Gaudeamus igitur

Gaudeamus igitur (lat. „Lasst uns also fröhlich sein!“), auch bekannt unter dem Titel De brevitate vitae (lat. „Über die Kürze des Lebens“), ist ein Studentenlied mit lateinischem Text und gilt als das berühmteste traditionelle Studentenlied der Welt. Es ist in vielen Ländern Europas, in der angelsächsischen Welt sowie in Teilen Asiens und Lateinamerikas bekannt. Teilweise gibt es in den Ländern auch Übersetzungen in die jeweilige Landessprache. So gibt es auch seit dem 18. Jahrhundert verschiedene deutschsprachige Versionen.

Die ersten Textspuren dieses Liedes finden sich im Mittelalter. In den nächsten Jahrhunderten tauchen weitere Hinweise auf dieses Lied in der Literatur auf, die vermuten lassen, dass zumindest Textpassagen über einen langen Zeitraum hinweg in der mündlichen Überlieferung weitergetragen worden sein müssen. Literarisch von Christian Wilhelm Kindleben bearbeitet erscheint der Text im ersten gedruckten studentischen Liederbuch von 1781 und wird im 19. Jahrhundert zu einem prominenten Bestandteil studentischer Liederbücher im deutschsprachigen Raum, aber auch in anderen Ländern.

Die Melodie erscheint 1788 erstmals im Druck und wird seitdem fest mit dem Text Gaudeamus igitur verknüpft. Text und Melodie bilden heute eine Einheit und erfreuen sich hoher Wertschätzung.

„Gaudeamus igitur“ mit Noten in einem Kommersbuch aus der Zeit um 1900

Liedtext

Wortlaut lateinisch/deutsch

Lateinisches Original

(Kindleben, 1781)

Moderne deutsche Übersetzung

(Wikipedia)

Deutsche Nachdichtung
Kindlebens Übersetzung
vervollständigt und verbessert
in Auswahl guter Trinklieder,
2. Aufl. Halle 1795
|: GAUDEAMUS IGITUR
IUVENES DUM SUMUS :|
POST IUCUNDAM IUVENTUTEM,
POST MOLESTAM SENECTUTEM,
|: NOS HABEBIT HUMUS! :|
Wir wollen also fröhlich sein,
solange wir noch junge Leute sind.
Nach fröhlicher Jugend,
nach beschwerlichem Alter
wird uns die Erde haben.
Laßt uns, weil wir jung noch sind,
Uns des Lebens freuen!
Denn wir kommen doch geschwind
Wie ein Pfeil durch Luft und Wind
Zu der Todten Reihen.
|: UBI SUNT QUI ANTE NOS
IN MUNDO FUERE? :|
VADITE AD SUPEROS
TRANSITE AD INFEROS
|: UBI IAM FUERE? :|
Wo sind jene, die vor uns
auf der Welt gewesen sind?
Geht hinauf ins Himmelreich,
steigt hinunter in die Hölle,
dort wo sie schon angekommen sind.
Sagt mir doch, wo trifft man an,
Die vor uns gewesen?
Schwingt euch auf zur Sternenbahn,
Geht hinab zu Charons Kahn,
Wo sie längst gewesen!
|: VITA NOSTRA BREVIS EST,
BREVI FINIETUR, :|
VENIT MORS VELOCITER,
RAPIT NOS ATROCITER
|: NEMINI PARCETUR! :|
Unser Leben ist kurz,
in Kürze wird es vorüber sein,
der Tod kommt schnell
rafft uns grausam hinweg,
niemand wird verschont werden.
Kurz ist unsre Lebenszeit,
Sie vergeht geschwinde;
Unter Sorgen, Müh’ und Streit
Schwindet Jugend=Fröhlichkeit,
Wie der Rauch vom Winde.
|: VIVAT ACADEMIA,
VIVANT PROFFESSORES! :|
VIVAT MEMBRUM QUODLIBET,
VIVANT MEMBRA QUAELIBET,
|: SEMPER SINT IN FLORE! :|
Es lebe die Akademie,
es leben die Professoren,
es lebe jedes Mitglied
es leben alle Mitglieder.
Sie sollen immer in Blüte stehen!
Blüh’, du edler Musenthron,
Blühet auch, ihr Lehrer!
Jedem braven Musensohn
Werde Ehr’ und Glück zum Lohn,
Ihm, der Weisheit Hörer!
|: VIVANT OMNES VIRGINES
FACILES, FORMOSAE, :|
VIVANT ET MULIERES,
TENERAE AMABILES,
|: BONAE, LABORIOSAE :|
Es leben alle Mädchen,
die leichtlebigen und hübschen,
es leben auch die Frauen,
die zarten, liebenswerten,
die guten und fleißigen.
Hübsche Mädchen sollen hoch
Gleich den Weibern leben!
Die uns hold sind und sich Müh
In der Wirthschaft spät und früh
Uns zu dienen geben.
|: VIVAT ET RES PUBLICA,
ET QUI ILLAM REGIT! :|
VIVANT NOSTRA CIVITAS,
MAECENATUM CARITAS,
|: QUAE NOS HIC PROTEGIT! :|
Es lebe auch der Staat
und wer ihn regiert,
es lebe unsere (Universitäts-)Stadt,
die Fürsorge der Mäzene,
die uns hier beschützt.
Staat und Städtchen sei beglückt,
Auch der Landesvater!
Vivat wer uns Nummos schickt,
Wenn die Schuldenlast uns drückt,
Vivat Freund und Rather!
|: PEREAT TRISTITIA
PEREANT OSORES :|
PEREAT DIABOLUS
QUIVIS ANTIBURSCHIUS
|: ATQUE IRRISORES :|
Nieder mit der Traurigkeit
nieder mit den Hassern,
nieder mit dem Teufel,
mit jedem Feind der Burschen
und mit allen Spöttern!
Gram und Sorgen, fliehet jetzt!
Sterbet, Burschenfeinde!
Pereat wer uns verpetzt,
Uns belächelt und verhetzt
Mit dem besten Freunde!

Worterklärungen

  • Musenthron, Musensohn: Die Musen galten in der Antike als die Beschützerinnen von Kunst und Wissenschaft, deshalb wurde der Student im 18. Jahrhundert als Musensohn bezeichnet, analog ist der Musenthron die Universität und die Musenstadt die Universitätsstadt.
  • Nummos: Akkusativ Plural von lat. nummus, „die Münze“, hier im Sinne von „Geld“, „finanzielle Unterstützung“.
  • Vivat, pereat, : Vor allem in der Frühen Neuzeit verwendete Hoch- bzw. Schmährufe. Vivat ist im Lateinischen die 3. Person Singular, Konjunktiv, Präsens, Aktiv von vivere, „leben“, also übersetzt „er möge leben!“, pereat die gleiche grammatische Form von lat. perire, „untergehen“; Pereat war im 18. Jahrhundert bei Studenten auch eine beliebte Provokation zu einem Rencontre, einem spontanen Duell mit Fechtwaffen.
  • Bursche: Von lat. bursarius, „Bewohner einer Burse“, im 18. Jahrhundert allgemein übliche Bezeichnung für einen Studenten.

Überlieferungsgeschichte

Spuren im Mittelalter

Die älteste überlieferte Fassung des Liedtextes findet sich in einem einstimmigen Conductus mit dem Titel Scribere proposui, der in einem Manuskript aus dem Jahre 1267 in der Bibliothèque Nationale in Paris erhalten ist. Diese Manuskript wurde vermutlich in England geschrieben und enthält mehrere französische Texte sowie einige Blätter mit Liedern, wohl englische Kompositionen.[1] In dem Stück Scribere proposui erscheinen zwei Strophen, die den Textstellen aus der heute bekannten Version entsprechen. Jedoch enthält das mittelalterliche Manuskript die Worte Gaudeamus igitur nicht, auch die erste Strophe kommt nicht vor. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die im Manuskript wiedergegebene Melodie, die von der heute gesungenen völlig unterschiedlich ist.

Scribere proposui
(Auszug)
Moderne Übersetzung
[. . .]
[. . .]
II
Vita brevis, brevitas in brevi finietur;
mors venit velociter et neminem veretur;
omnia mors perimit et nulli miseretur.
Surge, surge, vigila, semper esto paratus!
II
Das Leben ist kurz, seine Kürze wird in kurzer Zeit beendet sein;
Der Tod kommt schnell und hat vor niemandem Respekt;
alles vernichtet der Tod und hat mit niemandem Erbarmen.
Steh auf, steh auf, sei wachsam, sei allzeit bereit!
[. . .]
[. . .]
IV
Ubi sunt, qui ante nos in hoc mundo fuere?
Venies ad tumulos, si eos vis videre:
Cineres et vermes sunt, carnes computruere.
Surge, surge, vigila, semper esto paratus!
IV
Wo sind sie, die vor uns in dieser Welt waren?
Komm zu den Gräbern, wenn du sie sehen willst:
Asche sind sie und Gewürm, ihr Fleisch ist verfault.
Steh auf, steh auf, sei wachsam, sei allzeit bereit!


Die Frage in der vierten Strophe ist ein verbreitetes Motiv der mittelalterlichen Dichtung, wenn es um die Vergänglichkeit des Lebens geht. Siehe dazu auch: Ubi sunt.

Spuren in der Frühen Neuzeit

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb in seiner Abhandlung über das Lied Gaudeamus igitur aus dem Jahre 1872, er habe „in einer Handschrift des 16. Jahrhunderts“ ein Spottlied auf die Heirat von Martin Luther im Jahre 1525 gefunden, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit Gaudeamus igitur aufgewiesen habe. Dieser Beleg lässt sich heute jedoch nicht mehr nachvollziehen. Die erste Strophe dieses 54 Zeilen langen Liedes soll gelautet haben:

Gaudeamus cum iubilo
Dulces Lutheriaci
Noster pater hic Lutherus
Nostre legis dux sincerus
Nuptam ducit hodie

Eine deutsche Version des Liedes wurde vermutlich 1717 von Johann Christian Günther unter dem Namen „Brüder lasst uns lustig sein“ verfasst und ohne Musik abgedruckt in Sammlung von Johann Christian Günther (Frankfurt und Leipzig 1730). Die erste Strophe dieses Liedes lautet:

Brüder, laßt uns lustig sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret;
Grab und Bahre warten nicht;
Wer die Rosen jetzo bricht,
Dem ist der Kranz bescheret.

Die älteste Version des lateinisch geschriebenen Textes, der der heutigen zumindest ähnlich ist, steht in einem handschriftlich verfassten Studentengesangbuch, das zwischen 1723 und 1750 verfasst wurde. Das Buch befindet sich heute in der Westdeutschen Bibliothek in Marburg.

Das erste Mal im Druck

Studentenlieder – Titelblatt des ersten gedruckten Studentenliederbuchs Deutschlands von 1781, das den ersten Beleg für die heute gebräuchliche Fassung von Gaudeamus igitur enthält

Die heute gebräuchlichste Fassung des Gaudeamus igitur ist die aus Christian Wilhelm Kindlebens Buch Studentenlieder, erschienen in Halle (Saale) im Jahre 1781, in der auch eine Übersetzung beigegeben wurde. Kindleben gab selbst an, deutliche Veränderungen am mündlich überlieferten Text vorgenommen zu haben. Er schrieb dazu in seinem Liederbuch:

Ich habe mich genöthigt gesehen, dieses alte Burschenlied umzuschmelzen, weil die Poesie, wie in den meisten Liedern dieser Art, sehr schlecht war; indeß hat es doch ziemlich sein antikes Ansehen behalten, obgleich einige Verse ganz weggelassen sind, wodurch der Wohlstand beleidigt wurde, und welche nach den akademischen Gesetzen nicht öffentlich abgesungen werden dürfen.

Offensichtlich war das mündlich tradierte studentische Liedgut im 18. Jahrhundert noch von burlesken bis obszönen Inhalten geprägt, die Kindleben dazu veranlasst haben, den Text für eine Veröffentlichung im Druck anzupassen und von allen anstößigen Passagen zu bereinigen. Er versuchte damit, einer erwarteten Zensur zuvorzukommen, hatte aber offensichtlich die Empörung unterschätzt, die eine Veröffentlichung der damaligen studentischen Underground-Literatur auslöste. Zudem publizierte Kindleben gleichzeitig auch noch sein Studentenlexicon, das sich mit der Erläuterung der zeitgenössischen Studentensprache befasste.

Kindleben hatte in Halle Theologie studiert und führte danach ein unstetes Literatenleben mit wechselnden Anstellungen in verschiedenen Städten. Mit seinen literarischen Publikationen machte er sich teilweise unbeliebt. Sein Lebensweise galt als für einen Theologen zu anstößig.

Mit diesen beiden Veröffentlichungen seiner Studentenlieder und seines Studentenlexicons, die er bei einem Aufenthalt in seiner alten Universitätsstadt Halle herausgab, überfordete er offensichtlich die Toleranz seiner Zeitgenossen. Der Prorektor der Universität Halle ließ ihn aus der Stadt ausweisen und die Auflage der beiden Werke beschlagnahmen. Heute sind nur noch wenige Exemplare im Original erhalten.

Die heute gesungene Melodie von Gaudeamus igitur erschien im Jahre 1788 zum ersten Mal im Druck, und zwar in dem Buch Lieder für Freunde der geselligen Runde, herausgegeben in Leipzig. Hier begleitet die Melodie allerdings den deutschen Text Brüder lasst uns lustig sein. Die Melodie wurde dann analog auf den lateinischen Text übertragen. Musik und lateinischer Text bildeten in der Folgezeit eine unlösbare Einheit, so das der Melodie seitdem die gleiche Bedeutung wie dem Text beigemessen wird.

Versuch der Modernisierung in den Befreiungskriegen

In den Jahren von 1813 bis 1815 gab es verschiedene Ansätze, das alte Lied durch ein „zeitgemäßeres“ zu ersetzen. Die Zeit der Befreiungskriege bewegte die Menschen, die nach einem Ausdruck für die Empfindungen der Zeit suchten. Das Lied aus dem 18. Jahrhundert erschien im Angesicht der dringlichen Probleme der Zeit als altbacken und überholt. Die bekannteste dieser neuen Versionen von Gaudeamus igitur stammte vom Leipziger Professor Wilhelm Traugott Krug, der seine Dichtung nach dem Erhalt der Nachricht vom Brande Moskaus 1812, der ersten großen Niederlage Napoleons, verfasste. In seinem Buch Meine Lebensreise, Leipzig 1825, berichtet er auf Seite 178:

Das Erste, was ich nun that, war, daß ich meine alte, schon halb verrostete Leier von der Wand nahm, um meiner von allerlei Gefühlen überströmenden Seele in folgendem Doppel=Liedlein Luft zu machen.

Nach dem Abdruck beider Texte, lateinisch und deutsch, fuhr er fort:

Dieses Gedicht durfte natürlich damal noch nicht gedruckt, viel weniger unter meinem Namen ausgegeben werden. Es lief nur namenlos in einzelnen Abschriften um. Denn die Franzosen herrschten noch bis zum Frühjahr 1813 in Leipzig. – Die Franzosen kannten meine Gesinnungen. – Sie hätten mich todt geschossen, wenn sie gewußt hätten, daß ich Verfasser jenes Gedichts war.


Lateinische FassungDeutsche Fassung
GAUDEAMUS IGITUR,
JUVENES GERMANI!
ECCE GALLI COLLAUDATI
PETUNT RHENUM PROFLIGATI,
FUGIUNT VESANI!
Juble, Deutschlands junge Brut
Laß die Freude tosen!
Sieh die ruhmbedeckten Franzen,
Wie sie nach dem Rheine tanzen
Ohne Waff’ und Hosen!
UBI SUNT, QUI ANTEA
MAGNOS SE DIXERE?
ADEAS PYRENIDEM,
TRANSEAS BORYSTHENEM,
SI CUPIS VIDERE!
Sagt, wo sind, die vormals sich
Große Namen gaben?
Geh’ ins Pyreneenland,
An des Dniepers blut’gen Strand,
Dort sind sie begraben!
DEOS IUSTOS PROTEGIT
MORANS QUAMVIS ANNOS;
IMPIIS IRASCITUR,
AC FUNESTA SEQUITUR
NEMESIS TYRANNOS.
Gott beschützt, wie lang’ er weilt,
Die gerechte Sache;
Endlich trifft des Frevels Lohn
Selbst Tyrannen auf dem Thron,
Furchtbar ist die Rache.
VIGEAT GERMANIA!
AUSTRI REGNA VIVANT!
VIGEAT RUTHENIA!
VIGEAT BORUSSIA!
SAXONESQUE VIVANT!
Blühe auf, Germania!
Oesterreich soll leben!
Blühe auf, Ruthenia!
Blühe auf, Borussia!
Sachsen auch soll leben!
PEREANT QUI CONTRA FAS
REGNANT UT LEONES,
LIBERTATIS OPPRESSORES,
TERRARUMQUE VASTATORES,
PEREANT LATRONES!
Wer, wie Löwen, ohne Recht
Herrschen will, soll sterben!
Wer die Freiheit will erdrücken,
Wer die Völker will berücken,
Stürze ins Verderben!
VITA NOSTRA BREVIS EST,
BREVI FINIETUR;
VENIT MORS ATROCITER,
RAPIT NOS VELOCITER,
NEMINI PARCETUR.
Unser Leben währet kurz,
Bald ist’s hingeschwunden;
Unerbittlich kommt der Tod,
Raubt uns durch sein Machtgebot,
Keinem mag er stunden.
MORIAMUR IGITUR
FORTES BELLATORES:
MORIENS PRO PATRIA
SUMMA CARPET GAUDIA,
SUMMOS ET LABORES.
Drum so laßt als Helden uns
Tapfer kämpfend sterben!
Wer für’s Vaterland im Streit
Freudig sich dem Tode weiht,
Muß den Himmel erben.

Der Siegeszug des Originalliedes

C. W. Allers, Das deutsche Corpsleben, Beim Gesang, 1902

Diese und weitere „Modernisierungen“ konnten sich – vermutlich aufgrund ihrer aktuellen Zeitbezüge – nicht langfristig durchsetzen und gerieten in Vergessenheit. Der lateinische Text von Kindleben beruhte auf einer jahrhundertelangen mündlichen Überlieferung und war deshalb zeitloser. Er wurde mit nur geringfügigen Änderungen im 19. Jahrhundert in die neu entstehenden Kommersbücher übernommen, die nun als Liederbücher auf der studentischen Kneipe verwendet wurden. So im Tübinger Commersbuch von 1813, im Neuen Allgemeinen Commersbuch von Halle aus dem Jahre 1816 und im Berliner Commersbuch von 1817.

Das Lied wurde nicht nur zum festen Bestandteil des Liederkanons deutscher Studenten (Allgemeines Deutsches Kommersbuch), sondern erfreute sich aufgrund seines Alters auch einer außerordentlichen Wertschätzung.

Als Johannes Brahms von der Universität Breslau den Ehrendoktortitel verliehen bekam, komponierte er aus diesem Anlass die im Jahre 1881 uraufgeführte Akademische Festouvertüre op. 80, in der er die Motive verschiedener Studentenlieder anklingen ließ. Das Melodiezitat von Gaudeamus igitur bildete dabei den krönenden Abschluss im Finale.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es auch vereinzelte Neudichtungen und Neukompositonen, in denen jeder Strophe des lateinischen Liedes eine neue Strophe in deutscher Sprache mit einer neuen Melodie vorangesetzt wurde. Diese neuen Texte sollten die alten Strophen aktualisieren und in das Licht einer neuen Zeit stellen.

So verfassten zum Beispiel im Jahre 1885 Adolf Katsch (Text) und Adolf Schlieben (Melodie) eine Erweiterung des Liedes mit dem Titel Hundert Semester. Der Inhalt des neuen Liedes handelt von einem alten Akademiker, der sich am Morgen seines 70. Geburtstages, also nach hundert Semestern, an seine Studentenzeit erinnert, indem er sich die einzelnen Aspekte des Studentenlebens anhand des lateinischen Liedes vor Augen führt. Gaudeamus igitur wird darin gepriesen als „das Lied der Lieder“. Auch diese Erweiterung steht bis heute in den Kommersbüchern und wird weiterhin gesungen. Der Anfang lautet:

Als ich schlummernd lag heut Nacht,
lockten süße Träume
schimmernd in der Jugend Pracht
mich in ferne Räume.
Krasses Füchslein saß ich schlank
In der Kneipe wieder,
Und in vollem Chore klang
Laut das Lied der Lieder:
Gaudeamus igitur,
iuvenes dum sumus …
Lied Hundert Semester von 1885 (Anfang …)
(… Ende) Aus einem Kommersbuch von etwa 1900

Die Popularität der lateinischen Originalversion von Kindleben erstreckte sich auch auf das Ausland. So wurde das Lied im Jahre 1888 anlässlich der 800-Jahrfeier der Universität Bologna zur „Studentenhymne“ erklärt.

Das Lied findet auch noch in modernen Medien wie Film und Fernsehen einen Widerhall. So wird es auch in Filmmusiken eingesetzt. Am Ende der Jules Verne-Verfilmung Die Reise zum Mittelpunkt der Erde (Originaltitel: Journey to the Center of the Earth) (1959) etwa wird der glücklich heimgekehrte Professor Oliver Lindenbrook (James Mason) von den Studenten seiner Universität mit dem Lied Gaudeamus igitur gefeiert.

Die Firma Berentzen hat die Melodie von Gaudeamus igitur für die Fernseh- und Radiowerbung mit dem Text „Komm zu uns, komm raus auf’s Land, hier wird Berentzen gebrannt“ versehen.

Das Lied wird heute vor allem von Studentenverbindungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie in den meisten östlichen und westlichen Nachbarländern gesungen. An der Katholischen Universität Löwen in Belgien ist das Lied offizieller Programmpunkt bei der Eröffnung des Akademischen Jahres, wo es in Gegenwart des Rektors gesungen wird. An einigen US-amerikanischen Universitäten ist das Lied auch bei Examensfeiern zu hören.

Referenzen

  1. Hans Tischler:Another English Motet of the 13th Century. Journal of the American Musicological Society, 1967 (20), S. 274–279, danach handelt es sich um MS Paris, Bibl. Nat. fr 45,408, wo das Stück im Ternio, den f 116–121 erscheint.

Literatur

  • Hoffmann von Fallersleben, Gaudeamus igitur – Eine Studie, Halle 1872 Facsimile online
  • Gaudeamus igitur. Laßt uns fröhlich sein. Historische Studentenlieder, zusammengestellt, bearbeitet und kommentiert von Günter Steiger und Hans-Joachim Ludwig, 1. Auflage Leipzig (DDR) 1986, 3. Auflage, Leipzig (DDR) 1989 [1].
  • Hermann Schauenburg, Moritz Schauenburg (Hrsg.), Allgemeines Deutsches Kommersbuch, Ausgabe D., Morstadt Druck + Verlag, 162. Auflage, Januar 2004 (Erstausgabe 1858), ISBN 3-88571-249-0.
  • Robert Keil, Richard Keil, Deutsche Studenten-Lieder des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, Lahr 1861.
  • Ubi sunt, qui ante nos In mundo fuere? Ausgewählte Lateinische Studenten-, Trink-, Liebes- und andere Lieder des vierzehnten bis achtzehnten Jahrhundertes aus verschiedenen Quellen, mit neudeutschen Uebertragungen, geschichtlicher Einleitung, Erläuterungen, Beigabe und einer Abbildung. Eine literaturgeschichtliche Studie, zugleich ein Liederbuch von Adolf Pernwerth von Bärnstein. Würzburg 1881.
  • Wilhelm Traugott Krug: Meine Lebensreise. In sechs Stazionen zur Belehrung der Jugend und zur Unterhaltung des Alters beschrieben von URCEUS. Nebst Franz Volkmar Reinhard’s Briefen an den Verfasser. Leipzig: Baumgärtner 1825
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