Kanadische Unterhauswahl 2006

2004Unterhauswahl 20062008
(in %)
 %
40
30
20
10
0
36,27
30,23
17,48
10,48
4,48
0,55
0,51
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2004
 %p
   8
   6
   4
   2
   0
  −2
  −4
  −6
  −8
+6,64
−6,50
+1,80
−1,91
+0,19
+0,07
−0,29
29
51
103
1
124
29 51 103 124 
Insgesamt 308 Sitze

Die 39. kanadische Unterhauswahl (engl. 39th Canadian General Election, frz. 39e élection fédérale canadienne) fand am 23. Januar 2006 statt. Gewählt wurden 308 Mitglieder des kanadischen Unterhauses (engl. House of Commons, frz. Chambre des Communes). Nach einem Misstrauensvotum waren vorgezogene Neuwahlen ausgerufen worden. Die Konservative Partei des bisherigen Oppositionsführers Stephen Harper löste die Liberale Partei von Premierminister Paul Martin als stärkste Kraft ab und bildete eine Minderheitsregierung.

Ursache

Grund für die vorgezogene Neuwahl war ein Misstrauensvotum am 28. November 2005. Die Opposition war sich einig, dass die liberale Regierung von Premierminister Martin korrupt sei und entzog ihr das Vertrauen.[1] Am folgenden Tag traf sich Martin mit Generalgouverneurin Michaëlle Jean, die das Unterhaus auflöste und eine Neuwahl ausrief. Sie legte den 23. Januar 2006 als Wahldatum fest (Wahlen im Winter sind in Kanada ungewöhnlich). Der Wahlkampf dauerte fast acht Wochen und war der längste der letzten zwei Jahrzehnte. Durch die Weihnachts- und Neujahrsferien (mit entsprechend geringerer Aufmerksamkeit der Bevölkerung) wurde er praktisch in zwei Teile getrennt.

Übersicht der Provinzen und Territorien

Aktuelle politische Ereignisse, allen voran die Untersuchungsberichte der Gomery-Kommission im Zusammenhang mit dem Sponsoring-Skandal, schwächten die Liberale Partei erheblich. Ihr wurde vorgeworfen, kriminelle Handlungen begangen zu haben. Im ersten Bericht der Kommission, veröffentlicht am 1. November 2005, war von einer „Kultur des Anspruchsdenkens“ die Rede. Obwohl die nächste Wahl turnusgemäß erst 2009 hätte stattfinden müssen, wollte die Opposition die Veröffentlichung des zweiten Teils des Untersuchungsberichts, die am 1. Februar 2006 vorgesehen war, nicht länger abwarten. Alle drei Oppositionsparteien – die Konservative Partei, die Neue Demokratische Partei (NDP) und der Bloc Québécois – sowie drei von vier Unabhängigen unterstützten das Misstrauensvotum, das mit 171 zu 133 Stimmen erfolgreich war.

Meinungsumfragen

Vor und während des Wahlkampfs ergaben Meinungsumfragen schwankende Zustimmungswerte für die regierenden Liberalen und die oppositionellen Konservativen. Nach der Veröffentlichung des ersten Teils des Gomery-Untersuchungsberichts im November 2005 fiel die Zustimmung für die Liberalen. Wenige Tage später konnten sie sich auffangen und die Verluste wieder wettmachen. Nach der Wahlankündigung hatten sie im Dezember einen leichten Vorsprung gegenüber den Konservativen. Erneute Korruptionsvorwürfe als Folge von Ermittlungen der Royal Canadian Mounted Police führten gegen Jahresende zu einem Aufschwung bei den Konservativen zulasten der Liberalen, der auf einen möglichen Regierungswechsel hindeutete. Die Zustimmungswerte für die NDP stiegen leicht an, während sie beim Bloc Québécois leicht sanken; bei der Grünen Partei blieben sie während der Dauer des Wahlkampfs weitgehend unverändert.

Auswirkungen

Die Wahl ergab eine konservative Minderheitsregierung mit 124 Sitzen. Obwohl die Konservativen 25 Sitze zugelegt hatten, fehlten ihnen 31 Sitze für die absolute Mehrheit, weshalb der neue Premierminister Stephen Harper in der folgenden Legislaturperiode auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen war. Die Liberalen verloren 32 Sitze und wurden erstmals seit 1993 wieder in die Oppositionsrolle gedrängt. Als Folge der Wahlniederlage trat Paul Martin als Parteivorsitzender zurück; im Dezember 2006 wurde Stéphane Dion zu seinem Nachfolger gewählt. Während die NDP um zehn Sitze zulegen konnte, verlor der Bloc Québécois drei Sitze, blieb aber weiterhin mit Abstand stärkste Kraft in der Provinz Québec.

Die Wahlbeteiligung betrug 64,7 %, was gegenüber der Wahl von 2004 eine Zunahme von 3,8 Prozentpunkten bedeutete.[2]

Ergebnisse

Stephen Harper
Paul Martin
Wahlkreise im Detail

Gesamtergebnis

Partei Vorsitzender Kandi-
daten
Sitze
2004
bei Auf-
lösung
Sitze
2006
+/− Stimmen Anteil +/−
  Konservative Partei Stephen Harper 308 099 098 124 + 25 5.374.071 36,27 % + 6,64 %
  Liberale Partei Paul Martin 308 135 133 103 − 32 4.479.415 30,23 % − 6,50 %
  Bloc Québécois Gilles Duceppe 075 054 053 051 03 1.553.201 10,48 % − 1,90 %
  Neue Demokratische Partei Jack Layton 308 019 018 029 + 10 2.589.597 17,48 % + 1,71 %
  Unabhängige 090 001 004 001 81.860 0,51 % − 0,07 %
  Grüne Partei Jim Harris 308 664.068 4,48 % + 0,19 %
  Christian Heritage Ron Gray 045 28.152 0,19 % − 0,11 %
  Progressive Canadian Party Tracy Parsons 025 14.151 0,10 % + 0,02 %
  Marijuana Party Blair Longley 023 9.171 0,06 % − 0,19 %
  Marxisten-Leninisten Sandra L. Smith 069 8.980 0,06 %
  Canadian Action Party Connie Fogal 034 6.102 0,04 % − 0,02 %
  Kommunistische Partei Miguel Figueroa 021 3.022 0,02 % − 0,01 %
  Libertarian Party Jean-Serge Brisson 010 3.002 0,02 % + 0,01 %
  First Peoples National Party Barbara Wardlaw 005 1.201 >0,01 %
  Western Block Party Doug Christie 004 1.094 >0,01 %
  Animal Alliance Liz White 001 72 >0,01 %
  vakant 002
Gesamt 1.634 308 308 308 14.817.159 100,0 %

Ergebnis nach Provinzen und Territorien

Partei BC AB SK MB ON QC NB NS PE NL NU NT YT Gesamt
Konservative Partei Sitze 17 28 12 8 40 10 3 3 3 124
Anteil in % 37,3 65,0 48,9 42,8 35,1 24,6 35,7 29,7 33,4 42,7 29,6 19,8 23,7 36,25
Liberale Partei Sitze 9 2 3 54 13 6 6 4 4 1 1 103
Anteil in % 27,6 15,3 22,4 26,0 39,9 20,7 39,2 37,2 52,5 42,8 39,1 34,9 48,5 30,2
Bloc Québécois Sitze 51 51
Anteil in % 42,1 10,5
Neue Demokratische Partei Sitze 10 3 12 1 2 1 29
Anteil in % 28,6 11,6 24,0 25,4 19,4 7,5 21,9 29,8 9,6 13,6 17,6 42,1 23,9 17,5
Unabhängige Sitze 1 1
Anteil in % 0,9 0,1
Grüne Partei Anteil in % 5,3 6,5 3,2 3,9 4,7 4,0 2,4 2,6 3,9 0,9 5,9 2,1 4,0 4,5

Siehe auch

Fußnoten

  1. Clifford Krauss: Liberal Party Loses Vote Of Confidence In Canada. The New York Times, 29. November 2005, abgerufen am 31. August 2015 (englisch).
  2. Voter Turnout at Federal Elections and Referendums. Elections Canada, 18. Februar 2013, abgerufen am 31. August 2015 (englisch).