Wortbildung und Wortarten im Spanischen

Die Wortbildung im Spanischen, formación de palabras ist Gegenstand der linguistischen Morphologie, morfología lingüística. Als Wortbildung bezeichnet man sprachliche Verfahren, mit denen neue, komplexe Wörter (Lexeme) auf der Basis schon vorhandener sprachlicher Mittel erzeugt werden. Diese sprachlichen Mittel können einfache und komplexe Wörter, Morpheme und Affixe sein.

Unter einer Wortart oder -klasse, categoría morfosintáctica als einer lexikalischen Kategorie versteht man die Klasse von Wörtern einer Sprache auf Grund der Zuordnung nach gemeinsamen grammatischen Merkmalen.

Wortbildung, formación de palabras

Wortbildung ist neben Bedeutungswandel, cambio léxico-semántico und Entlehnung, préstamo lingüístico eine der wesentlichen Formen der Wortschatzerweiterung.[1] Als solche handelt es sich um Verfahren der lexikalischen Innovation.[2]

Menschen sind zu jeder Zeit, in jeder Epoche und in einer sich ständig verändernden Umgebung und Umwelt aufgefordert, auf den Tatbestand fehlender Worte bzw. sprachlicher Ausdrucksmittel durch einen ununterbrochenen Ausbau des Wortschatzes zu reagieren, procesos de formación de palabras.[3] Für die Produktion neuer Wörter aus vorhandenen Wörtern, also die Wortbildung, formación de palabras, werden zwei Varianten unterschieden:

  • Wortableitung (Derivation, derivación);
  • Wortzusammensetzung (Komposition, composición) und
  • Parasynthese, parasíntesis.[4]

Die Derivation kennzeichnet sich dadurch, dass sich auf morphologischer Ebene ein Lexem mit einem oder mehreren Affixen[5] zu einer neuen Einheit des spanischen Wortschatzes verbindet.[6] Bei der Komposition bildet sich ein neues Wort aus der Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter (bzw. Wortstämme).[7]

  • Bei der Wortableitung oder Derivation, derivación verbindet sich ein Basislexem, base lexemática mit nur einem oder aber auch mehreren Affixen zu einem neuen Wort.
    • Derivation = Basislexem + Affix

Deshalb können Affixe, afijos je nach ihrer Position im Bezug auf das Basislexem gegliedert werden in:

    • Präfixe, prefijos vor dem Basislexem: im-puro, im-posible;
    • Infixe, infijos oder Interfixe inmitten des Basislexems: buen-ec-ito
    • Suffixe, sufijos nach dem Basislexem: internacio-al

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, mehrere Affixe für die Wortbildung zu kombinieren: des-nacion-al-izar.[8]

  • Bei der Komposition, composición werden zwei und unter Umständen auch mehrere autonome Lexeme zu einem neuen Wort verbunden.[9]
    • Komposition = Lexem + Lexem + (n-Lexeme)

Im Spanischen gibt es verschiedene Wortkombinationsmöglichkeiten:

  • Verb und Substantiv, verbo + sustantivo: saca-corchos, abre-latas, agua-fiestas.
  • Substantiv und Adjektiv, sustantivo + adjetivo: agua-marina, campo-santo, paso-doble, pelir-rojo, boqui-abierto, cari-lleno.
  • Adjektiv und Substantiv, adjetivo + sustantivo: extrema-unción. media-noche, salvo-conducto, bajor-relieve.
  • Substantiv und Substantiv, sustantivo + sustantivo: boca-calle, coli-flor, sueldo base, casa cuna, moto-carro, hombre lobo, hispano-hablante.
  • Adjektiv und Adjektiv, adjetivo + adjetivo: sordo-mudo, verdi-azul, agri-dulce, alti-bajo.
  • Adverb und Adjektiv, adverbio + adjetivo: biem-pensante.
  • Substantiv und Verb, sustantivo + verbo: faz-ferir.
  • Pronomen und Verb, pronombre + verbo: cual-quiera, que-hacer, quien-quiera.
  • Verb und Verb, verbo + verbo: duerme-vela.[10]

Eine andere Form der „Wortneubildung“ ist die Bedeutungserweiterung.[11] So können die Sprecher einer Sprachgemeinschaft auf die Anforderungen einer sich ständig verändernden Umgebung durch die Änderung der Bedeutung bzw. durch den Bedeutungswandel von bereits in ihrer Sprache existierenden Worten durch deren Bedeutungserweiterung reagieren. So hat etwa das Wort „pantalla“[12][13] die ursprüngliche Bedeutung eines „Schirms“ oder Schutzes zum Gegenstand. Mit den Anforderungen erweiterte sich seine Bedeutung später zu „Kinoleinwand“, „Bildschirm“ oder „Display“.

Eine weitere Möglichkeit der Wortneubildung stellt die Nominalisierung und deren Gegenteil, die Denominalisierung dar.

Im Bereich der Lehnwörter bzw. Entlehnung, préstamo lingüístico, so etwa in der Begrifflichkeit der elektronischen Datenverarbeitung, zeigt sich ein großer Einfluss der englischen Sprache. So weist vor allem der Internet-Wortschatz im Spanischen eine hohe Anzahl von Anglizismen oder angloamerikanisch geprägten spanischen Wortschöpfungen auf.[14]

Nicht unerwähnt bleiben soll:[15][16][17]

  • die Aphärese, aféresis, die Tilgung von Sprachlauten am Wortanfang. – Beispiel: bus für autobús.
  • die Apokopierung, apócope, der Wegfall von Sprachlauten am Wortende. – Beispiel: cine für cinema.
  • die Kontraktion, contracción, die Zusammenziehung von Sprachlauten im Wort. – Beispiel: docudrama aus documento und drama.
  • die Epenthese, epéntesis, die Ergänzung um einen Sprachlaut zur Erleichterung der Aussprache. – Beispiel: toballa für toalla.

Wortarten, categorías morfosintácticas

Die Wortartlehre versucht eine Klassifizierung der lexikalisch-grammatischen Einheiten einer Sprache. Die Wortart ist zu unterscheiden von der syntaktischen Funktion (Satzfunktion) eines Wortes wie Subjekt, Objekt, Adverbial, Attribut usw.

Wörter können also nach ihrer Bedeutung (semantisch), nach ihrer Form (morphologisch) oder nach ihrer Verwendung im Satz (syntaktisch) eingeteilt werden. Die Wortarten des Spanischen lassen sich wie überall in lexikalische und grammatische Wörter einteilen, also in etwa Inhaltswörter und Funktionswörter.

In beiden Klassen finden sich flektierbare, conjugable und unveränderliche Wörter:[18][19][20]

Bedeutung, Funktion ↓ Formen, Klassen
flektierbar flexionslos
Lexikalisch Substantiv, sustantivo Zahlwort, nombre numeral[21]
Lexikalisch Adjektiv, adjetivo Adverb, adverbio
Lexikalisch Verb, verbo Partikel, partícula gramatical

Interjektion, interjección[22]

Grammatikalisch Artikel, artículo Präposition, preposición
Grammatikalisch Pronomen, pronombre Konjunktion, conjunción

Einteilungen

Ein Wort kann aus verschiedenen Blickrichtungen oder wissenschaftlichen Ansätzen her untersucht werden, so nach:

  • phonologischen Kriterien, criterio fonológico.
  • morphologischen Kriterien, criterio morfológico.
  • funktionalen Kriterien, criterio funcional.
  • semantischen Kriterien, criterio semántico.

Ein Wort, palabra setzt sich morphologisch aus bedeutungstragenden Einheiten, den Morphemen, morfemas zusammen. Für diese Morpheme lassen sich semantisch und funktionell zwei Klassen konstruieren:

  • die lexikalischen Morpheme (Lexeme), morfemas léxicos und
  • die grammatischen Morpheme, morfemas gramaticales.

Vereinfachend kann man sagen: Lexeme (lexikalische Inhaltsmorpheme) beschreiben oder versprachlichen bevorzugt Tatbestände, Dinge, Handlungen, Eigenschaften. Grammatische Morpheme (grammatikalische Funktionsmorpheme) hingegen zeigen die Beziehungen zwischen diesen Tatbeständen und Sachverhalten; sie geben ferner abstraktere Bedeutungskategorien ihren Ausdruck, so etwa Genus, Numerus, Tempus.

Worte weisen also entweder eine mehr lexikalische oder aber grammatische Bedeutung auf. Mit den lexikalischen Wortklassen vermittelt der Sprachproduzent in einem Text oder im gesprochenen Wort die semantische Hauptinformation an den Empfänger, hingegen sind die grammatischen Wortklassen bzw. -einheiten mehr Funktionszeichen. Dabei ist die Gruppe der grammatischen Einheiten, hierzu treten auch Flexionsmorpheme, Funktionswörter (etwa Strukturverben), Affixe usw., in ihrer Anzahl weitaus beschränkter als die lexikalischen Worteinheiten.

Literatur

  • Helmut Berschin, Julio Fernández-Sevilla, Josef Felixberger: Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. 3. Auflage. Georg Olms, Hildesheim/ Zürich/ New York 2005, ISBN 3-487-12814-4
  • Franz Rainer: Spanische Wortbildungslehre. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1984, ISBN 3-484-50337-8

Weblinks

  • Ursula Reutner: Markierungsangaben in spanischen Lexika. Das Beispiel der Euphemismen. Romanische Sprachwissenschaft, Universität Augsburg, S. 1–15 -Romanistik in Geschichte und Gegenwart 14,2 (2008), Helmut Buske Verlag, Hamburg [2]

Einzelnachweise

  1. Ein weiteres, eher seltenes Verfahren zur Wortbildung ist die Neuschöpfung oder Urschöpfung (vgl. Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz, unter Mitarbeit von Marianne Schröder: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Niemeyer, Tübingen 1995, ISBN 3-484-10682-4, S. 5f., Johannes Erben: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre. 3. neubearbeitete Auflage, Schmidt, Berlin 1993, ISBN 3-503-03038-7, S. 18f.).
  2. Paul Gévaudan: Typologie des lexikalischen Wandels. Bedeutungswandel, Wortbildung und Entlehnung am Beispiel der romanischen Sprachen. Stauffenburg, Tübingen 2007, ISBN 978-3-86057-173-6, S. 34f., 42–44. Eine weitere Form des Wandels ist der lexikalische Schwund.
  3. Martin Becker: Die Entwicklung der modernen Wortbildung im Spanischen: Der politisch-soziale Wortschatz seit 1869. Bonner Romanistische Arbeiten, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-631-51011-X.
  4. Kim Vermeersch: Die desubstantivischen ‚ornativen‘ Verben im Deutschen und Spanischen: Ein Kapitel aus der kontrastiv betrachteten Wortbildung. Universiteit Gent, 2011/2012 [1]
  5. Reglas de ortografía. Prefijos y sufijos.
  6. Justo Fernández López: Wortbildung. Formación de palabras. hispanoteca.org
  7. Antoon van Bommel, Kees van Esch, Jos Hallebeek: Estudiando español, Grundgrammatik. Ernst Klett Sprachen, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-12-535499-9, S. 178 f.
  8. Juan Antonio Marín Candón: Prefijo- sufijo. Reglas de Ortografía.
  9. Wolf Dietrich, Horst Geckeler: Einführung in die spanische Sprachwissenschaft. (= Grundlagen der Romanistik. Band 15). Erich Schmidt Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-503-06188-6, S. 88–99.
  10. Mervyn F. Lang: Formación de palabras en español: morfología derivativa productiva en el léxico moderno. Ed. Cátedra, Madrid 1990, ISBN 84-376-1145-8.
  11. Rainer Walter: Spanische Wortbildungslehre. Walter de Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-095605-5.
  12. Diccionario de la lengua española. Real Academia Española
  13. Ursprünglich stammt das Wort aus dem Katalanischen „pàmpol“ wo es „Weinblatt“, „Lampenschirm“ bedeutet und mit dem lateinischen Wort „pampinus“ für Weinblatt verwandt ist pampinus
  14. Martina Rüdel-Hahn: Anglizismen im Internetwortschatz der romanischen Sprachen: Französisch – Italienisch – Spanisch. Dissertationsschrift. Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf 2008.
  15. Paul Gévaudan: Klassifikation lexikalischer Entwicklungen. Semantische, morphologische und stratische Filiation. (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive) Dissertationsschrift. Universität Tübingen, Tübingen 2002, S. 150 f.
  16. Justo Fernández López: Apokope, Epenthese, Zusammenziehung – Apócope, epéntesis y contracción. hispanoteca.eu
  17. Bernhard Pöll: Spanische Lexikologie. Eine Einführung. Gunter Narr Verlag, Tübingen 2002, ISBN 3-8233-4993-7, S. 36.
  18. Tabelle nach Helmut Berschin, Julio Fernández-Sevilla, Josef Felixberger: Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. 3. Auflage. Georg Olms, Hildesheim/ Zürich/ New York 2005, ISBN 3-487-12814-4, S. 161.
  19. modifiziert nach Helmut Berschin, Julio Fernández-Sevilla, Josef Felixberger: Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. 3. Auflage. Georg Olms, Hildesheim/ Zürich/ New York 2005, ISBN 3-487-12814-4, S. 161.
  20. Die Wortgrammatik, Canoonet
  21. Zahlwörter, nombres numerales können eingeschränkt flektierbar sein.
  22. Interjektionen, interjecciónes und Partikel, partícula gramatical besitzen als Gliederungselemente im Satz auch grammatische Funktion