der direkte Vormarsch auf Moskau scheitert

Schwedischer Schlachtplan von der Schlacht von Golowtschin am 14. Juli 1708

Mitte Januar 1708 ließ die schwedische Armee Masuren hinter sich und erreichte am 28. Januar 1708 Grodno. Zar Peter, der sich unweit der Stadt mit Menschikow traf, hielt die Stärke der russischen Armee für zu gering, um dort die schwedische Armee aufhalten zu können, und befahl den weiteren Rückzug zur litauisch-russischen Grenze.[55] Der schwedische Vormarsch dauerte bis Anfang Februar an, bis das Heer Karls XII. bei der litauischen Stadt Smorgoni die Winterlager bezog. Während dieses Aufenthaltes traf sich Karl mit General Lewenhaupt. Die Auswirkungen der russischen Taktik machten sich bereits durch Versorgungsmängel bemerkbar, die den weiteren Vorstoß gefährdeten. So vereinbarten Karl und Lewenhaupt, dass Letzterer mit der 12.000 Mann starken livländischen Armee und einem Versorgungszug erst Mitte des Jahres zum Hauptheer Karls stoßen sollte. Die Verpflegungsengpässe zwangen das schwedische Heer, Mitte März nach Radovskoviche nahe Minsk zu ziehen, wo die Versorgungslage weniger prekär war. Die Armee blieb dort für weitere drei Monate, um sich auf den bevorstehenden Feldzug vorzubereiten. Um den polnischen König Stanislaus I. Leszczyński während der Abwesenheit Karls zu unterstützen, wurden 5000 Mann abgestellt und zurückgeschickt, so dass sich die Armee auf 38.000 Mann verringerte.[56] Die schwedische Armee verteilte sich nun zwischen Grodno und Radovskoviche, während sich das 50.000 Mann starke russische Heer entlang der Linie Polotsk an der Düna bis Mogilev am Dnjepr aufgestellt hatte.[56] Neben dem Schutz Moskaus durch Scheremetew suchte das russische Heer auch einer möglichen Bedrohung St. Petersburgs zu begegnen, was zu einer größeren Zergliederung der Kräfte führte. Einen Vorschlag seines Beraters Carl Piper, den weiteren Vormarsch auf St. Petersburg zu richten und damit die livländischen Provinzen zu sichern, lehnte Karl ab und entschied sich, den Marsch auf Moskau fortzusetzen. Nach dem Beginn des Sommerfeldzugs am 1. Juni setzte das schwedische Heer am 18. Juni über die Beresina. Die russischen Kräfte konnten sich einem Umgehungsversuch der Schweden entziehen und zogen sich hinter die nächste Flussbarriere, den Drut zurück. Am 30. Juni erreichte Karl die Vabitch, einen Seitenarm des Druts nahe dem Dorf Halowchyn. Dort befand sich die Hauptverteidigungslinie der russischen Armee, und es kam zum Kampf. In der Schlacht von Golowtschin schlugen die Schweden am 14. Juli 1708 die 39.000 Mann starke russische Armee unter Scheremetew, der seine Truppen jedoch in guter Ordnung zurückziehen konnte. Der Sieg wird als Pyrrhussieg der Schweden eingestuft, da viele der 1000 Verwundeten aufgrund mangelhafter medizinischer Versorgung starben. Die Schlacht selbst war nicht kriegsentscheidend, obwohl die Schweden die nord-südlichen Flussbarrieren überwinden konnten und der Weg nach Moskau offen war.[57] Am 7. Juli erreichten die Schweden Mogilev am Dnjepr, wo sie in den nächsten vier Wochen blieben.

Um die Ankunft General Lewenhaupts mit der Verstärkung aus Livland und den dringend benötigten Versorgungszügen abzuwarten, ließ Karl den Vormarsch der schwedischen Hauptarmee bei Mogilew stoppen.[58] Lewenhaupt war tatsächlich Ende Juni mit 13.000 Mann Verstärkung und 16 Kanonen von Riga aus aufgebrochen, doch verzögerte schlechtes Wetter seinen Vormarsch.[59] Als das schwedische Hauptheer in der ersten Augustwoche den Dnjepr überschritt, war die Armee Lewenhaupts immer noch nicht eingetroffen. Karl marschierte nun nach Südosten, um die Aufmerksamkeit der Russen auf sich zu ziehen und das Versorgungsheer vor einem Angriff zu schützen. Am 21. August erreichten die Schweden Chemikow am Fluss Sozh, wo sie eine weitere Woche innehielten. Als Karl am 23. August seinen Vorstoß wieder nach Norden richtete, war der Weg nach Smolensk frei, da Peter I. wegen dieses Vorstoßes seine Position bei Horki verlassen hatte und ihm gefolgt war.

Peter I. musste seine Truppen erneut nach Norden marschieren lassen, um den schwedischen Vormarsch zu blockieren. Als die Schweden Malatitze erreichten, fanden sie eine beträchtliche Anzahl russischer Armeekräfte vor sich, die den Weg nach Smolensk sperrten. In dem folgenden Gefecht verloren die Russen und mussten mit 700 Toten im Vergleich zu den 300 Toten der Schweden, erneut höhere Verluste einstecken. Ein mögliches Gefecht mit der russischen Hauptarmee kam nicht zustande, weil sich die Russen zurückzogen, als Karl Verstärkungen heranzog. Das Treffen bei Malatitze war dennoch von Bedeutung, weil die Russen dort endlich ihre gewachsene Moral und ihr Können im Kampf unter Beweis stellten. Die Truppen des Zaren hatten inzwischen mindestens das Niveau der Sachsen erreicht, wie ein schwedischer Kommandeur nach dem Gefecht notierte:

„Die Schweden müssen den Moskowitern zugestehen, dass sie ihre Lektion gelernt haben, viel besser als sie es in den Schlachten bei Narwa oder Fraustadt getan haben und dass sie hinsichtlich Disziplin und Mut den Sachsen ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind“

Jeffereyes[60]

Die schwedische Versorgungsarmee wird vernichtet

Darstellung der Schlacht bei Lesnaja beim Dorf Lesnaja

Peter behielt seine Strategie bei, sich keiner Entscheidungsschlacht zu stellen; seine Armee zog sich in die Wälder zurück. Am 4. September setzte Karl seinen Vormarsch fort und erreichte Tatarsk und Starishi. Dort musste er sich jedoch seine ausweglose Situation eingestehen, als die Versorgung mit Nahrungsmitteln einen kritischen Punkt erreichte und Späher berichteten, dass vor ihnen nichts als verwüstetes Land lag. Die Desertionen stiegen an, und Nachrichten von Lewenhaupts Versorgungskolonne lagen immer noch nicht vor. Schließlich entschied sich der schwedische König, den Marsch auf Moskau abzubrechen. Sein Hauptziel war nun, seine Armee am Leben zu erhalten, und so schwenkte er am 15. September nach Süden in die noch nicht verwüsteten Regionen.

Als Karl Mitte September Tatarsk verließ, war die Versorgungsarmee Lewenhaupts noch 80 Meilen von der schwedischen Hauptarmee entfernt. Peter plante, die Lücke zwischen beiden Heeren zu nutzen, und übertrug General Scheremetew das Kommando über die russische Hauptarmee, die der Armee Karls folgen sollte. Zusammen mit seinem engsten Vertrauten Menschikow, den er nach dem Sieg von Kalisch zum Herzog von Ingermanland erhoben hatte, übernahm der Zar selbst das Kommando über zehn Bataillone seiner am meisten erfahrenen Infanterie, zehn Dragonerregimenter und vier Batterien berittener Artillerie, zusammen 11.625 Mann. Lewenhaupts Truppe bestand aus 7500 Mann Infanterie und 5000 Reitern, die einen Versorgungszug mit fast 1000 Wagen begleiteten. Am 18. September erreichte Lewenhaupt den Dnjepr. Der Übergang über den Fluss zog sich über eine ganze Woche hin, in der sich die Russen den Schweden näherten, um schließlich die Verfolgung aufzunehmen. Am 27. September wurden die Schweden beim Dorf Lesnaja eingeholt. In der Schlacht bei Lesnaja verloren sie ihren gesamten Versorgungszug, außerdem 607 Reiter, 751 Dragoner und 4449 Mann Infanterie, von denen 3000 Mann gefangengenommen wurden. Lewenhaupt führte die verbliebenen Reste zehn Tage später zur schwedischen Hauptarmee und so erhielt der König am 6. Oktober eine ganz andere Nachricht von seinem Versorgungszug als er gehofft hatte.[61]

Fernab davon konnte zur gleichen Zeit ein weiterer schwedischer Vorstoß von russischen Kräften abgeschlagen werden. Eine schwedische Streitkraft von 12.000 Mann sollte Ingermanland von Finnland aus erobern und die neue russische Stadt Sankt Petersburg niederbrennen. Aufgrund der starken Verteidigung der Stadt mussten die Schweden den Plan jedoch aufgeben und unter Verlust von 3000 Mann den Rückzug nach Wyborg antreten.

Karl XII. weicht nach Süden in die Ukraine aus

Karte der Schlacht bei Poltawa, mit französischem Kommentar; Militärarchiv von Schweden, Stockholm.

Das Ziel Karls XII., von Severia entlang der Straße von Kaluga nach Moskau zu marschieren, sobald sich die Versorgungslage des Heeres verbessert hätte, war durch das Desaster bei Lesnaja nicht mehr erreichbar. Karl nahm daher Zuflucht zu einer neuen Strategie: Er war bereits seit längerem in Kontakt mit dem Ataman der ukrainischen Kosaken, Iwan Masepa. Im Dongebiet war im Herbst 1707 der Bulawin-Aufstand der Kosaken und Bauern ausgebrochen, der sich gegen die Zarenherrschaft richtete und von Peter I. rigoros niedergeschlagen wurde. Masepa war beim Zaren in Ungnade gefallen; er betrachtete dies als einen Verstoß Russlands gegen den Vertrag von Perejaslaw. Seitdem suchte er einen Weg, die Ukraine aus der russischen Umklammerung zu lösen. Dazu versprach er dem Schwedenkönig, dass er ihn mit einer 100.000 Mann starken Armee unterstützen würde, wenn die Schweden in die Ukraine vorrückten. Karl XII. marschierte daraufhin gegen den Rat seiner Generäle in die Ukraine. Doch die erwartete Verstärkung durch die Kosaken blieb aus; die Russen hatten eine Armee unter General Menschikow entsandt, dessen Truppen Masepas Hauptstadt Baturyn besetzten und ohne Federlesen viele seiner Unterstützer töteten, wobei auch 6000–7500 Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen waren[62]. So konnte Masepa nur einen kleinen Teil der versprochenen Männer bereitstellen, zunächst 3000, später 15.000 Mann.[58] Karl verbrachte den Winter in der Ukraine, immer noch zuversichtlich, seine Ziele im nächsten Jahr zu erreichen. Am 23. Dezember stellte sich ein russisches Bataillon bei Weprik am Psel den Schweden entgegen, das den Angreifern bis zum 7. Januar standhalten konnte. Ende Januar 1709 setzte er seinen Marsch in den Süden fort. Allerdings wirkte sich der Winter von 1708/09, der schwerste des Jahrhunderts, für die Schweden verheerend aus.

Die Katastrophe bei Poltawa

Triumphaler Einzug der russischen Armee nach der Schlacht bei Poltawa in Moskau

So waren zu Beginn des Frühjahrs 1709 weniger als 30.000 Mann mit wenigen Kanonen, knapp die Hälfte der schwedischen Armee, in Russland einsatzbereit. Besonders die in Deutschland angeworbenen Soldaten hatten die Kälte nicht verkraftet. Unterstützt wurden sie von den Verbänden der Saporoger Kosaken, die Zar Peter zwangen, seine Kräfte aufzuteilen. Trotz der angespannten Versorgungslage entschied sich Karl, die Stadt Poltawa zu belagern, einen Nachschubstützpunkt mit großen Vorräten an Schießpulver und anderen Versorgungsgütern. Er blockierte die Stadt Anfang April 1709 mit 8000 seiner Soldaten, eine schnelle Kapitulation erwartend. Die russische Garnison unter Oberst A. Kelin wurde jedoch von ukrainischen Kosaken und der einheimischen Bevölkerung unterstützt und hielt 87 Tage stand. Nachdem Zar Peter die Saporoger Kosaken geschlagen hatte, wandte er sich mit seiner insgesamt 60.000 Mann starken Armee nach Poltawa, um die belagerte Stadt zu entsetzen. Sie überquerten den Fluss Worskla und errichteten einige Kilometer nördlich der Stadt ein befestigtes Lager. Als das russische Kommando von der schwierigen Lage der schwedischen Armee erfuhr, gab der Zar seine ausweichende Politik auf. Karl XII., der am 28. Junigreg. bei einer Aufklärungsaktion verwundet worden war, entschied sich, dem drohenden Angriff durch eine Attacke auf das befestigte Lager zuvorzukommen. Um alle Kräfte auf diese Aufgabe zu konzentrieren, forderte Lewenhaupt die Aufgabe der Belagerung, aber der König lehnte ab und ließ Poltawa weiter belagern. In der eigentlichen Schlacht wurden deshalb lediglich 20.000 Mann unter Feldmarschall Rehnskiöld eingesetzt. Da es an Schießpulver mangelte, mussten die Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und überwiegend ungeladenen Musketen in die Schlacht gehen. Nur 4 von 32 Kanonen konnten für die Attacke eingesetzt werden. So kam es am 8. Juli 1709greg. in der Ukraine zur entscheidenden Schlacht bei Poltawa. Eine Überraschungsattacke sollte die Russen in Verwirrung und Auflösung stürzen. Doch nachdem dem schwedischen Überfall nur sehr begrenzte Erfolge beschieden waren, stellten sich die Russen zur offenen Feldschlacht, in der sie den Schweden dank ihrer Übermacht eine vernichtende Niederlage zufügten. Viele schwedische Offiziere, darunter auch Feldmarschall Rehnskiöld, gerieten in russische Gefangenschaft.

Darstellung der Situation vor der Kapitulation bei Perewolotschna am 11. Juli 1709 (Russen = rot; Schweden = blau)

Nach der Schlacht sammelte sich das zurückflutende Heer, das nur noch aus etwa 15.000 Mann und 6.000 Kosaken bestand, im Lager bei Puschkariwka.[63] Nach einer Reorganisierung und Auffrischung sollte die Armee auf einer südlichen Rückzugslinie durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt werden. Noch am Schlachttag marschierten die Soldaten entlang der Worskla nach Süden. Am 10. Juli traf das Heer bei Perewolotschna am Zusammenfluss von Worskla und Dnepr ein. Man musste feststellen, dass es dort weder Brücken noch Furten gab und die wenigen vorhandenen Boote nicht ausreichten, um die gesamte schwedische Armee zu evakuieren.[64]

Das schwedische Hauptquartier beschloss nun, dass die Verwundeten sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den Dnepr überqueren und auf osmanisches Gebiet ziehen sollten. Das Heer hingegen sollte an der Worskla wieder zurückmarschieren, nach Süden zur Krim einschwenken und dort wieder zum König stoßen. In der Nacht zum 30. Junijul. / 11. Juli 1709greg. setzte der König mit Iwan Masepa, dessen Gefährten Kost Hordijenko sowie 900 Schweden und 2000 Kosaken über den Fluss. Die Armee, die nun unter dem Befehl von General Lewenhaupt stand, bereitete den Abmarsch für den folgenden Morgen vor. Um acht Uhr traf jedoch eine russische Einheit von 6000 Dragonern und 3000 Kalmücken unter dem noch auf dem Schlachtfeld von Poltawa zum Feldmarschall beförderten Menschikow ein. Lewenhaupt nahm sofort Verhandlungen auf und man einigte sich auf eine Kapitulation, obwohl die Schweden den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen waren. Am Morgen des 30. Junijul. / 11. Juli 1709greg. um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils zu Pferde, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen.[65] Insgesamt gingen nach Poltawa fast 30.000 Schweden in russische Kriegsgefangenschaft, darunter 2300 Offiziere. Nur den Vornehmsten wurde erlaubt, in Moskau zu wohnen, wie General Lewenhaupt und Staatsrat Piper, die ihre Heimat nie wiedersahen.

Die Truppen um König Karl erreichten am 17. Juli den Bug, wo der Pascha von Otschakow die Erlaubnis erteilte, das Osmanische Reich zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte den Übergang nicht mehr und wurde nördlich des Bug von 6000 russischen Reitern eingeholt und niedergemacht.[66] Damit endete der Russlandfeldzug Karls mit einer katastrophalen Niederlage, die zur entscheidenden Wende des gesamten Krieges wurde.

Erneuerung der Nordischen Allianz

Dreikönigstreffen: Friedrich I. in Preußen (Mitte), August II. (der Starke), Kurfürst von Sachsen und zeitweilig König von Polen (links), Friedrich IV. von Dänemark (rechts)
Gemälde von Samuel Theodor Gericke, zu besichtigen im Schloss Caputh

Nach der Niederlage bei Poltawa war das schwedische Kernland weitgehend vom Schutz durch die eigenen Truppen entblößt. Zudem befand sich der schwedische König Tausende Kilometer von seinem Reich entfernt. Unter diesen für sie günstigen Bedingungen erneuerten die einstigen Alliierten die alten Bündnisse.[67]

Bereits vor der Schlacht von Poltawa hatte das Kurfürstentum Sachsen am 28. Juni 1709 in Dresden seinen Bündnisvertrag mit Dänemark wieder aufleben lassen. Beim Dreikönigstreffen in Potsdam und Berlin umwarben August der Starke und der dänische Monarch Friedrich IV. im Juli 1709 zeitgleich mit der Entscheidung in der Ukraine auch den preußischen König Friedrich I., der sich jedoch aufgrund der Belastungen im Spanischen Erbfolgekrieg und in Erinnerung an frühere Neutralitätsvereinbarungen mit Schweden nicht dazu durchringen konnte, dem Bündnis beizutreten.

Nach Einmarsch der russischen Armee in Polen und Verhandlungen Peters I. mit seinem ehemaligen Bündnispartner kündigte der Kurfürst von Sachsen im August den Frieden von Altranstädt mit Schweden auf. Am 20. August 1709 marschierten erneut sächsische Truppen in Polen ein. Die schwachen schwedischen Truppen unter dem Kommando des Generals Krassau zogen sich mit 9000 Mann nach Stettin und Stralsund in Schwedisch-Pommern zurück. Der von den Schweden inthronisierte polnische König Stanislaus I. Leszczynski floh über Stettin und Kristianstad nach Stockholm. Zar Peter I. ließ die schwedischen Truppen durch eine russische Abteilung unter dem Kommando von Menschikow bis nach Pommern verfolgen. Die Rolle Polens als kriegsführende Macht hatte sich seit Kriegsbeginn immer weiter reduziert. So blieb dem Land in der Folgezeit nur eine untergeordnete Funktion, da es August II. nicht gelungen war, die Macht der Monarchie zu stärken. Die Wiedereinsetzung der Königswürde für August konnte auch nur mit russischer Hilfeleistung erfolgen. Dies war ein Symbol für die zunehmende Fremdbestimmung und Außensteuerung der polnischen Republik.[68]

Darstellung der Feldzüge nach der Kriegswende infolge der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 bis zum Friedensschluss 1721

Die Kriegshandlungen konzentrieren sich in dieser Phase fast nur noch auf die schwedischen Herrschaftsgebiete. So fanden schwere Kämpfe um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland statt, die 1715 mit der Eroberung durch die Alliierten endeten. Weitere Kämpfe fanden im heutigen Finnland, der Ostsee und Norwegen statt.

Am 7. Oktober 1709 wurde die antischwedische sächsisch-russische Allianz im Vertrag von Thorn erneuert. Bei Jarosław folgte am 10. Juni 1710 der dänisch-russische Beistandspakt.[69] Nachdem König Karl XII. von seinem Exil im Osmanischen Reich aus erneut Friedensverhandlungen ablehnte, vereinbarten Dänemark und Russland einen Plan zur Bedrohung der schwedische Hauptstadt Stockholm, um so den Gegner zum Frieden zu zwingen. In den Folgejahren kam es jedoch lediglich auf dem Kriegsschauplatz in Norddeutschland zu gemeinsamen alliierten Aktionen, während die Kämpfe in Finnland und in der nördlichen Ostsee von Russland weitgehend allein bestritten wurden.

Die dänische Invasion in Schonen

Der gemeinsame dänisch-russische Angriffsplan sah eine Zangenbewegung auf zwei entgegengesetzten Eroberungsrouten vor. Der dänische Vormarsch auf Stockholm sollte durch das südliche Schweden führen, während Russland nach Eroberung Finnlands und der Alandinseln seinen Angriff von der Seeseite her vorzutragen gedachte. Die südliche Angriffsroute wurde von den Alliierten als die wichtigere angesehen und primär verfolgt. Im Spätherbst 1709 begannen die Dänen mit den Vorbereitungen zur Invasion Schonens und zogen eine große Flotte auf dem Öresund zusammen. Am 1. Novemberjul. / 12. November 1709greg./ 2. November 1709schwed. landete die Invasionsstreitmacht beim Fischerdorf Råå. Die schwedische Seite leistete dort so gut wie keine Gegenwehr. Obwohl die schwedische Armee kurz nach Poltawa mit der Rekrutierung neuer Soldaten begonnen hatte, konnte der schwedische Befehlshaber Magnus Stenbock im Spätsommer 1709 erst ein kampftaugliches schonisches Regiment präsentieren. Da ein Gegenangriff sinnlos erschien, zog man sich nach Småland zurück. Im Dezember kontrollierte Dänemark fast das gesamte zentrale Schonen mit Ausnahme von Malmö und Landskrona. Ziel der dänischen Kriegsplanung war die Eroberung der schwedischen Flottenbasis in Karlskrona. Die dänische Armee besiegte im Januar 1710 eine kleinere schwedische Einheit bei Kristianstad.

Kupferstich der Schlacht von Helsingborg

Magnus Stenbock arbeitete unterdessen daran, die schwedische Armee zu verstärken. Mehrere neue Regimenter sammelten sich bei Växjö, wo die unerfahrenen Truppen auf dem Eis eines zugefrorenen Sees Kampftechniken übten. Bis zum 4. Februarjul. / 15. Februar 1710greg./ 5. Februar 1710schwed. war Stenbocks Truppe nach Osby gezogen, wo sich ihr weitere Verbände anschlossen. Die schwedischen Kräfte in Südschweden zählten nun 16.000 Mann. Helsingborg galt nach Stenbocks Meinung als Schlüssel zu Schonen und so marschierte das Heer südwärts, um die dänischen Versorgungslinien abzuschneiden. In der Schlacht von Helsingborg fiel die Entscheidung zugunsten der Schweden. Nach ihrer Niederlage verschanzten sich die Reste der dänischen Armee hinter den Schutzwällen der Stadt. Da die eigenen Kräfte angesichts der befestigten Stellung der Dänen nicht ausreichten, verzichtete der schwedische Kriegsrat auf einen Sturmangriff, und Magnus Stenbock befahl die Belagerung Helsingborgs. Am 4. März jul./15. März greg./5. März 1710 schwed. waren die dänischen Verbände so weit geschwächt, dass sie Schonen verließen und sich nach Dänemark einschifften. Das Unternehmen war damit gescheitert und der originäre Kriegsplan nicht mehr zu erfüllen. Die dänischen Verluste bei dem gescheiterten Invasionsversuch waren niederschmetternd. Über 7500 Mann waren gefallen, verwundet oder gefangen genommen. Die schwedische Seite hatte etwa 2800 Tote oder Verwundete zu beklagen.

Russische Offensiven im Osten (1710–1714)

Nach der Kriegswende hatten sich die Bündnispartner über die weiteren Angriffe gegen Schweden abgesprochen. Nachdem Dänemark durch die voreilige Invasion Südschwedens eine schwere Niederlage erlitten hatte, konzentrierte es sich zusammen mit Russland und Sachsen auf die Eroberung der schwedischen Besitzungen in Norddeutschland. Russland griff gleichzeitig auch die letzten Besitzungen in den schwedischen Ostseeprovinzen an. Die Kriegserklärung des Osmanischen Reiches verzögerte zunächst weitere Offensivunternehmungen gegen Schweden. Zar Peter I. erlitt zwar eine Niederlage gegen die Osmanen, konnte aber 1713 den Krieg gegen Schweden wieder aufnehmen und bis 1714 ganz Finnland erobern. Das russische Flottenbauprogramm mündete im Gewinn der Seeherrschaft in der Ostsee, wodurch die schwedische Küste in den Folgejahren russischen Angriffen schutzlos ausgeliefert war.

Vollständige Eroberung Livlands und Estlands

Belagerung von Riga 1710

Während Karl XII. beim Sultan über den Kriegseintritt des Osmanischen Reichs verhandelte, vollendete Zar Peter die Eroberung von Livland und Estland. Die Russen eroberten im Juni 1710 Wyborg, am 4. Juli kapitulierte Riga nach längerer Belagerung durch die Truppen des Feldmarschalls Boris Petrowitsch Scheremetjew und im September ergab sich Reval dem russischen Kommandeur Fjodor Matwejewitsch Apraxin. Damit erhielten die Russen drei hochseetüchtige Ostseehäfen und ein weites, stark gesichertes Umland von St. Petersburg, das zur neuen Hauptstadt des Russischen Reiches erklärt wurde. Anschließend verlagerte sich die Aufmerksamkeit Russlands aufgrund des Krieges gegen das Osmanische Reich für einige Zeit nach Süden.[70]

Der Krieg gegen die Osmanen

Pruthfeldzug Zar Peters I.

Zar Peters großer Sieg bei Poltawa und seine nachfolgenden Eroberungen im Baltikum wurden insbesondere am Hof des Sultans mit Argwohn verfolgt, wo außer Masepa und Karl XII. auch der Krim-Khan Devlet II. Giray auf Gegenmaßnahmen drängte. Peter schickte seinen Botschafter Peter Tolstoi nach Istanbul und forderte die Auslieferung Karls, die jedoch abgelehnt wurde. Als Zar Peter mit Nachdruck eine Entscheidung der Hohen Pforte über Krieg oder Frieden verlangte, ließ Sultan Ahmed III. den Botschafter als Antwort ins Gefängnis werfen. Nachdem Devlet II. Giray im Januar 1711 mit über 80.000 Tataren, unterstützt von 10.000 pro-schwedischen ukrainischen Kosaken, mehr als 4.000 Polen und 700 Schweden in der Ukraine eingefallen war, erklärte Peter I. am 25. Februar in der Uspenski-Kathedrale im Moskauer Kreml den Krieg gegen das Osmanische Reich. Am 8. März 1711 erreichte den russischen Monarchen die Kriegserklärung der Osmanen.[71] Damit ergab sich für Zar Peter eine gefährliche Situation, die den Erfolg bei Poltawa in Frage stellen konnte, da er sich nun in einem Zweifrontenkrieg befand und von seinen Verbündeten kaum wirksame Hilfe erwarten konnte.

Aus diesem Grund suchte Peter I. die Entscheidung in der Offensive und fiel mit seiner Armee über den Dnjestr ins Osmanische Reich ein. Er hoffte auf einen Aufstand der orthodoxen Christen auf dem Balkan, der die osmanischen Truppen daran hindern würde, die Donau zu überqueren. Dieser Aufstand, der ihm von dem moldawischen Fürsten Dimitrie Cantemir in Aussicht gestellt worden war, blieb aber aus. Am 5. Juli 1711 erreichte der durch eine schwere Krankheit geschwächte Zar Jassy. Am 17. Juli meldete die Vorhut den Vorstoß des osmanischen Großwesirs Baltaji Mehmed Pascha. Die gesamte russische Armee eilte nun zurück zum Pruth und war ständig in Rückzugsgefechte verwickelt. Als sich die 38.000 Russen am 19. Juli bei Huși, einem kleinen Ort am Pruth verschanzten, wurden sie von mehrfach überlegenen osmanischen Truppen eingekesselt. Peter war nun auf Gnade oder Ungnade dem Großwesir ausgeliefert, der jedoch auf die mögliche Aushungerung der Russen verzichtete und stattdessen das Friedensangebot des Zaren annahm, der anscheinend durch Zahlung von 250.000 Rubel nachhalf, um einen ehrenvollen Abzug zu erhalten.[72] Im Frieden vom Pruth trat Russland die 1696 eroberte Festung Asow wieder an das Osmanische Reich ab und verpflichtete sich zum Abzug aus den Gebieten der Kosaken. Karl XII. verblieb weiter im Osmanischen Reich und versuchte im November 1711 und im November 1712 zwei weitere Male erfolglos, den Sultan zum Krieg gegen Russland zu überreden. Die Hohe Pforte hatte aber keine finanziellen Mittel für weitere kriegerische Unternehmungen zur Verfügung. Der Frieden von Adrianopel vom 24. Juni 1713, vermittelt von den Seemächten, klärte die übrigen Differenzen zwischen Russland und dem Osmanischen Reich.

Eroberung Finnlands

Schlacht von Pälkäne 17. Oktober 1713

Nach der erfolglosen Kampagne am Pruth wandte Zar Peter sich wieder dem Kriegsschauplatz an der Ostsee zu, um den Druck auf Stockholm zu erhöhen. Nach Überwindung einiger logistischer Probleme begann im Frühling 1713 die lang geplante Invasion Finnlands. Eine russische Flotte mit „200 Segeln“ und 16.000 Mann lief von Petersburg aus und landete am 10. Mai bei Helsingfors. Der dortige schwedische Kommandant Georg Henrik Lybecker wartete jedoch das Bombardement der Invasionsstreitmacht nicht ab, sondern verbrannte die Stadt und zog sich, nachdem er auch die finnische Hauptstadt Abo vor den russischen Verfolgern geräumt hatte, ins Landesinnere zurück.[73] Bevor Zar Peter, der als Konteradmiral der Unternehmung beiwohnte, im September nach Russland zurückkehrte, übertrug er Fjodor Matwejewitsch Apraxin das Kommando über die Flotte. Bei den Schweden wurde der erfolglose Lybecker im August 1713 durch General Carl Gustaf Armfeldt abgelöst. Lybecker hatte eine schlecht ausgerüstete, hungernde und demoralisierte Armee hinterlassen, in der es vor allem an der Aufklärung haperte, da die Kavallerie für solche Aufgaben nicht mehr einsatzfähig war. Als der russische General Michail Golizyn im Februar 1714 nach Österbotten marschierte, platzierte Armfeldt seine Streitkräfte in einer Defensivposition bei dem Dorf Napo, östlich von Vaasa. Nach dem russischen Sieg am 19. Februar in der Schlacht bei Storkyro wurde die gesamte schwedische Armee in Finnland vernichtet.

Die Seeschlacht bei Hangö am 27. August 1714

Russland gewinnt die Seeherrschaft in der Ostsee

Für die Bedrohung Stockholms war die Seeherrschaft in der nördlichen Ostsee eine Grundvoraussetzung. Zu Land waren die russischen Streitkräfte zwar den schwedischen überlegen. Zu Wasser aber dominierten die Schweden mit ihren großen Linienschiffen, die viele Geschütze tragen konnten. Die einzige Chance der russischen Flotte für einen Sieg war eine Schlacht in Küstennähe. Unter Aufbietung aller Mittel verdoppelte der Zar seine Ostseeflotte und stellte die Schiffe unter das Kommando erfahrener Venezianer und Griechen. Ende Mai 1714 stach Admiral Apraxin von Kronstadt in See mit dem Auftrag, den weiteren Vormarsch in Finnland zu decken und auf Åland zu landen. Im August 1714 lagen sich die beiden Flotten bei der Hanko-Halbinsel gegenüber. Nachdem Peter I. persönlich weitere Verstärkungen aus dem Baltikum heranführte, kämpften sich die russischen Galeeren während einer anhaltenden Flaute durch den schwedischen Geschützhagel und enterten die unbeweglichen schwedischen Schiffe. Anschließend landeten die Russen auf den Alandinseln. Damit herrschte die russische Flotte über die nördliche Ostsee.

Der Seesieg von Hanko ermöglichte nicht nur die Einnahme Ålands sondern sicherte auch die Eroberung Südfinnlands, die mit der Wegnahme der Stadt Nyslott am 9. August abgeschlossen wurde. In den Folgejahren wurde der Hafen als Basis für Angriffe gegen das schwedische Kernland benutzt. Zum Gouverneur Finnlands wurde Fürst Golizyn ernannt. In der finnischen Geschichte ging die Zeit der russischen Besetzung zwischen 1713 und 1721 als Zeit des Großen Unfriedens ein.

Kampf um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland (1711–1715)

Norddeutscher Kriegsschauplatz zwischen 1711 und 1715

Während Russland 1710 und 1711 die verbliebenen schwedischen Festungen in Livland und Estland erobert hatte und in den Folgejahren auch ganz Finnland unter seine Kontrolle brachte, gestaltete sich die Eroberung der schwedischen Besitzungen in Norddeutschland wesentlich schwieriger. Grund dafür waren die starken Festungsanlagen in Wismar, Stralsund und Stettin. Zudem beherrschten die Schweden die südliche Ostsee und konnten mehrfach Nachschub und frische Truppen anlanden, um die Belagerungsanstrengungen der Alliierten zu durchkreuzen. Die Dänen, Russen und Sachsen mussten ihrerseits lange Anmarschwege in Kauf nehmen. Obwohl die Verbündeten an diesem Schauplatz zum ersten und einzigen Mal in koordinierter Abstimmung auftraten, verzögerten Unstimmigkeiten und gegenseitiges Misstrauen ein wirkungsvolleres Vorgehen, so dass sie drei Anläufe benötigten, um die letzten schwedischen Bastionen in Schwedisch-Pommern zu erobern. Erst der Kriegseintritt Hannovers und Preußens 1715 brachte der Koalition endgültig die militärische Oberhand.

Vergebliche Belagerung von Wismar und Stralsund

Nach dem gescheiterten Invasionsversuch in Schonen 1710 verlagerten sich im Folgejahr die Kriegsbemühungen Dänemarks nach Norddeutschland. Ursprünglich hatte der dänische König Friedrich IV. einen weiteren Angriff auf Schweden von Seeland aus geplant, doch die Pest auf der Insel vereitelte die Durchführung. Daher entschied er sich, seine weiteren Kriegsbemühungen auf die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland zu konzentrieren. Die Staaten der Großen Allianz hatten ein starkes Interesse, den Krieg von Deutschland fernzuhalten. So war im Haager Konzert am 31. März 1710 durch Kaiser Joseph I. von Habsburg in Übereinstimmung mit Holland und England die Neutralität der schwedischen und dänischen Besitzungen in Deutschland festgelegt worden. Da aber Karl XII. gegen diesen Vertrag protestierte, hielten sich auch die Dänen im Folgenden nicht an die Vereinbarung. Eine dänische Armee von 19.000 Mann sammelte sich in Holstein und startete im Juli den Feldzug. Nach erfolgreichem Vormarsch wurde ab dem 17. August 1711 die Festung Wismar von einem dänischen Einschließungskorps unter Generalleutnant Schönfeld blockiert. Die Bündnispartner König Friedrichs IV., insbesondere August der Starke, konnten diesen jedoch davon überzeugen, alle Bemühungen auf die Eroberung der bedeutenderen Festung Stralsund zu konzentrieren. So nahm die dänische Armee ihren Marsch durch Mecklenburg wieder auf und ließ lediglich ein schwaches Beobachtungs- und Blockadekorps vor Wismar zurück, das die schwedische Enklave nicht erobern konnte. Am 29. August 1711 drangen erstmals dänische Truppen unter dem Kommando ihres Königs bei Damgarten in Schwedisch-Pommern ein. Die Schweden hatten dort nur 8000 Mann unter Oberst Karl Gustav Düker stehen.[74] Zu den Dänen stießen Anfang September 1711 russische Truppen unter Feldmarschall Menschikow und sächsische unter General Flemming aus Polen. Sie waren durch die brandenburgische Neumark und die Uckermark gezogen und vereinigten sich vor Stralsund mit dem dänischen Heer. Damit gingen die Mitglieder der Nordallianz zum ersten Mal in einer gemeinsamen Operation vor.[75] Die zahlenmäßig unterlegenen Schweden beschränkten sich aufgrund der gegnerischen Übermacht auf die Verteidigung der beiden Festungen Stettin und Stralsund sowie der Insel Rügen.

Ab dem 7. September 1711 kam es zur [ersten Belagerung von Stralsund durch die verbündeten Heere, der sich in den Folgejahren weitere anschlossen. Die Besatzung der Schweden bestand aus 9000 Mann unter dem Kommando von Generalmajor Ekeblad. Der Fortgang der Belagerung stockte aber, da es der alliierten Belagerungsarmee an schwerer Artillerie und Nahrungsmitteln für die rund 30.000 Mann starke Truppe fehlte.[76] Grund dafür waren Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Alliierten. Erst Anfang November erreichten einige Schiffe mit der angeforderten Artillerie das Belagerungsheer, das zu diesem Zeitpunkt bereits hohe Ausfälle aufgrund von Krankheiten und Hunger hatte. Die Schweden besaßen im südlichen Teil der Ostsee immer noch die Seeherrschaft und konnten so vom gegenüberliegenden Flottenstützpunkt in Karlskrona die belagerte Festung wirksam entsetzen. Am 4. Dezember stach die schwedische Flotte, bestehend aus 24 Linienschiffen und vier Fregatten, mit diesem Auftrag von Karlskrona aus in See. Am 8. Dezember 1711 setzte sie bei Perth auf Rügen 6000 Schweden zur Unterstützung Stralsunds an Land. Friedrich IV. gab die Hoffnung auf eine baldige Eroberung auf und zog sich am 7. Januar 1712 mit den verbliebenen Kräften nach Wismar und Mecklenburg zurück. Während der siebzehnwöchigen Belagerung Stralsunds hatte er mehr als ein Drittel seiner Truppenstärke eingebüßt.[77] Vor Wismar gelang den Dänen zwar ein Sieg im Gefecht bei Lübow gegen einen großangelegten Ausfall der schwedischen Garnison. Aber nachdem die Festung von der Seeseite weitere 2000 Mann Verstärkung aus Schweden erhalten hatte, zogen sich auch dort die Dänen in die Winterlager nach Mecklenburg zurück.

Eroberung von Bremen-Verden

Dänemark konzentrierte sich in der Feldzugsaison 1712 auf das schwedische Bremen-Verden, während Russland und Sachsen Schwedisch-Pommern angriffen. 1712 marschierte die 12.000 Mann starke dänische Armee in das schwedische Herzogtum Verden ein. Dieses weit entfernte schwedische Besitztum war nur sehr schlecht geschützt. Im Hauptort Stade verfügte der schwedische Gouverneur Graf Maurtiz Bellingk zwar über 2200 Mann und eine unzuverlässige Landmiliz. Die Stimmung der einheimischen Bevölkerung war aber aufgrund der jahrelangen Rekrutierungen zunehmend schwedenfeindlich, so dass ein Aufstand ausbrach, der nur mit Waffengewalt niedergeschlagen werden konnte. Da der Kurfürst von Hannover dem dänischen Heer den Durchmarsch durch sein Land verwehrte, setzten die vorstoßenden Dänen ihre Truppen am 31. Juli mit 150 Schiffen bei Brockdorf und Drochtersen über die Elbe. Buxtehude und die Schwingerschanze stellten keine Hindernisse dar, und nachdem sächsische Artillerie eingetroffen war, rückte die dänische Armee vor Stade. Am 6. September 1712 wurde die Stadt den Dänen übergeben. Am 1. Oktober fiel auch das Bremerland. Damit war ganz Bremen-Verden von Dänemark erobert.

Ottersberg und Verden wurden von Kurhannover besetzt, das nicht zulassen wollte, durch den dänischen Machtzuwachs erneut vom Meer abgeschnitten zu werden. Deshalb lag es im Interesse Hannovers, seine Ansprüche auf das gesamte Gebiet für spätere Friedensverhandlungen anzumelden. Das hannoversche Herrschergeschlecht der Welfen versuchte, Dänemark auf diplomatischem Weg zu einem Verzicht auf die Herzogtümer zu bewegen. In den sich anschließenden langwierigen Verhandlungen konnte zunächst kein Durchbruch erzielt werden, da Dänemark auf hohe finanzielle Entschädigungen drängte. Erst als Georg I. Ende 1714 englischer König wurde und eine Großmacht mit einer starken Flotte hinter sich hatte, kam Bewegung in die Verhandlungen. Großbritannien beteiligte sich zwar nicht direkt am Krieg, leistete den nordischen Alliierten jedoch durch seine Flottenpräsenz in der Ostsee indirekt Hilfe. Als Preußen Hannover in einem Bündnisvertrag am 27. April 1715 den Besitz Bremen-Verdens zusicherte, konnte sich Dänemark dem diplomatischen Druck in der antischwedischen Koalition nicht mehr versagen und trat am 2. Mai 1715 Bremen-Verden gegen eine hannoversche Ausgleichszahlung ab.

Schwedischer Feldzug nach Holstein

Das dänische Altona wird während Stenbocks Kampagne 1713 niedergebrannt.

Russlands Kriegsbemühungen richteten sich im Feldzugsjahr 1712 zunächst auf Stettin, mit dessen Eroberung man hoffte, das an der Odermündung interessierte Preußen zum Kriegseintritt gegen Schweden zu bewegen. Hierzu zogen die Russen im Juni 1712 40.000 Mann vor der Stadt zusammen. Dänemark wollte den Angriff durch Überstellung seiner Belagerungsartillerie unterstützen; die eigene konnte von der russischen Armee wegen des weiten Anmarschweges nicht mitgeführt werden. Aufgrund der Verzögerungen beim Transport der dänischen Mörser und Kanonen hob Feldmarschall Menschikow aber die Blockade auf und zog weiter gegen Stralsund, für dessen zweite Belagerung 7.000 Sachsen und 38.000 Russen aufgeboten wurden. In Schweden waren unterdessen neue Anwerbungen getätigt worden, um den Krieg auf deutschen bzw. polnischen Boden zu tragen und so die bedrängten Festungen in Schwedisch-Pommern zu entlasten. Am 3. September lief die schwedische Flotte von Karlskrona mit 24 Linienschiffen, drei Fregatten und 130 Transportschiffen mit 10.000 Mann aus. Wenige Tage später landete der zum Feldmarschall beförderte Magnus Stenbock mit dem schwedischen Heer auf Rügen. Der Großteil der Transportschiffe wurde jedoch von der dänischen Kriegsflotte zerstört, da die schwedischen Kriegsschiffe von den Dänen ausmanövriert wurden und sie die unbewaffnete Transportflotte schutzlos zurückließen. Durch diesen Verlust war die Versorgung der angelandeten schwedischen Truppen unterbrochen und auch der geplante zweite Transport mit weiteren 6000 Mann, der Artillerie und dem Tross konnte nicht mehr stattfinden. Nachdem die schwedischen Soldaten sich auf Rügen etwas erholt hatten, wurden sie nach Stralsund gebracht.

Durch die Landung der schwedischen Truppen musste die Belagerung Stralsunds durch die Alliierten erneut abgebrochen werden. Die Stadt war aber nicht in der Lage, ein so großes Heer längerfristig zu versorgen. Weil ein Rücktransport ebenfalls unmöglich war, musste Stenbock den Ausbruch wagen, um die Koalitionsverbände aus Pommern zurückzudrängen und den Krieg nach Mecklenburg und Holstein zu verlagern. Da die sächsischen und russischen Truppen während der Blockierung Stralsunds Gräben von Greifswald bis nach Tribsees gezogen hatten, war ein Durchbruch der Schweden in Pommern jedoch nicht möglich, und so musste sich Stenbock den Weg durch Mecklenburg bahnen. Am 2. November brach er mit 14.000 Mann Infanterie und Kavallerie auf. Der Ausbruch führte über den Pass bei Damgarten über die Recknitz zur pommerschen Grenze. Am 4. November stand die ganze schwedische Armee auf mecklenburgischem Boden. Die dort stehenden dänischen und sächsischen Truppen zogen sich daraufhin zurück. Am 5. November ließ der sächsische Kurfürst, der nach Tribsees und Sülze vorgerückt war, dem dänischen König Friedrich IV. die Lage erklären und um eine Vereinigung der Truppen ersuchen. Diese war aber durch den Vormarsch der Schweden unmöglich geworden. Die schwedische Armee zog weiter nach Rostock und nahm die Stadt ein, da von dort eine bessere Kommunikation mit Wismar, Stralsund und Schweden möglich war. Die sächsischen und russischen Truppen waren den Bewegungen Stenbocks gefolgt und zogen nach Güstrow. Bei Unterhandlungen der Kriegsparteien wurde ein 14-tägiger Waffenstillstand vereinbart, der von den Alliierten dazu genutzt werden sollte, die schwedische Armee einzukreisen und Zeit zu gewinnen, da die Dänen bei ihrem Vormarsch noch zurücklagen.

Stenbock sah die Notwendigkeit, die Gegner einzeln anzugreifen, bevor sie sich vereinigen konnten. Von der Garnison in Wismar trafen weitere Verstärkungen für die geplante Unternehmung ein. Als Stenbock von dem Nahen der dänischen Armee unter Friedrich IV. hörte, beschloss er, zuerst die dänische Armee anzugreifen, noch ehe sie sich mit den Sachsen und Russen vereinigen könnte. Er gab deshalb Befehl, nach Neukloster zu marschieren. Nach dem Feldzug in Bremen-Verden und infolge weiterer Verluste durch Krankheiten und Desertionen bestand die dänische Armee nur noch aus 17 Bataillonen Infanterie unter Sollstärke, 46 Schwadronen Kavallerie und 17 Stück leichter Artillerie, insgesamt etwa 15.000 Mann, davon 6.000 Reiter. Die Dänen erwarteten sächsische Verstärkung, die aber erst nach Beginn der Schlacht in einer Stärke von etwa 3.000 Mann eintraf.

Schwedische Kavallerie in der Schlacht bei Gadebusch

In der folgenden Schlacht bei Gadebusch siegte das schwedische Heer am 20. Dezember 1712 gegen die verbündeten Dänen und Sachsen, die 6.000 Mann verloren und einen fluchtartigen Rückzug antraten. Die schwedische Armee hatte in der Schlacht jedoch ebenfalls hohe Verluste erlitten und hatte weiterhin Versorgungsengpässe. Die dänische Infanterie war zwar zerstreut worden, konnte sich jedoch bald wieder reorganisieren und blieb trotz der hohen Verluste operationsfähig. Stenbock entschied sich deshalb, mit seiner angeschlagenen Armee nach Holstein zu marschieren, da dort eine bessere Versorgungslage zu erwarten war und Dänemark so weiter unter Druck gesetzt werden konnte. Bei dem Vormarsch ließ er im Januar 1713 die Stadt Altona als Vergeltung für den vorherigen dänischen Angriff auf Stade niederbrennen.[78] Anschließend zog er weiter in die dänischen Herzogtümer Schleswig und Holstein. Durch eine Vereinigung der Dänen mit den Sachsen und Russen wurde die Lage für die schwedische Armee in Holstein jedoch unhaltbar. Die russische Armee hatte inzwischen zu den Schweden aufgeschlossen, und der russische Zar Peter I. leitete persönlich diese Unternehmung. Am 31. Januar 1713 drängten russische Truppen das schwedische Heer in die zu Holstein-Gottorf gehörende Festung Tönning. Dort wurde Magnus Stenbock im Februar 1713 mit 11.000 Mann von einer Übermacht dänischer, russischer und sächsischer Truppen eingeschlossen und nach dreimonatiger Belagerung am 16. Mai 1713 zur Kapitulation gezwungen.[79] Der schwedische General verbrachte den Rest seiner Tage in dänischer Festungshaft, wo er sich als Miniaturschnitzer beschäftigte, dessen unnachahmlich filigrane Arbeiten ein handwerkliches Rätsel sind.[80]

Eroberung von Stettin

Bremen-Verden, Stettin und das ungeschützte Land in Schwedisch-Pommern befanden sich Anfang 1713 unter alliierter Kontrolle. Gleichzeitig gingen russische Streitkräfte offensiv gegen Finnland vor. Mit dem Verlust der Feldarmee unter Stenbock konnten die verbliebenen Kräfte keine Änderung der Situation in Schwedisch-Pommern erwirken. Dafür waren die Kräfte des schwedischen Reiches bereits zu sehr beansprucht. Gottorf schien für Schweden ebenso verloren. Auch Preußen, das sich bisher aus dem Konflikt herausgehalten hatte, wartete nur auf einen günstigen Augenblick zum Kriegseintritt. Um die deutschen Besitzungen für Schweden zu retten, sollten diplomatische Vereinbarungen getroffen werden, mit denen das Schicksal Stettins in die Hand einer dritten, neutralen Macht gelegt werden sollte. Die Abtretungsverhandlungen Schwedens mit Preußen scheiterten aber. Stattdessen führte der neue preußische König Friedrich Wilhelm I. die Verhandlungen über eine Abtretung Stettins mit den Alliierten. Diese marschierten nach dem Ende der Belagerung von Tönning ungehindert aus Holstein wieder nach Pommern ein. Zur Vergeltung für die Zerstörung Altonas wurden Wolgast und Garz in Schutt und Asche gelegt. Im August 1713 begannen russische und sächsische Einheiten unter Führung des Fürsten Menschikow einen Angriff auf Stettin, das über eine Garnison mit 4300 Mann verfügte. Die Stadt ergab sich am 19. September 1713, nachdem ein achtstündiges Bombardement der sächsischen Belagerungsartillerie große Teile zerstört hatte. Wenige Tage nach der Übergabe einigten sich die Alliierten mit Preußen, das als neutrale Besatzungsmacht die Stadt übernehmen sollte und gegen Zahlung von 400.000 Reichstalern zukünftig behalten durfte. Nach Zahlung dieser Summe marschierten am 6. Oktober 1713 preußische Truppen in Stettin ein.[81] Im Juni 1713 begann ein sächsisches Heer die dritte Belagerung von Stralsund. Zeitgleich landete ein sächsisch-dänisches Heer auf Rügen, konnte dort aber nicht dauerhaft Boden gewinnen. Aufgrund von Versorgungsengpässen und Abstimmungsschwierigkeiten unter den Alliierten wurde im Oktober auch die Belagerung von Stralsund erneut aufgehoben.

Der Kriegseintritt von Preußen und Hannover

Schwedisch-Pommern war inzwischen bis auf Stralsund und die Enklave Wismar komplett von den verbündeten Dänen, Russen und Sachsen erobert oder von Preußen als neutraler Macht besetzt. Preußen hatte seine über zehn Jahre betriebene Ausgleichspolitik zwischen den Gegnern beendet, nachdem Friedrich I. den Frieden von Utrecht zur Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges unterzeichnet hatte. Die Berliner Führung nahm daher die Chance wahr, mit den freigewordenen Truppen in die Endphase des Nordischen Krieges einzugreifen, um das alte Ziel der Verdrängung Schwedens von der südlichen Ostseeküste zu erreichen.

Nach dem Tod des ersten preußischen Königs im Februar 1713 wurde die neue Politik auch von seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm I. fortgeführt. Er schloss am 22. Juni 1713 mit Dänemark einen Vertrag, der eine gemeinsame Besetzung Vorpommerns vorsah und Preußen den südlich der Peene gelegenen Teil in Aussicht stellte. Am 6. Oktober 1713 kamen auch Russland und Preußen überein, dass Preußen das Gebiet bis zur Peene (mit Usedom und Wollin) zur Verwaltung erhalten sollte. Am 12. Juni 1714 schlossen sie einen Vertrag, der Preußen den Erwerb eines Teils Vorpommerns endgültig zusicherte.[82] Dem gleichen Zweck diente auch ein Bündnis Preußens mit Hannover vom 27. April 1714. Der Kreis der Feinde Karls XII. schloss sich, als Kur-Hannover, das von Dänemark den Besitz Bremen-Verdens zugesprochen bekam, dem russisch-preußischen Abkommen im November 1714 beitrat. Der Kurfürst von Hannover war seit 1714 auch König von Großbritannien und Irland. Nach der Übergabe Bremen-Verdens an Hannover erklärte Preußen, die schwedische Inbesitznahme Usedoms zum Anlass nehmend, am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Am 15. Oktober folgte die Kriegserklärung Hannovers an Schweden. Das Königreich Großbritannien blieb von dem Krieg ausgeschlossen, der nur die Stammlande Georgs I. betraf.[83]

Die beiden Seemächte England und die Niederlande waren aufgrund des Krieges in großer Sorge um ihren Seehandel in der Ostsee. Nachdem Karl XII. seinen Kaufleuten befohlen hatte, mit allen Feinden den Handel einzustellen, entsandte England im Mai 1715 eine britische Flotte unter dem Kommando von Admiral John Norris in die Ostsee, um die englischen und holländischen Handelsschiffe zu schützen. Die britische Flotte vereinigte sich dort mit holländischen Kriegsschiffen und zwang dadurch die schwedische Kriegsflotte in Karlskrona zur Untätigkeit. Die englisch-holländische Flotte griff auch selbst aktiv in das Kriegsgeschehen ein, als sich im Juli 1715 acht englische und holländische Schiffe der dänischen Kriegsflotte bei der Belagerung von Stralsund anschlossen.[83]

Die Rückkehr des Königs

Das schwedische Lager bei Bender, 1711. Nachdem der Sultan Karl XII. und seinen Begleitern Asyl gewährt hatte, wurde südlich der Stadt Bender ein befestigtes Lager errichtet. Im oberen Bildabschnitt ist der König reitend und in Begleitung von Major Axel Sparre dargestellt.

Weder vor Stralsund noch vor Wismar kam es 1714 zu Kampfhandlungen. Die Sachsen hatten sich aus Pommern zurückgezogen und Peter I. war mit der Eroberung Finnlands beschäftigt. Dänemark selbst hatte keine finanziellen Mittel für einen neuen Feldzug. Auch in dieser für Schweden äußerst kritischen Lage lehnte Karl XII. mehrere Friedensangebote ab. Nachdem aber keine Aussicht auf einen erneuten Kriegseintritt des Osmanischen Reiches gegen Russland bestand, kehrte Karl im November 1714 aus Bender (im heutigen Moldawien) in einem fünfzehntägigen Gewaltritt nach Schwedisch-Pommern zurück. Zu der Rückkehr bewogen ihn neben der Aufforderung des Sultans auch die politischen Umwälzungen in Schweden, die eine ernste Gefährdung seiner Herrschaft zu werden drohten. Von der Stadtbevölkerung in Stralsund umjubelt, war unter Verkennung der Lage sein Ziel, die früheren Machtverhältnisse in Pommern wiederherzustellen. Unter seiner Führung wurde dazu der Ausbau der Befestigungsanlagen forciert, an dem bis zu 10.000 Menschen beteiligt waren.[84] Zudem stellte er wieder eine kleine Armee auf, die zwar mangelhaft ausgerüstet, ihm aber treu ergeben war.

Einnahme der letzten schwedischen Festungen

Schematische Darstellung der Landung und Aufstellung der Alliierten bei Stresow und des Angriffspunktes der darauffolgenden schwedischen Attacke

Im Januar 1715 bestzte Karl XII. besetzte zur Sicherung der Stralsunder Festung die Süd- und Ostküste Rügens. Am 23. Februar nahm er Wolgast ein, das von einem zwanzig Mann starken preußischen Posten besetzt war.[85] Am 22. April landeten schwedische Truppen auf der Insel Usedom und überrumpelten eine kleine preußische Abteilung.[81] Daraufhin ließ Friedrich Wilhelm I. den schwedischen Gesandten ausweisen und gab Anweisung zum Beginn des geplanten Pommernfeldzugs. Preußen erklärte am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Am gleichen Tag bezog das preußische Heer bei Stettin ein Feldlager, zu dem vierzehn Tage später ein sächsisches Korps von 8000 Mann unter dem General Christoph August von Wackerbarth hinzustieß. Das Oberkommando des preußischen Kontingents übernahm König Friedrich Wilhelm I. selbst. Unter ihm führte der Feldmarschall Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau das Kommando. In der zweiten Junihälfte trat die dänische Armee den Vormarsch durch Mecklenburg an. Eine dänische Abteilung von vier Bataillonen und zwölf Schwadronen unter dem Kommando des Generalleutnants Friedrich von Legardt schloss Wismar ein, den zweiten Stützpunkt der Schweden auf deutschem Boden mit 2500 Mann Besatzung. König Friedrich Wilhelm I. verstärkte die Belagerungstruppen durch zwei Bataillone und zwölf Schwadronen unter dem Kommando des Generalmajors George Friedrich von der Albe. Das Belagerungskorps zählte nun etwa 8000 Mann. Auf See blockierten dänische Schiffe den Zugang zu Wismar.

Am 28. Juni brach die preußisch-sächsische Armee aus ihrem Lager bei Stettin auf. Ohne auf Widerstand zu treffen, gingen die Preußen mittels einer Pontonbrücke bei Loitz, die Sachsen bei Jarmen über die Peene und vereinigten sich Mitte Juli mit den Dänen vor Stralsund. Die Dänen hatten unter dem Kommando des Generalfeldmarschalls Karl Rudolf von Württemberg bei Damgarten die Recknitz überquert und waren ebenfalls auf keine feindliche Gegenwehr gestoßen.

Schematische Darstellung der Belagerung von Stralsund 1715

Karl XII. hatte zuvor seine noch in Pommern verbliebenen Truppen nach Stralsund zurückgenommen, da er es aufgrund der numerischen und qualitativen Überlegenheit der alliierten Kräfte nicht auf eine Entscheidung in einer Feldschlacht ankommen lassen wollte. Am 12. Juli 1715 vereinigten sich die drei alliierten Heere vor Stralsund und begannen mit der Belagerung. Ein schwedisches Geschwader, das bei Ruden vor der Peenemündung operierte, wurde am 8. August 1715 in der Seeschlacht bei Jasmund von der inzwischen vollständig eingetroffenen dänischen Kriegsflotte geschlagen. Als Folge des Seegefechts war die Kraft der Schweden zur See gebrochen und ihre Flotte musste sich dauerhaft nach Karlskrona zurückziehen. Den Alliierten gelang am 17. November die Eroberung Rügens, womit die Lage der belagerten Stadt nahezu aussichtslos wurde. Nach monatelanger Belagerung Stralsunds ergaben sich die eingeschlossenen Schweden am 23. Dezember 1715. König Karl konnte im letzten Moment unter glücklichen Umständen in einem Fischerboot über die Ostsee nach Schweden entkommen. Die Belagerung Wismars, zu der am 2. November noch zwei Bataillone und vier Schwadronen aus Hannover eintrafen, zog sich den Winter über hin und führte bei den Belagerungstruppen wegen der strengen Kälte zu großen Beschwerden. Nach zehnmonatiger Belagerung wurde schließlich am 19. April 1716 Wismar durch preußische und hannoversche Truppen eingenommen. Damit fiel auch der letzte schwedische Besitz in Norddeutschland.

Die Endphase des Kriegs (1716–1721)

Zurück in Schweden führte Karl XII. noch weitere Kriegszüge gegen Norwegen. In der Ostsee dominierte inzwischen die russische Marine und führte Störaktionen gegen die schwedische Küste durch. Insgesamt war die Endphase des Krieges jedoch mehr von diplomatischen Verwerfungen der Allianzpartner als von militärischen Aktionen gekennzeichnet. Die an den europäischen Höfen sehr bewusst wahrgenommene Verschiebung der Machtverhältnisse durch die russischen Siege über Schweden lösten unter den etablierten europäischen Großmächten Befürchtungen über eine mögliche russische Vorherrschaft im Ostseeraum aus. England zeigte sich hierbei als größter Gegner einer russischen Machtdominanz in Nordeuropa. Da Zar Peter zeitweise große Truppenkontingente in Dänemark, Mecklenburg und Polen unterhielt, schlossen sich das Heilige Römische Reich, die Niederlande, Frankreich, Sachsen und Dänemark der englischen Linie an.

Karl XII. versuchte die Spannungen zwischen seinen Kriegsgegnern zu nutzen und verhandelte mit beiden Seiten über Friedensschlüsse. Die Ernsthaftigkeit dieser Vorstöße wird von Historikern aber bezweifelt. So glaubte Karl bis zuletzt, den Krieg mit militärischen Mitteln zu einem für Schweden noch günstigen Ende zu bringen. Erst nach seinem Tod 1719 wandte sich Schweden vollständig England zu, schloss mit Dänemark, Preußen und Hannover Frieden und hoffte mit Unterstützung Englands, seine an Russland verlorenen Ostseeprovinzen zurückzugewinnen. Aufgrund der Gefahr eines neuen Krieges mit Spanien waren die Mächte jedoch nicht bereit, einen offenen Krieg mit Russland zu wagen, so dass Schweden alleingelassen wurde und zu ungünstigen Bedingungen Frieden mit Russland schließen musste.

Europäisierung der Ostseefrage

Weitergehende Bemühungen Zar Peters I., in Norddeutschland Fuß zu fassen, bestärkten das Misstrauen der anderen Bündnispartner, woraus sich Verzögerungen und Unstimmigkeiten beim weiteren Vorgehen gegen Schweden ergaben, die den Krieg verlängerten.[86] Georg I., König von England und Kurfürst von Hannover, unterstützte Russland zwar, um mit Bremen-Verden eine Landbrücke nach England zu gewinnen, fürchtete sich aber auch vor einer zu starken Dominanz Russland in der Ostsee und war deshalb zu einer Kursänderung bereit. Akut wurden die englischen Befürchtungen, als Zar Peter I. am 19. April 1716 einen Bündnisvertrag mit dem Herzog Karl Leopold von Mecklenburg schloss, dem er überdies die Hand der Zarennichte Katharina Iwanowna anbot. Russland erhielt dadurch einen Stützpunkt für seine Armee auf deutschem Boden und gewann Mecklenburg als weiteren Verbündeten gegen Schweden. Im Gegenzug erhielt der Herzog im Konflikt mit der Ritterschaft Hilfe gegen seine Landstände. Im Winter 1716/17 schlugen 40.000 russische Soldaten ihre Quartiere im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin auf. Der Zar spielte fortan auch aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu Mecklenburg einen wichtigen Part in der Reichspolitik. Das englische Parlament wollte nun ebenso wie Kaiser Karl VI. das weitere russische Vordringen in den Ostseeraum verhindern, weil es fürchtete, dass Russland den Ostseehandel monopolisieren könnte.[87] Nach Klagen der mecklenburgischen Landstände wegen der fortgesetzten Rechtsbrüche ihres Herzogs verhängte Kaiser Karl VI. 1717 einen Reichsexekutionsbeschluss gegen Karl Leopold von Mecklenburg.

Bildung einer antirussischen Allianz

Nachdem Karl XII. von Stralsund nach Schweden zurückgekehrt war, nutzte er die alliierten Unstimmigkeiten bei seinen Bemühungen um Wiederherstellung seines Reiches, indem er seine Kräfte gegen Dänemark-Norwegen konzentrierte. Während des Winters 1715/16 plante Karl, über die zugefrorene Ostsee von Schonen nach Seeland zu marschieren. Der Winter fiel aber mild aus, sodass dieser Plan nicht umsetzbar war. So entschied er sich, gegen die dänische Provinz Norwegen zu ziehen. Er konnte zwar das von seinen Einwohnern verlassene Christiania (das heutige Oslo) im dänisch kontrollierten Norwegen erobern und zog dann gegen Fredrikshald, aber nach der Verbrennung seiner Flotte durch die Dänen musste er im Juli nach Schweden zurückkehren.

Die Invasion Norwegens ermutigte Kopenhagen, erneut in Schweden einzudringen. Der Plan einer gemeinsamen russisch-dänischen Invasion wurde bereits seit einiger Zeit diskutiert. Im Februar 1716 präsentierte Peter I. bei seiner zweiten Europareise in Altona einen detaillierten Invasionsplan. Russische Truppen sollten bis Sjaelland transportiert werden. Von dort sollte zusammen mit dänischen Truppen in Schweden eingefallen werden, unterstützt durch eine britische Flotte.

Georg Heinrich von Görtz (rechts) gewann in den letzten Regierungsjahren (1715-1718) Karls XII. großen Einfluss auf die schwedische Außenpolitik. Er befürwortete einen Ausgleich mit Russland.

Die diplomatischen Verwerfungen, die im Wesentlichen durch die russischen Aktivitäten in Mecklenburg verursacht wurden, störten den Invasionsplan jedoch und schürten das Misstrauen der Verbündeten gegen den Zaren. An den europäischen Höfen wurde vermutet, dass Peter einen Separatfrieden mit Schweden geschlossen hatte und die Invasionspläne lediglich als Maske für eine Ausweitung der russischen Stützpunkte in Deutschland nutzen wollte.[88] Bei einem Treffen Peters I. und Friedrichs IV. am 28. Mai 1716 in Ham und Horn bei Hamburg wurden die Invasionspläne weiter gegliedert. Im September 1716 wurde eine 30.000 Mann starke Armee auf preußischen Schiffen von Warnemünde in Mecklenburg nach Seeland verschifft. Dort stand bereits eine 24.000 Mann starke dänische Armee. Die dänische Kriegsflotte, bestehend aus 24 Linienschiffen, wurde durch die russische Kriegs- und Galeerenflotte sowie britische und holländische Flottengeschwader verstärkt. Die alliierte Invasionsflotte, bestehend aus 67 Linienschiffen und Fregatten, stand nun bereit für die Invasion Schonens.[89] Doch dann sagte der Zar, der sich gerade wieder auf Europareise befand, die schon fest geplante Landung überraschend ab, und weckte dadurch erneut das Misstrauen der Verbündeten, die weiter argwöhnten, dass sich Peter I. im Reich festsetzen wollte. Nachdem der Versuch des Zaren, bei einem Aufenthalt in Paris ein französisch-russisches Bündnis zu schmieden, erfolglos blieb, führte eine diplomatische Offensive Englands Russland endgültig in die außenpolitische Isolation. Um Januar 1717 schloss Georg I. eine Tripelallianz mit Großbritannien-Hannover, den Niederlanden und Frankreich. Hannover und Dänemark zogen sich aus der nordischen Koalition zurück. Im März 1717 erteilte das englische Parlament die Zustimmung zum Einsatz der Flotte zur Durchsetzung der neuen englischen Außenpolitik. Die Tripelallianz wurde im August 1718 mit Österreich ergänzt, das mit dem Osmanischen Reich gerade Frieden geschlossen hatte. Die nun formierte Quadrupelallianz wurde durch den Vertrag von Wien im Januar 1719 erweitert, mit dem sich Sachsen, England-Hannover und Österreich zusammenschlossen, um Russland aus Polen-Litauen zurückzudrängen, das dort eine 35.000 Mann starke Armee unterhielt.[90]

Beginn russisch-schwedischer Friedensunterhandlungen

Während sich 1717 diplomatische Umwälzungen vollzogen, brachte das Jahr für alle Kriegsparteien militärisch eine Ruhepause. König Karl entwickelte trotz aller Niederlagen und der erdrückenden Übermacht seiner Feinde ständig neue Ideen und Pläne. Georg Heinrich von Görtz, der engste Berater Karls in seinen letzten Jahren, witterte eine Chance, mit den Russen zu einem Separatfrieden zu gelangen, um im Gegenzug freie Hand für Rückeroberungen in Norddeutschland und Dänemark zu haben.

Auf einem Treffen mit Zar Peter im Lustschloss Het Loo in Holland im August 1717 konnte Görtz wesentliche Vorbehalte des Zaren gegen eine Annäherung ausräumen und im folgenden Jahr kam es ab Mai 1718 zu Friedensverhandlungen auf den Alandinseln. Verhandlungsführer waren bei den Schweden Görtz und Carl Gyllenborg, bei den Russen der Westfale Heinrich Ostermann und der schottische General James Bruce. Der schwedische Plan sah vor, dass Russland alle seine Besitzungen bis auf Finnland behalten, dafür aber Norwegen und Hannover den Schweden zufallen sollten. Ferner sollte eine Landung in Schottland eine Rückkehr der Jakobiten auf den dortigen Thron vorbereiten.[91]

Der Tod des Königs

Belagerung von Frederikshald 1718
Kupferstich aus dem Theatrum Europaeum

Die alliierten Unstimmigkeiten ließen in Stockholm neue Hoffnung auf einen günstigen Friedensschluss keimen. Der Beginn des neuen Norwegenfeldzuges sollte dem Zaren wie den Engländern die scheinbar ungebrochene Kraft Schwedens demonstrieren. Während Karl selbst mit dem Hauptheer gegen Frederikshald zog, musste General Armfeld mit einer anderen Abteilung nördlich über die Kiölen gegen Trondheim ziehen, um die Verbindung zwischen den Landesteilen abzuschneiden. In Schweden traf der Feldzug allerdings auf allgemeine Missbilligung. Das Land war am Ende seiner Kräfte, in Stockholm wurden sogar Verhungerte auf den Straßen gefunden.[92] Auch viele Offiziere und Soldaten litten Hunger und der größere Teil des schwedischen Heeres hatte zerrissene Kleider. Als König Karl XII. am 11. Dezember 1718 bei der Belagerung von Frederikshald in vorderster Linie einer feindlichen Kugel zum Opfer fiel, war der Nordische Krieg mit einem Schlag so gut wie beendet. Gleich nach dem Tod des Königs hob sein Schwager Prinz Friedrich von Hessen-Kassel die Belagerung auf und führte das Heer nach Schweden zurück.

Der Feldzug nach Trondheim endete ebenfalls in einer Katastrophe. Als Armfeldt auf die Nachricht vom Tod des König am 1. Januarjul. / 12. Januar 1719greg. den Rückzug nach Schweden befahl, setzte auf dem Öyfjell ein so heftiger Schneesturm ein, dass 3700 der 5800 Soldaten erfroren. Der Untergang von Armfeldts Armee ging als Todesmarsch der Karoliner in die Geschichte ein.

Der Leichnam Karls XII. wird überführt
G. Cederström Krusenberg, 1884

In Schweden wurde die politische Macht vom König auf den Reichstag übertragen und die anti-russisch eingestellte Aristokratie übernahm die Herrschaft. Nach dem Verzicht seiner Frau Ulrika Eleonore, der Schwester Karls XII., erlangte Friedrich von Hessen-Kassel die schwedische Krone, blieb aber in der Folge vom Reichsrat abhängig. Mit einem Schlag änderte sich der außenpolitische Kurs. Auf Rat von französischen und englischen Gesandten wurden die Verhandlungen mit Russland abgebrochen; stattdessen wurden unter Vermittlung Frankreichs die Friedensverhandlungen mit Großbritannien-Hannover, Preußen und Dänemark vorangetrieben.[93] Es zeichnete sich nun eine starke europäische Allianz gegen Russland ab, deren Umrisse deutlich wurden, als der Kaiser im Februar 1719 das Kurfürstentum Hannover mit der Ausführung der zwei Jahre zuvor verhängten Reichsexekution beauftragte und 12.000 welfische Truppen den Herzog Karl Leopold aus Mecklenburg verjagten.[94]

Frieden mit Hannover-England, Preußen und Dänemark

Abbild der letzten Seite des Präliminarfrieden zu Stockholm zwischen Hannover-Großbritannien und Schweden vom 19. November 1719

Mit Hannover-England schloss Schweden nach langwierigen Verhandlungen als erstes Frieden. Noch 1718 hatte sich der schwedische König nur zu einer Abtretung eines kleinen Teils von Bremen-Verden bereit erklärt, nicht jedoch der gesamten Herzogtümer Bremen und Verden. Erst durch seinen Tod Ende 1718 war der Weg für erfolgversprechende Friedensverhandlungen frei, die im Mai 1719 in Stockholm begannen. Streitpunkte waren die Höhe der Ablösesumme für Bremen-Verden, das Ausmaß der künftigen Verluste Schwedens in Pommern sowie der Einsatz der englischen Flotte zum Schutz Schwedens gegen einen russischen oder dänischen Angriff.

Schweden stand gleichzeitig unter starkem militärischen Druck Russlands. So errang die russische Flotte am 24. Mai 1719 ihren ersten Sieg in der offenen Seeschlacht bei Ösel. Um Schweden zur Unterzeichnung des Friedensvertrags zu zwingen, entschied sich Peter I. zu einer Landeoperation im schwedischen Kernland. Gleichzeitige erfolgte im August 1719 eine Landung südlich und nördlich von Stockholm. An der Operation waren 20 Linienschiffe, einige hundert Ruderschiffe sowie 26.000 Mann Landungstruppen beteiligt. Im Verlauf der Invasion wurden acht größere Städte zerstört, darunter die damals zweitgrößte Stadt Norrköping. Durch Großadmiral Apraxin ließ Zar Peter die Küste von Westbothnien niederbrennen. 13 Städte, 361 Dörfer und 441 adlige Güter wurden zerstört.

Die russischen Vorstöße beschleunigten die Friedensschlüsse Schwedens mit seinen übrigen Gegnern. Im November 1719 stellte Dänemark die Kampfhandlungen mit Schweden ein. Unter Vermittlung des englischen Bevollmächtigten John Carteret wurde am 22. November 1719 in einem Präliminarfrieden zu Stockholm der Krieg mit Großbritannien beendet. Hannover erhielt gegen eine Zahlung von einer Million Reichstalern die Herzogtümer Bremen-Verden und sagte Schweden indirekt englische Unterstützung zu. Endgültig anerkannt wurde die Abtretung erst im Hamburger Vergleich des Jahres 1729.

Am 21. Januarjul. / 1. Februar 1720greg. kam es nach langwierigen Verhandlungen zum Frieden von Stockholm zwischen Preußen und Schweden. Preußen behielt Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie Vorpommern bis zur Peene für eine finanzielle Gegenleistung von 2 Millionen Reichstalern.[95] Am 3. Julijul. / 14. Juli 1720greg. beendeten Dänemark und Schweden den Krieg im Frieden von Frederiksborg nach über acht Monaten Unterhandlungen. Dänemark gab Rügen und Vorpommern nördlich der Peene sowie die Herrschaft Wismar an Schweden zurück, das dafür 600.000 Taler bezahlte und auf die Zollfreiheit im Sund verzichtete.[96]

Zu diesem Zeitpunkt hatte England eine große Koalition gegen Russland aufgebaut, die jedoch nicht ausreichte, um die Kriegshandlungen im Norden zu beenden. Preußen und Sachsen tendierten dazu, von Großbritannien wieder abzurücken, um sich erneut dem Zaren zuzuwenden. Auch der Kaiser in Wien wurde aufgrund der anhaltenden Besetzung Mecklenburgs durch welfische Truppen unruhig.

Frieden mit Russland

Seeschlacht bei Grönham am 7. August 1720

Die Entscheidung Englands, seine in der Ostsee unter dem Kommando von Admiral Norris segelnde Flotte gegen Russland einzusetzen, blieb im Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Die englischen Geschwader konnten den russischen Schiffen nicht bis in den Golf von Finnland folgen. Der englischen Flotte gelang es auch nicht, die russischen Angriffe auf das schwedische Festland zu unterbinden. Am 7. August 1720 wurde ein schwedisches Geschwader in der Seeschlacht bei Grönham von einem russischen geschlagen, und 1721 wurde Stockholm selbst nur durch die Ankunft einer britischen Flotte vor einem russischen Angriff gerettet.[97] Großbritannien erkannte nun, dass es außer Stande war, eine wirksame Kriegskoalition gegen Russland zu bilden. Preußen hielt einen strikten Neutralitätskurs ein und auch die anderen englischen Initiativen an den Höfen in Wien und Warschau blieben erfolglos. Daher drängte nun auch das Vereinigte Königreich darauf, so schnell wie möglich Friedensverhandlungen mit Russland aufzunehmen. Infolge einer Spekulationskrise war es für den britischen König Georg I. nun auch nicht mehr möglich, die Schweden finanziell zu unterstützen. Somit blieb dem ohne Unterstützung dastehenden Schweden nichts anderes übrig, als unter französischer Vermittlung in direkte Friedensverhandlungen mit Russland zu einzutreten, die ab dem 28. April 1721 in Nystadt, einem kleinen finnischen Städtchen unweit von Äbo, begannen.

Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Nystadt am 20. August 1721. Radierung, 1721.

Am 10. September 1721 trat Schweden im Friedensvertrag von Nystad die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln Ösel und Dagö sowie Südkarelien an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte. Zudem leistete Russland Schweden Reparationen in Höhe von 2 Millionen Reichstalern.[97] Schweden erhielt das Recht, in Riga, Reval und Arensburg alljährlich Getreide im Wert von 50.000 Rubel zollfrei aufzukaufen; ausgenommen waren hiervon Jahre der Missernte.

Im Zuge der Friedensverhandlungen am Ende des Krieges bot Königin Ulrika Eleonora am 7. Januar 1720 auch August dem Starken einen Waffenstillstand an. In diesem Angebot wählte sie absichtlich die Anrede „Friedrich August“ und drückte damit aus, dass der sächsische Kurfürst nach der Wiederwahl 1710 von Schweden nach wie vor nicht als polnischer König anerkannt war. Obwohl August II. mit einer Revision des Friedens von Altranstädt die Anerkennung seiner polnischen Königswürde zu verknüpfen hoffte, kam es jedoch zu keinem Abschluss. An den Friedensschlüssen nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges war Sachsen-Polen, obwohl aktive Kriegspartei, damit nicht beteiligt. Eine beiderseitige Bekräftigung des faktischen Friedenszustandes zwischen Sachsen und Schweden fand erst im April 1729 statt. Der polnische Sejm hatte zuvor 1726 zu Grodno beschlossen, in Friedensgespräche mit Schweden einzutreten und frühere Friedensabkommen, in erster Linie den Frieden von Oliva, zu bestätigen. Nach einer ersten Absichtsbekundung 1729 begannen erneut Verhandlungen, in deren Verlauf Schweden im Februar 1730 und Polen im September 1732 Entwürfe vorlegten, die in einer beidseitigen Friedensdeklaration mündeten.

Folgen und Auswirkungen des Krieges

Der Krieg hatte gravierende Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung im schwedischen Reich. Auf fünf Frauen kamen zuletzt nur noch drei Männer, was dazu führte, dass vorwiegend Frauen die landwirtschaftliche Arbeit übernehmen mussten. Finnland hatte die höchsten Verluste erlitten und 16 Prozent seiner Bevölkerung eingebüßt. In Schweden betrug der Blutzoll 10 Prozent. Finnland war so schwer getroffen, dass der schwedische Gouverneur für sechs Jahre darauf verzichtete, Steuern zu erheben. [98]

Gebietsgewinne Russlands

Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Schweden verlor seine Besitzungen im Baltikum und in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene) und somit seine Stellung als nordische Großmacht. An seine Stelle trat das Zarenreich, das nicht nur zur neuen Vormacht an der Ostsee aufstieg, sondern auch eine entscheidende Rolle bei der Neuordnung Europas gespielt hatte.[99] Der Nordische Krieg hatte dem russischen Volk jedoch das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.[100] Allein zwischen 1705 und 1713 gab es zehn Musterungen, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren dabei so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges 54.000 russische Soldaten an Krankheiten starben und nur etwa 45.000 tödlich verwundet wurden. aber .[101] Peters neue Hauptstadt entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete, eine Entwicklung, die die um ihren Ostseehandel besorgte Seemacht Großbritannien nicht gerne sah, aber auch nicht verhindern konnte.[102] Mitten im Krieg schuf Peter der Große so die Grundlagen der russischen Großmacht; zur Unterstreichung des neuen Anspruchs ließ er das Russische Zarentum in Russisches Kaiserreich umbenennen und seinen Titel offiziell von Zar in Kaiser (Император, Imperator) ändern. Russland war nach der jahrhundertelangen Entfremdung, bedingt durch die Tatarenherrschaft, wieder ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.[103]

Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Einflusssphäre des Zarenreichs geriet, ab 1768 de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und bis 1795 von seinen Nachbarn vollständig aufgeteilt wurde.[104] Der Niedergang Schwedens und Sachsen-Polens wiederum befreite Preußen von zwei starken potentiellen Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen.[105] Nachdem sie im Verlauf des Großen Nordischen Kriegs aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt waren, komplettierten Russland und Preußen in den folgenden Jahrhunderten neben Frankreich, Österreich und Großbritannien die Pentarchie der europäischen Großmächte.[106]

Einzelnachweise

  1. Karte der gottorfschen und königlichen Anteile in den Herzogtümern Schleswig und Holstein
  2. a b c d e Darstellung nach: Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, in: Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten, herausgegeben von Bernd Wegner in Verbindung mit Ernst Willi Hansen, Kerstin Rehwinkel und Matthias Reiss. Paderborn 2000, S. 89-107, hier: S. 90–94.
  3. Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, S. 94f.
  4. Georg Piltz: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986, S. 80.
  5. Werner Scheck: Geschichte Russlands, München 1977, S. 188.
  6. Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/Main 1987, S. 268.
  7. Heinz von Zur Mühlen: Baltisches historisches Ortslexikon, Band 2, Köln 1990, S. 132.
  8. Knut Lundblad, Georg Friedrich Jenssen-Tusch: Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, Hamburg 1835, S. 41–55.
  9. Georg Piltz: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Berlin 1986, S. 92f.
  10. Knut Lundblad, Georg Friedrich Jenssen-Tusch: Geschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, Hamburg 1835, S. 58–61.
  11. a b Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/Main 1987, S. 286.
  12. Helmut Pemsel: Seeherrschaft, Bd.1, Hamburg 2005, S. 274.
  13. Helmut Pemsel: Seeherrschaft, Band 1, Hamburg 2005, S. 266.
  14. Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/Main 1987, S. 286–288.
  15. Zit. nach: Georg Piltz: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Berlin 1986, S. 92f.
  16. Henry Vallotton: Peter der Große - Russlands Aufstieg zur Großmacht, München 1996, S. 165.
  17. Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/Main 1987, S. 288f.
  18. Im Einzelnen zum Narva-Feldzug: Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/Main 1987, S. 290–301.
  19. Theodor Griesinger: Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten, Band 3, Stuttgart 1869, S. 572.
  20. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 117.
  21. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 118.
  22. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 121.
  23. Theodor Griesinger: Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten, Band 3, Stuttgart 1869, S. 603.
  24. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 87.
  25. Jan Kazimierz Sapieha der Jüngere führte seit 1700 den Herzogtitel, aber sein Verwandter Jan Kazimierz Sapieha der Ältere wurde von Karl XII. wegen seiner militärischen Qualitäten noch höher geschätzt und 1708 zum Großhetman von Litauen ernannt.
  26. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 89.
  27. Theodor Griesinger: Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten, Band 3, Stuttgart 1869, S. 604.
  28. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 94.
  29. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 101.
  30. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 103.
  31. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, Braunschweig 1861, S. 214
  32. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, Braunschweig 1861, S. 218.
  33. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, 1860, S. 176.
  34. Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 244.
  35. Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, S. 179
  36. Alan Axelrod: Little-Known Wars of Great and Lasting Impact, 2009, S. 137.
  37. Stig Förster, Markus Pöhlmann, Dierk Walter: Kriegsherren der Weltgeschichte: 22 historische Portraits, München 2003, S. 139.
  38. Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen 2001, S. 112.
  39. a b Young, William: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, Lincoln 2004, S. 454
  40. William Young: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, S. 454.
  41. a b Volker Press: Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen, München 1991, S. 465.
  42. a b Christopher Duffy:Russia's military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800, London 1981 S. 17.
  43. Sie bestanden im Jahr 1701 aus etwa 3100 Mann Feldtruppen, einer 2000 Mann starken Garnison in Dorpat, 150 Mann in Marienburg, sechs kleineren Kriegsschiffen mit 300 Mann sowie Landmiliz. Zahlen nach Angaben von W. A. v. Schlippenbach
  44. Peter Englund: The battle that shook Europe. Poltava and the birth of the Russian Empire, London 2003, S. 39.
  45. William Young: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, Lincoln 2004, S. 452.
  46. Nach dem offiziellen russischen Bericht von der Schlacht sollen 5000 Schweden getötet worden sein, bei eigenen Verlusten von 400 Mann, Rossiter Johnson: The Great Events by Famous Historians, S. 324.
  47. Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 25, Harrassowitz, 2000, S. 397
  48. Nikolaus Thon: St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage, Leningrad, 1990, S. 3.
  49. Peter Englund:The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, S. 40.
  50. Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, München 1997, S. 111.
  51. Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 29.
  52. a b Angus Konstam: Poltava 1709: Russia Comes of Age, S. 30.
  53. Bengt Liljegren|Liljegren, Bengt - Karl XII: En biografi, Historiska media, 2000, Sidan 151.
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Commons: Großer Nordischer Krieg – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Anisimov, Evgeniĭ Viktorovich: The reforms of Peter the Great: progress through coercion in Russia, M.E. Sharpe 1993
  • Atkinson, C.T.: A history of Germany, 1715–1815, New York 1969
  • Axelrod, Alan: Little-Known Wars of Great and Lasting Impact, Beverly 2009
  • Bain, Robert Nisbet: Scandinavia a Political History of Denmark, Norway and Sweden from 1513 to 1900, Camebridge 2006
  • Beyrau, Dietrich, Lindner, Rainer: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen 2001
  • Branig, Hans: Geschichte Pommerns Teil II. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln 2000. ISBN 3-412-09796-9
  • Davies, Norman: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München 2000.
  • Duchhardt, Heinz: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648–1806, Enzyklopädie deutscher Geschichte, Band 4, München 1990
  • Duffy, Christopher: Russia’s military way to the West. Origins and nature of Russian military power, 1700–1800, London 1981
  • Englung, Peter: The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, New York 2003
  • Ewe, Herbert: Geschichte der Stadt Stralsund, Weimar 1984
  • Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 25, Harrassowitz, 2000
  • Förster, Stig; Pöhlmann Markus; Walter, Dierk: Kriegsherren der Weltgeschichte: 22 historische Portraits, München 2003
  • Frost, Robert I.: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721. Harlow (Essex) 2000.
  • Fryxell, Anders: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, Braunschweig 1861
  • Fryxell, Anders: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860
  • Parker, Geoffrey: The Cambridge illustrated history of warfare. Cambridge 2005.
  • Piltz, Georg: August der Starke. Träume und Taten eines deutschen Fürsten. Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986. ISBN 3-355-00012-4
  • Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte – Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998,
  • Griesinger, Theodor: Das Damen-Regiment an den verschiedenen Höfen Europas in den zwei letztvergangenen Jahrhunderten, Band 3, Stuttgart 1869
  • Hildebrand, Bruno; Conrad, Johannes; Loening Edgar; Elster, Ludwig et al.: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 3, Jena 1864
  • Jany, Curt: Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914. Bd. 1, Biblio Verlag, Osnabrück 1967, S. 632–641.
  • Johnson, Rossiter: The Great Events by Famous Historians, 2004
  • Kennedy, Paul: The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000. New York 1987.
  • Konovaltjuk & Lyth, Pavel & Einar (2009) (in Schwedisch). Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Svenskt Militärhistorisk Biblioteks Förlag. ISBN 978-91-85789-14-6
  • Konstam, Angus: Poltava 1709: Russia Comes of Age, Osprey Publishing, 1994
  • Lee, Stephen J.: Peter the Great, London 1996
  • Lindsay, J. O.: The New Cambridge Modern History: The old regime, 1713-63, Camebridge 1957
  • Lucht, Dietmar: Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1996. ISBN 3-8046-8817-9
  • Lundblad, Knut: Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden, Band 2, 1840
  • Massie, Robert K.: Peter der Große – Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987,
  • Murray, John Joseph: George I, the Baltic and the Whig split of 1717. A study in propaganda, London 1969
  • Oakley, Stewart P.: War and peace in the Baltic, 1560-1790, London 1992
  • Opitz, Eckardt: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse. Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721. In: Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2000, S. 89–107.
  • Pemsel, Helmut: Seeherrschaft, Bd.1, Hamburg 2005
  • Piltz, Georg: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Berlin 1986
  • Press, Volker: Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen, München 1991
  • Richter, Benjamin: Verbrannte Erde. Peter der Große und Karl XII. Die Tragödie des ersten Russlandfeldzuges, MatrixMedia Verlag, Göttingen 2010 ISBN 978-3-932313-37-0
  • Scheck, Werner: Geschichte Russlands. Wilhelm Heyne Verlag, München 1977. ISBN 3-453-48035-X
  • Schmidt, Christoph: Russische Geschichte 1547–1917, München 2003
  • Scott, Franklin Daniel: Sweden, the nation’s history, Minneapolis 1978
  • Thon, Nikolaus: St. Petersburg um 1800. Ein goldenes Zeitalter des russischen Zarenreichs. Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Zeit aus der Staatlichen Eremitage, Leningrad, 1990
  • Torke, Hans-Joachim: Einführung in die Geschichte Russlands, München 1997
  • Young, William: International Politics and Warfare in the Age of Louis XIV and Peter the Great, Lincoln 2004
  • Vallotton, Henry: Peter der Große - Russlands Aufstieg zur Großmacht, München 1996
  • von Poten, Bernhard: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, Bd.8, Leipzig 1879
  • von Zur Mühlen, Heinz: Baltisches historisches Ortslexikon, Bd.2, Köln 1990
  • Wernicke, Carl: Die Geschichte der Welt, Bände 2-3, Berlin 1857
  • Zernack, Klaus: Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79.

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