Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen
Logo der Bündnis 90/Die Grünen
Partei­vorsitzende Claudia Roth

Claudia Roth

Cem Özdemir
Cem Özdemir

Bundes­geschäfts­führerin Steffi Lemke
Bundes­schatz­meister Dietmar Strehl
Gründung 13. Januar 1980
(Die Grünen)
21. September 1991
(Bündnis 90)
14. Mai 1993
(Vereinigung)
Gründungs­ort Karlsruhe (Die Grünen)
Potsdam (Bündnis 90)
Leipzig (Vereinigung)
Haupt­sitz Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin
Bundestagssitze 68 von 622 (10,9 %)
Staatliche Zuschüsse € 11.095.609,86 (2009)[2]
(Stand: 21. Januar 2010)
Mitglieder­zahl 48.163 (Dezember 2009)[1]
Durch­schnitts­alter 47 Jahre[3]
Frauen­anteil 37 Prozent[4]
Website www.gruene.de

Bündnis 90/Die Grünen (kurz: Grüne; auch: Bündnisgrüne oder B’90/Grüne rsp. B’ 90/Grüne bzw. B 90/Grüne/B90/Grüne usf.) ist eine politische Partei in Deutschland, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Umweltpolitik ist. Leitgedanke grüner Politik ist ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit.

Die Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen hat zwei Wurzeln: In Westdeutschland und West-Berlin entsprang die Grüne Partei der Umweltbewegung, den Neuen Sozialen Bewegungen und der Neuen Linken der 1970er Jahre und wurde 1980 als Partei gegründet.

Bereits 1979 war mit der Bremer Grünen Liste erstmals ein grünes Wahlbündnis in ein Parlament eingezogen, 1983 gelang dies auch bei einer Bundestagswahl. Von 1985 bis 1987 stellten die Grünen mit Joschka Fischer erstmals einen Landesminister, und zwar in Hessen in einer rot-grünen Koalition. Nach der Wiedervereinigung scheiterten Die Grünen bei der Bundestagswahl 1990 an der Fünf-Prozent-Hürde. Die zweite Entwicklungslinie geht auf die Bürgerbewegung in der DDR zurück. Während der politischen Umbrüche im Herbst 1989 schlossen sich die Initiative Frieden und Menschenrechte, Demokratie Jetzt sowie Teile des Neuen Forums zum Bündnis 90 zusammen. Dieses zog nach der Wiedervereinigung als Parlamentsgruppe in den Bundestag ein. Nachdem die Grüne Partei in der DDR schon 1990 mit den westdeutschen Grünen fusioniert hatte, vollzogen Bündnis 90 und die Grünen diesen Schritt 1993. Nach dem Wiedereinzug als Fraktion in den Bundestag 1994 war Bündnis 90/Die Grünen von 1998 bis 2005 in einer rot-grünen Koalition erstmals an der Bundesregierung beteiligt.

Seit 2005 ist Bündnis 90/Die Grünen wieder Oppositionspartei im Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2009 gelang der Partei mit einem Stimmanteil von 10,7 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Auf Landesebene sind die Grünen derzeit an einer rot-grünen Regierung in Bremen, einer schwarz-grünen Koalition in Hamburg und einer „Jamaika-Koalition“ im Saarland beteiligt.

Der programmatische Schwerpunkt der Partei liegt auf der Umweltpolitik. Die Aufbau- und Etablierungsphase der Grünen war stark von einem innerparteilichen Gegensatz zwischen den radikalen sogenannten „Fundis“ und „Ökosozialisten“ auf der einen sowie den pragmatischen „Realos“ auf der anderen Seite geprägt. Darüber hinaus bestimmten neben dem Thema Umweltschutz parteispezifische Besonderheiten das Bild der Grünen, so das Rotationsprinzip, die Trennung von Amt und Mandat sowie eine Frauenquote.

Im Laufe der Zeit haben die Grünen einen Wandel von radikalen ökologischen und pazifistischen Forderungen hin zu einer immer pragmatischeren inhaltlichen Ausrichtung vollzogen. Ohne ideologische Fixierung im politischen Spektrum streben die Grünen heute an, ihre Ziele innerhalb einer ökologischen Marktwirtschaft durchzusetzen.

Geschichte

Bundestagswahlergebnisse der Grünen
bzw. Bündnis 90/Die Grünen
Wahl %
Bundestagswahl 1980 1,5 %
Bundestagswahl 1983 5,6 %
Bundestagswahl 1987 8,3 %
Bundestagswahl 1990 4,8 % (Grüne)1
6,0 % (Bündnis 90)2
Bundestagswahl 1994 7,3 %
Bundestagswahl 1998 6,7 %
Bundestagswahl 2002 8,6 %
Bundestagswahl 2005 8,1 %
Bundestagswahl 2009 10,7 %
1 Ergebnis in den alten Bundesländern
2 Ergebnis in den neuen Bundesländern

Gründungsphase (um 1980)

Die Grünen entstanden in der Bundesrepublik Deutschland als Zusammenschluss eines breiten Spektrums politischer und sozialer Bewegungen der 1970er Jahre. Wesentlich getragen wurde die Parteigründung von der Ökologie-, der Anti-Atomkraft-, der Friedens- sowie der Frauenbewegung. Die politische Bandbreite reichte von den einflussreichen K-Gruppen im Gefolge der Studentenbewegung der 1960er Jahre bis zu konservativen Umweltschützern. Regional waren zuvor verschiedene neugegründete Parteien und Wahlbündnisse aus der Ökologie- und Anti-Atomkraft-Bewegung wie die Grüne Liste Umweltschutz oder Die Grünen/AUD (Bayern) sowie besonders in den Großstädten linksorientierte Alternative und Bunte Listen bei Landtags- und Kommunalwahlen angetreten. Die meisten dieser Wahllisten scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde, etwa bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Bayern 1978. Bei der Europawahl 1979 trat die „Sonstige politische Vereinigung Die Grünen“ mit Petra Kelly und Herbert Gruhl als Spitzenkandidaten an und erreichte 3,2 Prozent der Stimmen. Die Wahlkampfkostenerstattung von über 4,5 Millionen DM bildete die finanzielle Grundlage für die Organisation einer Bundespartei.[5] Erstmals in ein Länderparlament wurde die Bremer Grüne Liste (BGL) 1979 gewählt, wo sie 5,1 Prozent erreichten.[6] 1981 gab es in Kassel die erste rot-grüne Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene.[7]

Am 13. Januar 1980 wurde in Karlsruhe die Bundespartei Die Grünen gegründet. Begleitet wurde der Gründungskongress von Auseinandersetzungen um die programmatische Ausrichtung sowie die Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft bei den Grünen und in einer K-Gruppe, die letztlich abgelehnt wurde. Das erste Bundesprogramm beschrieb die Grünen als „sozial, ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei“.[8] Das Selbstverständnis war das einer „Anti-Parteien-Partei“ (Petra Kelly).[9] Der Erfolg der Grünen führte zu heftigen gesellschaftspolitischen Diskussionen. Eine Gruppe um den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl zog sich aufgrund des Zustroms eher linker Aktivisten aus den Neuen Sozialen Bewegungen bald aus der Partei zurück und initiierte zwei Jahre später die Gründung der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Mit 1,5 % der Stimmen bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 konnte die neue Partei zunächst nur ein enttäuschendes Ergebnis erzielen, übersprang aber danach in Berlin (1981) sowie Hamburg, Hessen und Niedersachsen (1982) die Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahlen.

Etablierung im Bundestag (1983–1990)

1983 zogen die Grünen mit 5,6 Prozent der Zweitstimmen und 27 Abgeordneten erstmals in den Deutschen Bundestag ein. In den Folgejahren bestimmten vor allem Flügelkämpfe zwischen den Fundamentalisten („Fundis“) und Realpolitikern („Realos“) um das Verhältnis zum gesellschaftlichen System der Bundesrepublik die innerparteilichen Kontroversen. 1985 wurde die erste rot-grüne Koalition in Hessen gebildet, Joschka Fischer wurde hessischer Umweltminister. Bei der Bundestagswahl 1987 erreichten die Grünen 8,3 Prozent der Zweitstimmen und 44 Sitze im Deutschen Bundestag.

Logo der Grünen Partei in der DDR

Debakel bei der Bundestagswahl 1990, Fusion mit Bündnis 90 und Restrukturierung (1990–1998)

Der Fall der Mauer 1989 erwies sich auch für die Grünen als historischer Einschnitt. Für die Mehrheit der Grünen gab es vor dem Mauerfall keine Deutsche Frage. Die Zweistaatlichkeit wurde noch bis zur Volkskammerwahl 1990 nicht in Frage gestellt, einer Wiedervereinigung stand man skeptisch bis ablehnend gegenüber. Bei der Bundestagswahl 1990 warb die Partei dementsprechend mit dem Slogan „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“ und scheiterte damit bei den Wählern. Da die Stimmen bei dieser Wahl in den alten Bundesländern mit dem ehemaligen West-Berlin und in den neuen Bundesländern einschließlich Ost-Berlins in getrennten Wahlgebieten ausgezählt wurden, scheiterten die Grünen im Westen an der Fünf-Prozent-Hürde. Bei einer gesamtdeutschen Zählung hätte das Ergebnis für Grüne und Bündnis 90 bei genau 5,0 Prozent gelegen, so dass beide zusammen in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen wären. Die einmalig für diese Bundestagswahl geltende Sonderregelung war erst sechs Wochen vor der Wahl nach einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt worden – geklagt hatten die Grünen.[10]

In der DDR hatten sich für die Volkskammerwahl 1990 die DDR-Bürgerbewegungen Demokratie Jetzt, Initiative Frieden und Menschenrechte und Teile des Neuen Forums am 7. Februar zu dem Wahlbündnis Bündnis 90: Bürger für Bürger zusammengeschlossen und mit 2,9 Prozent der Stimmen 12 Mandate erhalten. Die Grüne Partei in der DDR erreichte 2,0 Prozent und acht Mandate. Zur Bundestagswahl 1990 trat eine Liste Bündnis 90/Grüne – BürgerInnenbewegung an und errang in Ostdeutschland acht Bundestagsmandate. Einen Tag nach der Bundestagswahl 1990 fusionierten die west- und ostdeutschen Grünen und am 21. September 1991 wurde die Listenvereinigung Bündnis 90 in eine Partei umgewandelt. Am 14. Mai 1993 schlossen sich Bündnis 90 und Die Grünen zur gesamtdeutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen zusammen.

Das Wahldebakel und die Wiedervereinigung zwangen die Grünen zur Überprüfung ihrer programmatischen Ausrichtung sowie ihrer innerparteilichen Strukturen. Aufgrund der Kurskorrekturen kam es 1990/1991 zu Parteiaustritten prominenter Vertreter der Fundis und Ökosozialisten (unter anderem Jutta Ditfurth, Rainer Trampert, Thomas Ebermann), die bislang meist die Mehrheit im Bundesvorstand und auf den Bundesdelegiertenversammlungen gestellt hatten.[11] Der Auszug des linken und radikalökologischen Flügels beschleunigte wiederum die Neuorientierung der Partei.

Bei der Bundestagswahl 1994 erreichte die fusionierte und reorganisierte Partei Bündnis 90/Die Grünen 7,3 Prozent und 49 Mandate im Bundestag. Fraktionsvorsitzende wurden Joschka Fischer und Kerstin Müller, mit Antje Vollmer stellten die Grünen erstmals eine Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Regierungsbeteiligung (1998–2005)

Regierungsbeteiligungen von Grünen, Bündnis 90
und Bündnis 90/Die Grünen
Dauer Land/Bund Koalitionspartner
1985–1987 Hessen SPD (Kabinett Börner III)
1989–1990 Berlin AL mit SPD (Senat Momper)
1990–1994 Niedersachsen SPD (Kabinett Schröder I)
1990–1994 Brandenburg B'90 mit SPD und FDP (Kabinett Stolpe I)
1991–1999 Hessen SPD (Kabinett Eichel I und II)
1991–1995 Bremen SPD und FDP (Senat Wedemeier III)
1994–1998 Sachsen-Anhalt SPD (Kabinett Höppner I),
durch PDS toleriert
1995–2005 Nordrhein-Westfalen SPD (Kabinett Rau V, Kabinett Clement I und II,
Kabinett Steinbrück)
1996–2005 Schleswig-Holstein SPD (Kabinett Simonis II und III)
1997–2001 Hamburg GAL mit SPD (Senat Runde)
1998–2005 Bundesregierung SPD (Kabinett Schröder I und II)
2001–2002 Berlin SPD (Senat Wowereit I),
durch PDS toleriert
seit 2007 Bremen SPD (Senat Böhrnsen II)
seit 2008 Hamburg GAL mit CDU (Senat von Beust III)
seit 2009 Saarland CDU und FDP (Kabinett Müller III)

Ein neues Kapitel wurde mit der Bildung der ersten Rot-Grünen Koalition auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 1998 aufgeschlagen, bei der Bündnis 90/Die Grünen 6,7 Prozent der Stimmen erhielt. Joschka Fischer wurde Außenminister und Vizekanzler, Andrea Fischer Gesundheitsministerin und Jürgen Trittin Umweltminister. Nach der BSE-Krise im Januar 2001 wurde Andrea Fischer durch die SPD-Politikerin Ulla Schmidt ersetzt, dafür beerbte die Grüne Renate Künast den Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) als Bundesministerin für das um den Verbraucherschutz erweiterte Ressort Ernährung und Landwirtschaft.

In der 14. Wahlperiode (1998–2002) wurden die Ökosteuer (allerdings in einer gegenüber grünen Vorstellungen reduzierten Form), einige Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts bezüglich der Erleichterung von Einbürgerung, die Möglichkeit eingetragener Lebenspartnerschaften, der mittelfristige Ausstieg aus der Atomenergie und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschlossen. Kritik gab es, gerade unter den eigenen Mitgliedern und Wählern, an der Remilitarisierung in der Außenpolitik mit der deutschen Beteiligung am Kosovokrieg und an vielen Kompromissen mit der SPD. Die Folge war eine Serie von Wahlniederlagen und eine Austrittswelle.

Kurz vor der Bundestagswahl 2002 wurde ein neues Grundsatzprogramm mit Eckpunkten grüner Positionen zu den Themen Ökologie, Demokratie und Wirtschaft verabschiedet: „Die Zukunft ist grün“. Bei der Bundestagswahl im September 2002 erreichten die Grünen 8,6 Prozent der Stimmen. Damit reichte es erneut für eine Regierungsbildung mit der geschwächten SPD. Hans-Christian Ströbele errang dabei im Berliner Wahlkreis 84 (Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost) das erste Direktmandat für Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene.[12]

Bei der Europawahl 2004 konnte die Partei einen der größten Wahlerfolge ihrer bisherigen Geschichte feiern. Sie erreichte mit 3.079.728 Stimmen 11,9 Prozent, in Berlin wurde sie zweitstärkste Partei und im Berliner Stadtteil Kreuzberg bekam sie die absolute Mehrheit der Stimmen. Im Sommer 2004 kam es beim Koalitionspartner SPD, nicht aber bei den Grünen zu erheblichen Einschnitten bei Wahlumfragen. Bei den Landtagswahlen in Sachsen am 19. September 2004 erreichten die Grünen 5,1 Prozent und zogen damit das erste Mal seit 1998 wieder in ein ostdeutsches Landesparlament (abgesehen von Berlin) ein.

Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag (seit 2005)

Jürgen Trittin, gemeinsam mit Renate Künast Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion seit 2009.

In der Bundestagswahl 2005 verfehlte die Partei mit 8,1 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis von 2002 nur knapp, verlor jedoch die Regierungsbeteiligung an die CDU/CSU, da es zu einer Großen Koalition unter CDU-Führung kam. Mit 51 Sitzen bildeten die Grünen nunmehr neben FDP und Linksfraktion die kleinste der drei Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag.

Am 24. Februar 2008 bekamen die Grünen 9,6 Prozent der Stimmen bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg. Dort bilden sie die erste schwarz-grüne Regierungskoalition auf Landesebene. Ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl erreichten die Grünen am 13. Mai 2007 in Bremen, wo sie 16,4 Prozent der Stimmen erzielen konnten und seitdem an der ersten rot-grünen Koalition seit 2005 beteiligt sind. Ihr bestes Wahlergebnis von 13,7 Prozent in einem Flächenland erzielten die Grünen 2009 bei der Landtagswahl in Hessen.

Dieser Trend setzte sich bei der Bundestagswahl 2009 fort, bei der Bündnis 90/Die Grünen trotz fehlender Machtoption mit 10,7 Prozent der Zweitstimmen das beste Ergebnis ihrer Geschichte erreichten. Die beiden Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin wurden anschließend Fraktionsvorsitzende.

Programmatische Ausrichtung

Programmatische Entwicklung

Programmatisch haben die Grünen seit ihrer Gründung einen Wandel von radikalen ökologischen und pazifistischen Forderungen hin zu einer immer pragmatischeren inhaltlichen Ausrichtung vollzogen.[13] Als „grundlegende Alternative“[13] zu allen etablierten Parteien angetreten, betonten sie in ihrem ersten Parteiprogramm von 1980 ihren Charakter als ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei.[14] Die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen trugen erkennbar die marxistische Handschrift der aus den K-Gruppen zu den Grünen übergetretenen Ökosozialisten.[15] Lange bestimmten erbitterte Auseinandersetzungen zwischen „Fundis“ und den pragmatisch orientierten „Realos“ das Ringen um die inhaltlichen Grundlinien der Grünen.[13]

Nach der deutschen Einheit, dem Scheitern der westdeutschen Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl 1990 und der Vereinigung der Grünen mit der im Bündnis 90 zusammengeschlossenen Bürgerbewegung der DDR im Jahr 1993 kam es zu einer Neupositionierung von Bündnis 90/Die Grünen. Die ökologischen und außenpolitischen Forderungen wurden stärker an den Möglichkeiten der Sozialen Marktwirtschaft sowie den veränderten Realitäten der internationalen Politik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ausgerichtet.[13] Im Laufe dieses Prozesses stand die Partei mehrfach am Rande einer Spaltung[13] und 1990/91 verließen zahlreiche, auch prominente Vertreter des linken Flügels die Partei. Erneute Zerreißproben gab es zur Zeit der rot-grünen Koalition 1998–2005 angesichts der militärischen Einsätze Deutschlands im Kosovo- und im Afghanistankrieg, des Kompromisses um den Atomausstieg und der Hartz-IV-Reformen.

Grundwerte

Das aktuelle Motto von Bündnis 90/Die Grünen auf der Bundesdelegiertenkonferenz 2007.

„Die Zukunft ist grün“ ist der Name des aktuellen Grundsatzprogramms von Bündnis 90/Die Grünen.[16] Es wurde nach dreijähriger Debatte auf einer Bundesdelegiertenkonferenz im März 2002 in Berlin mit einer Mehrheit von 90 Prozent beschlossen und trat an die Stelle des Bundesprogramms[17] aus dem Jahr 1980. Ein Zwischenschritt der programmatischen Entwicklung war der sogenannte „Grundkonsens“ von 1993,[18] in dem die westdeutschen Grünen und das Bündnis 90 als Grundlage ihrer Fusion ihre gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen formuliert hatten und der seitdem der Parteisatzung vorangestellt war. Das Grundsatzprogramm des Jahres 2002 ist homogener und deutlich weniger systemkritisch, als das antikapitalistisch ausgerichtete von 1980.[19]

Das grüne Programm leitet sich ausdrücklich nicht aus einer Ideologie, sondern aus den vier Grundwerten Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Demokratie ab, mit gleicher Intensität treten die Grünen für Gewaltfreiheit und Menschenrechte ein.[20] Der Gerechtigkeitsbegriff der Grünen betont über die Verteilungsgerechtigkeit hinaus ganz wesentlich die Generationen-, die Geschlechter- und die internationale Gerechtigkeit.[21] Das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2009, „Der Grüne Neue Gesellschaftsvertrag“,[22] setzte Schwerpunkte bei Wirtschaft, Klima, Gerechtigkeit und Bildung.[* 1] Leitbild dieses Wahlprogramms ist heute eine Grüne Marktwirtschaft mit Betonung ökologischer und sozialer Zielsetzungen.[* 2]

Während der Nachhaltigkeitsgedanke im Kern konservativ ist, stehen die Grünen gesellschaftspolitisch für linksliberale Konzeptionen und Positionen. Beispiele hierfür sind die von den Grünen angestrebte „multikulturelle Gesellschaft“, die Integration von Einwanderern, die Lesben- und Schwulenpolitik, insbesondere der Einsatz für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, sowie die Positionen zu Datenschutz, zur Informationsgesellschaft und zu Bürgerrechten.

Umwelt- und Klimapolitik

Kerngedanke grüner Politik ist nachhaltige Entwicklung.[20] Der Umweltschutzgedanke durchzieht deshalb weite Teile des Programms von Bündnis 90/Die Grünen. Insbesondere die wirtschafts-, energie- und verkehrspolitischen Forderungen stehen in enger Wechselwirkung mit umweltpolitischen Überlegungen. Dem Naturschutz räumen die Grünen so hohe Priorität ein, dass der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden soll.[* 3] Für eine effektive Umweltpolitik sei ein einheitliches Umweltgesetzbuch, das auch ein Klimaschutzgesetz integrieren soll, dringend notwendig.[* 4] Die in der Zeit der rot-grünen Koalition eingeleitete sogenannte Agrarwende wird als Paradigmenwechsel in der Landwirtschaftspolitik hin zu einer ökologischen Landwirtschaft bezeichnet, die es fortzuführen gelte.[* 5]

Im Zentrum aller Überlegungen steht die Klimaschutzpolitik. Diese umfasst neben Umweltpolitik auch Sicherheits- und soziale Aspekte. Die Pläne von Bündnis 90/Die Grünen sehen vor, in einem Klimaschutzgesetz verbindlich festzuschreiben, den Treibhausgasausstoß in Deutschland bis 2020 auf mindestens minus 40 Prozent im Verhältnis zu 1990 zu reduzieren.[* 6]

Wirtschaftspolitik

Der Leitbegriff der Nachhaltigkeit bezieht sich auch und besonders auf nachhaltiges Wirtschaften, heute jedoch ausdrücklich ohne daraus eine bestimmte Wirtschaftsordnung, sei es Sozialismus oder Kapitalismus, abzuleiten.[20] Eine Gleichsetzung der für das Grundsatzprogramm zentralen Begriffe Freiheit und Selbstbestimmung mit reiner Marktfreiheit schließen die Grünen jedoch aus.[23] Zwar basiert das Gesellschaftsmodell der Grünen auf der Solidarität der Individuen, doch soll der Staat die öffentlichen Aufgaben nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen.[24] Die Wirtschaftspolitik der Grünen ist von Skepsis gegenüber der Annahme, dass Wohlstand stetiges Wachstum voraussetzt, geprägt. Die Globalisierung wird, zumindest in ihrer tatsächlichen heutigen Form, negativ beschrieben, die von Umweltzerstörung, einer zunehmenden Spaltung der Weltbevölkerung in Arm und Reich sowie von privatisierter, kommerzialisierter und terroristischer Gewalt gekennzeichnet sei.[25] Sowohl die globale Erwärmung, als auch die aktuelle Finanzkrise, die Nahrungsmittelpreiskrise 2007–2008, die wachsende soziale Spaltung oder die Ölpreiskrisen der jüngsten Vergangenheit werden als Symptome struktureller Probleme des Weltwirtschaftssystems beschrieben.[* 7]

In ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009 stellten Bündnis 90/Die Grünen die Wirtschaftspolitik in das Zentrum ihrer Überlegungen, da nur über die Wirtschaft ökologische und soziale Probleme zu lösen seien und volkswirtschaftlich nur eine energie- und ressourceneffiziente Wirtschaftsweise langfristig auch ökonomisch sinnvoll sei.[* 8] Die Grünen traten deshalb für eine Konjunkturpolitik ein, die einen zukunftsorientierten Strukturwandel herbeizuführen in der Lage ist. Maßnahmen wie die Verschrottungsprämie für Autos, die nicht mit ökologischen Kriterien verknüpft waren, wurden dementsprechend abgelehnt.[* 9] Wichtigste Investitionsaufgabe sei stattdessen die Energiewende. Um Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen zu erreichen, seien kostenwahre Preise nötig, auch wenn dies Preissteigerungen bedeute.[* 10] Auch Bürokratie oder Dauersubventionen hemmen demnach ökologische Kostenwahrheit sowie Ressourceneffizienz und sind deshalb abzubauen.[* 11] Ordnungspolitische Maßnahmen wie der Emissionsrechtehandel werden dagegen befürwortet.[* 10] Bei der Rettung von Unternehmen geben die Grünen staatlichen Beteiligungen, insbesondere bei Banken auch der (Teil-)Verstaatlichung den Vorzug gegenüber Krediten oder Bürgschaften ohne weitere Einflussmöglichkeiten auf soziale und ökologische Zielsetzungen.[* 12] Eine nachhaltige Strukturveränderung der Regulierungsinstrumente der globalen Finanzmärkte sei dringend geboten: alle Produkte, alle Akteure und alle Länder müssen demnach in die Finanzmarktaufsicht einbezogen und strengen Regeln unterzogen, besonders riskante Finanzprodukte verboten, Steueroasen ausgetrocknet werden.[* 13] Die EU soll eine aus dem Konzept der Tobin-Steuer sowie der Börsenumsatzsteuer weiterentwickelte Finanzumsatzsteuer einführen.[* 14] Der Staat soll Rahmenbedingungen für Managergehälter und Boni-Systeme schaffen, die besonders riskante Geschäfte nicht noch belohnen.[* 15]

Wichtige öffentliche Güter und Dienstleistungen des Sozialstaates sowie des Dritten Sektors wie Gesundheitsversorgung oder Bildung, Mobilität, Internet, Müllabfuhr oder Wasser, sollen dem Gemeinwohl dienen und sind nicht auf Gewinn auszurichten.[* 11] Besonders Netzinfrastrukturen werden als natürliche staatliche Monopole gesehen, die nicht privatisiert werden dürfen.[* 16] Um eine Grundversorgung der Allgemeinheit zu gewährleisten, sei deshalb ein starker Staat nötig, ein Nachtwächterstaat sowie massive Steuersenkungen werden dagegen abgelehnt.[* 11] Den Verkauf von öffentlichem Vermögen als Konsolidierung zu deklarieren, sei dagegen unredlich.[* 17] Das Vergaberecht soll so geändert werden, dass öffentliche Aufträge nicht an das kostengünstigste, sondern an das sozial wie ökologisch verträglichste Angebot vergeben werden.[* 18]

Energiepolitik

Protest gegen Atomkraft im November 2008

Energiepolitik ist das wichtigste Querschnittsthema der Klima- und der Wirtschaftspolitik. Bereits 2040 sollen in Deutschland 100 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen bereitstehen, in der Stromerzeugung soll dieses Ziel sogar schon bis 2030 erreicht werden.[* 19] Ein Rütteln am Atomausstieg mit Laufzeitverlängerungen für Kernreaktoren sowie der Bau neuer Kohlekraftwerke kommen für die Grünen nicht in Frage.[* 20] Für eine Übergangszeit sollen aber noch Gaskraftwerke mit einem hohen, gesetzlich vorgeschriebenem Mindestwirkungsgrad gebaut werden dürfen.[* 21] Eine massive Förderung der Entwicklung regenerativer Energien sowie der Kraft-Wärme-Kopplung sei auch eine große Chance für technische und wirtschaftliche Innovation. Solarindustrie und Umwelttechnologie seien schon heute teilweise Leitindustrien und Jobmotoren, diese Entwicklung müsse nachdrücklich gefördert werden. Subventionen der Kohle- und der Atomindustrie sowie die Ausnahmen bei der Ökosteuer wollen die Grünen streichen, Strom aus Erneuerbaren Energien dagegen generell von der Stromsteuer ausnehmen.[* 22] Zum Schutz der Verbraucher vor monopolartiger Marktmacht sollen die Energienetze aus dem Eigentum der Konzerne in eine öffentlich kontrollierte Netzgesellschaft überführt werden.[* 23] Neben der Energieerzeugung liegt ein Schwerpunkt der grünen Energiepolitik auf der Wärmedämmung und Energieeffizienz in Privathaushalten.

Verkehrspolitik

Ein ähnlich hoher Stellenwert wird der Verkehrspolitik eingeräumt. Die Entfernungspauschale soll durch eine Mobilitätszulage, die unabhängig vom Einkommen allen Beschäftigten gezahlt wird, ersetzt, das Dienstwagenprivileg abgeschafft werden.[* 24] Die Lkw-Maut soll als Klimaschutzinstrument und zur Internalisierung der externen Kosten des Güterverkehrs weiterentwickelt werden.[* 25] Die Bahn soll gefördert werden, um die gewünschten ökologischen Ziele und die flächendeckende Versorgung der Kunden erreichen zu können. Die Eisenbahninfrastruktur soll dauerhaft in öffentlicher Hand bleiben.[* 26] Dafür sollen die Mittel für den Straßenbau reduziert werden.[* 26] Die Grünen wollen Steuerprivilegien auf Kerosin und bei Auslandsflügen beenden und eine Flugticketabgabe einführen.[* 27] Auf Autobahnen soll ein flächendeckendes Tempolimit von 120 km/h herrschen, auf Landstraßen von 80 km/h,[* 28] als innerörtliche Regelgeschwindigkeit mit Ausnahmen für Hauptverkehrsstraßen soll Tempo 30 gelten.[* 27] Die Grünen wollen durch ein Marktanreiz- und Forschungsprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich dafür sorgen, dass bis 2020 mindestens zwei Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren.[* 28]

Arbeit und Soziales, Gesundheitspolitik

Gefordert wird ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von wenigstens 7,50 Euro je Stunde[* 29] sowie eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro als Grundsicherung.[* 30] Zu den Forderungen des Wahlprogramms 2009 gehörte eine Bürgerversicherung in der Gesundheit, in die alle gemäß ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit einzahlen.[* 31]

Eine Kriminalisierung von Drogenkonsumenten gilt den Grünen als kontraproduktiv für Therapien.[* 32] Sogenannte weiche Drogen wie Cannabis sollen unter Berücksichtigung des Jugendschutzes legalen Drogen wie Alkohol und Tabak gleichgestellt werden. Diese aktuell verbotenen Drogen sollen in lizenzierten Fachmärkten legal verkauft werden.[* 32]

Bildung

Bildungspolitik war eines von drei Kernthemen des Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009.[* 33] Die Grünen bezeichnen es als schweren Fehler, dass dem Bund mit der Föderalismusreform die Mitwirkung in der Bildungspolitik untersagt wurde, Bildung müsse stattdessen gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sein.[* 34] Es müsse einen Rechtsanspruch auf ganztägige frühkindliche Betreuung und Bildung nach bundesweit gültigen Betreuungsstandards für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr sowie ein flächendeckendes Angebot an Kitas, Kindergärten und echten Ganztagsschulen geben.[* 34] Voraussetzung für den Erzieherberuf soll ein Hochschulstudium sein.[* 34] Außerdem unterstützen sie die Prinzipien der Gemeinschafts- und Ganztagsschule.[* 35]

Das Bundestagsprogramm 2009 sah vor, sämtliche Studiengebühren abzuschaffen beziehungsweise deren Einführung zu verhindern und innerhalb von fünf Jahren mindestens 500.000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen.[* 36] Da das BAföG als ungerecht angesehen wird, wurde vorgeschlagen, allen Studenten elternunabhängig einen einheitlichen Sockelbetrag als Vollzuschüsse zugute kommen zu lassen und diesen für Studierende aus einkommensarmen Elternhäusern zusätzlich zu erhöhen.[* 37] Kindergeld und Kinderfreibeträge sollten nicht länger an die Eltern, sondern direkt an die Studierenden fließen.[* 37] Der Anteil der Mittel für Forschung und Entwicklung muss nach Ansicht der Grünen von derzeit 2,5 auf drei Prozent gesteigert werden.[* 38]

Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Während der rot-grünen Koalition wurde 2001 unter der Ministerin Renate Künast das bisherige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in ein Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft umgewandelt und dem Verbraucherschutz somit höchste Priorität eingeräumt. Unter anderem wurde im September 2001 das Bio-Siegel eingeführt, mit dem Erzeugnisse aus ökologischem Landbau gekennzeichnet werden. Zur Förderung ökologisch erzeugter Lebensmittel wurde auch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau aufgelegt, sowie ein Verbraucherinformationsgesetz geplant, das in der schließlich von der großen Koalition verabschiedeten Form jedoch als Etikettenschwindel abgelehnt wird.[* 39]

Die Grünen wenden sich entschieden gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel.[* 40] Ebenso lehnen sie Biopatente ab und fordern eine Korrektur der EU-Biopatentrichtlinie.[* 41] Ein weiteres Vorhaben ist, gegen die Massentierhaltung vorzugehen.[* 39] Agrarsubventionen soll es in Zukunft nur für nachhaltige Landwirtschaft geben.[* 42]

Bürgerrechte und demokratische Teilhabe, Informationsgesellschaft

Mahnwache vor dem Brandenburger Tor gegen das Internet-Sperrgesetz, Juni 2009.

Breiten Raum nehmen die Bürgerrechte im Programm von Bündnis 90/Die Grünen ein. Sie wenden sich gegen zentralisierte und ungezielte Massenüberwachung, etwa durch Vorratsdatenspeicherung oder Online-Durchsuchung, gegen jede Einschränkung der Versammlungsfreiheit sowie gegen jede Form der Aufweichung und Aushöhlung rechtsstaatlicher Standards im Strafrecht oder bei Strafverfahren.[* 43]

Bündnis 90/Die Grünen verteidigt das individuelle Grundrecht auf Asyl und sieht in Einwanderung generell eine produktive Kraft.[26] Abgelehnt wird deshalb die Abschottung Europas als Wohlstandsinsel gegen die weltweit wachsenden Migrationsströme. Die Grünen halten am Prinzip einer multikulturellen Gesellschaft fest, in der Integration über frühere sprachliche Eingliederung aller Kinder, über gesellschaftliche Teilhabe sowie über eine Politik der gleichen Rechte erreicht werden soll. Gefordert werden deshalb auch das Kommunalwahlrecht auch für dauerhaft angesiedelte Ausländer aus Nicht-EU-Staaten sowie erleichterte Einbürgerungen auch mit doppelter Staatsbürgerschaft.[* 44]

Direkte Demokratie per Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid soll die demokratische Teilhabe der Bürger stärken, wobei Grundrechte und der Minderheitenschutz stets unangetastet bleiben müssen.[* 45] Bei Änderungen des Grundgesetzes und der Ratifizierung neuer EU-Verträge sollen Referenden obligatorisch sein.[* 45]

Die Grünen widmeten der Netzpolitik in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009 erstmals ein umfangreiches Kapitel.[* 46] Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Geldern erzielt wurden, sollen der Öffentlichkeit auch frei zugänglich sein, deshalb unterstützen die Grünen Open Access im Wissenschaftsbereich sowie die Anwendung von Open Source, Freier Software, Freien Funknetzwerken, Offenen Formaten und innovativen Lizenzen.[* 47]

Geschlechterpolitik, Lesben- und Schwulenpolitik

Themen wie Gender Mainstreaming oder Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern werden von den Grünen stärker in den Vordergrund gerückt als von konservativeren Parteien. Frauenpolitik durchzieht als Querschnittsthema das gesamte Programm von Bündnis 90/Die Grünen. Auch für die Privatwirtschaft werden verbindliche Frauenquoten von 50 Prozent angestrebt,[* 48] was neben der Forderung nach Chancengleichheit auch damit begründet wird, männerspezifisches Denken sei für Fehlentwicklungen wie die globale Finanzkrise mitverantwortlich.[27]

Hauptprojekte der Lesben- und Schwulenpolitik waren ursprünglich die Entkriminalisierung männlicher Homosexualität durch Abschaffung des § 175 StGB, die erst 1994 erfolgte, sowie die Thematisierung von HIV und AIDS. Ende der 1980er Jahre kamen das Antidiskriminierungsgesetz, die Formulierung einer Lebensformenpolitik und die Öffnung der bürgerlichen Ehe für Lesben und Schwule hinzu. Die Grünen unterstützen eine als artikeldrei bezeichnete Initiative des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), die eine Ergänzung des Gleichheitsartikels des Grundgesetzes zum Ziel hat.[28]

Außenpolitik

Eine der wesentlichen Merkmale der Grünen in ihren frühen Jahren war ihre starke Verankerung in der Friedensbewegung. So nahmen viele grüne Mitglieder an Protesten teil, die gegen die Lagerung von Atomwaffen der USA auf deutschem Boden gerichtet waren. In den 1980er Jahren standen die Grünen der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands skeptisch bis ablehnend gegenüber. Diese Position wandelte sich im Laufe der 1990er Jahre, insbesondere unter dem Einfluss von Joschka Fischer und unter dem Eindruck des Massakers von Srebrenica 1995. Nachdem Fischer 1998 deutscher Außenminister wurde, beteiligte sich Deutschland am Kosovokrieg und am Krieg in Afghanistan. Mit dem Grundsatzprogramm von 2002 verabschiedete sich Bündnis 90/Die Grünen vom strikten Pazifismus und schloss völkerrechtlich legitimierte Gewalt gegen Völkermord und Terrorismus nicht länger kategorisch aus.[29]

Die Europäische Union sei zwar der bisher weitreichendste Ansatz für eine verantwortungsvolle Staatengemeinschaft, jedoch zu sehr auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik fixiert.[25] Bündnis 90/Die Grünen befürwortet einen EU-Beitritt der Türkei. Ebenso stimmen sie dem Vertrag von Lissabon zu. Das Demokratiedefizit der Europäischen Union müsse jedoch durch eine Stärkung des Europäischen Parlamentes sowie einer stärkeren Einbettung der nationalen Parlamente behoben werden.[* 49]

Finanzierung des Programms

Hatte es unter der Überschrift „Steuern, Währung und Finanzen“ seit 1980 charakteristischerweise über zwanzig Jahre lang geheißen „Dieser Programmteil wird noch überarbeitet“,[30] so nehmen die Überlegungen zur Finanzierbarkeit der grünen Forderungen heute breiten Raum im Programm der Grünen ein. Die Ausweitung der unter der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Ökosteuer gilt den Grünen als wichtigste Lenkungsabgabe, die ökologischen Probleme im Rahmen der Marktwirtschaft nach dem Verursacherprinzip lösen zu können.[31] Zudem dürfen CO2-Zertifikate nach Vorstellung der Grünen nicht länger kostenlos abgegeben werden.[* 24]

Mit den geplanten Investitionen in eine ökologische Modernisierung, in das Gesundheitssystem und in das Bildungswesen sowie durch den Abbau von Schwarzarbeit mittels eines Progressivmodells der Sozialbeiträge, das Geringverdiener von hohen Abgaben entlastet, glauben Bündnis 90/Die Grünen eine Million neuer Arbeitsplätze innerhalb von vier Jahren schaffen zu können.[* 50] So soll nicht nur Gerechtigkeit geschaffen, sondern auch für eine wachsende Binnennachfrage gesorgt werden. Durch ein vereinfachtes und Besserverdienende stärker belastendes Steuersystem, durch zusätzliche Einnahmequellen des Staates und durch das Streichen unsinniger Staatsausgaben sowie durch konsequenten Subventionsabbau soll der Staatshaushalt grundsätzlich umgebaut werden.[* 51] Um die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise bewältigen zu können, schlugen die Grünen vor der Bundestagswahl 2009 eine zeitlich befristete, einmalige und zweckgebundene Vermögensabgabe nach Artikel 106 des Grundgesetzes einzuführen.[* 52] Die Kapitalertragsteuer soll nicht anders gehandhabt werden, als die Lohnsteuer, Steuerflucht und Steuerhinterziehung sollen entschieden bekämpft werden.[* 53]

Parteistruktur

Mitgliederzahlen seit 1982[32]
1982 22.000
1986 38.170
1990 41.316
1994 43.899
1998 51.812
2002 43.795
2005 45.215
2009 48.096

Mitglieder

Die Zusammensetzung der Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen hat sich im Verlauf ihrer Geschichte mehrfach stark verändert. Bereits kurz nach der Gründung verließen die konservativen Kräfte die Partei und wandten sich mehrheitlich der ÖDP zu. Zwischen 1990 und 1992 wurden die Ökosozialisten aus der Partei gedrängt. In diesem Zeitraum ging die Mitgliederzahl um 6.000 auf etwas über 35.000 zurück, die Zahl der ausgetretenen Linken wird aber noch höher gelegen haben, da im gleichen Zeitraum eine nennenswerte Zahl neuer Mitglieder in die Partei eintrat, die offensichtlich der sich durchsetzenden realpolitischen Ausrichtung zustimmten.[33] In den folgenden Jahren stieg die Mitgliederzahl bis auf knapp 52.000 im Jahr 1998 an. Die Kompromisse mit der SPD und vor allem die Kriegsbeteiligungen Deutschlands unter der rot-grünen Regierung hatten aber einen Einbruch der Mitgliederzahlen zur Folge. Seitdem Bündnis 90/Die Grünen wieder in der Opposition sind, nimmt die Mitgliederzahl wieder zu. In Ostdeutschland stieg die Mitgliederzahl nach der Vereinigung von Bündnis 90 mit den Grünen 1992/93 sprunghaft von gut 1.000 auf etwa 3.000 an, ging jedoch nach 1998 ebenfalls deutlich auf gut 2.500 zurück.[33]

Die bündnisgrünen Mitglieder haben mit 47 Jahren[3] das niedrigste Durchschnittsalter, die Partei hat mit fünf Prozent den niedrigsten Rentneranteil[4] aller im Bundestag vertretenen Parteien und auch die Bundestagsfraktion ist mit durchschnittlich 46,6 Jahren die jüngste im Parlament.[34] Gleichwohl sind die Grünen mit diesen Werten nicht mehr die Jugendpartei, als die sie in den 1980er und teilweise noch in der 1990er Jahren galt.[35] Mit jeweils gut 37 Prozent liegt der Frauenanteil bei den Grünen und bei der Linkspartei über dem der übrigen im Bundestag vertretenen Parteien.[4] Den höchsten Wert aller Parteien erzielen Bündnis 90/Die Grünen bei dem Mitgliederanteil mit abgeschlossenem Hochschulstudium. Dieser liegt bei 58 Prozent.[4] Hoch ist mit 41 Prozent[4] auch der Anteil der Konfessionslosen. Dieser ist nur bei der Linkspartei mit dort 97 Prozent[36] deutlich höher. Unter den bei den Grünen vertretenen Berufen fällt die starke Präsenz der Beamten auf, die mit 37 Prozent[4] stärker vertreten sind, als alle anderen Berufsgruppen.

Wählerschaft

Zweitstimmenanteil in den Wahlkreisen bei der Bundestagswahl 2009. Die Hochburgen von Bündnis 90/Die Grünen (>20 % Zweitstimmen) waren die folgenden Bundestagswahlkreise:
Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost (27,4 %)
Freiburg (22,8 %)
Berlin-Charlottenburg – Wilmersdorf (22,1 %)
Berlin-Mitte (22,0 %)
Stuttgart I (22,0 %)
Berlin-Tempelhof – Schöneberg (21,6 %)
  • Länder, in denen die Partei im Landtag vertreten ist
  • Länder mit grüner Regierungsbeteiligung
  • (Stand: September 2009)

    In der Parteienforschung gibt es die These, dass die Grünen und ihre Wählerschaft Ergebnis eines Wertewandels und aufgrund von Wohlstand und Bildung postmaterialistisch eingestellt seien.[37] Der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie habe dabei den Links-rechts-Gegensatz teilweise oder sogar weitgehend verdrängt.[37] Gleichwohl bezeichnen sich die meisten Wähler der Grünen als „links“,[37] zumal die Partei stark von den neuen sozialen Bewegungen der 1970er Jahre geprägt wurde. Nach dem Auszug vieler Ökosozialisten und „Fundis“ aus der Partei 1990/91 und der Etablierung der Linkspartei haben die Grünen allerdings einen Teil der linken Wählerschaft verloren.[38] Auch die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene und die damit einhergehende Mitverantwortung für die deutschen Militäreinsätze im Kosovo und in Afghanistan sowie für die Hartz-IV-Reformen trugen dazu bei, dass sich die Wählerschaft im Laufe der Jahre etwa zur Hälfte ausgetauscht hat.[38] In diesem Zusammenhang wird von einer „Verbürgerlichung“ der Grünen gesprochen.[38] Dieser Prozess schreitet auch mit dem Altern der Alterskohorte, die die Grüne Partei seit ihrer Gründungsphase geprägt hat, voran.[38] Trotzdem erzielen die Grünen bei der Bundestagswahl 2009 ihr bestes Ergebnis bei den unter 30-Jährigen.[39]

    Grüne Wähler gelten als überdurchschnittlich gebildet (zu 62 Prozent Abitur oder Fachhochschulreife), haben ein überdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen (2317 Euro) und sind relativ jung (durchschnittlich 38,1 Jahre).[40] Frauen wählen häufiger als Männer die Grünen. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielten Bündnis 90/Die Grünen bei Wählerinnen 13 Prozent gegenüber 9 Prozent bei den Männern.[39] Unter den grünen Wählern sind Dienstleistungsberufe besonders repräsentiert.[41]

    Die Grünen finden ihre Wähler vor allem in städtischen Milieus mit hoher Bildung.[42] So erzielt die Partei in den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen meist zweistellige Wahlergebnisse und war dort mehrfach an Landesregierungen beteiligt. Hochburgen haben die Grünen aber auch in einigen Flächenstaaten, insbesondere in Baden-Württemberg und in Hessen[37] sowie in jüngerer Zeit in Schleswig-Holstein sowie Teilen Niedersachsens und Bayerns. In den Universitätsstädten Freiburg im Breisgau, Konstanz und Tübingen stellt die Partei die Oberbürgermeister. Im Berliner Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain-Prenzlauer Berg konnte Hans-Christian Ströbele dreimal in Folge ein Direktmandat für den Bundestag erringen. Geringere Stimmenanteile hat die Partei dagegen im ländlichen Raum.[41]

    Problematisch ist die Stellung von Bündnis 90/Die Grünen in den östlichen Bundesländern.[37] 1990 waren das Bündnis 90 und die Ost-Grünen hier noch relativ erfolgreich und in Brandenburg an einer Ampelkoalition beteiligt. Im „Superwahljahr“ 1994 scheiterte Bündnis 90/Die Grünen jedoch außer in Sachsen-Anhalt in allen ostdeutschen Ländern an der Fünf-Prozent-Hürde. Dieses Schicksal ereilte vier Jahre später auch den Landesverband in Sachsen-Anhalt. In den folgenden Jahren lagen die Ergebnisse bei Landtagswahlen teilweise unter 2 Prozent. Im dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern war Bündnis 90/Die Grünen sogar noch nie im Landtag vertreten. Bei der Landtagswahl in Sachsen 2004 und denen in Thüringen sowie Brandenburg 2009 gelang der knappe Wiedereinzug in einige ostdeutsche Landesparlamente. Auch bei der Bundestagswahl 2009 steigerte die Partei ihren Stimmanteil im Osten um 1,6 Prozent auf 6,0 Prozent (gegenüber 11,4 Prozent im Westen, jeweils ohne Berlin),[43] so dass sich der Charakter einer „West-Partei“ allmählich abzuschwächen scheint. Dennoch fehlt in Ostdeutschland für eine feste gesellschaftliche Verankerung weitgehend das Milieu, das in Westdeutschland die Stammwähler der Grünen stellt.[44] Auch die Verdienste der Bürgerrechtsbewegung und somit des Bündnis 90 spielten schon bald nach der Wiedervereinigung keine wesentliche Rolle mehr.[44]

    Bei der Bundestagswahl 2009 brachten Wählerwanderungen bisheriger SPD-Wähler den Grünen einen Zuwachs von 870.000 Stimmen ein, dagegen verlor Bündnis 90/Die Grünen 140.000 Wähler an die Linkspartei und weitere 30.000 Stimmen an die Gruppe der Nichtwähler.[45] Deutlich geringer waren die Wählerwanderungen vom und in das bürgerliche Lager. Während 50.000 bisherige Unionswähler zu den Grünen wechselten, verlor die Partei 30.000 Wähler an die FDP. Schon bei der Bundestagswahl 2005 hatten die Grünen 140.000 Stimmen von der SPD hinzugewonnen, aber 240.000 Wähler wechselten zur Linkspartei und 70.000 Stimmen in das Lager der Nichtwähler.[46] Anders als 2009 gingen 2005 zudem 130.000 Stimmen an die Union verloren.

    Grüne Besonderheiten: Frauenquote, Trennung von Amt und Mandat, Rotationsprinzip

    Bündnis 90/Die Grünen wenden eine Frauenquote auf Listenplätze, Delegierte und Rederechte an.[47] Bei Wahlen in gleiche Ämter und bei der Aufstellung von Wahllisten ist mindestens die Hälfte der Plätze für Frauen reserviert. Diese werden zuerst gewählt, danach folgt ein offener Wahlgang für die restlichen Plätze, in dem Männer und Frauen – was allerdings selten genutzt wird – kandidieren dürfen. Bei einem Gremium mit drei Plätzen sind also mindestens zwei Frauen zu wählen. Findet sich keine Kandidatin für einen Frauen zustehenden Platz, so können die anwesenden Frauen diesen für eine offene Wahl freigeben. Wegen der Quotierung werden die meisten Sprecher bzw. Vorsitzenden in den Bundes- und Landesverbänden, in den Fraktionen und anderen Gremien mit Doppelspitzen besetzt. Die Grünen betrachten die Frauenquote bis zur Erreichung eines ausgeglichenen Verhältnisses von Männern und Frauen in der Politik als notwendig, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik zu erreichen.

    Basisdemokratie war für die Grünen der 1980er Jahre nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Forderung, sondern sollte auch innerhalb der „Anti-Parteien-Partei“[9] vorgelebt werden. Als „grundlegende Alternative zu den herkömmlichen Parteien“,[8] die die Vorgaben des Parteiengesetzes freilich einhalten musste, sollten ihre politischen Repräsentanten stets an den Willen der dezentral organisierten Parteibasis rückgebunden sein und einer ständigen Kontrolle unterliegen. Unbedingt wollte man eine Funktionärskaste von Berufspolitikern verhindern, wie die Grünen sie in allen etablierten Parteien kritisierten. Zu den rigiden Vorbeugungsmaßnahmen gegen bürokratische Verkrustungen einer politischen Klasse gehörte, dass in den Anfangsjahren alle Parteiämter ehrenamtlich ausgeübt werden mussten. Ein weiteres Element zur Verhinderung professionalisierter parlamentarischer Eliten bestand darin, dass ein Großteil der Diäten an die Partei abzuführen waren und nur ein einem Facharbeitergehalt entsprechender Betrag persönlich behalten werden durfte. Konsequenterweise führten die Grünen lange Zeit keine personalisierten Wahlkämpfe, für die auch erst seit Anfang 2000 externe Berater und Werbeagenturen beauftragt werden.[48] Um Ämterhäufung und Machtkonzentration zu vermeiden, verfolgten die Grünen lange eine strikte Trennung von Amt und Mandat. 2003 wurde diese Regelung jedoch gelockert, seitdem dürfen nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder des Bundesvorstandes auch Abgeordnete sein. Bereits seit 1987 konnten Mitglieder des Bundesvorstandes eine Vergütung beantragen.[49]

    Keine organisatorische Besonderheit der Grünen hat inner- wie außerhalb der Partei für so viel Diskussionen gesorgt, wie das nur wenige Jahre angewandte Rotationsprinzip. Abgeordnete hatten dem Beschluss einer Bundesversammlung von 1983 zufolge ihr Mandat bereits nach der Hälfte der Legislaturperiode für einen Nachrücker, der zuvor in einer Bürogemeinschaft mit dem gewählten Abgeordneten arbeitete, freizumachen. Außerdem wurde den Parlamentariern von der Parteibasis lediglich ein imperatives Mandat erteilt. Tatsächlich spielte das, verfassungsrechtlich nicht haltbare, imperative Mandat von Anfang an keine Rolle[50] und schon in der ersten Wahlperiode nach dem Einzug in den Bundestag kam es zu verschiedenen Problemen bei der Handhabung des Rotationsprinzips. Petra Kelly und Gert Bastian weigerten sich zu rotieren, andere überließen widerwillig einer vermeintlichen oder tatsächlichen zweiten Garde die Abgeordnetenplätze. Ganz ähnlich verhielt es sich mit der ebenfalls eingeführten Rotation an der Parteispitze. Schon 1986 wurde die zweijährige durch eine vierjährige Rotation ersetzt,[51] die aber auf Bundesebene keine Rolle mehr spielen sollte, da die Grünen 1990 bis 1994 nicht mehr im Bundestag vertreten waren. 1991 wurde das Rotationsprinzip endgültig abgeschafft.[52] Auch andere Prinzipien der Gründungszeit erwiesen sich schnell als nicht tragfähig. So wurde die generelle Öffentlichkeit aller Partei- und selbst der Bundestagsfraktionssitzungen nach wenigen Jahren wieder abgeschafft.

    Heute sind also von den zahlreichen Besonderheiten, die die Grünen in ihrer Gründungsphase organisatorisch von den etablierten Parteien unterschieden, lediglich die Doppelspitze, die stark gelockerte Trennung von Amt und Mandat sowie die Frauenquote übrig geblieben. Letztere übernahm in abgemilderter Form 1988 auch die SPD und selbst die CDU führte 1994 ein sogenanntes Frauenquorum ein. Das Rotationsprinzip lebt nur noch in der Praxis einer recht großen Fluktuation im Bundesvorstand fort. In vielen Bereichen haben sich die Grünen professionalisiert und anderen Parteien angeglichen.

    Gliederung

    Die Partei ist in 16 Landesverbände sowie in rund 1800 Ortsverbänden sowie etwa 440 Kreisverbänden organisiert.[53] Besonders in Großstädten ist die Basis relativ kleinteilig organisiert, so existieren teilweise für einzelne Stadtteile Orts- und für Stadtbezirke Kreisverbände. Nach dem Prinzip der Dezentralisierung wird den Ortsverbänden weitgehende Autonomie eingeräumt.

    Die stärksten Landesverbände sind diejenigen von Nordrhein-Westfalen (10.091 Mitglieder im Jahr 2008), Bayern (6700 im Jahr 2010) und Baden-Württemberg (6.370), die kleinsten sind die Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern (307), Sachsen-Anhalt (482) und Thüringen (518).[54] Die Stadtstaaten Berlin (4.065), Hamburg (1.283) und Bremen (603) stellen, gemessen an der Einwohnerzahl, mitgliederstarke Verbände. Der Anteil der ostdeutschen Landesverbände lag durchweg bei 6 bis 7 % der Mitgliederzahl der Gesamtpartei.[33]

    Bundesdelegiertenkonferenz

    Die Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) oder Bundesversammlung ist das oberste Beschlussorgan und entspricht dem Parteitag anderer Parteien. Auf ihr wählen die Delegierten den Bundesvorstand, die Kandidaten der Europawahlliste, die Mitglieder des Parteirats, des Bundesschiedsgerichts sowie die Bundesrechnungsprüfer und entscheiden über Programm und Satzung.

    Die Bundesdelegiertenkonferenz findet mindestens einmal im Jahr statt. Jeder Kreisverband entsendet abhängig von seiner Größe mindestens einen Delegierten auf die Bundesversammlung. Bei der Vereinigung der Grünen mit dem Bündnis 90 wurden den ostdeutschen Landesverbänden Sonderrechte eingeräumt. So stehen diesen 185 der 840 Delegiertenplätze zu.[55]

    Bundesvorstand

    Bundesvorstandssprecher von Grünen (1980–1993),
    Bündnis 90 (1991–1993) und
    Bündnis 90/Die Grünen (seit 1993)[56]
    1979 Herbert Gruhl, August Haußleiter, Helmut Neddermeyer;
    geschäftsführende Sprecher der SPV Die Grünen
    1980 August Haußleiter (nach dessen Rücktritt Dieter Burgmann),
    Petra Kelly, Norbert Mann
    1981–1982 Dieter Burgmann, Petra Kelly, Manon Maren-Grisebach
    1982–1983 Manon Maren-Grisebach, Wilhelm Knabe, Rainer Trampert
    1983–1984 Wilhelm Knabe, Rainer Trampert, Rebekka Schmidt
    1984–1987 Rainer Trampert, Lukas Beckmann, Jutta Ditfurth
    1987–1989 Jutta Ditfurth, Regina Michalik, Christian Schmidt;
    nach dem Rücktritt des Vorstandes im Dezember 1988
    übernahm das Amt kommissarisch der Bundeshauptausschuss
    1989–1990 Ralf Fücks, Ruth Hammerbacher, Verena Krieger
    1990–1991 Renate Damus, Heide Rühle, Hans-Christian Ströbele
    1991–1993 Ludger Volmer, Christine Weiske
    1991–1993
    (Bündnis 90)
    Marianne Birthler, Wolfgang Ullmann, Gerd Poppe,
    Werner Schulz, Katrin Göring-Eckardt, Christiane Ziller,
    Petra Morawe, Burghardt Brinksmeier, Uwe Lehmann
    1993–1994 Marianne Birthler, Ludger Volmer
    1994–1996 Krista Sager, Jürgen Trittin
    1996–1998 Jürgen Trittin, Gunda Röstel
    1998–2000 Gunda Röstel, Antje Radcke
    2000–2001 Renate Künast, Fritz Kuhn
    2001–2002 Fritz Kuhn, Claudia Roth
    2002–2004 Angelika Beer, Reinhard Bütikofer
    2004–2008 Reinhard Bütikofer, Claudia Roth
    seit 2008 Claudia Roth, Cem Özdemir

    Das Tagesgeschäft der Bundespartei wird durch den Bundesvorstand bestritten, der aus einer gleichberechtigten Doppelspitze im Vorsitz (Claudia Roth und Cem Özdemir), der politischen Geschäftsführerin Steffi Lemke, dem Bundesschatzmeister Dietmar Strehl und zwei Beisitzern im Vorstand (Astrid Rothe-Beinlich und Malte Spitz) besteht.

    Der sechsköpfige Bundesvorstand wird von der Bundesdelegiertenkonferenz für zwei Jahre gewählt. Seit 2001 heißen die beiden gleichberechtigten Parteispitzen Bundesvorstandsvorsitzende, davor wurden diese Bundesvorstandssprecher genannt. Bis 1991 wurde der Parteivorsitz von einem Dreierkollegium geleitet, dessen Besetzung neben der Frauenquote auch die Repräsentation der verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei berücksichtigte.

    Die damaligen Vorstandsvorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn traten im Dezember 2002 zur Neuwahl des Vorstands nicht wieder an, nachdem der Parteitag einen Antrag auf Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat mit knapper Sperrminorität abgelehnt hatte. Bei der Wahl zum Bundesvorstand im Oktober 2004 in Kiel wurde Claudia Roth jedoch wieder gewählt. Dies war möglich, da eine Urabstimmung zu dieser Problematik die bisher strikte Regelung gelockert hatte und nun ein Drittel der Bundesvorstandsmitglieder auch Mitglieder des Bundestages sein können.[57]

    Politische Geschäftsführung

    Anders als die meisten anderen Parteien kennen die Bündnisgrünen das Amt des Generalsekretärs nicht. Es gibt im Bundesverband und in einigen Landesverbänden einen politischen Geschäftsführer. Dieser ist hauptberuflich für die Partei tätig, ist stimmberechtigtes Vorstandsmitglied und wird anders als ein Generalsekretär nicht vom Vorsitzenden bzw. Sprecher ernannt, sondern direkt von der Delegiertenkonferenz gewählt. Bisherige politische Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der Partei waren Heide Rühle (1993–1998), Reinhard Bütikofer (1998–2002) und Steffi Lemke (seit 2002).

    Der Bundesverband und einige Landesverbände haben außerdem eine organisatorische Geschäftsführung. Hier wird der jeweilige Geschäftsführer vom Vorstand als Angestellter beschäftigt. Organisatorische Geschäftsführer sind an Weisungen gebunden und haben keine eigene politische Entscheidungskompetenz.

    Länder- und Parteirat

    Das oberste beschlussfassende Organ zwischen den Bundesversammlungen ist der vierteljährig tagende Länderrat. Er beschließt über die Richtlinien der Politik zwischen den Bundesdelegiertenkonferenzen und koordiniert die Arbeit zwischen den Gremien der Bundespartei, den Fraktionen und den Landesverbänden. Tatsächlich ist seine Funktion als Diskussionsgremium bedeutender als die eines Entscheidungsorgans.[58] Die Mitglieder des Bundesvorstands gehören dem Länderrat aufgrund ihres Amtes an, weitere Mitglieder werden aus den Landesverbänden, der Bundestagsfraktion, den Landtagsfraktionen und dem Europaparlament sowie von den Bundesarbeitsgemeinschaften delegiert. Der Länderrat löste 1991 den Bundeshauptausschuss ab.[48]

    Ähnliche Aufgaben hat der 1998 eingerichtete beratende Parteirat. Er entwickelt und plant gemeinsame Initiativen der Gremien, Fraktionen und Landesverbände. Der Parteirat trifft sich in der Regel in den Sitzungswochen des Deutschen Bundestags. Seine Mitglieder arbeiten in dem Gremium ehrenamtlich. Die Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir sowie die Politische Geschäftsführerin Steffi Lemke gehören dem Parteirat aufgrund ihres Amtes an. Die übrigen der bis zu 16 Mitglieder werden von der Bundesdelegiertenkonferenz gewählt.

    Bundestagsfraktion

    Sprecher/Vorsitzende der Bundestagsfraktion
    1983–1984 Marieluise Beck-Oberdorf, Petra Kelly, Otto Schily
    1984–1985 Annemarie Borgmann, Waltraud Schoppe, Antje Vollmer
    1985–1986 Sabine Bard, Hannegret Hönes, Christian Schmidt
    1986–1987 Annemarie Borgmann, Hannegret Hönes,
    Ludger Volmer (bis 18.7.1986) bzw.Willi Hoss (seit 8.9.1986)
    1987–1988 Thomas Ebermann, Bärbel Rust, Waltraud Schoppe
    1988–1989 Helmut Lippelt, Regula Schmidt-Bott, Christa Vennegerts
    1989–1990 Helmut Lippelt, Jutta Oesterle-Schwerin, Antje Vollmer
    1990 Willi Hoss, Waltraud Schoppe (bis 21.7.1990),
    Marianne Birthler (ab 4.10.1990), Antje Vollmer
    1990–1994 Werner Schulz (Gruppensprecher Bündnis 90)
    1994–1998 Kerstin Müller, Joschka Fischer
    1998–2002 Kerstin Müller, Rezzo Schlauch
    2002–2005 Krista Sager, Katrin Göring-Eckardt
    2005–2009 Renate Künast, Fritz Kuhn
    seit 2009 Renate Künast, Jürgen Trittin


    Ein wichtiges Machtzentrum innerhalb der Partei ist die Bundestagsfraktion. Im 17. Deutschen Bundestag von 2009 ist Bündnis 90/Die Grünen mit 68 Abgeordneten vertreten, von denen 37 Frauen sind. Die Fraktionsvorsitzenden sind Renate Künast und Jürgen Trittin, Volker Beck ist erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Weitere parlamentarische Geschäftsführerinnen sind Britta Haßelmann, Katja Keul und Undine Kurth. Fritz Kuhn, Bärbel Höhn, Josef Winkler, Frithjof Schmidt und Ekin Deligöz komplettieren den Vorstand als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und leiten jeweils einen der fünf Arbeitskreise der Fraktion.[59] Das einzige grüne Direktmandat errang wie schon 2002 und 2005 Hans-Christian Ströbele im Berliner Wahlkreis Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg-Ost.

    Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte anfangs drei gleichberechtigte Sprecher, die jährlich wechselten. Dies änderte sich nach der Bundestagswahl 1990, bei der die Grünen mit acht Abgeordneten als Gruppe im Parlament vertreten waren, deren Sprecher 1990–1994 Werner Schulz war. Seit Bündnis 90/Die Grünen 1994 wieder als Fraktion in den Bundestag einzogen, haben sie zwei für die gesamte Legislaturperiode gewählte Vorsitzende.

    Europaparlament und internationale Mitgliedschaften

    Auf europäischer Ebene ist Bündnis 90/Die Grünen mit anderen grünen Parteien zur Europäischen Grünen Partei zusammengeschlossen, deren Mitglieder im Europäischen Parlament zur Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz gehören. Darüber hinaus ist Bündnis 90/Die Grünen Mitglied der Global Greens und im Netzwerk Europäische Bewegung.

    Daniel Cohn-Bendit ist eine Integrationsfigur der europäischen Grünen. Er ist sowohl Mitglied der deutschen als auch der französischen Grünen. In Deutschland kandidierte er 1994 und 2004, in Frankreich 1999 sowie 2009 erfolgreich für das Europaparlament. Seit 2002 ist er einer der beiden Fraktionsvorsitzenden, seit 2009 gemeinsam mit Rebecca Harms, ebenfalls von Bündnis 90/Die Grünen. Reinhard Bütikofer ist einer von sieben stellvertretenden Vorsitzenden. Bei der Europawahl 2009 erzielte Bündnis 90/Die Grünen 12,1 % und errang so 14 Abgeordnetensitze.

    Bundesfrauenrat, Grundsatzkommission und Arbeitsgemeinschaften

    Der Bundesfrauenrat plant und koordiniert die frauenpolitische Arbeit innerhalb der Partei. Ihm gehören die weiblichen Mitglieder des Bundesvorstandes, der Bundestagsfraktion und des Europaparlaments sowie zwei weibliche Delegierte jedes Landesverbandes an.[48] Zwischen den Bundesversammlungen beschließt er über die Richtlinien der Frauenpolitik. Gewählt werden die Mitglieder von den Frauen der Landesverbände und der Landesarbeitsgemeinschaften Frauenpolitik sowie des Bundesvorstands, der Bundestags- und Europafraktion und der Bundesarbeitsgemeinschaften Frauen- und Lesbenpolitik.[60] Dem Präsidium des Bundesfrauenrates gehören derzeit Judith Hasselmann, Anja Kofbinger, Ines Eichmüller und Brigitte Lösch an. Jährlich wird eine Bundesfrauenkonferenz einberufen.

    Zu vielen Politikfeldern gibt es Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG).[61][62] Diese flankieren die programmatische Arbeit der Grundsatzkommission und sollen in Zusammenarbeit mit (Fach-)Verbänden, Initiativen und wissenschaftlichen Institutionen Konzepte und Strategien zu Schwerpunktthemen entwickeln sowie die inhaltliche Arbeit innerhalb der Partei koordinieren. Die Bundesarbeitsgemeinschaften haben Antragsrecht auf Bundesversammlungen und im Länderrat. Die Mitglieder werden von Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) zu den entsprechenden Themen oder von den Landesvorständen, vom Bundesvorstand sowie von den Bundes- und Landtagsfraktionen entsandt. Die Bundesarbeitsgemeinschaften tagen in der Regel zwei- bis dreimal im Jahr.

    Kommunalpolitik

    In den Universitätsstädten Freiburg im Breisgau (Dieter Salomon), Tübingen (Boris Palmer) und Konstanz (Horst Frank) sowie in Bad Homburg vor der Höhe (Michael Korwisi) stellt die Partei die Oberbürgermeister. Der erste grüne Bürgermeister in Deutschland war 1991 Elmar Braun im Baden-Württembergischen Maselheim. Insgesamt stellte die Partei im September 2009 31 Bürgermeister, die meisten davon in in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg.[63] In Berlin ist Franz Schulz Bezirksbürgermeister von Berlin-Friedrichshain. Mit ihm und Elisabeth Ziemer gab es bereits 1996 erstmals zwei Bezirksbürgermeister in Kreuzberg und Schöneberg.

    Aufsehen erregten teilweise Koalitionen auf kommunaler Ebene, die als Experimente oder Modelle für solche in der Landes- und Bundespolitik angesehen wurden. So gab es bereits seit Mitte der 1990er Jahre schwarz-grüne Koalitionen in mehreren Ruhrgebietsstädten, später folgten unter anderem Saarbrücken, Frankfurt am Main sowie Hamburg, dessen Senat zugleich Landesregierung und oberstes Organ für kommunale Aufgaben ist.

    Grüne Jugend und Campusgrün

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    Logo der Grünen Jugend.

    Jugendverband von Bündnis 90/Die Grünen ist die Grüne Jugend mit knapp 6000 Mitgliedern (Stand: 2007). Auf Bundesebene wurde der Jugendverband erst 1994, damals noch unter dem Namen Grün-Alternatives Jugendbündnis (GAJB), gegründet, Landesverbände existierten seit 1991. Die Grüne Jugend ist seit 2001 eine Teilorganisation der Partei. Als solche hat sie Antragsrecht auf Parteitagen und stellt Vertreter in den Parteigremien. Das Höchstalter für die Mitgliedschaft beträgt 28 Jahre und ist von einer Parteimitgliedschaft unabhängig. Höchstes beschlussfassendes Gremium ist der Bundeskongress, zu dem im Unterschied zu den meisten anderen politischen Jugendverbänden alle Mitglieder eingeladen werden und stimmberechtigt sind. Die Grüne Jugend positioniert sich in vielen Bereichen links von der Mutterpartei. Sprecher sind derzeit Gesine Agena und Max Löffler.

    Die gut 40 grünen und grün-nahen Hochschulgruppen sind in dem Bündnis Campusgrün zusammengeschlossen, das organisatorisch und politisch unabhängig von der Partei ist. Campusgrün arbeitet unter anderem mit der bündnisgrünen Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschafts-, Hochschul- & Technologiepolitik, mit der Grünen Jugend und mit der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen. Die einzelnen Hochschulgruppen sind autonom und stehen der Partei unterschiedlich nahe. Zweimal im Jahr finden Bundesversammlungen des Dachverbandes statt, bei denen jede Mitgliedshochschulgruppe mit ein bis zwei stimmberechtigten Delegierten vertreten ist. Die beiden Sprecher sind seit September 2009 Jacqueline Klimesch und Patrick Luzina.

    Heinrich-Böll-Stiftung

    Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte.

    Die Heinrich-Böll-Stiftung ist, wie alle anderen parteinahen Stiftungen, formal unabhängig. Im Unterschied zu vergleichbaren Institutionen anderer Parteien und entgegen ihrem Namen ist sie ihrer Rechtsform nach tatsächlich keine Stiftung, sondern ein eingetragener Verein. Die Heinrich-Böll-Stiftung ist in ihrer heutigen Form 1996/97 aus den im Stiftungsverband Regenbogen zusammengeschlossenen drei Stiftungen Buntstift (Göttingen), Frauen-Anstiftung (Hamburg) und Heinrich-Böll-Stiftung (Köln) hervorgegangen, die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre gegründet worden waren. In der Buntstift-Föderation waren die verschiedenen Stiftungen der grünen Landesverbände organisiert. Die Heinrich-Böll-Stiftung ist auch heute noch föderal organisiert und unterhält sechzehn Landesgliederungen. Weltweit ist sie in 27 Auslandsbüros präsent. Den Vorstand bilden seit 2002 Ralf Fücks und Barbara Unmüßig; Birgit Laubach ist Geschäftsführerin.[64]

    Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eine Einrichtung der politischen Bildung und unterhält ein Studienwerk, das Stipendien an Studierende und Promovierende vergibt. Mit der grünen Partei teilt sie die Grundwerte Ökologie, Demokratie, Solidarität und Gewaltfreiheit. Querschnittsthemen, die die gesamte Arbeit der Stiftung durchziehen, sind Migration und Geschlechterdemokratie.[65] Die Geschichte der grünen Politik wird im Archiv „Grünes Gedächtnis“ dokumentiert und aufgearbeitet.

    Finanzen

    Einnahmen von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2008[66]
    Staatliche Finanzierung 10.209.852 € 37,30 %
    Beitragseinnahmen 5.666.251 € 20,70 %
    Sonderbeiträge 5.530.603 € 20,21 %
    Spenden von Personen 3.417.078 € 12,48 %
    Sonstige Einnahmen 860.358 € 3,14 %
    Veranstaltungen 713.814 € 2,61 %
    Spenden von Unternehmen 491.771 € 1,80 %
    Zinseinnahmen 481.463 € 1,76 %
    Einnahmen Beteiligungen 1.065 € 0,00 %
    Gesamt 27.372.255 € 100 %

    Der Finanzbericht 2008[67] der Grünen beziffert das positive Reinvermögen der Partei auf rund 26,8 Millionen Euro. 5,3 Millionen Euro Kredite liefen bei Banken. Die Einnahmen beliefen sich auf 27,37 Millionen Euro. Den größten Einnahmeposten machten staatliche Mittel mit etwa 37 Prozent aus, etwa 21 Prozent entfielen auf Mitgliedsbeiträge und etwa 20 Prozent auf Sonderbeiträge von rund 7000 Mandatsträgern. Rund 14 Prozent der Einnahmen stammen aus Spenden, die mit 12,48 % der Gesamteinnahmen überwiegend von natürlichen Personen kommen, während Spenden von Unternehmen lediglich 1,80 % des Etats ausmachen. 2008 erwirtschafteten die Grünen einen Überschuss von 1,8 Millionen Euro. Die Heinrich-Böll-Stiftung erhielt rund 28 Millionen Euro teilweise zweckgebundener Mittel.

    Die Ausgaben beliefen sich 2008 auf 25,6 Millionen Euro. Die Personalausgaben betrugen ca. 2,2 Millionen Euro für Beschäftigte der Bundespartei, ca. 4 Millionen Euro in den Landes- sowie ca. 2,5 Millionen Euro in den Kreisverbänden. Auf 27 vollen Stellen bei der Bundespartei sind 32 Personen fest angestellt. Dazu kommen sechs professionalisierte Bundesvorstandsmitglieder. Der Grünen Jugend flossen 2005 300.000 Euro aus staatlichen Geldern zu.

    Anders als in anderen Parteien zahlt die Bundespartei 70 % ihrer Einnahmen an die Landes- und Kreisverbände aus, während die Bundespartei von den Kreisverbänden pro Mitglied und Monat 2,55 Euro als Anteil an den Mitgliedsbeiträgen erhält. Der individuelle Mitgliedsbeitrag wird von den Parteimitgliedern selbst bestimmt. 2008 betrug er durchschnittlich 10,53 Euro. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede, während die Hamburger Parteimitglieder durchschnittlich 13,09 Euro abführen, liegt der Durchschnittswert im Saarland nur bei 5,12 Euro.

    Literatur

    Programme von Bündnis 90/Die Grünen

    Sekundärliteratur

    • Markus Klein, Jürgen W. Falter: Der lange Weg der Grünen, Beck, München 2003, ISBN 3-406-49417-X
    • Hubert Kleinert: Aufstieg und Fall der Grünen – Analyse einer alternativen Partei. Bonn, Dietz, 1992 (zugleich: Universität Hamburg, Dissertation, 1992 unter dem Titel: Kleinert, Hubert: Krisen und Erfolgsbedingungen der Politik der Partei Die Grünen unter besonderer Berücksichtigung der Bundestagswahl 1990), ISBN 3-8012-0180-5
    • Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne), in: Frank Decker, Viola Neu (Hrsg.): Handbuch der deutschen Parteien, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 173–188, ISBN 978-3-531-15189-2
    • Joachim Raschke, Gudrun Heinrich: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind. Köln: Bund, 1993, ISBN 3-7663-2474-8
    • Joachim Raschke: Die Zukunft der Grünen. So kann man nicht regieren, Campus, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-593-36705-X

    Weblinks

    Commons: Bündnis 90/Die Grünen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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    Einzelnachweise

    1. t-online.de: Eintrittswelle bei FDP und Grünen, 30. Dezember 2009, gesehen am 30. Dezember 2009.
    2. Gesamtübersicht Feststezung der staatlichen Teilfinanzierung für das Jahr 2009 gemäß §§ 18 ff. PartG, Stand: 21. Januar 2010.
    3. a b Focus.de: Partei verzeichnet Rekordzuwachs, 21. Oktober 2009
    4. a b c d e f bpb.de: Dossier Parteien, Mitgliederzusammensetzung von Bündnis 90/Die Grünen.
    5. Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 173.
    6. Wahlrecht.de: Ergebnisse der Bürgerschaftswahlen in Bremen
    7. Grünfläche: Zeitschrift der Grünen in Hessen. Bündnis90/Die Grünen, Landesverband Hessen, abgerufen am 16. September 2009. 3/2006 (PDF 560kB)
    8. a b Böll.de: Die Grünen. Das Bundesprogramm., Bonn (1980), S. 4. (PDF 485 kB)
    9. a b Böll.de: Ruth A. Bevan: Petra Kelly: Die andere Grüne, in: Grünes Gedächtnis 2008, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2007, S. 20 u.ö. (PDF 1,14MB)
    10. BVerfG, Urteil vom 29.09.1990, 2 BvE 4/90, 2 BvE 3/90, 2 BvE 1/90, 2 BvR 2471/90; Urteil im Wortlaut
    11. Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 174.
    12. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2002, Wahlkreis 84 (archive.org, 13. Januar 2008)
    13. a b c d e Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 182.
    14. Die Grünen. Das Bundesprogramm. (1980), S. 4.
    15. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 73 f.
    16. Die Zukunft ist grün, herausgegeben von Bündnis 90/Die Grünen, Berlin 2002. (Grundsatzprogramm 2002)
    17. Die Grünen. Das Bundesprogramm. (Grundsatzprogramm von 1980)
    18. Politische Grundsätze Bündnis 90/Die Grünen
    19. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 72 f.
    20. a b c Grundsatzprogramm 2002, S. 10.
    21. Grundsatzprogramm 2002, S. 12 f.
    22. Der grüne Neue Gesellschaftsvertrag, herausgegeben von Bündnis 90/Die Grünen, Berlin 2009. (Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009)
    23. Grundsatzprogramm 2002, S. 11.
    24. Grundsatzprogramm 2002, S. 13.
    25. a b Grundsatzprogramm 2002, S. 16.
    26. Grundsatzprogramm 2002, S. 19
    27. Briefe von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2009: Liebe Investmentbanker, ...
    28. artikeldrei.de: Für eine Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz, Befürworter der Aktion, Verbände und Vereine
    29. Grundsatzprogramm 2002, S. 15.
    30. Böll.de: Die Grünen. Das Bundesprogramm., Bonn (1980), S. 9. (PDF 485kB); Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 74.
    31. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 82.
    32. Angaben bis 2005 nach Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 186; Angaben für 2009 Webseite von Bündnis 90/Die Grünen
    33. a b c Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 100.
    34. Bundeswahlleiter: Durchschnittsalter der Mitglieder des Deutschen Bundestages nach Parteien, (PDF, 5 KB)
    35. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 104.
    36. bpb.de: Dossier Parteien, Mitgliederzusammensetzung Die Linke
    37. a b c d e Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 179.
    38. a b c d Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 180.
    39. a b Matthias Jung, Andrea Wolf: Regierungswechsel ohne Wechselstimmung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (51/2009).
    40. Infratest dimap für die ARD auf der Grundlage von rund 1000 Befragten Anfang Februar 2005
    41. a b Joachim Raschke / Christoph Hohlfeld: Bündnis 90/Die Grünen in: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 5., aktual. Aufl. Opladen: Leske+Budrich 2003. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2003, S. 40–43.
    42. Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 178f.
    43. Bundeswahlleiter.de: Endgültiges Ergebnis in den neuen Ländern ohne Berlin-Ost, (PDF, 10 KB); Endgültiges Ergebnis im früheren Bundesgebiet ohne Berlin-West, (PDF, 10 KB).
    44. a b Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 117.
    45. Alle Angaben über Wählerwanderungen bei der Bundestagswahl 2009 nach Infratest dimap bei www.tagesschau.de
    46. Alle Angaben über Wählerwanderungen bei der Bundestagswahl 2005 nach Infratest dimap bei www.tagesschau.de
    47. Grüne-Partei.de: Frauenstatut (PDF 55kB)
    48. a b c Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 185.
    49. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 95.
    50. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 92.
    51. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 94.
    52. Klein/Falter: Der lange Weg der Grünen, München 2003, S. 96.
    53. Organigramm Bündnis 90/Die Grünen (PDF 56kB)
    54. Alle Angaben über Mitgliedszahlen der Landesverbände 2008: Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Parteien. Mitgliederverteilung nach Bundesländern.
    55. Grüne.de: Bundesdelegiertenkonferenz – Zusammensetzung
    56. Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 184
    57. Grüne.de: FAQ der Bundespartei
    58. Lothar Probst: Bündnis 90/Die Grünen, in: Handbuch der deutschen Parteien, herausgegeben von Frank Decker und Viola Neu, Wiesbaden 2007, S. 184.
    59. Grüne-Bundestag.de: Arbeitskreise
    60. Grüne.de: Bundesfrauenrat
    61. Grüne-Partei.de: STATUT der Bundesarbeitsgemeinschaften von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (PDF 50kB)
    62. Grüne-Bag.de: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fachbereiche und Bundesarbeitsgemeinschaften
    63. Matthias Stolz: Grüne Bürgermeister, Die Zeit, 17. September 2009
    64. Böll.de: Heinrich Böll Stiftung – Die grüne politische Stiftung: Struktur
    65. Böll.de: Heinrich Böll Stiftung – Die grüne politische Stiftung: Über Uns
    66. Grüne-Partei.de: Finanzbericht 2008, S. 3. (PDF 96kB)
    67. Alle Angaben für 2008 aus Grüne-Partei.de: Finanzbericht 2008 (PDF 96kB)

    1. S. 15.
    2. S. 32.
    3. S. 136 f.
    4. S. 141.
    5. S. 137 f.
    6. S. 60.
    7. S. 24, 32 f. u.ö.
    8. S. 24 ff.
    9. S. 74
    10. a b S. 33
    11. a b c S. 34
    12. S. 43 ff.
    13. S. 39 ff.
    14. S. 41
    15. S. 42
    16. S. 49
    17. S. 58
    18. S. 48 f.
    19. S. 60 f.
    20. S. 65 ff.
    21. S. 68.
    22. S. 56, 67.
    23. S. 127.
    24. a b S. 56
    25. S. 56, 70 ff.
    26. a b S. 72
    27. a b S. 73
    28. a b S. 74
    29. S. 36.
    30. S. 21.
    31. S. 91 ff.
    32. a b S. 92 f.
    33. S. 15, 99 ff.
    34. a b c S. 101
    35. S. 102.
    36. S. 106.
    37. a b S. 107.
    38. S. 109.
    39. a b S. 125
    40. S. 128
    41. S. 129
    42. S. 138
    43. S. 142 ff.
    44. S. 148
    45. a b S. 168
    46. S. 195 ff.
    47. S. 109, 197f.
    48. S. 49.
    49. S. 169.
    50. S. 27 ff., 37.
    51. S. 50 ff.
    52. S. 51.
    53. S. 52 f.
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