Hobson-Jobson

Hobson-Jobson[1] bezeichnet ein Wörterbuch und lexikalisches Nachschlagewerk aus dem Jahr 1886 für anglo-indische Begriffe und Wörter der Frühneuzeit und Kolonialzeit.

1903 wurde das Werk von William Crooke unter leicht verändertem Titel[2] mit Korrekturen, Erweiterungen, zusätzlichen Zitaten und einem Register neu herausgegeben. In dieser Fassung wird es bis heute nachgedruckt[3] und war seither nie vergriffen.

Es wird in Indien, wie auch weltweit zitiert: Autoren wie Amitav Ghosh (* 1956), Daljit Nagra (* 1966), Tom Stoppard (* 1937) oder Salman Rushdie (* 1947) beziehen sich in ihren Werken auf die Angaben des Hobson-Jobson.[4]

Ursprung und Name

Ursprünglich seit 1872 aus einem Briefwechsel des pensionierten Kolonialbeamten und Orientalisten Henry Yule mit dem in Südindien tätigen Richter und Sanskritisten Arthur Coke Burnell hervorgegangen,[5] gewann das Werk rasch an Umfang und erhielt aus Marketinggründen seinen schlagkräftigen, unverwechselbaren Titel.[6] Dieser stellt eine Verballhornung des Klagerufs dar, den schiitische Gläubige beim Muharramfest zu Ehren ihrer Imame und Märtyrer Hassan und Hussein ausriefen: "Ya Hasan! Ya Hosain!" und der von britischen Soldaten als "Hobson-Jobson" verstanden wurde[7] – ein typisches Beispiel für die bisweilen bis zur Unkenntlichkeit entstellende Übernahme fremdsprachiger Begriffe in andere Sprachen (in der Linguistik daher gelegentlich als "Law of Hobson-Jobson" bezeichnet).

Aufbau der Stichwörter

Die über 2.000 Artikel liefern neben der Angabe zur Wortart die Ursprungssprache, aus der das Lemma (Stichwort) stammt, die ursprüngliche Schreibung (in kursiver lateinischer Umschrift), eine Wortbeschreibung (in einfachen Anführungszeichen), lautliche Parallelen in anderen Sprachen mit etymologischer Herleitung, Hinweise auf die Alltagsverwendung (oft in anekdotischer Breite), Zitate und Quellen in zeitlicher Reihenfolge sowie in der Originalschreibweise, ferner Verweise auf verwandte und weiterführende Artikel.

Bedeutung

Die Kennerschaft der beiden Autoren Yule und Burnell wurde niemals bestritten. Durch seine außergewöhnliche räumliche und zeitliche Spannbreite – das Werk umfasst ganz Indien vom Norden bis zum Süden, umspannt den Zeitraum von der Antike bis zum Jahr 1903 und zitiert die historischen Originalbelege in mehr als zwei Dutzend, zum Teil ausgestorbenen, indoeuropäischen und asiatischen Sprachen[8] – wurde der Hobson-Jobson rasch selbst zu einem Archiv vergangener Sprachzustände und einer wichtigen Informationsquelle über frühere Einstellungen und Sachverhalte, vor allem auf dem Gebiet der inzwischen teilweise völlig veränderten oder ausgestorbenen materiellen Kultur (Sachkultur: Textilien, Schifffahrt, Genussmittel, Nahrung, Waffen, Kleidung).

Als Dokument einer Kulturbegegnung ist der Hobson-Jobson für Indologen und Asienwissenschaftler ein Muss. Wegen seiner zahlreichen anekdotischen Einschübe[9] gilt er darüber hinaus als Inspirationsquelle für die Literaturen Indiens und Englands.

Zitate

Kritik

  • "Der Schriftsteller Amitav Ghosh ist sich … sicher, dass er Yule und Burnell nicht hätte begegnen wollen: 'Nein, auf keinen Fall', meinte er, 'ich mag das Buch, aber es ist vollkommen von der Idee der Rassentrennung beherrscht. Ich wollte niemals Gast auf einer ihrer Dinnerpartys gewesen sein.' "[12]

Literatur

  • Kate Teltscher (Hrsg.): Henry Yule. A.C. Burnell: Hobson-Jobson. The Definitive Glossary of British India. A Selected Edition. Oxford: Oxford University Press 2013, vor allem die Introduction von Kate Telscher.

Einzelnachweise

  1. Henry Yule. Arthur Coke Burnell: Hobson-Jobson being a glossary of Anglo-Indian colloquial words and phrases and of kindred terms etymological, historical, geographical and discursive. Glossary of Anglo-Indian colloquial words and phrases. XLVIII, 870 S. London: John Murray 1886.
  2. Hobson-Jobson. A glossary of colloquial Anglo-Indian words and phrases, and of kindred terms, etymological, historical, geographical and discursive. XLVIII, 1021 S. London: Murray 1903 Digitalisat
  3. Zuletzt herausgegeben und mit einem Vorwort von Kate Teltscher bei Oxford University Press 2013
  4. Kate Teltscher, Vorwort zur Neuausgabe (Oxford University Press 2013), ferner das Interview mit ihr in der BBC vom 13.7.2012; www.bbc.com/news/magazine-18796493
  5. Hobson-Jobson, Preface, S.vii
  6. Der bereits 1882 verstorbene Burnell hatte dieser Titelgebung ausdrücklich zugestimmt; Preface, S.ix.
  7. Hobson-Jobson, S. 419.
  8. Außer Englisch sind dies vor allem Französisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Niederländisch, Sanskrit, Pali, Latein, Altgriechisch, Persisch, Arabisch, zahlreiche indische Landessprachen wie Hindustani (heute Hindi und Urdu), Marathi, Bengali, Malayalam, Assami, Tamil, Telugu, Kannada, aber auch austronesische (Malaiisch), tibetobirmanische oder sinotibetische Sprachen wie Chinesisch, Mongolisch, Tibetisch und Turksprachen, um nur die wichtigsten zu nennen
  9. Artikel mit solchen Einschüben sind u. a. "Ram-Ram!", S. 756 f., "Pilau", S. 710 und "Upper Roger", S. 959 ("this happy example of Hobson-Jobson")
  10. Zitiert im Interview mit Kate Telscher in BBC vom 13.7.2012; www.bbc.com/news/magazine-18796493
  11. Zitiert nach www.lehmanns.de/shop/geisteswissenschaften/24929713-9780199601134-hobson-jobson
  12. Mukti Jain Campion: Hobson-Jobson: The words English owes to India. In: bbc.com. 11. Juli 2012, abgerufen am 4. Februar 2024 (englisch).