„Diskussion:Völkerwanderung“ – Versionsunterschied

Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Bot: 1 Abschnitt nach Diskussion:Völkerwanderung/Archiv#Weitere Wanderungsbewegungen vor dem Einfall der Hunnen archiviert – letzte Bearbeitung: Benowar (08.12.2023 19:14:01)
(28 dazwischenliegende Versionen von 13 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 13:Zeile 13:
{{Archivübersicht|[[Diskussion:Völkerwanderung/Archiv|Archiv ab 2004]]}}
{{Archivübersicht|[[Diskussion:Völkerwanderung/Archiv|Archiv ab 2004]]}}


== Die [[Balthen]] ==
== Wer oder was wanderte? ==


Das ist keine Hausaufgabe, ich versuche nur meine Fragen zu klären, schaffe es aber anhand des Artikeltextes nicht:
...würden sich über einen Wikilink freuen. --[[Spezial:Beiträge/217.83.14.5|217.83.14.5]] 21:19, 30. Nov. 2017 (CET)


Wer oder was wanderte? (Nur die Krieger? Nur ein Teil der Krieger? Männer und Frauen und Kinder? Hab und Gut?)
== Hilferuf eines Historikers ==


Das würde auch beleuchten, warum gewandert wurde und welche Erwartungshaltung die Migranten mitbrachten. Z.B. im Unterschied zu den Wikinger-'''Raubzügen'''. Wer sein Hab und Gut mitnimmt, so es transportabel ist, musste seine alte Heimat endgültig verlassen, ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Wer nur Frauen und Kinder mitnimmt, hatte für die Mitnahme von Hab und Gut entweder keine Zeit oder keine Möglichkeit (z.B. Zugtiere).
Es ist so gnadenlos unwissenschaftlich, historische Ereignisse mit modernen Begriffen zu verunzieren. Man kann es durchaus als Schwachsinn bezeichnen, die Völkerwanderung zur „Migration“ umzudefinieren. Gibt es denn bei Wikipedia kein Halten mehr? Ist [[Kleopatra]] demnächst eine der ersten Feministinnen? Sollte man von den Allerweltsschreibern aus Politik und Sozialem nicht mal einen Grundkurs in in den historischen Wissenschaften verlangen? Oder die nachgewiesene Lektüre von Gadamers „[[Wahrheit und Methode]]“. Hoffentlich kommen wenigstens die Philosophen mal zu Hilfe. Ich meine es ernst, „Migration“ hat hier nichts zu suchen.--[[Benutzer:GerhardSchuhmacher|Schuhmacher]] ([[Benutzer Diskussion:GerhardSchuhmacher|Diskussion]]) 13:25, 3. Mai 2019 (CEST)
:Das ist eine wichtige Frage, zumal der Begriff "Migration" bereits in der Einleitung steht. Auch in der Feuerzangenbowle scheint es, als wenn die gesamten Völker wanderten und das Stammgebiet leer war oder von anderen besetzt wurde. Aber dem ist nicht so‽ {{unsigniert|Wikiseidank|21:44, 8. Apr. 2023 (CEST)}}


== Rücksetzung durch [[Benutzer:Benowar]] ==
:Es handelt sich um einen gängigen Forschungsbegriff - wenn er dir nicht zusagt, ist das dein Problem, keines von Wikipedia. Im angelsächsischen Raum wird ohnehin sehr oft der Terminus ''migration age'' benutzt, in der deutschen Forschung kann auf von Rummel/Fehr und Pohl verwiesen werden; Mischa Meier benutzt ihn ebenfalls (sein umfangreiches Buch zur Völkerwanderung erscheint im September). Viel problematischer ist der Begriff einer "Volkswanderung/Völkerwanderung", an der man noch bis weit ins 20. Jahrhundert hing - weil das eben keine geschlossenen "Völker" waren, sondern unterschiedlich große und sehr oft heterogen zusammengesetzte Gruppen, siehe Artikel. Man nutzt ja auch das moderne Methodik der Quellenkritik und nimmt nicht antike/mittelalterliche Geschichtsschreiber einfach beim Wort. Man muss sich also nicht über moderne Termini echauffieren, weil sie vielleicht nicht in das eigene Weltbild passen, aber in der Forschung benutzt werden. Schau in die moderne Forschungsliteratur, nur die ist ausschlaggebend. Ansonsten siehe oben: ''Persönliche Betrachtungen zum Thema gehören nicht hierher.'' Damit hat sich das für mich auch erledigt. --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 13:42, 3. Mai 2019 (CEST)
::Ok, dass du ernsthaft drauf eingehst; es geht auch nicht um (m)ein Weltbild, so etwas maße ich mir nicht an. Die Idee, das nur die moderne Forschungsliteratur ausschlaggebend sei, ist eine Ableitung aus der Methode der Naturwissenschaften – Gadamer (Tübingen 1990, 288 f.): „wenn wir die Geschichte der Forschung ins Auge fassen und auf den Unterschied achten, der zwischen der Wissenschaftsgeschichte auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften und dem der Naturwissenschaften besteht […] wenn der Naturforscher die Geschichte seiner Wissenschaft vom gegenwärtigen Stande des Wissens her beschreibt. […] weil der Fortschritt der Forschung der selbstverständliche Maßstab der Forschung ist.“ Eine neue Erkenntnis über Atomphysik erledigt alles bisherige (vielleicht außer Einstein :). In der Geisteswissenschaft, der Historie „(sind) es verschiedene Aspekte, in denen sich die Sache zu verschiedenen Zeiten oder von verschiedenem Standort aus historisch darstellt. Wir nehmen hin, daß diese Aspekte sich nicht einfach in der Kontinuität fortschreitender Forschung aufheben, sondern wie einander ausschließende Bedingungen sind, die jede für sich bestehen und sich nur in uns vereinigen. Was unser geschichtliches Bewußtsein erfüllt, ist immer eine Vielzahl von Stimmen, in denen die Vergangenheit widerklingt. Nur in der Vielfachheit solcher Stimmen ist sie da.“ Auch Mischa Meier wird zur Vielzahl dieser Stimmen gehören. Doch es ist nur die gegenwärtige Dominanz des naturwissenschaftlichen Denkens, der nur dort gerechtfertigte Vorrang des Neuen, das heute die geisteswissenschaftliche Seite (Methode) erstickt. Das ist keine als ‚persönlich‘ abwertbare Betrachtung. Ok, du kannst sagen: „1990 ist überholt“ und somit hat es sich erledigt. Aber so weit wirst du es wohl doch nicht treiben wollen. --[[Benutzer:GerhardSchuhmacher|Schuhmacher]] ([[Benutzer Diskussion:GerhardSchuhmacher|Diskussion]]) 15:58, 3. Mai 2019 (CEST)


Liebe/r Benowar,
Nachdem sich der Vorredner nicht mehr meldet, weil es sich für ihn „erledigt“ hat - Migration ist ein Begriff, der sich zu einer spezifischen Form der Einwanderung im 21. Jahrhundert allgemein durchgesetzt hat, die im historischen Vergleich friedlich verlief – es ist grob unwissenschaftlich, diesen Begriff nun rückwärts gerichtet auch organisierten Eroberungszügen überzustülpen, etwa dem Einfall der Hunnen, bei dem nach akzeptierter Schätzung (Perry Anderson) im Bereich des heutigen Ungarn die Hälfte der Bevölkerung umgebracht wurde. Es gibt bei dieser Begriffsverwendung auch keinerlei Grund, den deutschen Angriff auf die Sowjetunion – es ging um „Lebensraum im Osten“ – nicht als „Migration“ zu bezeichnen. Solch eine Sprachverwirrung wird sich nicht durchsetzen.--[[Benutzer:GerhardSchuhmacher|Schuhmacher]] ([[Benutzer Diskussion:GerhardSchuhmacher|Diskussion]]) 15:44, 9. Jun. 2019 (CEST)


danke dass Du Dir bei Deiner ersten Bearbeitung meine Formulierungen einzeln korrigiert hattest. Bei der zweiten hast Du dann allerdings alles komplett zurückgesetzt ...
:Noch ein letztes Mal, damit es auch für meinen Vorredner verständlich ist, was es offenbar noch nicht zu sein scheint: Der hier verwendete Begriff der "Migration" wird in der aktuellen Geschichtsforschung sehr wohl für die Zeit der Völkerwanderung benutzt - der Begriff ist eben nicht problematisch, sondern zunächst ein wertneutraler Befund, der auf sehr unterschiedliche Sachverhalte zutreffend ist, so auch hier. Ich verweise jetzt mal nur auszugsweise auf den von Michael Borgolte herausgegebenen Sammelband ''Migrationen im Mittelalter. Ein Handbuch'' (2014), wo der einschlägige Artikel von [[Walter Pohl]] stammt, der den Begriff "Migration" wiederholt in seinen grundlegenden Arbeiten benutzt hat. Oder man lese einführend Michael Borgolte, ''Mythos Völkerwanderung. Migration oder Expansion bei den „Ursprüngen Europas“'', in: Viator 41 Multilingual (2010), S. 23–47.
:Sicher, es waren Kriegergruppen - aber eben mit Anhängen, die in den Einflussbereich Roms zogen. Die Hunnen sind ein ganz anderes, komplexes Thema, es gilt jede Gruppe einzeln zu betrachten. In erster Linie geht es um die "germanischen" ''gentes'' und die verhielten sich sehr unterschiedlich und anders als die Hunnen, die als Reitervolk kein Land, sondern vor allem Beute erobern und erpressen wollten. Alles das wird differenziert im Artikel wiederholt dargestellt, weshalb ich mich frage, ob mein Vorredner den Artikel auch vollständig gelesen und die Belege konsultiert hat. Es waren aber eben keine "wandernde Völker" (!), gerade der Begriff "Völkerwanderung" wird in der aktuellen Forschung sehr kritisch gesehen, weil er ein falsches Bild suggeriert, das dem wissenschaftlichen Befund anhand der schriftlichen und archäologischen Quellen nicht standhält.
:Es waren unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen, ethnisch meist sehr heterogen und auch immer wieder von Ab- und Zuzügen geprägt - eben keine geschlossenen "Völker". Es kommt nun auch darauf an, wie man die Ereignisse in den historischen Kontext setzt: Gab es Krieg, Zerstörungen, kurz Gewalt in diesem Prozess? Absolut ja - und noch einmal: das wird im Artikel sehr, sehr breit ausgeführt. Es gab aber auch den Prozess der kulturellen Angleichung germanischer ''gentes'' (wie bei den Ostgoten) - es ging meist nicht darum, etwas zu zerstören, die meisten Gruppen wollten am Reich partizipieren und taten dies sehr unterschiedlich: manche als Eroberer, andere als foederati; es gilt immer zu differenzieren. Insofern stellt die "Völkerwanderungszeit" einen Sonderfall in der historischen Migrationsforschung dar - wie etwa Borgolte herausgestellt hat, der gleichzeitig herausstellt, dass sich mit "Migration" der Geschichtswissenschaft ein neuer Zugang zur Völkerwanderung öffnet -, in der nach einer Migration die Herrschaftsübernahme durch die Bevölkerungsminorität erfolgte: teils sogar aufgrund von Verträgen mit den römischen Kaisern!
:All dies wird im Artikel mit mehr als ausreichend Belegen dargestellt. Daher: aktuelle Forschung rezipieren, statt mit falschen Argumenten zu hantieren. Und schon gar nicht die Ereignisse im 4.-6. Jh. mit dem Menschheitsverbrechen des NS-Regimes auch nur annähernd in Verbindung zu bringen - das ist völlig daneben und methodisch vollkommen falsch; bei der Invasion der Sowejtunion ging es nur um Eroberung und Rassenwahn, es sollten Bevölkerungsgruppen vernichtet, verdrängt und/oder versklavt werden. Das hat nix mit der "Völkerwanderungszeit" zu tun. Eine "reine" Invasion ist eben keine Migration - der Alexanderzug, die Mongoleneroberungen oder die Eroberung Amerikas war keine Migration, sondern es waren Invasionen. Bei den germanischen ''gentes'' zogen aber nicht reine Kriegergruppen in das römische Gebiet, sondern auch deren Angehörige. Es wurden auch oft Verträge mit Rom geschlossen, die Siedlungsmöglichkeiten garantierten. Mehr werde ich dazu nicht schreiben, denn alles was im Artikel steht, ist mit aktueller Fachliteratur belegt - und die schlägt jeden "Hilferuf". Schöne Festtage und ciao. --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 16:50, 9. Jun. 2019 (CEST) ps: der Begriff "Migration" wird zudem im Artikel sehr sparsam eingesetzt und im Haupttext (wo es um die Ereignisabfolge geht) überhaupt nicht. Also auch bitte keine künstliche Aufregung und den ganzen Artikel mit allen Belegen lesen....
ok, ich bin ja auch für Annäherung – und bin sehr emotionslos ... ich neige hier auch dazu, nicht wikipediafixiert zu diskutieren, sondern einen generellen Begriffsbildungsprozess zu prüfen und denke, der Begriff ist ‚ungenau‘, da zu umfassend angelegt; die Zerstörungs- und Plünderungszüge der Alamannen ..., 213 und 259 noch ohne Weib und Kind; ab 350 dann Migration; der Auszug der Helvetier mit Weib & Kind: fehlgeschlagen, also keine Migration. Es steht also der Um/Ansiedlungsprozess im Mittelpunkt – abhängig historisch meist von militärischen Entscheidungen; langfristige Wirkung: Verschmelzung von Okzident und Orient nach dem Alexanderzug, Alexandria, sehr viel Migration im Gefolge. Wahrscheinlich bildet sich da eine Differenzierung noch heraus, einen Erkenntnisgewinn halte ich nicht für ausgeschlossen, also ‚erledigt‘, keine Hilferuf mehr, auch gute Zeit--[[Benutzer:GerhardSchuhmacher|Schuhmacher]] ([[Benutzer Diskussion:GerhardSchuhmacher|Diskussion]]) 18:51, 9. Jun. 2019 (CEST)
:: Begriff ist definitv wissenschaftlich falsch: https://www.deutschlandfunk.de/roemisches-reich-und-mittelalter-voelkerwanderung-gab-es.1148.de.html?dram:article_id=487801 --[[Spezial:Beiträge/2001:A62:1955:101:691E:5B25:39B9:8221|2001:A62:1955:101:691E:5B25:39B9:8221]] {{unsigniert|2001:A62:1955:101:691E:5B25:39B9:8221|13:58, 24. Nov. 2020 (CET)|ALT=ohne (gültigen) Zeitstempel}}


Zunächst einmal zum Hauptthema. Der einleitende Satz
== wird als sogenannte bezeichnet ==
In der historischen Forschung wird als sogenannte Völkerwanderung im engeren Sinne die Migration vor allem germanischer Gruppen ... bezeichnet.


scheint den Aussagen in den folgenden Abschnitten zu widersprechen:
M.E. sollte das „sogenannte“ wieder gestrichen werden. Zum einen ist es semantisch eine Doppelung, weil „so genannt” fast das Gleiche ist wie „wird … bezeichnet“. Zum andern enthält es eine Stellungnahme gegen den Begriff der Völkerwanderung, und das halte ich für POV. Dass man heute andere Vorstellungen von der Art der wandernden ''Völker'' und der Art und Weise Ihrer ''Wanderung'' hat als früher, ist unbestritten – aber das ficht den Begriff der Völkerwanderung nicht an. Es handelt sich um einen gängigen, griffigen Traditionsbegriff, der nicht hindert, Neuerkenntnisse dahinter zu verorten. Tendenzen, ihn abzuschaffen, schließen sich an die leider modern gewordene Bilderstürmerei unserer Tage an. [[Benutzer:Thorin Eichenschild|Thorin Eichenschild]] ([[Benutzer Diskussion:Thorin Eichenschild|Diskussion]]) 10:08, 24. Nov. 2020 (CET)
Nach heute vorherrschender Einschätzung der meisten Historiker und Archäologen ist die Theorie von „wandernden Völkern“ allerdings wissenschaftlich nicht haltbar.
:: wie nun? Tradierter Begriff mit einer allseits bekannten Bedeutung soll "nach und nach mit Neuerkenntnissen verortet" werden - obwohl die Neuerkenntnisse diesen Begriff als "fehlgeleitet, taugt nicht" klarstellen? Also sage ich weiter "Autobahntunnel", obwohl es weder eine Autobahn noch ein Tunnel ist - sondern jetzt eine offene Rinne für Züge? Eine "gesellschaftliche Umdeutung" des Begriffs wie z.B. bei "Weib" kann ich nicht erkennen, da "die Leute" die neuen Erkenntnisse ja nicht im Alltag verwenden. s.a. https://www.deutschlandfunk.de/roemisches-reich-und-mittelalter-voelkerwanderung-gab-es.1148.de.html?dram:article_id=487801 {{unsigniert|2001:A62:1955:101:691E:5B25:39B9:8221|14:08, 24. Nov. 2020 (CET)}}

:::Genau jenen Artikel hatte ich im Hinterkopf, als ich von ‚Bilderstürmerei‘ schrieb, der es zu wehren gilt. Welchen wissenschaftlichen Wert hat der Artikel? Ein öffentlichrechtlicher Sender (zu deren polit. Ausgewogenheit [https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus219289186/Oeffentlich-Rechtliche-Ausgewogene-Berichterstattung-92-Prozent-der-ARD-Volontaere-waehlen-gruen-rot-rot.html?ticket=ST-A-190638-GQs3ayt62C76UnK5T2JU-sso-signin-server siehe hier]) zitiert genau einen Historiker, der den Begriff unpassend findet. Beweist das jetzt einen entsprechenden Konsens in der Wissenschaft? — Übrigens demontiert der Artikel seine eigene Argumenation, wenn er einerseits herausstellen will, dass es in der Spätantike nicht den einen Stichtag gab, bis zu dem das röm. Reich existierte, und dann brach es unter dem Ansturm der Barbaren zusammen, dass es also keinen klaren Bruch gab, sondern vielmehr eine allmähliche Entwicklung und Transformation, während der Artikel andererseits übersieht, dass genau das Gleiche auch für die Wissenschafts- und Erkenntnisgeschichte gilt: dass es auch dort keinen klaren Bruch und nicht den einen Stichtag gibt, bis zu dem man gedacht hat, einheitliche Ethnien seien geschlossen gewandert, während man seitdem weiß, dass es ganz anders war. Sondern es hat sich allmählich die Kenntnis dessen, was das für Völker waren und wie sie gewandert sind, entwickelt und geschärft. Man weiß halt jetzt, dass „Völker” mal mehr militärisch operierende Kriegergefolgschaften, mal Gesellschaften mit Kind und Kegel waren, die mal Leute zurückgelassen, mal neue Leute mitgenommen haben, und dass „Wandern“ mal Raubzug, mal allmähliche Verlagerung des Siedlungsgebiets heißten konnte. Die Bedeutung der Begriffe hat sich allmählich präzisiert und damit das Verständnis des Begriffs der Völkerwanderung. So weit, so unspektakulär. Jetzt wichtigtuerisch die Abschaffung griffiger, gängiger Bezeichnungen zu propagieren, hat wohl eher etwas mit dem Bedürfnis nach Profilierung im Wissenschaftsbetrieb zu tun. Oder mit dem Bedürfnis nach Dekonstruktion von Gewissheiten und Umbau des politischen Selbstverständnisses. Beides ist jedoch nicht Aufgabe einer Enzyklopädie. [[Benutzer:Thorin Eichenschild|Thorin Eichenschild]] ([[Benutzer Diskussion:Thorin Eichenschild|Diskussion]]) 21:58, 24. Nov. 2020 (CET)
Deine Aussage "es handelt sich um Migrationen, erst SPÄTER entstanden neue Herrschaftsgebieten" ist natürlich sehr interessant und es wäre schön, wenn Du dies im Artikel genauer erläuterst.

Die aktuell in der Einleitung des Artikels formulierte Mutmaßung, dass es "vielmehr Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung (annona) waren", welche die Machtverhältnisse in Europa so grundlegend veränderten, dass die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts diesem Prozess dann den theatralisch pompösen Begriff "Völkerwanderung" verpasste, scheint dem allerdings zu widersprechen.

Der Begriff "Völkerwanderung" wird im Artikel momentan ja ausführlich kritisiert und hinterfragt. Doch beschäftigt sich die Kritik überwiegend mit dem Begriffsbestandteil "Völker" und stellt klar, dass aufgrund der vielfältigen Durchmischung von so etwas wie definierbaren Völkern "keine Rede sein kann".

Ich würde mir wünschen, dass darüberhinaus auch hinterfragt würde, ob es sich bei den "Wanderungen" um "Umsiedelungen" ganzer Gruppen handelte oder eher nur um besagte "Kriegerverbände", die zwar die Herrschaftsschicht der von ihnen eroberten Gebiete ersetzte, sich aber ansonsten mit der vorhandenen Bevölkerung vermischte statt diese zu verdrängen (oder sich in unbewohnten Gebieten neu anzusiedeln?). Siehe hierzu auch die obige Frage von "Wikiseidank".

Für letztere Annahme würden folgende Ausführungen im Artikel sprechen:
Zahlenmäßig waren die zugewanderten germanischen Krieger den Römern weit unterlegen. Auch wenn meistens nur Schätzungen möglich sind, da die antiken und mittelalterlichen Autoren oft zu Übertreibungen neigten, waren wohl 20.000 bis 30.000 Krieger das Limit ...; hinzu kam oft noch ein Tross, der aus den Frauen und Kindern der Soldaten bestand. Oft waren die Verbände wesentlich kleiner.[31] Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen. Die germanischen Verbände bildeten vielmehr eine verschwindend geringe Minderheit gegenüber der römischen Provinzbevölkerung; sie füllten die Leerstelle, die das Verschwinden der weströmischen Armee hinterlassen hatte. Sie gingen in der Regel zu einer (wenigstens bedingten) Kooperationspolitik mit den zivilen Eliten über, da es ihr Ziel war, das überlegene spätrömische Staats- und Steuerwesen zu nutzen. Die wesentlichen Verwaltungsposten wurden deshalb auch unter germanischer Herrschaft von Römern bekleidet.

Wie große der "Tross" der Frauen und Kinder üblicherweise gewesen sein mag, wäre natürlich schon interessant. Irgendwo fand ich die Angabe, dass meist nur jeder vierte bis fünfte Erwachsene der betrachteten Gruppen an bewaffneten Auseinandersetzungen teilnahm.

Ich schätze, die entscheidende Frage ist letztlich diese: Flohen die germanischen "Stämme" als geschlossene Siedlungsgemeinschaften oder waren es eher nur mobile Kriegerverbände (die aufgrund von Konflikten unter den benachbarten Volksstämmen ohnehin bereits existierten), die vor den eindringenden Verbänden der Hunnen auswichen und dann lediglich die herrschende Schicht in den neu eroberten Gebieten ersetzten, wie es in der oben zitierten Passage dargestellt wird.
Oder noch kürzer: Reden wir hier von der "Besiedlung" fremder Gebiete oder lediglich von der Übernahme der Herrschaft durch die erwähnte "verschwindend geringe Minderheit gegenüber der Provinzbevölkerung"?

Nebenbei: Der in der oben zitierten Passage enthaltene Satz "Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen." scheint etwas mißverständlich. Möglicherweise war gemeint, dass sie nicht ursprünglich in der Absicht gekommen waren, ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, sondern vielmehr weil sie von den Hunnen verdrängt wurden? Vielleicht könntest Du das ein wenig präzisieren.

Wenn ich ansonsten hier jede große und kleine Unstimmigkeit im Artikel ansprechen wollte, die mir aufgefallen waren und die ich teilweise versucht hatte, auszubessern, so würden meine Ausführungen hier vielleicht die Länge des Artikels erreichen.
Es wäre darum vielleicht effizienter, wenn wir die vielen Kleinigkeiten einmal telefonisch durchgehen würden. Magst Du mich mal anrufen? -> tel. 0176 23247178

Als Appetithappen hier nur mal zwei Beispiele:

Seit 382 wurden immer öfter vertragliche Regelungen (''foedera'') zwischen der römischen Reichsregierung und Gruppen wie den [[Westgoten]] getroffen, die eine Ansiedlung dieser Krieger auf römischem Territorium zur Folge hatten. In den internen Konflikten, die Westrom seit 395 plagten, wurden solche Kampfverbände immer öfter eingesetzt.
Das gleiche Problem wie oben. "Gruppen wie den Westgoten" klingt ja eigentlich nach "Stammesverband" oder "Siedlungsgemeinschaft". Danach ist aber von "diesen Kriegern" und "solchen Kampfverbänden" die Rede, als wenn "Westgoten" lediglich die Bezeichnung einer Kriegergruppe wäre.
Solche (sprachlichen oder inhaltlichen?) Diskrepanzen hatte ich versucht, etwas zu glätten. Natürlich kannst Du das viel besser als ich. Nach deiner Rücksetzung sind diese verwirrenden Passagen nun aber im Text wieder vorhanden und es wäre toll, wenn Du Dir das einmal anschauen könntest.

"Mehr die wandernden Kriegergruppen im geographischen Raum im Blick hat etwa Halsall (2007)."
Darauf bezogst Du Dich wohl mit Deinem Kommentar "Aussagen bei Halsall war nun auch ungenauer". Aber das ist eigentlich kein grammatikalischer verständlicher Satz, oder?

beste Grüße, [[Benutzer:KaiKemmann| Kai Kemmann]] <small>([[Benutzer Diskussion:KaiKemmann|Diskussion]]) - [[Wikipedia:Unterschriftenliste_für_eine_liberale_Löschpraxis|Verbessern statt löschen]] -</small> 14:25, 20. Jul. 2023 (CEST)

:Moin, zunächst danke, dass du die Rücksetzung nicht "persönlich" nimmst - ist hier nicht immer so der Fall und so sollte man es auch nicht auffassen. Zur Sache: ich bin nicht nur der Hauptautor des Artikels, sondern betreue ihn auch (neben [[Spätantike]] und [[Frühmittelalter]]). In diesem Sinne habe ich nicht nur die hier verarbeitete Literatur gelesen und eingearbeitet (soweit das im Rahmen möglich ist), sondern pflege auch aktuelle Lit ein. Diese Erklärung soll nur dazu dienen, dass ich den Forschungsstand relativ gut kenne. Nun zu deinen Änderungen - sorry, wenn ich das hier etwas kürzer fasse.

:Folgender Punkt erscheint mir hier am problematischsten: du hast "Migrationen" weitgehend durch "Verlagerung" der Herrschaftsbereiche o.ä. ersetzt. Das ist so nicht korrekt. Zunächst ist der Begriff "Migration" in der Forschung völlig unproblematisch - ganz im Gegensatz zu "Völker", die "wanderten". Das wird im Artikel eigentlich ganz ordentlich abgedeckt. Der Kern des Problems sind eben "Völker" - das waren diese Gruppen (legt man den modernen Begriff zugrunde) eben nicht, sondern heterogen zusammengesetzte Gruppen, die sehr locker aufgebaut waren. Sie zogen auch nicht aus einem festen Bereich ab und siedelten sich woanders an. Die Zusammensetzung war fließend - das wird auch aus Aussagen in den Quellen klar, wonach sich immer wieder Gruppen bildeten und wieder auflösten (etwa bei [[Radagaisus]]).

:Kurz: nicht der Begriff "Migration" ist das Problem, sondern die noch heute oft vorhandene populäre Vorstellung, es habe sich um (feste) "Völker" gehandelt, die aus der "Urheimat" loszogen und sich woanders einfach neu ansiedelten. Es waren, wie du schon richtig erkannt hast, fluide Gruppen. Vieles bleibt aber auch unklar, weil die griechisch-römischen Quellen das ganze unter "Barbaren" subsumierten und oft Begriffe benutzten, die eine Einheitlichkeit suggerieren, die sehr fraglich ist. Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von [[Priskos]] eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.

:Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten. Die Beispiele ließen sich fortführen. Punkt ist: in allen Fällen der germanisch-romanischen Reichsbildungen waren es erst migrierende Verbände, die entweder kriegerisch Herrschaften errichteten (wie die Angeln und Sachsen), meistens aber in Vertragsform am Reichtum des Imperiums teilhaben wollten und erst in der Auflösungsphase ganz auf eigene Rechnung agierten (Terwingen/Westgoten, Franken, Burgunder), selbst die Vandalen, die mit Gewalt Africa eroberten, legten Wert auf den späteren foedus, der ihre Herrschaft offiziell anerkannte. Es geht also nicht immer nur um militärische Eroberung, sondern es war oft die Absicherung der Existenz im Rahmen römischer Strukturen wuchtig, die Auflösung des Westreichs (nicht unerheblich durch interne Konflikte, aber auch äußeren Druck wie den Hunnen geschuldet), wirkte dann als Beschleuniger, sich ganz zu lösen. Ist aber auch eine komplexe Forschungsfrage, ich vereinfache das hier etwas.

:Bei anderen Überlegungen hinsichtlich der Formulierungen hast du, wie du es hier ausführst, m. E. doch einen Punkt getroffen, ich verändere es gleich teilweise. Bei anderen Punkten bitte ich um Verständnis. Die Formulierungen hier von "Westgoten", dann "Kriegerverbänden" etc. sollte man auch nicht zu sehr mit der Lupe betrachten - es waren Verbände, die locker aufgebaut waren und neben Kriegern eben auch Anhang umfassten, das wird aber m. E. deutlich genug, wenn man den Artikel liest. Da werde ich also nicht aktiv. Danke und Grüße --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 15:11, 20. Jul. 2023 (CEST)

::Ich habe nun versucht, die Punkte in der Einleitung etwas deutlicher zu machen (Migration ja, aber keine festen Völker; Existenzabsicherung auf verschiedene Art, nicht aber primär das Ziel Eroberung; Herrschaftsübernahme statt Herrschaftsverlagerung). M. E. werden die anderen Punkte im Artikel ausreichend ausgeführt, bei Zeiten überlege ich es mir aber noch. Vorerst sollte es aber ausreichen, der Haupttext geht ja mehr in die Tiefe. ciao --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 15:52, 20. Jul. 2023 (CEST) ps: sorry für tippos, ich bin gerade unterwegs und nutze das IPad, ist nicht optimal....

:::Danke soweit.
:::Mit der Kritik am Begriff "Volk" und "Völker" stimme ich ja völlig überein. Darüber würde ich gar nicht diskutieren wollen.
:::Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen wollen, dass das Wort "Völker" im speziellen Zusammenhang mit Begriffen wie "Wanderung" oder "Migration" eben zusätzlich noch aus eine zweiten Grund problematisch ist: Indem es nämlich die "Migration" als einen wesentlich größeren und umfassenderen Vorgang erscheinen läßt, als es vielleicht der Fall war, nämlich als eine Art Wanderungsbewegung ganzer Sippen, während es sich eben auch lediglich um Züge von Kriegergruppen gehandelt haben könnte, die sich je nach Opportunität niederließen und später eventuell auch wieder weiterzogen.
:::Es würde ja wahrscheinlich niemanden überraschen, wenn etwa die Vandalen und Visigothen auf ihren viele tausend Kilometer langen Zügen, die sie offenbar über viele Jahre quer durch Europa führten, nicht von einem allzu großen "Troß" ihrer Familien bzw. Sippschaften begleitet wurden.

:::Hier noch mal einige Denkanstöße.
:::Zitat aus dem englischen Artikel [[:en:Migration period]] aka [[:en:Barbarian Invasions]]:
The migrants comprised war bands or tribes of 10,000 to 20,000 people.<ref name="Heather2003">{{cite book|author=Peter Heather|title=The Visigoths from the Migration Period to the Seventh Century: An Ethnographic Perspective|url=https://books.google.com/books?id=4MADmH2eaGIC&pg=PA54|year=2003|publisher=Boydell & Brewer Ltd|isbn=978-1-84383-033-7|page=54}}</ref> However, in the course of 100 years they numbered not more than 750,000 in total, compared to an average 40&nbsp;million population of the Roman Empire at that time. Although immigration was common throughout the time of the Roman Empire,<ref>Giovanni Milani-Santarpia, [http://www.mariamilani.com/ancient_rome/immigration_roman_empire.htm "Immigration Roman Empire"], MariaMilani.com</ref> the period in question was, in the 19th century, often defined as running from about the 5th to 8th centuries.<ref>John Hines, Karen Høilund Nielsen, Frank Siegmund, [https://books.google.com/books?id=mq1mAAAAMAAJ&q=%27400-800%27 ''The Pace of Change: Studies in Early-Medieval Chronology''], Oxbow Books, 1999, p. 93, {{ISBN|978-1-900188-78-4}}</ref>
:::750.000 "Migranten" in 100 Jahren, also durchschnittlich 7500 pro Jahr oder, im Verhältnis zu den genannten 40 Millionen insgesamt, entsprechend ein "Migrant" pro 5.000 "Sesshafter". Dies könnte auch darauf hinweisen, dass es sich eher um die Züge einer Art "Krieger-Kaste" handelte, als um umfangreichere Wanderungsbewegungen ganzer Gesellschaften mitsamt ihren Handwerkern, Händlern und Bauern.

:::Zitat aus "Hubert Fehr, Philipp von Rummel: [https://www.academia.edu/1124281/Die_V%C3%B6lkerwanderung ''Die Völkerwanderung''], S. 8-9, Theiss WissenKompakt:
Zweifellos gehört die Völkerwanderung zu den großen Mythen der europäischen Geschichte. Die Wurzeln dieses Mythos reichen zurück bis zur Renaissance. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert galt sie im europäischen Geschichtsbewusstsein als grundlegender Einschnitt - in den letzten Jahren mehren sich jedoch Stimmen, die das grundsätzlich in Frage stellen.
Von Anfang an besaß der Begriff "Völkerwanderung" eine Doppelbedeutung: Einerseits bezeichnete man damit ein bestimmtes historisches Ereignis, nämlich die Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen auf dem Boden des sich auflösenden römischen Imperiums, andererseits meinte man damit die Epoche, die das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters markiert. Lange Zeit empfand die Forschung diesen Doppelcharakter nicht als problematisch, denn man nahm an, dass zwischen beiden Bedeutungsebenen - Ereignis und Epoche - ein unmittelbarer Zusammenhang besteht: Die Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen und ihre Staatsgründungen auf dem Gebiet des westlichen Imperiums galten als wichtigste Ursache für das Ende des Römischen Reiches und damit den Zusammenbruch der antiken Zivilisation.
Wandernde Völker?
Aus heutiger Sicht sind beide Bedeutungsebenen fragwürdig geworden. Dass im betreffenden Zeitraum tatsächlich ganze "Völker" "wanderten", erscheint der aktuellen Forschung eher zweifelhaft. Bei manchen Gruppen, die in den Quellen genannt werden, handelte es sich wohl eher um Militärverbände, die zeitweilig der Kontrolle der römischen Zentralregierung entglitten waren, und nicht um ganze Volksgruppen, in denen Männer und Frauen, Alte, Erwachsene und Kinder gemeinsam auf der Suche nach einer neuen Heimat umherzogen.
Eine Hauptschwierigkeit bei der Erforschung der Völkerwanderungszeit ist, dass wir nur zu einem Teil der Wanderungsereignisse verlässliche zeitgenössische Schriftquellen besitzen. Auch die Archäologie hilft hier nur begrenzt weiter, da die archäologischen Funde weniger kurzfristige politische Ereignisse widerspiegeln als vielmehr langfristig wirksame wirtschaftliche Entwicklungen und kulturelle Orientierungen.
Mitunter entdeckt man selbst in Regionen, in denen historisch gut bezeugte Ansiedlungsvorgänge stattfanden, trotz angestrengter Suche keine Funde, die mit den Neuankömmlingen unmittelbar in Verbindung gebracht werden könnten. Dies gilt zum Beispiel für die gotischen Gruppen, die 418 im heutigen Südwestfrankreich angesiedelt wurden, oder die Burgunden, die bis 443 am Mittelrhein ansässig waren.
Nicht wenige vermeintlich gesicherte Völkerverschiebungen kennen wir nur aus wesentlich jüngeren mythischen Erzählungen, etwa die Wanderung der Goten vom heutigen Nordpolen an die nördliche Schwarzrneerküste oder die Übersiedlung der Angeln, Sachsen und Jüten von Norddeutschland und Dänemark nach Britannien. Inwieweit sich in diesen Mythen jeweils ein wahrer Kern verbirgt, ist in der Forschung gegenwärtig heiß umstritten.
:::Auch wenn der Begriff "Migration" nicht ganz falsch ist, so löst er doch Assoziationen aus, die in die Irre führen. Ich fände es darum hilfreich, eher Formulierungen zu verwenden, wie die im obigen Text verwendeten: "Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen" sowie "Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen".

::: Roland Steinacher: [https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/18825/bsa_041_03.pdf ''Wanderung der Barbaren? Zur Entstehung und Bedeutung des Epochenbegriffs ‚Völkerwanderung‘ bis ins 19. Jahrhundert''], S. 72-72
Jüngst hat Henning Börm in einer kurzen Geschichte Westroms von Honorius (regierte ǡǧǣ–ǢǠǡ) bis Justinian (ǣǠǥ–ǣǤǣ) den Zerfall der westlichen Reichshälfte mit jenem des Alexanderreichs in den Diadochenkriegen verglichen. Römische Bürgerkriege und nicht enden wollende Machtkämpfe unter Beteiligung reichsfremder Soldateska haben zur Zergliederung der westlichen Provinzen in Nachfolgereiche geführt, nicht die Wanderung von Völkern war der erste Grund, wie man es lange gesehen hat: Die ,Barbaren‘, die die weströmische Provinzbevölkerung drangsalierten, waren in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere, die sich auf der Suche nach Nahrung und Beute so rücksichtslos und brutal verhielten, wie es marodierende Soldaten zu allen Zeiten zu tun pflegen.
Die wandernden Gruppen – oder eben häufiger militärische Verbände – bewegten sich aufgrund der schnellen Dynamik im Römischen Reich, die Wanderungen waren die Folge, nicht die Ursache des Zerfalls des westlichen Imperiums in kleinere politische Einheiten.
::: Auch diese Passage legt nahe, dass "in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere" bzw. "militärische Verbände" eher als so etwas wie Migrationsbewegungen die kennzeichnenden Merkmale der Umwälzung der Machtverhältnisse in der "Völkerwanderungszeit" waren.

:::Und jetzt zitiere ich auch noch einmal Dich selber:
Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von Priskos eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.
:::Ich würde diese Feststellungen eher schon als selbstverständlich bezeichnen. Auch die Hunnen haben wohl nicht ein ganzes Volk und vielleicht auch nicht einmal ihre Familien mit durch die Steppen Mittelasiens transportiert, sondern kamen wohl eher in Form von Reiterverbänden, die aufgrund verschiedener Umstände in der Lage waren, die herrschenden Schichten der von ihnen eroberten Gebiete zu ersetzen bzw. zu dominieren und "entlang des Wegs" neue Kämpfer zu rekrutieren, mit deren Hilfe sie ihre Eroberungen fortsetzen konnten.

:::Und:
Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten.
:::Fragt sich, wie man sich dieses "Umherziehen der Terwingen" vorzustellen hat. Tendenziell würde ich auch hier eher von mobilen Kriegergruppen ausgehen, als von "fahrendem Volk". Das von Dir im Artikel verlinkte Konzept der [[Ethnogenese]] scheint doch auch die Möglichkeit offenzuhalten, dass sich die von den Römern verwendeten Bezeichnungen möglicherweise auf Kriegergruppen bezog, die dann (gegebenenfalls nur vorübergehend) sesshaft wurden und sich mit der lokalen Bevölkerung zu „politischen Einheiten“ und „Gemeinschaften gleichen Rechtes und sozialen Bewußtseins“ verbanden.

:::Und schließlich, wir wissen es schon, doch hier ist es noch einmal ganz nett formuliert:
Die ‚Völkerwanderung‘ bleibt auch aktuell das, was sie seit ihrem Aufstieg ins bürgerliche Bildungsgut im 19. Jahrhundert stets gewesen ist: Ein Assoziationsamalgam, eine Projektionsfläche, offen für Interpretationen, Identifikationen und Instrumentalisierungen. Es lohnt, von Zeit zu Zeit daran zu erinnern.
Mischa Meier: ''Die „Völkerwanderung“ kennt keine Völker'', 22. April 2020
:::beste Grüße, [[Benutzer:KaiKemmann| Kai Kemmann]] <small>([[Benutzer Diskussion:KaiKemmann|Diskussion]]) - [[Wikipedia:Unterschriftenliste_für_eine_liberale_Löschpraxis|Verbessern statt löschen]] -</small> 01:31, 21. Jul. 2023 (CEST)

::::Moin, ich belasse es wie gesagt erst einmal dabei, behalte es aber im Hinterkopf. Nur kurz zum Abschluss. wir wissen nicht, wie genau die Proportionen von Kriegern / Tross waren. Falsch wäre es aber, hier reine Kriegerverbände ohne Anhang anzunehmen: das wird in den Quellen bei Goten, Franken und ja, auch den Vandalen deutlich. Es waren schon Familien, die mitzogen. Wie viele genau, ob immer oder andere Gruppen hinzu kamen, wissen wir schlicht nicht genau. Die Forschungslit ist da auch nicht immer so sattelfest, wie es man sich wünscht. Dass dort primär die militärische Elite betrachtet wird, liegt vor allem an der Quellenlage. Der Begriff "Migration" ist außerdem in der Forschung durchaus gängig. Wie gesagt, ich schaue mal. ciao --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 01:46, 21. Jul. 2023 (CEST)

== Ausmaß der angelsächsischen Wanderung ==

Seid gegrüßt allerseits,

In Anbetracht neuerer Erkenntnisse<ref>{{Literatur |Autor=Gretzinger et al. |Titel=The Anglo-Saxon migration and the formation of the early English gene pool |Sammelwerk=Nature |Datum=2022-09-21 |ISSN=1476-4687 |DOI=10.1038/s41586-022-05247-2 |Seiten=1–8 |Online=https://www.nature.com/articles/s41586-022-05247-2 |Abruf=2023-12-08}}</ref> rate ich stark dazu, im Abschnitt über die Angelsachsen in Britannien die Aussage „zumal die Germanen kaum in größerer Zahl nach Britannien übersetzten“ dem aktuellen Stand der Wissenschaft gemäß abzuändern.

Ich bedanke mich im Voraus für die Rücksichtnahme.

Viele Grüße, --[[Benutzer:Lephilologueserbe|Lephilologueserbe]] ([[Benutzer Diskussion:Lephilologueserbe|Diskussion]]) 18:02, 8. Dez. 2023 (CET)

:Moin, ich schaue es mir in den nächsten Wochen mal an (bin derzeit in der WP woanders gebunden), aber generell sollte man punktuelle Studienergebnisse nicht allzu sehr generalisieren - im Artikel wird ja auf das notwendige, fächerübergreifende Zusammenspiel hingewiesen. Forschungsstand spiegelt sich im relevanten wissen. Diskurs ab, also abwarten, wie dies rezipiert wird. ciao --[[Benutzer:Benowar|Benowar]] ([[Benutzer Diskussion:Benowar|Diskussion]]) 19:14, 8. Dez. 2023 (CET)

Aktuelle Version vom 9. Dezember 2023, 02:17 Uhr

Diese Diskussionsseite dient dazu, Verbesserungen am Artikel „Völkerwanderung“ zu besprechen. Persönliche Betrachtungen zum Thema gehören nicht hierher. Für allgemeine Wissensfragen gibt es die Auskunft.

Füge neue Diskussionsthemen unten an:

Klicke auf , um ein neues Diskussionsthema zu beginnen.
Archiv
Archiv ab 2004
Wie wird ein Archiv angelegt?

Wer oder was wanderte?

Das ist keine Hausaufgabe, ich versuche nur meine Fragen zu klären, schaffe es aber anhand des Artikeltextes nicht:

Wer oder was wanderte? (Nur die Krieger? Nur ein Teil der Krieger? Männer und Frauen und Kinder? Hab und Gut?)

Das würde auch beleuchten, warum gewandert wurde und welche Erwartungshaltung die Migranten mitbrachten. Z.B. im Unterschied zu den Wikinger-Raubzügen. Wer sein Hab und Gut mitnimmt, so es transportabel ist, musste seine alte Heimat endgültig verlassen, ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Wer nur Frauen und Kinder mitnimmt, hatte für die Mitnahme von Hab und Gut entweder keine Zeit oder keine Möglichkeit (z.B. Zugtiere).

Das ist eine wichtige Frage, zumal der Begriff "Migration" bereits in der Einleitung steht. Auch in der Feuerzangenbowle scheint es, als wenn die gesamten Völker wanderten und das Stammgebiet leer war oder von anderen besetzt wurde. Aber dem ist nicht so‽ (nicht signierter Beitrag von Wikiseidank (Diskussion | Beiträge) 21:44, 8. Apr. 2023 (CEST))Beantworten

Rücksetzung durch Benutzer:Benowar

Liebe/r Benowar,

danke dass Du Dir bei Deiner ersten Bearbeitung meine Formulierungen einzeln korrigiert hattest. Bei der zweiten hast Du dann allerdings alles komplett zurückgesetzt ...

Zunächst einmal zum Hauptthema. Der einleitende Satz

In der historischen Forschung wird als sogenannte Völkerwanderung im engeren Sinne die Migration vor allem germanischer Gruppen ... bezeichnet.

scheint den Aussagen in den folgenden Abschnitten zu widersprechen:

Nach heute vorherrschender Einschätzung der meisten Historiker und Archäologen ist die Theorie von „wandernden Völkern“ allerdings wissenschaftlich nicht haltbar.

Deine Aussage "es handelt sich um Migrationen, erst SPÄTER entstanden neue Herrschaftsgebieten" ist natürlich sehr interessant und es wäre schön, wenn Du dies im Artikel genauer erläuterst.

Die aktuell in der Einleitung des Artikels formulierte Mutmaßung, dass es "vielmehr Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung (annona) waren", welche die Machtverhältnisse in Europa so grundlegend veränderten, dass die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts diesem Prozess dann den theatralisch pompösen Begriff "Völkerwanderung" verpasste, scheint dem allerdings zu widersprechen.

Der Begriff "Völkerwanderung" wird im Artikel momentan ja ausführlich kritisiert und hinterfragt. Doch beschäftigt sich die Kritik überwiegend mit dem Begriffsbestandteil "Völker" und stellt klar, dass aufgrund der vielfältigen Durchmischung von so etwas wie definierbaren Völkern "keine Rede sein kann".

Ich würde mir wünschen, dass darüberhinaus auch hinterfragt würde, ob es sich bei den "Wanderungen" um "Umsiedelungen" ganzer Gruppen handelte oder eher nur um besagte "Kriegerverbände", die zwar die Herrschaftsschicht der von ihnen eroberten Gebiete ersetzte, sich aber ansonsten mit der vorhandenen Bevölkerung vermischte statt diese zu verdrängen (oder sich in unbewohnten Gebieten neu anzusiedeln?). Siehe hierzu auch die obige Frage von "Wikiseidank".

Für letztere Annahme würden folgende Ausführungen im Artikel sprechen:

Zahlenmäßig waren die zugewanderten germanischen Krieger den Römern weit unterlegen. Auch wenn meistens nur Schätzungen möglich sind, da die antiken und mittelalterlichen Autoren oft zu Übertreibungen neigten, waren wohl 20.000 bis 30.000 Krieger das Limit ...; hinzu kam oft noch ein Tross, der aus den Frauen und Kindern der Soldaten bestand. Oft waren die Verbände wesentlich kleiner.[31] Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen. Die germanischen Verbände bildeten vielmehr eine verschwindend geringe Minderheit gegenüber der römischen Provinzbevölkerung; sie füllten die Leerstelle, die das Verschwinden der weströmischen Armee hinterlassen hatte. Sie gingen in der Regel zu einer (wenigstens bedingten) Kooperationspolitik mit den zivilen Eliten über, da es ihr Ziel war, das überlegene spätrömische Staats- und Steuerwesen zu nutzen. Die wesentlichen Verwaltungsposten wurden deshalb auch unter germanischer Herrschaft von Römern bekleidet. 

Wie große der "Tross" der Frauen und Kinder üblicherweise gewesen sein mag, wäre natürlich schon interessant. Irgendwo fand ich die Angabe, dass meist nur jeder vierte bis fünfte Erwachsene der betrachteten Gruppen an bewaffneten Auseinandersetzungen teilnahm.

Ich schätze, die entscheidende Frage ist letztlich diese: Flohen die germanischen "Stämme" als geschlossene Siedlungsgemeinschaften oder waren es eher nur mobile Kriegerverbände (die aufgrund von Konflikten unter den benachbarten Volksstämmen ohnehin bereits existierten), die vor den eindringenden Verbänden der Hunnen auswichen und dann lediglich die herrschende Schicht in den neu eroberten Gebieten ersetzten, wie es in der oben zitierten Passage dargestellt wird. Oder noch kürzer: Reden wir hier von der "Besiedlung" fremder Gebiete oder lediglich von der Übernahme der Herrschaft durch die erwähnte "verschwindend geringe Minderheit gegenüber der Provinzbevölkerung"?

Nebenbei: Der in der oben zitierten Passage enthaltene Satz "Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Kriegergruppen seien als Eroberer in das Römische Reich eingedrungen." scheint etwas mißverständlich. Möglicherweise war gemeint, dass sie nicht ursprünglich in der Absicht gekommen waren, ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, sondern vielmehr weil sie von den Hunnen verdrängt wurden? Vielleicht könntest Du das ein wenig präzisieren.

Wenn ich ansonsten hier jede große und kleine Unstimmigkeit im Artikel ansprechen wollte, die mir aufgefallen waren und die ich teilweise versucht hatte, auszubessern, so würden meine Ausführungen hier vielleicht die Länge des Artikels erreichen. Es wäre darum vielleicht effizienter, wenn wir die vielen Kleinigkeiten einmal telefonisch durchgehen würden. Magst Du mich mal anrufen? -> tel. 0176 23247178

Als Appetithappen hier nur mal zwei Beispiele:

Seit 382 wurden immer öfter vertragliche Regelungen (foedera) zwischen der römischen Reichsregierung und Gruppen wie den Westgoten getroffen, die eine Ansiedlung dieser Krieger auf römischem Territorium zur Folge hatten. In den internen Konflikten, die Westrom seit 395 plagten, wurden solche Kampfverbände immer öfter eingesetzt.  

Das gleiche Problem wie oben. "Gruppen wie den Westgoten" klingt ja eigentlich nach "Stammesverband" oder "Siedlungsgemeinschaft". Danach ist aber von "diesen Kriegern" und "solchen Kampfverbänden" die Rede, als wenn "Westgoten" lediglich die Bezeichnung einer Kriegergruppe wäre. Solche (sprachlichen oder inhaltlichen?) Diskrepanzen hatte ich versucht, etwas zu glätten. Natürlich kannst Du das viel besser als ich. Nach deiner Rücksetzung sind diese verwirrenden Passagen nun aber im Text wieder vorhanden und es wäre toll, wenn Du Dir das einmal anschauen könntest.

"Mehr die wandernden Kriegergruppen im geographischen Raum im Blick hat etwa Halsall (2007)." 

Darauf bezogst Du Dich wohl mit Deinem Kommentar "Aussagen bei Halsall war nun auch ungenauer". Aber das ist eigentlich kein grammatikalischer verständlicher Satz, oder?

beste Grüße, Kai Kemmann (Diskussion) - Verbessern statt löschen - 14:25, 20. Jul. 2023 (CEST)Beantworten

Moin, zunächst danke, dass du die Rücksetzung nicht "persönlich" nimmst - ist hier nicht immer so der Fall und so sollte man es auch nicht auffassen. Zur Sache: ich bin nicht nur der Hauptautor des Artikels, sondern betreue ihn auch (neben Spätantike und Frühmittelalter). In diesem Sinne habe ich nicht nur die hier verarbeitete Literatur gelesen und eingearbeitet (soweit das im Rahmen möglich ist), sondern pflege auch aktuelle Lit ein. Diese Erklärung soll nur dazu dienen, dass ich den Forschungsstand relativ gut kenne. Nun zu deinen Änderungen - sorry, wenn ich das hier etwas kürzer fasse.
Folgender Punkt erscheint mir hier am problematischsten: du hast "Migrationen" weitgehend durch "Verlagerung" der Herrschaftsbereiche o.ä. ersetzt. Das ist so nicht korrekt. Zunächst ist der Begriff "Migration" in der Forschung völlig unproblematisch - ganz im Gegensatz zu "Völker", die "wanderten". Das wird im Artikel eigentlich ganz ordentlich abgedeckt. Der Kern des Problems sind eben "Völker" - das waren diese Gruppen (legt man den modernen Begriff zugrunde) eben nicht, sondern heterogen zusammengesetzte Gruppen, die sehr locker aufgebaut waren. Sie zogen auch nicht aus einem festen Bereich ab und siedelten sich woanders an. Die Zusammensetzung war fließend - das wird auch aus Aussagen in den Quellen klar, wonach sich immer wieder Gruppen bildeten und wieder auflösten (etwa bei Radagaisus).
Kurz: nicht der Begriff "Migration" ist das Problem, sondern die noch heute oft vorhandene populäre Vorstellung, es habe sich um (feste) "Völker" gehandelt, die aus der "Urheimat" loszogen und sich woanders einfach neu ansiedelten. Es waren, wie du schon richtig erkannt hast, fluide Gruppen. Vieles bleibt aber auch unklar, weil die griechisch-römischen Quellen das ganze unter "Barbaren" subsumierten und oft Begriffe benutzten, die eine Einheitlichkeit suggerieren, die sehr fraglich ist. Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von Priskos eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.
Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten. Die Beispiele ließen sich fortführen. Punkt ist: in allen Fällen der germanisch-romanischen Reichsbildungen waren es erst migrierende Verbände, die entweder kriegerisch Herrschaften errichteten (wie die Angeln und Sachsen), meistens aber in Vertragsform am Reichtum des Imperiums teilhaben wollten und erst in der Auflösungsphase ganz auf eigene Rechnung agierten (Terwingen/Westgoten, Franken, Burgunder), selbst die Vandalen, die mit Gewalt Africa eroberten, legten Wert auf den späteren foedus, der ihre Herrschaft offiziell anerkannte. Es geht also nicht immer nur um militärische Eroberung, sondern es war oft die Absicherung der Existenz im Rahmen römischer Strukturen wuchtig, die Auflösung des Westreichs (nicht unerheblich durch interne Konflikte, aber auch äußeren Druck wie den Hunnen geschuldet), wirkte dann als Beschleuniger, sich ganz zu lösen. Ist aber auch eine komplexe Forschungsfrage, ich vereinfache das hier etwas.
Bei anderen Überlegungen hinsichtlich der Formulierungen hast du, wie du es hier ausführst, m. E. doch einen Punkt getroffen, ich verändere es gleich teilweise. Bei anderen Punkten bitte ich um Verständnis. Die Formulierungen hier von "Westgoten", dann "Kriegerverbänden" etc. sollte man auch nicht zu sehr mit der Lupe betrachten - es waren Verbände, die locker aufgebaut waren und neben Kriegern eben auch Anhang umfassten, das wird aber m. E. deutlich genug, wenn man den Artikel liest. Da werde ich also nicht aktiv. Danke und Grüße --Benowar (Diskussion) 15:11, 20. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Ich habe nun versucht, die Punkte in der Einleitung etwas deutlicher zu machen (Migration ja, aber keine festen Völker; Existenzabsicherung auf verschiedene Art, nicht aber primär das Ziel Eroberung; Herrschaftsübernahme statt Herrschaftsverlagerung). M. E. werden die anderen Punkte im Artikel ausreichend ausgeführt, bei Zeiten überlege ich es mir aber noch. Vorerst sollte es aber ausreichen, der Haupttext geht ja mehr in die Tiefe. ciao --Benowar (Diskussion) 15:52, 20. Jul. 2023 (CEST) ps: sorry für tippos, ich bin gerade unterwegs und nutze das IPad, ist nicht optimal....Beantworten
Danke soweit.
Mit der Kritik am Begriff "Volk" und "Völker" stimme ich ja völlig überein. Darüber würde ich gar nicht diskutieren wollen.
Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen wollen, dass das Wort "Völker" im speziellen Zusammenhang mit Begriffen wie "Wanderung" oder "Migration" eben zusätzlich noch aus eine zweiten Grund problematisch ist: Indem es nämlich die "Migration" als einen wesentlich größeren und umfassenderen Vorgang erscheinen läßt, als es vielleicht der Fall war, nämlich als eine Art Wanderungsbewegung ganzer Sippen, während es sich eben auch lediglich um Züge von Kriegergruppen gehandelt haben könnte, die sich je nach Opportunität niederließen und später eventuell auch wieder weiterzogen.
Es würde ja wahrscheinlich niemanden überraschen, wenn etwa die Vandalen und Visigothen auf ihren viele tausend Kilometer langen Zügen, die sie offenbar über viele Jahre quer durch Europa führten, nicht von einem allzu großen "Troß" ihrer Familien bzw. Sippschaften begleitet wurden.
Hier noch mal einige Denkanstöße.
Zitat aus dem englischen Artikel en:Migration period aka en:Barbarian Invasions:
The migrants comprised war bands or tribes of 10,000 to 20,000 people.[1] However, in the course of 100 years they numbered not more than 750,000 in total, compared to an average 40 million population of the Roman Empire at that time. Although immigration was common throughout the time of the Roman Empire,[2] the period in question was, in the 19th century, often defined as running from about the 5th to 8th centuries.[3]
750.000 "Migranten" in 100 Jahren, also durchschnittlich 7500 pro Jahr oder, im Verhältnis zu den genannten 40 Millionen insgesamt, entsprechend ein "Migrant" pro 5.000 "Sesshafter". Dies könnte auch darauf hinweisen, dass es sich eher um die Züge einer Art "Krieger-Kaste" handelte, als um umfangreichere Wanderungsbewegungen ganzer Gesellschaften mitsamt ihren Handwerkern, Händlern und Bauern.
Zitat aus "Hubert Fehr, Philipp von Rummel: Die Völkerwanderung, S. 8-9, Theiss WissenKompakt:
Zweifellos gehört die Völkerwanderung zu den großen Mythen der europäischen Geschichte. Die Wurzeln dieses Mythos reichen zurück bis zur Renaissance. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert galt sie im europäischen Geschichtsbewusstsein als grundlegender Einschnitt - in den letzten Jahren mehren sich jedoch Stimmen, die das grundsätzlich in Frage stellen.
Von Anfang an besaß der Begriff "Völkerwanderung" eine Doppelbedeutung: Einerseits bezeichnete man damit ein bestimmtes historisches Ereignis, nämlich die Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen auf dem Boden des sich auflösenden römischen Imperiums, andererseits meinte man damit die Epoche, die das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters markiert. Lange Zeit empfand die Forschung diesen Doppelcharakter nicht als problematisch, denn man nahm an, dass zwischen beiden Bedeutungsebenen - Ereignis und Epoche - ein unmittelbarer Zusammenhang besteht: Die Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen und ihre Staatsgründungen auf dem Gebiet des westlichen Imperiums galten als wichtigste Ursache für das Ende des Römischen Reiches und damit den Zusammenbruch der antiken Zivilisation. 
Wandernde Völker?
Aus heutiger Sicht sind beide Bedeutungsebenen fragwürdig geworden. Dass im betreffenden Zeitraum tatsächlich ganze "Völker" "wanderten", erscheint der aktuellen Forschung eher zweifelhaft. Bei manchen Gruppen, die in den Quellen genannt werden, handelte es sich wohl eher um Militärverbände, die zeitweilig der Kontrolle der römischen Zentralregierung entglitten waren, und nicht um ganze Volksgruppen, in denen Männer und Frauen, Alte, Erwachsene und Kinder gemeinsam auf der Suche nach einer neuen Heimat umherzogen.
Eine Hauptschwierigkeit bei der Erforschung der Völkerwanderungszeit ist, dass wir nur zu einem Teil der Wanderungsereignisse verlässliche zeitgenössische Schriftquellen besitzen. Auch die Archäologie hilft hier nur begrenzt weiter, da die archäologischen Funde weniger kurzfristige politische Ereignisse widerspiegeln als vielmehr langfristig wirksame wirtschaftliche Entwicklungen und kulturelle Orientierungen.
Mitunter entdeckt man selbst in Regionen, in denen historisch gut bezeugte Ansiedlungsvorgänge stattfanden, trotz angestrengter Suche keine Funde, die mit den Neuankömmlingen unmittelbar in Verbindung gebracht werden könnten. Dies gilt zum Beispiel für die gotischen Gruppen, die 418 im heutigen Südwestfrankreich angesiedelt wurden, oder die Burgunden, die bis 443 am Mittelrhein ansässig waren.
Nicht wenige vermeintlich gesicherte Völkerverschiebungen kennen wir nur aus wesentlich jüngeren mythischen Erzählungen, etwa die Wanderung der Goten vom heutigen Nordpolen an die nördliche Schwarzrneerküste oder die Übersiedlung der Angeln, Sachsen und Jüten von Norddeutschland und Dänemark nach Britannien. Inwieweit sich in diesen Mythen jeweils ein wahrer Kern verbirgt, ist in der Forschung gegenwärtig heiß umstritten. 
Auch wenn der Begriff "Migration" nicht ganz falsch ist, so löst er doch Assoziationen aus, die in die Irre führen. Ich fände es darum hilfreich, eher Formulierungen zu verwenden, wie die im obigen Text verwendeten: "Niederlassung auswärtiger Kriegergruppen" sowie "Ansiedlung der Kriegerverbände von jenseits der Reichsgrenzen".
Roland Steinacher: Wanderung der Barbaren? Zur Entstehung und Bedeutung des Epochenbegriffs ‚Völkerwanderung‘ bis ins 19. Jahrhundert, S. 72-72
Jüngst hat Henning Börm in einer kurzen Geschichte Westroms von Honorius (regierte ǡǧǣ–ǢǠǡ) bis Justinian (ǣǠǥ–ǣǤǣ) den Zerfall der westlichen Reichshälfte mit jenem des Alexanderreichs in den Diadochenkriegen verglichen. Römische Bürgerkriege und nicht enden wollende Machtkämpfe unter Beteiligung reichsfremder Soldateska haben zur Zergliederung der westlichen Provinzen in Nachfolgereiche geführt, nicht die Wanderung von Völkern war der erste Grund, wie man es lange gesehen hat: Die ,Barbaren‘, die die weströmische Provinzbevölkerung drangsalierten, waren in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere, die sich auf der Suche nach Nahrung und Beute so rücksichtslos und brutal verhielten, wie es marodierende Soldaten zu allen Zeiten zu tun pflegen.
Die wandernden Gruppen – oder eben häufiger militärische Verbände – bewegten sich aufgrund der schnellen Dynamik im Römischen Reich, die Wanderungen waren die Folge, nicht die Ursache des Zerfalls des westlichen Imperiums in kleinere politische Einheiten.
Auch diese Passage legt nahe, dass "in vielen – nicht allen – Fällen marschierende Heere" bzw. "militärische Verbände" eher als so etwas wie Migrationsbewegungen die kennzeichnenden Merkmale der Umwälzung der Machtverhältnisse in der "Völkerwanderungszeit" waren.
Und jetzt zitiere ich auch noch einmal Dich selber:
Nur als Beispiel: selbst bei den Hunnen lebten in Attilas Herrschaftsraum Gruppen, die sich gut arrangiert haben. Dazu gehören ehemalige Bürger des Imperiums, aber auch Goten, so dass Gotisch am Hunnenhof recht gebräuchlich war und manche Personen mal als Gote, dann als Skiren usw. bezeichnet wird. Dazu ist Fragment 8 von Priskos eine wichtige Quelle, der das "inside" erlebte und beschrieb.
Ich würde diese Feststellungen eher schon als selbstverständlich bezeichnen. Auch die Hunnen haben wohl nicht ein ganzes Volk und vielleicht auch nicht einmal ihre Familien mit durch die Steppen Mittelasiens transportiert, sondern kamen wohl eher in Form von Reiterverbänden, die aufgrund verschiedener Umstände in der Lage waren, die herrschenden Schichten der von ihnen eroberten Gebiete zu ersetzen bzw. zu dominieren und "entlang des Wegs" neue Kämpfer zu rekrutieren, mit deren Hilfe sie ihre Eroberungen fortsetzen konnten.
Und:
Mehrere dieser Gruppen hatten zuvor auch keine festen Herrschaftsräume und verlagerten diese auch nicht einfach in den Bereich des auflösenden Westreichs. Die Terwingen etwa waren lange umherziehend, erste der Vertrag von 416/18 sicherte ihnen einen Platz im Imperium, den sie nach 466 für sich als Ausgangsbasis zur Reichsbildung nutzten. 
Fragt sich, wie man sich dieses "Umherziehen der Terwingen" vorzustellen hat. Tendenziell würde ich auch hier eher von mobilen Kriegergruppen ausgehen, als von "fahrendem Volk". Das von Dir im Artikel verlinkte Konzept der Ethnogenese scheint doch auch die Möglichkeit offenzuhalten, dass sich die von den Römern verwendeten Bezeichnungen möglicherweise auf Kriegergruppen bezog, die dann (gegebenenfalls nur vorübergehend) sesshaft wurden und sich mit der lokalen Bevölkerung zu „politischen Einheiten“ und „Gemeinschaften gleichen Rechtes und sozialen Bewußtseins“ verbanden.
Und schließlich, wir wissen es schon, doch hier ist es noch einmal ganz nett formuliert:
Die ‚Völkerwanderung‘ bleibt auch aktuell das, was sie seit ihrem Aufstieg ins bürgerliche Bildungsgut im 19. Jahrhundert stets gewesen ist: Ein Assoziationsamalgam, eine Projektionsfläche, offen für Interpretationen, Identifikationen und Instrumentalisierungen. Es lohnt, von Zeit zu Zeit daran zu erinnern.
Mischa Meier: Die „Völkerwanderung“ kennt keine Völker, 22. April 2020 
beste Grüße, Kai Kemmann (Diskussion) - Verbessern statt löschen - 01:31, 21. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Moin, ich belasse es wie gesagt erst einmal dabei, behalte es aber im Hinterkopf. Nur kurz zum Abschluss. wir wissen nicht, wie genau die Proportionen von Kriegern / Tross waren. Falsch wäre es aber, hier reine Kriegerverbände ohne Anhang anzunehmen: das wird in den Quellen bei Goten, Franken und ja, auch den Vandalen deutlich. Es waren schon Familien, die mitzogen. Wie viele genau, ob immer oder andere Gruppen hinzu kamen, wissen wir schlicht nicht genau. Die Forschungslit ist da auch nicht immer so sattelfest, wie es man sich wünscht. Dass dort primär die militärische Elite betrachtet wird, liegt vor allem an der Quellenlage. Der Begriff "Migration" ist außerdem in der Forschung durchaus gängig. Wie gesagt, ich schaue mal. ciao --Benowar (Diskussion) 01:46, 21. Jul. 2023 (CEST)Beantworten

Ausmaß der angelsächsischen Wanderung

Seid gegrüßt allerseits,

In Anbetracht neuerer Erkenntnisse[4] rate ich stark dazu, im Abschnitt über die Angelsachsen in Britannien die Aussage „zumal die Germanen kaum in größerer Zahl nach Britannien übersetzten“ dem aktuellen Stand der Wissenschaft gemäß abzuändern.

Ich bedanke mich im Voraus für die Rücksichtnahme.

Viele Grüße, --Lephilologueserbe (Diskussion) 18:02, 8. Dez. 2023 (CET)Beantworten

Moin, ich schaue es mir in den nächsten Wochen mal an (bin derzeit in der WP woanders gebunden), aber generell sollte man punktuelle Studienergebnisse nicht allzu sehr generalisieren - im Artikel wird ja auf das notwendige, fächerübergreifende Zusammenspiel hingewiesen. Forschungsstand spiegelt sich im relevanten wissen. Diskurs ab, also abwarten, wie dies rezipiert wird. ciao --Benowar (Diskussion) 19:14, 8. Dez. 2023 (CET)Beantworten
  1. Peter Heather: The Visigoths from the Migration Period to the Seventh Century: An Ethnographic Perspective. Boydell & Brewer Ltd, 2003, ISBN 978-1-84383-033-7, S. 54 (google.com).
  2. Giovanni Milani-Santarpia, "Immigration Roman Empire", MariaMilani.com
  3. John Hines, Karen Høilund Nielsen, Frank Siegmund, The Pace of Change: Studies in Early-Medieval Chronology, Oxbow Books, 1999, p. 93, Vorlage:ISBN
  4. Gretzinger et al.: The Anglo-Saxon migration and the formation of the early English gene pool. In: Nature. 21. September 2022, ISSN 1476-4687, S. 1–8, doi:10.1038/s41586-022-05247-2 (nature.com [abgerufen am 8. Dezember 2023]).