Habsburgisch-französischer Gegensatz

Als Habsburgisch-französischen Gegensatz bezeichnet die Geschichtswissenschaft den von 1516 bis 1756 dauernden Konflikt zwischen dem Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich um die Vorherrschaft in Europa. Sowohl offen als auch verdeckt ausgetragen, prägte er 240 Jahre lang die gesamte europäische Macht- und Bündnispolitik und mündete in zahlreiche Kriege, von denen der Dreißigjährige Krieg der verheerendste war.

Vorgeschichte

Maximilian I. und Maria von Burgund. Ihre Ehe brachte den Habsburgern das burgundische Erbe ein.

Die Ursprünge des Konflikts waren dynastischer Natur und entsprangen der erfolgreichen Heiratspolitik der Habsburger. Im Jahr 1477 heiratete der spätere Kaiser Maximilian I. Maria, die Tochter und einzige Erbin Herzog Karls des Kühnen von Burgund. Das französischen Königshaus Valois, dem auch die Burgunder Herzöge entstammten, machte ebenfalls Ansprüche auf das burgundische Erbe geltend, das teils auf französischem, teils auf Reichsgebiet lag. Maximilian setzte die Rechte seiner Frau jedoch weitgehend durch.

Darüber hinaus verheiratete er 1496, seinen und Marias Sohn Philipp den Schönen mit der Infantin von Spanien Johanna der Wahnsinnigen. Als deren Sohn, der spätere Karl V., 1515 die Herrschaft im burgundischen Flandern und im Jahr darauf im Königreich Spanien antrat, war Frankreich sowohl im Norden und Osten als auch im Süden von habsburgischen Territorien umgeben. Vermehrt wurde Karls Macht noch durch die einträglichen spanischen Besitzungen in Amerika, durch die zu Spanien gehörenden Königreiche Sardinien, Neapel und Sizilien sowie durch seine 1519 erfolgte Wahl zum römisch-deutschen Kaiser als Nachfolger seines Großvaters Maximilian I.

Entwicklung im 16. Jahrhundert

Franz I. führte vier Kriege, um die habsburgische Einkreisung Frankreichs zu durchbrechen.

Bereits seit 1494 kämpften Frankreich und Spanien um die Vorherrschaft in Italien. Zu diesem bereits schwelenden Konflikt kam seit 1516 das Bestreben der französischen Krone, sich aus der Umklammerung durch die habsburgischen Besitzungen zu lösen. Um die spanisch-habsburgische Vorherrschaft in Europa zu brechen, führte allein König Franz I. von Frankreich vier Kriege. Ihnen sollten unter seinen Nachfolgern viele weitere folgen. Sie suchten und fanden dafür immer wieder Unterstützung bei einzelnen deutschen Reichsfürsten aber auch beim Osmanischen Reich. Günstiger wurde die Situation für Frankreich, nachdem die Reformation Deutschland in sich feindlich gegenüberstehende Lager gespalten hatte. Aufgrund seiner maritimen Interessen stand auch das protestantische England seit der Thronbesteigung Königin Elisabeths I. für mehr als ein Jahrhundert meist im anti-spanischen Lager.

Das Konfliktpotenzial ging nur unwesentlich zurück, als Karl V. 1555 abdankte und seinen Machtbereich zwischen seinem Sohn Philipp II. und seinem Bruder Ferdinand I. aufteilte. Ferdinand erhielt die österreichischen Erblande und die Kaiserkrone, Philipp Spanien sowie die niederländischen und italienischen Besitzungen. Die österreichischen und spanischen Habsburger stimmten jedoch ihre machtpolitischen Interessen weiter miteinander ab, und nach wie vor sah sich Frankreich von Philipps Herrschaftsbereich eingekreist. Die Hugenottenkriege verminderten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Handlungsmöglichkeiten der französischen Krone. Erst das Wiedererstarken des Landes unter dem ersten Bourbonenkönig Heinrich VI. sollte dies ändern

Entwicklung im 17. und frühen 18. Jahrhundert

Wiederaufflammen des Konflikts

Heinrich IV. plante bereits 1610 militärisch in den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit einzugreifen und den Kampf gegen die habsburgischen Mächte wieder aufzunehmen. Die Aussichten dazu hatten sich entscheidend verbessert seit 1568 in den mehrheitlich protestantischen Niederlanden ein Aufstand gegen Spanien ausgebrochen war. Der darauf folgende Achtzigjährige Krieg sollte Spanien entscheidend schwächen und zur Unabhängigkeit der Niederlande führen. Diese sahen in Frankreich für lange Zeit einen natürlichen Verbündeten. Der Ausbruch eines großen, allgemein-europäischen Krieges, der durch ein französisches Engagement in Jülich-Kleve möglich gewesen wäre, wurde 1610 nur durch die Ermordung Heinrichs IV. verhindert.

Dreißigjähriger Krieg

In den 1618 ausbrechenden Dreißigjährigen Krieg griff Frankreich vorerst nicht direkt ein. Die Politik Kardinal Richelieus, der für König Ludwig XIII. die Regierung führte, war es zunächst, diejenigen Fürsten mit Subsidien zu unterstützen, die sich gegen die drohende Ausweitung der kaiserlichen Macht in Deutschland unter Ferdinand II. und Ferdinand III. wandten. Dies waren insbesondere die Fürsten der Protestantischen Union und Schweden unter König Gustav II. Adolf. Erst nach der Niederlage der Schweden in der Schlacht bei Nördlingen 1635 beteiligte sich Frankreich auch militärisch.

Der Friede von Münster stärkte Frankreichs Stellung gegenüber dem Reich.

Sicherung der Französischen Vorherrschaft

Im 1648 geschlossenen Westfälischen Frieden erreichte Frankreich nicht nur territoriale Zugeständnisse im Elsass, sondern setzte auch weitere, wichtige Vorstellungen durch. Die Niederlande wurden formell vom Reich unabhängig, und die Reichsfürsten erhielten das Recht, Bündnisse mit fremden Mächten – also auch mit Frankreich - zu schließen, so lange diese sich nicht gegen den Kaiser richteten. Vor allem war es Frankreich gelungen, die österreichischen von den spanischen Habsburgern zu trennen. Während es mit den einen Frieden schloss, führte es mit den anderen weiter Krieg. Erst 1659 schloss es mit Spanien den Pyrenäenfriede, der für Frankreich ebenso vorteilhaft war wie der Friede von Münster. Er markierte das Ende der spanischen und den Beginn der französischen Vorherrschaft in Europa.

Kriege Ludwigs XIV.

Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernahm König Ludwig XIV. 1661 die alleinige Regierung Frankreichs. In den folgenden Jahren brach der habsburgisch-französische Gegensatz erneut auf – nun jedoch unter dem umgekehrten Vorzeichen einer drohenden französischen Hegemonie.

Ludwig XIV. brachte durch seine Hegemonialpolitik eine Koalition Österreichs, Englands und der Niederlande gegen sich zusammen

Ludwigs aggressives Ausgreifen auf die Niederlande im Holländischen Krieg sowie auf den Westen Deutschlands im Zuge der Reunionspolitik und des Pfälzischen Erbfolgekriegs veränderte die europäischen Bündnissysteme. Zunächst näherten sich die Niederlande dem habsburgischen Kaiser in Wien an und schließlich auch England, nachdem der niederländische Generalstatthalter Wilhelm von Oranien infolge der Glorious Revolution 1688 den englischen Thron bestiegen hatte.

Die sogenannte Tripelallianz trat Frankreich 1701-1713/14 im Spanischen Erbfolgekrieg entgegen, der nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers Karl II. ausgebrochen war. Trotz einer von den europäischen Mächten im Frieden von Rijswijk 1697 getroffenen Vereinbarung, hatten Ludwigs Diplomaten den geistig behinderten Karl dazu bewegt, Philipp von Boubon, einen Enkel des französischen Königs als seinen Alleinerben einzusetzen. Der darauf folgende Krieg brachte Frankreich an den Rand des Abgrunds. Doch nach dem Tod Kaiser Josephs I. entstand die weder für England noch für die Niederlande akzeptable Möglichkeit, dass sein Bruder Karl VI., der für den spanischen Thron vorgesehen war, das Reich Karls V. wiedererrichten könnte. Daher drängten sie auf einen Ausgleich mit Frankreich.

Der Friede von Utrecht bestätigte Philipp zwar als König von Spanien, untersagte jedoch die Vereinigung der französischen und der spanischen Krone unter ein und demselben Herrscher aus dem Haus Bourbon. Die Spanischen Niederlande fielen an Österreich.

Die Umkehr der Allianzen

Die kriegerische Politik Friedrichs II. von Preußen veranlasste die zuvor verfeindeten Habsburger und Bourbonen 1756, ein Defensivbündnis zu schließen.

Nach dem Frieden von Utrecht hatte der habsburgisch-französische Gegensatz im Grunde seine Substanz verloren. Außer den Österreichischen Niederlanden grenzte kein habsburgisches Territorium mehr an Frankreich. Die machtpolitischen Interessen beider Länder überschnitten sich kaum noch, insbesondere seit Österreich daran gegangen war, seine Machtbasis auf dem Balkan auf Kosten des Osmanischen Reiches zu vergrößern.

Dennoch blieben die traditionellen Bündnissysteme auch weiterhin bestehen. Sowohl im Polnischen Erbfolgekrieg als auch in den Schlesischen Kriegen unterstützte Frankreich jeweils das anti-habsburgische Lager. Erst als Österreichs stärkster Gegenspieler im Reich, Friedrich II. von Preußen, 1756 die Westminsterkonvention, ein Bündnis mit Frankreichs Rivalen England, abschloss, kam es zur sogenannten Umkehr der Allianzen. Auf Betreiben des Staatskanzlers Kaunitz schloss Österreich ein Verteidigungsbündnis mit Frankreich, das sich während des Siebenjährigen Krieges zu einer Offensivallianz entwickelte. Im Krieg gegen Preußen standen beide Länder erstmals auf der selben Seite.

Der habsburgisch-französische Gegensatz, dessen erster Keim im Jahr 1477 durch eine Fürstenhochzeit gelegt worden war, wurde fast 300 Jahre später durch eine weitere Heirat symbolisch beendet, durch jene zwischen dem französischen Thronfolger und späteren König Ludwig XVI. und der Tochter Kaiserin Maria Theresias, Marie Antoinette. Beide sollten während der Französischen Revolution ihr Leben verlieren, mit der – unter gänzlich anderen Vorzeichen - ein weiteres Kapitel deutsch-französischer Konflikte begann. In ihrem Verlauf sollten im 19. Jahrhundert nationalistische Kreise den rein machtpolitisch und dynastisch motivierten habsburgisch-französischen Gegensatz als Ursprung der sogenannten „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich deuten.

Literatur

  • Matthew S. Anderson, The origins of the modern European state system 1494-1618, London, New York 1998
  • Francois Bondy u. Manfred Abelein, Deutschland und Frankreich. Geschichte einer wechselvollen Beziehung, München 1984 ISBN 3430110017
  • Eduard Fueter, Geschichte des europäischen Staatensystems von 1492-1559, München 1919 (Neudruck 1972)
  • Esther-Beate Körber, Habsburgs europäische Herrschaft. Von Karl V. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Darmstadt 2002
  • Ilja Mieck, Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit, Stuttgart 1998
  • Lothar Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances. Studien zur außenpolitischen Konzeption Wenzel Antons von Kaunitz (Historische Forschungen, 50), Berlin 1994
  • Jörg Ulbert (Hg.), Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. Festschrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag (Historische Forschungen, 71), Berlin 2001