„Rabbinerseminar Wilna“ – Versionsunterschied

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=== Unter Nikolaus I. ===
=== Unter Nikolaus I. ===
Um die jüdische Bildungsreformvorgaben von Zar Nikolaus im Jahre 1845 umzusetzen, entwickelten jüdische Gelehrte die Idee von Rabbiner- und Lehrerseminaren, mussten aber für die Leitung einen vom Staat vorgegebenen christlichen Inspektoren und offizielle Lehrbücher hinnehmen.<ref>{{Literatur |Autor=Svetlana Bogojavļenska|Titel=Die jüdische Gesellschaft in Kurland und Riga 1795-1915 |Verlag=Ferdinand Schöningh |Ort= |Datum=2012|ISBN=9783506771285 |Online=https://books.google.de/books?id=K0LsAwAAQBAJ&newbks=1&newbks_redir=0&lpg=PA40&dq=Rabbinerseminar%20wilna%20Sabbat%20schule%201861&hl=de&pg=PA39#v=onepage&q&f=false | Fundstelle=S. 39 bis S. 40}}</ref> Der Experte für jüdische Angelegenheiten im Bildungsministerium Russlands, der Gelehrte (maskil) Leon Aryeh Loeb Mandelstam (1819–1889), vermittelte in den ersten 10 Jahren (1847–1857) des Bestehens des Seminars zwischen Regierung und den Lehrern und organisierte die Produktion von Seminarlehrbüchern.<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Auch, Trude Maurer|Titel=Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich|Verlag=Harrassowitz|Ort= |Datum=2000|ISBN=9783447043380|Online=https://books.google.de/books?id=7x1GV_KDhKIC&newbks=1&newbks_redir=0&lpg=PA75&dq=Rabbinerseminar%20Wilna&hl=de&pg=PA79#v=onepage&q&f=false | Fundstelle=S. 79}}</ref>
Um die jüdische Bildungsreformvorgaben von Zar Nikolaus im Jahre 1845 umzusetzen, entwickelten jüdische Gelehrte die Idee von Rabbiner- und Lehrerseminaren, mussten aber für die Leitung einen vom Staat vorgegebenen christlichen Inspektoren und offizielle Lehrbücher hinnehmen.<ref>{{Literatur |Autor=Svetlana Bogojavļenska|Titel=Die jüdische Gesellschaft in Kurland und Riga 1795-1915 |Verlag=Ferdinand Schöningh |Ort= |Datum=2012|ISBN=9783506771285 |Online=https://books.google.de/books?id=K0LsAwAAQBAJ&pg=PA39&dq=Rabbinerseminar%20wilna%20Sabbat%20schule%201861 | Fundstelle=S. 39 bis S. 40}}</ref> Der Experte für jüdische Angelegenheiten im Bildungsministerium Russlands, der Gelehrte (maskil) Leon Aryeh Loeb Mandelstam (1819–1889), vermittelte in den ersten 10 Jahren (1847–1857) des Bestehens des Seminars zwischen Regierung und den Lehrern und organisierte die Produktion von Seminarlehrbüchern.<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Auch, Trude Maurer|Titel=Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich|Verlag=Harrassowitz|Ort= |Datum=2000|ISBN=9783447043380|Online=https://books.google.de/books?id=7x1GV_KDhKIC&pg=PA79&dq=Rabbinerseminar%20Wilna | Fundstelle=S. 79}}</ref>


Zeitweise gab es auch aufgeschlossene traditionelle Rabbiner und Lehrer unter den Gründern der Seminare, die beabsichtigten, die vom Staat oder von radikalen jüdischen Reformern diktierten Veränderungen vorherzusehen und zu moderieren, stießen dabei aber auf Kritik und Misstrauen in den eigenen Reihen.
Zeitweise gab es auch aufgeschlossene traditionelle Rabbiner und Lehrer unter den Gründern der Seminare, die beabsichtigten, die vom Staat oder von radikalen jüdischen Reformern diktierten Veränderungen vorherzusehen und zu moderieren, stießen dabei aber auf Kritik und Misstrauen in den eigenen Reihen.
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Unter der Schirmherrschaft des Geschäftsmannes Aharon Lebenson umfasste das Seminar in Wilna ein Kulturzentrum mit einer Bibliothek, einer [[Sabbat]]schule, einem Waisenhaus und einem Hilfsfonds.
Unter der Schirmherrschaft des Geschäftsmannes Aharon Lebenson umfasste das Seminar in Wilna ein Kulturzentrum mit einer Bibliothek, einer [[Sabbat]]schule, einem Waisenhaus und einem Hilfsfonds.


Ab dem Jahre 1861 verfassten die Schüler und Lehrer des Seminars wöchentlich eine russische Beilage zur hebräischen Zeitschrift Ha-Kermal.<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Auch, Trude Maurer|Titel=Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich|Verlag=Harrassowitz|Ort= |Datum=2000|ISBN=9783447043380|Online=https://books.google.de/books?id=7x1GV_KDhKIC&newbks=1&newbks_redir=0&lpg=PA75&dq=Rabbinerseminar%20Wilna&hl=de&pg=PA75#v=onepage&q&f=false | Fundstelle=S. 75}}</ref>
Ab dem Jahre 1861 verfassten die Schüler und Lehrer des Seminars wöchentlich eine russische Beilage zur hebräischen Zeitschrift Ha-Kermal.<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Auch, Trude Maurer|Titel=Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich|Verlag=Harrassowitz|Ort= |Datum=2000|ISBN=9783447043380|Online=https://books.google.de/books?id=7x1GV_KDhKIC&pg=PA75&dq=Rabbinerseminar%20Wilna | Fundstelle=S. 75}}</ref>


Das Rabbinerseminar hatten ihre Funktion der [[Akkulturation]] der jüdischen Bevölkerung erfüllt. Die russische Regierung empfand sie in dieser frühen revolutionären Periode als immer mehr politisch riskant.
Das Rabbinerseminar hatten ihre Funktion der [[Akkulturation]] der jüdischen Bevölkerung erfüllt. Die russische Regierung empfand sie in dieser frühen revolutionären Periode als immer mehr politisch riskant.

Version vom 11. September 2022, 21:26 Uhr

Tyszkiewicz-Palast Vilnius

Das Rabbinerseminar in Wilna war ein staatlich gefördertes und verwaltetes Seminar zu Zeiten des Russischen Zarenreiches von Nikolaus I. und Alexander II. in Wilna (heute Vilnius Hauptstadt von Litauen) und wurde gleichzeitig mit dem Rabbinerseminar Schitomir im Jahre 1847 gegründet. Es befand sich in der Nähe der Altstadt, gegenüber dem Tyszkiewicz-Palast, in einem gemieteten Gebäude. Das Rabbinerseminar bestanden von 1847 bis 1873 und bildeten Lehrer und Rabbiner für den Staatsdienst aus und gehörte zu einer der ersten höheren jüdischen staatlichen Schulen.

Geschichte des Seminars

Gouvernement Wilna (1897)

Unter Nikolaus I.

Um die jüdische Bildungsreformvorgaben von Zar Nikolaus im Jahre 1845 umzusetzen, entwickelten jüdische Gelehrte die Idee von Rabbiner- und Lehrerseminaren, mussten aber für die Leitung einen vom Staat vorgegebenen christlichen Inspektoren und offizielle Lehrbücher hinnehmen.[1] Der Experte für jüdische Angelegenheiten im Bildungsministerium Russlands, der Gelehrte (maskil) Leon Aryeh Loeb Mandelstam (1819–1889), vermittelte in den ersten 10 Jahren (1847–1857) des Bestehens des Seminars zwischen Regierung und den Lehrern und organisierte die Produktion von Seminarlehrbüchern.[2]

Zeitweise gab es auch aufgeschlossene traditionelle Rabbiner und Lehrer unter den Gründern der Seminare, die beabsichtigten, die vom Staat oder von radikalen jüdischen Reformern diktierten Veränderungen vorherzusehen und zu moderieren, stießen dabei aber auf Kritik und Misstrauen in den eigenen Reihen.

Das im Ansiedlungsrayon liegende Gouvernement Wilna hatte einen 12 bis 14-prozentigen jüdischen Bevölkerungsanteil. Im Gebiet von Wilna wurde polnisch und jidisch gesprochen. Die Regierung deklarierte Russisch als die offizielle Unterrichtssprache für jüdische Schulen, aber die Unkenntnis dieser Sprache bedeutete, dass Deutsch bis zur erzwungenen Integrationspolitik nach dem polnischen Januaraufstand von 1863 verwendet wurde.

Zur Eröffnung der Schule 1847 gab es 63 Schüler, Ende der 1850er Jahre waren es 300 und in den 1860er Jahren 400 Einschreibungen.

Sekundarschullehrer unterrichteten Allgemeinbildung und renommierte jüdischen Aufklärer (Maskilim) wie Shemu'el Yosef Fuenn (1818–1890), Abraham Dob Lebensohn, Tsevi Hirsh Katzenellenbogen (1796–1868), Yehudah Idel Shereshevskii, Kalman Schulmann, Tsevi Hirsh Klaczko und Wolf Tugenhold (1797–1864) unterrichteten jüdische Fächer.

Unter Alexander II.

Im Jahre 1856 genossen die Absolventen des Seminars neue Privilegien wie, Ortsfreiheit, Anerkennung ihrer Diplome an Universitäten und Zulassung zum öffentlichen Dienst für jüdische Akademiker ab dem Jahre 1861.

Unter der Schirmherrschaft des Geschäftsmannes Aharon Lebenson umfasste das Seminar in Wilna ein Kulturzentrum mit einer Bibliothek, einer Sabbatschule, einem Waisenhaus und einem Hilfsfonds.

Ab dem Jahre 1861 verfassten die Schüler und Lehrer des Seminars wöchentlich eine russische Beilage zur hebräischen Zeitschrift Ha-Kermal.[3]

Das Rabbinerseminar hatten ihre Funktion der Akkulturation der jüdischen Bevölkerung erfüllt. Die russische Regierung empfand sie in dieser frühen revolutionären Periode als immer mehr politisch riskant.

Im Jahre 1873, nach der Änderung der Staatspolitik gegenüber Polen und mit dem Stopp der Bildungsreform unter dem Bildungsminister Graf Dmitri Andrejewitsch Tolstoi, wurden die Seminare in Wilna und Schitomir in jüdische Lehrerausbildungsinstitute umgewandelt.

Das Hauptaugenmerk der Einrichtung lag auf der Philologie und brachte eine neue jüdisch russische Elite hervor.

Die Regeln

Das Seminar nahm Jungen ab dem Alter von 10 Jahren auf, sowohl zahlende Schüler als auch Stipendiaten, wobei Lehrerkinder, Waisen und Arme bevorzugt wurden. Die Unterbringung erfolgte im Internat unter christlicher Leitung. Die Kapazität des schuleigenen Wohnheims umfasste 65 Plätze. Von den Schülern wurde eine doppelte Loyalität, gegenüber dem Staat, den jüdischen Traditionen und der jüdischen Religion, gefordert. Es wurde eine Schuluniform mit Schirmmütze getragen.

Die Schüler erhielten einen siebenjährige jüdische und allgemeine Sekundarschulausbildung, gemäß den Grundsätzen der Haskala, einschließlich traditioneller jüdischer Bildungselemente, wie Bibelstudien, Talmud, Ethik, jüdisches Recht, jüdische Geschichte sowie aramäische und hebräische Sprache und Literatur. Zur allgemeineen Ausbildung zählten russische Geschichte, russische Sprache, Geometrie, Astronomie, Algebra, Trigonometrie, Weltgeschichte, Handschrift, Zeichnen und Geographie.

Zum Abschluss der Ausbildung folgte entweder eine einjährige Lehrerausbildung oder eine zweijährige Ausbildung für das Rabbinat. Die Stipendiaten waren verpflichtet, für einen obligatorischen Zeitraum von 6–10 Jahren zu unterrichten.[4]

Initiatoren des Rabbinerseminars Wilna

Lehrer (Auswahl)

Bekannte Absolventen (Auswahl)

  • Abraham Drabkin (1844–1917), Rabbiner in Sankt Petersburg
  • Salomon Mandelkern (1846–1902), jüdischer neuhebräischer Dichter, Philologe, Jurist, Übersetzer, Hebraist, Kabbalist, Talmudist, Sprachlehrer, Bibelwissenschaftler, Philosoph, Dolmetscher, Lexikograf, Rabbiner und Schriftsteller
  • Abraham Harkavy (1835–1919), jüdischer Historiker und Orientalist
  • Aron Pumpjanskij (1835–1893), Rabbiner in Riga
  • Zelik Kushelevich (Solomon Alexeevich) Minor (1829–1900), Rabbiner in Moskau
  • Solomon (Shelomoh) Pucher (1829–1899), Rabbiner in Riga
  • Adolph Landau (1842–1902), Erzieher und Journalist
  • Lev Katzenellenbogen
  • Chaim Lev Katzenellenbogen (1814–1876)
  • Nicolai Ignattyevich Bakst (1842–1904), Professor für Medizin
  • Osip Ignattyevich Bakst (1834–1895), Übersetzer, Verleger und Revolutionär
  • Vladimir Harkavi (1846–1912), Jurist
  • Michail Morgulis (1837–1912), Anwalt in Odessa
  • Mikhail (Michail Ignatyevitch) Kulisher (1847–1919), Anwalt, Ethnograph und Journalist

Einzelnachweise

  1. Svetlana Bogojavļenska: Die jüdische Gesellschaft in Kurland und Riga 1795-1915. Ferdinand Schöningh, 2012, ISBN 978-3-506-77128-5, S. 39 bis S. 40 (google.de).
  2. Eva-Maria Auch, Trude Maurer: Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich. Harrassowitz, 2000, ISBN 978-3-447-04338-0, S. 79 (google.de).
  3. Eva-Maria Auch, Trude Maurer: Leben in zwei Kulturen Akkulturation und Selbstbehauptung von Nichtrussen im Zarenreich. Harrassowitz, 2000, ISBN 978-3-447-04338-0, S. 75 (google.de).
  4. Verena Dohrn: Seminary (en). yivoencyclopedia.org, 1997, abgerufen am 10. September 2022.