Karl Welunschek

Karl Welunschek (* 26. Mai 1955 in Wien; † 13. oder 14. April 2023 ebenda[1]) war ein österreichischer Theaterregisseur, Bühnenbildner, Theaterintendant und Kurator. Er lebte in Graz, Wien, Berlin und Istanbul.

Leben

Welunschek wuchs als Arbeiterkind von Josefa (geborene Stelzl) und Karl Welunschek senior im bürgerlichen VIII. Wiener Gemeindebezirk zeitweilig in kirchlichen und staatlichen Heimen auf.[2] Die Lehre zum Kunst-, Buch- und Musikalienhändler schloss Welunschek mit Auszeichnung ab. Mit siebzehn Jahren begann er eine Ausbildung an der Schauspielschule Krauss.

Am Schauspielhaus Wien

Für die fünfte Produktion Das letzte Band von Samuel Beckett im Museum für Moderne Kunst mit Robert Hunger-Bühler erhielt Welunschek seine erste Kainz-Medaille.

Das Wiener Ensemble

1987 gründete Welunschek gemeinsam mit Beatrice Frey, Andrea Braunsteiner und Michael Zerz in Anlehnung an Bertolt Brecht das Wiener Ensemble ohne festes Haus.

Unter den Mitwirkenden des Wiener Ensembles finden sich unter anderem Robert Hunger-Bühler, Karl Markovics, Fritz Karl, Julia Stemberger, Toni Böhm oder Wolf Bachofner.

Es folgten Nestroy-Inszenierungen etwa Liebesgeschichten und Heiratssachen im Theater Der Kreis 1992, Der Färber und sein Zwillingsbruder mit dem Wiener Ensemble im Rabenhoftheater (Theater in der Josefstadt) oder etwa Der Talisman im Theater Der Kreis von 1988.

In den 1990er Jahren arbeitete Karl Welunschek vor allem als freier Regisseur im Ausland, wo er unter anderem am Nationaltheater Mannheim, Schauspiel Frankfurt, in Hamburg und Düsseldorf inszenierte. Seine Wege führten ihn auch an die Staatsoper Ankara oder nach Israel, wo er als Kurator für die Wiener Festwochen tätig war.

Welunschek kehrte erst 1999 auf Einladung für eine Inszenierung der Gottfried-von-Einem-Oper nach Nestroys Posse Der Zerrissene nach Österreich zurück.

Rabenhof.THEATER

Unter dem Motto „Wien ist unglaublich geil“ eröffnete Karl Welunschek am 31. Dezember 2000 als künstlerischer Leiter das Rabenhof.THEATER in Wien-Erdberg, das zuvor als Dependance des bürgerlichen Theaters in der Josefstadt wenig Beachtung fand. Ziel sei nicht nur die „Entsittlichung des Volkes“ (Der Standard vom 19. Mai 2001), sondern dem von Welunschek geprägten Trash-Theater Kultstatus zu geben.

Living Museum

Da die ganze Welt eine Inszenierung sei, verlegte Karl Welunschek seine Konzentration von Konzeption und Wiederbelebung musealer Betriebe tatsächlich auf das Museumswesen und arbeitete bis Juli 2007 als Kurator im Stadtmuseum Graz mit dem Verantwortungsschwerpunkt auf der Abteilung Living Museum. Verstanden wird darunter die sinnlich wahrnehmbare und didaktisch vermittelnde Gesamtkonzeption eines Museumsbetriebs und seiner einzelnen Ausstellungen. Ein Erfolg wurde die Ausstellung „MEMORY XS – Eine Ausstellungsinstallation über Wolfgang Bauer“.

Migrant Theatre – Kolektif: Die Neger

2005 gründete Karl Welunschek als künstlerischer Leiter das erste austro-afrikanische Schauspielensemble Collective Les Nègres in Graz. Das Pilotprojekt Les Nègres. Clownerie von Jean Genet hatte als dreisprachige Inszenierung am 23. März 2006 seine Premiere in der Studiobühne der Grazer Oper mit Wiederaufnahme im Schauspielhaus Wien.

Wolfgang Bauer Foundation

Karl Welunschek übernahm die Funktion des Präsidenten der Wolfgang Bauer Foundation. Der Verein zur Förderung der internationalen Verbreitung des künstlerischen Werkes und des Andenkens an Wolfgang Bauer wurde 2007 gegründet.

Greek Theatre

Karl Welunschek beschäftigte sich mit dem modernen griechischen Theater.

Widmung

Die erste Folge der Netflix-Serie Crooks ist ihm gewidmet.[3]

Auszeichnungen

  • Nominierung für den Nestroy-Preis 2002 für das künstlerische Konzept des Rabenhof Stadttheaters als aktuelles kritisches Theater im deutschsprachigen Raum
  • Förderungspreis zur Kainz-Medaille Ausstattung für „Mercedes“ (Thomas Brasch) im Schauspielhaus Wien, 1984
  • Förderungspreis zur Kainz-Medaille Regie für „Das letzte Band“ (Samuel Beckett) im Museum für moderne Kunst Wien, 1982

Wichtige Inszenierungen

1980Unten durchvon Heinz Rudolf UngerSchauspielhaus Wien, TV-Aufzeichnung
1981Der tollste Tagvon Peter TurriniTheater der Courage, TV-Aufzeichnung
1982Abgebranntvon Georges CourtelineTheater die Kulisse, TV-Aufzeichnung
1982Das letzte Bandvon Samuel BeckettMuseum für Moderne Kunst Wien, Förderungspreis zur Kainz-Medaille (Regie)
1982Die Brautwerber von Lochesvon Georges FeydeauNationaltheater Mannheim
1985Jamvon Herbert Achternbusch,
Heiner Müller und Ernst Jandl
Volkstheater Studio Wien
1986Weiningers Nachtvon Joshua SobolKünstlerhaus (Wiener Festwochen), österreichische Erstaufführung
1987Ihr werds Euch noch an Wien erinnernvon Helmut QualtingerSerapionstheater am Wallensteinplatz (Wiener Ensemble)
1988The Normal Heartvon Larry KramerTechnisches Museum Wien (Wiener Ensemble)
1988Der Talismanvon Johann Nepomuk NestroyTheater Der Kreis (Wiener Ensemble)
1988Porcilevon Pier Paolo PasoliniProduktion des Wiener Ensemble. Gasometer (Wiener Ensemble)
1989Heimatlosvon Reinhard P. Gruber und
Anton Prestele
Theatergruppe 80, Zelt vor der Votivkirche (TV-Aufzeichnung) (Wiener Ensemble)
1989Liebesgeschichten und Heurathssachenvon Johann Nepomuk NestroyTheater Der Kreis (Wiener Ensemble)
1990Wiener Totentanzvon Lotte IngrischRabenhoftheater (Produktion des Theater in der Josefstadt)
1992Der Färber und sein Zwillingsbrudervon Johann Nepomuk Nestroyabenhoftheater (Wiener Ensemble)
1992Changevon Wolfgang BauerRabenhoftheater (Wiener Ensemble)
1993Aus dem Leben Hödelmosersvon Reinhard P. GruberRabenhoftheater (Wiener Ensemble)
1993EndspielSamuel BeckettRabenhoftheater (Wiener Ensemble)
1993Das letzte Bandvon Samuel BeckettTheater an der Wien (Wiener Festwochen) (Wiener Ensemble)
1993Glückliche Tagevon Samuel BeckettRabenhoftheater (Wiener Ensemble)
1994Der böse Geist Lumpazivagabundusvon Johann Nepomuk NestroyStadttheater Klagenfurt
1995Sauschlachtenvon Peter TurriniEnsembletheater am Petersplatz
1995Wiener Liederdiverse AutorenKulisse (Wiener Festwochen)
1997Die lustigen Weiber von Windsorvon William ShakespeareSchauspiel Frankfurt
1997Tod eines Handlungsreisendenvon Arthur MillerSchauspiel Frankfurt
1997Mizzis und Strizzisnach Guys and Dolls
von Bertolt Brecht und Kurt Weill
Metropol Wien
1997Der Herr Karlvon Carl Merz und Helmut QualtingerSchauspielhaus Hamburg
1997–98Effi Briestvon Theodor FontaneTourneeunternehmen Kuhnen
1998Der Maulheldvon PlautusAntikenfestspiele Trier, Eröffnungsvorstellung zur Gründung der Antikenfestspiele Trier
1998Alte Zeitenvon Harold PinterSchauspiel Frankfurt
1998Der Zigeunerbaronvon Johann StraussStaatsoper Ankara
1999Der Zerrissenevon Gottfried von EinemJugendstiltheater (Koproduktion der Wiener Staatsoper und Wiener Volksoper), Musikalische Leitung: Huw Rhys James
2000Volksvernichtungvon Werner SchwabKabelwerk Wien/Theater mbH
2001Zu ebener Erde und im ersten Stockvon Johann Nepomuk NestroyHalle 1030/Rabenhof.THEATER
2003Nach der PremiereAuftragswerk von Gustav ErnstRabenhof Stadttheater, mit Erich Joham und seinen Freunden, Uraufführung
2006Les Nègres. Clownerievon Jean GenetStudiobühne der Grazer Oper

Filmographie

  • „…die im Dunkeln“ Wiens Kellertheater zwischen Spielsucht, Provokation und Konkurs. Dokumentation. Regie: Christian Reichhold, Österreich 2003.
  • Volksvernichtung oder meine Leber ist Sinnlos. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 2000.
  • Österreichs größte Entertainer. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Helmut Schödel, Thomas Gratzer, Österreich 2002.
  • Heimatlos. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1989.
  • Unten durch. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1980.
  • Der tollste Tag. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1981.
  • Abgebrannt. Sprechtheateraufzeichnung. Regie: Karl Welunschek, Österreich 1982.
  • 2024: Crooks (Fernsehserie, posthume Veröffentlichung)

Einzelnachweise

  1. Wiener Theatermacher Karl Welunschek 67-jährig gestorben. In: kurier.at. 14. April 2023, abgerufen am 14. April 2023.
  2. Georg Hönigsberger: Welunschek: "Werde immer ein Heimkind sein". In: Kurier. 16. Juni 2013, abgerufen am 14. März 2021.
  3. Marvin Kren über Netflix-Serie "Crooks": "Wenn Deutsche ihre Sprache nicht verstehen, werden sie nervös". Abgerufen am 4. April 2024 (österreichisches Deutsch).