Der Neurosenkavalier

Daten
Titel: Der Neurosenkavalier
Gattung: Komödie
Autor: Gunther Beth und Alan Cooper (eigentlich Dieter B. Gerlach)
Uraufführung: 19. Dezember 1986
Ort der Uraufführung: Komödie im Marquardt Stuttgart
Personen
  • Frau Engel – Arzthelferin
  • Felix Bollmann – Kaufhausdieb und vermeintlicher Psychotherapeut
  • Claudia Carrera – Schriftstellerin mit verschiedenen Komplexen
  • Doktor de Witt – junger Arzt und Psychotherapeut
  • Jürgen Novacek – depressiver Finanzbeamter
  • Sybille Bast – Kleptomanin
  • Kommissar Maiwald – Polizeibeamter, dem Kaufhausdieb auf der Spur

Der Neurosenkavalier ist eine Boulevardkomödie in vier Akten von Gunther Beth und Alan Cooper (eigentlich Dieter B. Gerlach). Sie spielt in einer psychotherapeutischen Praxis, in die sich der Kaufhausdieb Felix Bollmann vor der Polizei flüchtet. Das Stück wurde am 19. Dezember 1986 in der Komödie im Marquardt in Stuttgart uraufgeführt.

Handlung

Der als Weihnachtsmann verkleidete Kaufhausdieb Bollmann flieht wenige Tage vor Weihnachten vor der Polizei in die Praxis des Psychotherapeuten Dr. Otto Bart. Dort verstaut er das Kostüm in einer großen Tasche mit seiner Beute. Die hereinkommende Arzthelferin Frau Engel hält Bollmann für Doktor de Witt, die angekündigte Vertretung ihres Chefs, der zurzeit in San Francisco in Urlaub ist. Bollmann hat tatsächlich einst ein Studium der Veterinärmedizin begonnen, aber keinerleri Kenntnisse im Bereich der Psychotherapie.[1] Dennoch beginnt er notgedrungen die Patienten zu behandeln. Erste Patientin ist die Schriftstellerin Claudia Carrera. Sie leidet an einer Schreibhemmung und einem „Bikinikomplex“. Als nächster Patient erscheint Jürgen Novacek, ein Finanzbeamter mit Angstproblemen, der sich für Elvis Presley hält und sich von Bollmann Mut zusprechen lässt. Anschließend kommt die Kleptomanin Sybille Bast in die Praxis. Sie lenkt zum Abschluss des ersten Aktes Bollmann ab, stiehlt seine Beutetasche und verschwindet.

Der zweite Akt beginnt mit einem doppelt an die Schriftstellerin Carrera und den Finanzbeamten Novacek vergebenen Termin. Bollmann bewältigt die Situation, indem er sie vom Wert einer Gruppentherapie überzeugt. Auch die Kleptomanin Bast erscheint. Sie bringt die gestohlene Tasche sowie eine weitere von ihr gestohlene Tasche zurück, um sie Bollmann zu schenken. Letzter Patient ist Kommissar Maiwald, der unter dem Druck, den Kaufhausdieb im Nikolausgewand fassen zu müssen, eine Depression entwickelt hat.

Im dritten Akt gelingt es Bollmann, den Kommissar und den Finanzbeamten Novacek von seinen Angststörungen zu befreien. Als der echte Doktor de Witt erscheint, erklärt Bollmann Frau Engel, dieser Mann sei sein Bruder, der sich einbilde, er sei der echte Doktor de Witt.

Zu Beginn des vierten Aktes verlässt Bollmann die Praxis wegen eines angeblichen Notfalls, während Kommissar Maiwald zurückkommt und berichtet, dass er den Dieb im Weihnachtsmannkostüm gefasst habe. Kurz darauf erkennt Frau Engel, dass Dr. de Witt die richtige Urlaubsvertretung ihres Chefs ist. Der Finanzbeamte Novacek tritt derweil in der Praxis als Elvis Presley im Glitteranzug auf. Bollmann ist inzwischen vom „Notfall“ zurück. Sybille Bast stellt ihn dem Kommissar als Journalisten vor. Bollmann übergibt ihm die Tasche mit dem Geld. Zum Abschied lobt Bollmann sich selbst und sagt: „Ich bin und bleibe – auch bei Neurosen – Kavalier.“[2]

Aufführungen

Der Neurosenkavalier gilt als eines der erfolgreichsten deutschen Boulevardstücke,[3] war die erste „westdeutsche“ Komödie, die auch in der DDR gespielt wurde[4] und wurde in mindestens elf verschiedenen Ländern aufgeführt.[3] Zu den Darstellern der Uraufführung gehörten Claus Biederstaedt und Karin Dor, die ihre Rollen auch in zahlreichen weiteren Aufführungen und bei deutschlandweiten Tourneen immer wieder spielten. Biederstaedt, der zum Teil auch Regie führte, spielte den Bollmann bis ins hohe Alter mehr als 1000 Mal.[5] Auch die Autoren Gunther Beth und Dieter B. Gerlach standen als Schauspieler in ihrer Komödie auf der Bühne. Im Dezember 2007 fand im Theater am Dom in Köln die 1000. Vorstellung in der Original-Besetzung mit Claus Biederstaedt, Karin Dor und Gunther Beth statt.[6] Die Namen der dargestellten Personen und Handlungsorte waren je nach Inszenierung unterschiedlich;[4][7] bei Aufführungen im schweizerischen Wil z. B. wurden die Aktivitäten des Diebes in Migros-Filialen der Region verlegt.[8] Es gibt auch mindestens eine Mundartbearbeitung.[9]

Das Stück wurde unter dem Titel Ach du Fröhliche 1995 mit Harald Juhnke, Marijam Agischewa und Nicole Heesters in den Hauptrollen verfilmt. Regie führte Stefan Lukschy.[10] Bereits 1994 war eine Inszenierung aus Mailand für das italienische Fernsehen aufgezeichnet worden.[3] Im November 2000 hatte die Inszenierung von Felix Dvorak an den Kammerspielen der Josefstadt in Wien mit Harald Serafin in der Hauptrolle Premiere,[11] die im Folgejahr vom ORF aufgezeichnet und seitdem mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt wurde.[12]

Weitere Aufführungen fanden 2008 in der Stadthalle Olpe mit Claus Biederstaedt in der Hauptrolle sowie 2011 im Packhaustheater in Schnoor statt.[13][14]

Der Neurosenkavalier wurde auch häufig von Laienspielgruppen und Amateurtheatern aufgeführt, u. a. 1992 vom Theaterensemble Rothenbergen, 2007 von der Volksbühne Bad Homburg, 2013 von der Theatergruppe der Kolpingsfamilie St. Mauritius Kärlich in Mülheim-Kärlich und nach der Corona-Pandemie 2023 vom Theaterverein Babenhausen.[15][1][16][17]

Hintergrund

Autor Gunther Beth schrieb im Jahr 2013: „Psychotherapie ist zu einer Dienstleistung mit ständig steigender Nachfrage geworden. Jeder Dritte bei uns in der Bundesrepublik ist in seinem Seelenhaushalt gestört.“ Ergänzend dazu heißt es in einem Programmblatt, das sich auf Beth bezieht: „So greifen Depressionen, Neurosen und Psychosen immer mehr um sich. Abhilfe verheißen eine Unzahl von psychotherapeutischen Praktiken und Theorien. Für den Laien sind daher Wissenschaft und Scharlatanerie schwer zu unterscheiden, da Wege und Abwege dicht beieinanderliegen.“[16] Frank Becker erklärte in seiner Kritik Jeder Dritte hat 'ne Meise! aus dem Jahr 2009, die Intention des Stückes sei „Kritik an der Analyse“.[18]

Commons: Der Neurosenkavalier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Der Neurosenkavalier. Die Volksbühne Bad Homburg e. V., Oktober 2007, abgerufen am 29. Juni 2024.
  2. Aufführung nach dem Textbuch des Theater-Verlags Desch, München.
  3. a b c Beth, Gunther. Bei Verlag Felix Bloch Erben. Abgerufen am 30. Juni 2024.
  4. a b Der Neurosen-Kavalier. In: Bühne 80, 2013. Abgerufen am 30. Juni 2024.
  5. Claus Biederstaedt in den Menschen des Tages, * 28.06.1928, † 18.06.2020. In: schmusa.de. 27. Juni 2023, abgerufen am 29. Juni 2024.
  6. Der Neurosenkavalier. Abgerufen am 4. Juli 2024
  7. Klaus Ambrosius: Zurückgeblickt … In: Rhein-Zeitung Koblenz, 24. Juni 2020. Abgerufen am 2. Juni 2024.
  8. Beatrice Oesch: Räuber therapiert Kleptomanin, 30. Dezember 2013 auf tagblatt.ch.
  9. De Neurose-Kavalier. Mundartbearbeitung von Carl und Silvia Hirrlinger. Textauszug auf breuninger.ch.
  10. Ach du Fröhliche. In: TV Spielfilm. Abgerufen am 2. Juni 2024.
  11. Der Neurosen-Kavalier. In: Josefstadt.org. Abgerufen am 29. Juni 2024.
  12. Der Neurosenkavalier. In: fernsehserien.de. 30. Dezember 2021, abgerufen am 29. Juni 2024.
  13. „Neurosenkavalier“ hält uns Spiegel vor. In: sauerlandkurier.de. 10. März 2008, abgerufen am 29. Juni 2024.
  14. Der Neurosenkavalier. In: norbert-a-mueller. Abgerufen am 29. Juni 2024 (englisch).
  15. Der Neurosenkavalier. Abgerufen am 5. Juli 2024.
  16. a b Programm der Theatergruppe der Kolpingsfamilie St. Mauritius Kärlich, 2013.
  17. Claudia Bader: „Der Neurosenkavalier“ wird vom Ganoven zum Psychotherapeuten. In: augsburger-allgemeine.de. Abgerufen am 29. Juni 2024.
  18. Frank Becker: Jeder dritte hat 'ne Meise! Am Silvesterabend feierte Alan Coopers „Der Neurosenkavalier“ eine umjubelte Premiere im WTT, 1. Januar 2009 auf musenblaetter.de