„Anetta Kahane“ – Versionsunterschied

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'''Anetta Kahane''' (* [[1954]] in [[Ost-Berlin]]) ist eine deutsche [[Journalist]]in, [[Menschenrechtsaktivist]]in sowie Gründerin und Vorsitzende der [[Amadeu Antonio Stiftung]]. Sie war eine [[Inoffizieller Mitarbeiter|Inoffizielle Mitarbeiterin]] des [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]] der [[DDR]].
'''Anetta Kahane''' (* [[1954]] in [[Ost-Berlin]]) ist eine deutsche [[Journalist]]in, [[Menschenrechtsaktivist]]in sowie Gründerin und Vorsitzende der [[Amadeu Antonio Stiftung]].


== Leben ==
== Leben ==

Version vom 25. Juli 2016, 19:44 Uhr

Anetta Kahane, Podiumsdiskussion am 9. Juni 2014 im Rahmen des Kulturfestes „Birlikte – 10 Jahre nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße“

Anetta Kahane (* 1954 in Ost-Berlin) ist eine deutsche Journalistin, Menschenrechtsaktivistin sowie Gründerin und Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.

Leben

Anetta Kahane ist die Tochter des Journalisten Max Kahane und der Künstlerin Doris Kahane. Ihre Eltern hatten jüdische Wurzeln, doch die Religion spielte in der Familie keine Rolle. Ihr Vater war bekennender Kommunist, der vor dem nationalsozialistischen Regime aus Deutschland fliehen mussten. Er kämpfte in den Internationalen Brigaden, beide Eltern waren in der Résistance. Sie ist die Schwester des Filmregisseurs Peter Kahane. Anetta Kahane wuchs in Berlin-Pankow auf, verbrachte einen Teil ihrer Kindheit auch in Indien und Brasilien. Über ihr Verhältnis zum Judentum sagte sie in einem Interview mit Sabine am Orde von der taz 2004: „Der zentrale Gedanke des Judentums ist, Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen – ohne zu missionieren. Meine Schwierigkeit war und ist es, einen Ort im Täterland zu finden. […] Gerechtigkeit ist das oberste Gebot im Judentum. Sobald ich aktiv werden konnte – mit der Wende –, habe ich das gemacht. Und ich werde es weiter tun.“[1]

Kahane studierte Lateinamerikanistik an der Universität Rostock. Sie arbeitete nach dem Diplomabschluss als Portugiesisch-Lehrerin an der Humboldt-Universität, dann als freie Literaturübersetzerin.[2]

Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der Stasi

Nach ihrem Abitur 1973 wurde sie von der Stasi angesprochen. Von 1974 bis 1982 arbeitete sie unter dem Decknamen „Victoria“ als Inoffizielle Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Kahanes Stasi-Akte umfasst knapp 800 Seiten. Laut Medienberichten notierte ihr Führungsoffizier, Mölneck, zu Beginn ihrer Tätigkeit für das MfS, dass sie bereits beim zweiten Treffen „ehrlich und zuverlässig“ berichtet habe.[3] Kahane belastete Dutzende Personen aus ihrem Umfeld, darunter viele Künstler, die sie im privaten Rahmen aushorchte, beispielsweise während einer Faschingsfeier, einer Hochzeit, eines Konzerts oder eines Stadtbummels. Sie berichtete etwa über einen ZDF-Reporter, Studenten Westberliner Universitäten sowie über in der DDR lebende Ausländer. In einem Bericht von 1976 über einen Kreis von Schriftstellern und Schauspielern heißt es beispielsweise: „Zu den Feinden der DDR gehören in erster Linie Klaus Brasch und Thomas Brasch.“[4] Kahane führte Aufträge aus und erhielt von der Stasi kleinere Geschenke und Geld.

1982 brach Kahane die Zusammenarbeit mit dem MfS selbst ab, worauf sie als Dolmetscherin von der Reisekaderliste gestrichen wurde, 1986 stellte sie einen Ausreiseantrag.[3]

2012 bestellte Kahane eine gutachterliche Stellungnahme bei dem Politikwissenschaftler und ehemaligen Pressesprecher der Fraktion Bündnis 90 des Landtag Brandenburgs, Helmut Müller-Enbergs, mit dem Ziel zu prüfen, ob sie im Rahmen ihrer Kooperation mit der DDR-Staatssicherheit Dritten geschadet habe. Nach anfänglicher Ablehnung des Sachverständigen aufgrund mangelnder Expertise in juristischen Fragen, welche mit der Bewertung von erlittenen eingebüßten Rechten notwendig sei, bat Kahane zu untersuchen, ob Dritte „durch ihre Gespräche mit dem MfS einen Nachteil gehabt“ hätten.[5] Der Sachverständige stimmte der Prüfung unter anderem unter der Voraussetzung zu, dass er die Stellungnahme ausschließlich als Dozent der Syddansk Universitet abgebe. Grundlage für die Prüfung waren allein von Kahane selbst zur Verfügung gestellte Akten (teils in Auszügen, teils vollumfänglich, teils vom BStU geschwärzt), persönliche Tagebücher, Korrespondenz, Fotos sowie direkte Gespräche mit dem Sachverständigen. Die abgeschlossene Stellungnahme legte dar, dass die vorgelegten Unterlagen keine Indizien enthielten, dass sie mit ihrer IM-Tätigkeit Dritten geschadet habe, wobei der Autor voranstellt, „dass Informationen, gleich – welcher Art und Umfang – per se das Risiko enthalten konnten, Dritte zu benachteiligen“.[5]

Nachdem Kahanes IM-Vergangenheit im Jahr 2016 nach Angaben von Konrad Litschko von der taz von rechtspopulistischer Seite kampagnenartig problematisiert worden war, verwies sie auf Müller-Enbergs Stellungnahme, laut dem die Akten über sie keine Indizien dafür enthielten, dass sie mit ihrer IM-Tätigkeit Dritten geschadet habe. Kahane betonte zudem, sie habe aus ihrer Vergangenheit nie ein Hehl gemacht.[6]

Engagement gegen Rechtsextremismus

Nach der politischen Wende in der DDR wurde sie erste und zugleich letzte Ausländerbeauftragte des Magistrats von Ost-Berlin. 1991 gründete Kahane die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA e.V.), deren Hauptbetätigung die Unterstützung und Trägerschaft verschiedener interkultureller Projekte in Schulen und im Schulumfeld ist. Im gleichen Jahr erhielt sie die Theodor-Heuss-Medaille stellvertretend mit anderen für „Die friedlichen Demonstranten des Herbstes 1989 in der damaligen DDR“.[7] Seit 1997 ist sie Mitglied im Kuratorium der Theodor-Heuss-Stiftung.

1998 war Anetta Kahane als Stiftungsratvorsitzende an der Gründung der Amadeu Antonio Stiftung beteiligt. Seit 2003 ist sie hauptamtliche Vorsitzende der Stiftung. Für ihr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus erhielt sie 2002 den Moses-Mendelssohn-Preis, noch bevor ihre vorherige Stasitätigkeit bekannt wurde.[8]

2003 war Anetta Kahane als Nachfolgerin von Barbara John als Ausländerbeauftragte des Berliner Senats im Gespräch. Nach Bekanntwerden ihrer IM-Tätigkeit teilte sie mit, dass sie für das Amt nicht zur Verfügung stehe.[3]

Kahane betrachtet den Umstand, dass in Ostdeutschland nur wenige Menschen leben, „die sichtbar Minderheiten angehören, die zum Beispiel schwarz sind“, als problematisch und bezeichnet es als „die größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende“, dass diese zugelassen habe, „dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb“.[9] Die Tatsache, dass es in weiten Teilen Ostdeutschlands keine sichtbaren Minderheiten gebe, bewirke dort „mehr Unerfahrenheit mit Fremden, mehr Abwehr“.[9][10] Kahane unterstützte damit explizit Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann, der vorschlug, mehr Flüchtlinge in östlichen Bundesländern unterzubringen. Der Osten müsse „emotional, kulturell“ erneuert werden, so Kahane.[9]

Kolumnistin

Anetta Kahane ist regelmäßige Kolumnistin der Berliner Zeitung[11] und der Frankfurter Rundschau.[12]

Veröffentlichungen

  • Ich sehe was, was du nicht siehst. Meine deutschen Geschichten. Rowohlt Verlag, Berlin, 2004, ISBN 978-3-87134-470-1

Buchbeiträge

  • Ich durfte, die anderen mußten … In: Vincent von Wroblewsky (Hrsg.): Zwischen Thora und Trabant. Juden in der DDR. Aufbau-Verlag, Berlin, 1993, ISBN 3-7466-7011-X, S. 124–144
  • Jude zu sein, ist in Deutschland ein Beruf. In: Elmar Balster (Hrsg.): Augenblicke. Portraits von Juden in Deutschland. Mosse Verlagshaus, Berlin 2003, ISBN 3-935097-08-5, S. 45–47
  • Der Partisan aus Chemnitz. In: Gisela Dachs (Hrsg.) im Auftrag des Leo-Baeck-Instituts Jerusalem: Proteste. Jüdische Rebellion in Jerusalem, New York und andernorts. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-633-54261-1, S. 59–71

Auszeichnungen

(Zum Zeitpunkt beider Ehrungen war Kahanes Stasi-Tätigkeit noch nicht publik)[4]

Commons: Anetta Kahane – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sabine am Orde: „Ich war nicht gemacht für die DDR“: Anetta Kahane. taz, 30. August 2004
  2. Sechs Jahre IM. Der Tagesspiegel, 10. Oktober 2002, abgerufen am 23. Juli 2016.
  3. a b c Thomas Rogalla: Eine Stasi-Debatte, die nicht beendet wurde. In: Berliner Zeitung, 2. Februar 2003, abgerufen am 15. Juli 2016.
  4. a b Uwe Müller: Birthler-Behörde ließ Stasi-Spitzel einladen. In: Die Welt, 25. September 2007, abgerufen am 15. Juli 2016.
  5. a b Helmut Müller-Enbergs: Zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme zu Frau Anetta Kahane und die DDR-Staatssicherheit. (PDF; 7,4 MB) Amadeu Antonio Stiftung, 26. November 2014, archiviert vom Original am 27. April 2016; abgerufen am 15. Juli 2016.
  6. Rechtsextreme Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung. Pressemitteilung der Amadeu Antonio Stiftung auf Netz gegen Nazis, 25. April 2016, abgerufen am 15. Juli 2016.
    Konrad Litschko: Hetze: Drohungen im Netz, Kleber an der Tür. In: taz vom 26. April 2016, S. 7.
  7. Theodor Heuss Preis 1991: Die friedlichen Demonstranten des Herbstes 1989 in der damaligen DDR. (PDF; 4,1 MB) Theodor-Heuss-Stiftung, 1991, abgerufen am 16. Juli 2016.
  8. Moses-Mendelssohn-Preis 2002 an Anetta Kahane. Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, 4. Juli 2002, abgerufen am 15. Juli 2016.
  9. a b c Andrea Dernbach, Cordula Eubel: Flüchtlinge in Deutschland: „Es ist Zeit für einen neuen Aufbau Ost“. In: Der Tagesspiegel, 15. Juli 2015, abgerufen am 15. Juli 2016.
  10. Anetta Kahane: Der Brand, der nie gelöscht wurde. Publikative.org, 2. August 2012, abgerufen am 15. Juli 2016.
  11. Wir über uns: Anetta Kahane. In: Berliner Zeitung. Archiviert vom Original am 15. August 2015; abgerufen am 2. März 2016.
  12. Kahane, Anetta (FR-Kolumnistin). Frankfurter Rundschau, abgerufen am 15. Juli 2016.