Altes Wasserwerk (Bonn)

Altes Wasserwerk, Pumpenhaus (2012)
Luftaufnahme des Pumpenhauses (links) und des Maschinen- und Kesselhauses (rechts)

Das Alte Wasserwerk ist ein Gebäudeensemble in Bonn, dessen Pumpenhaus von 1986 bis 1992/93 den Plenarsaal des Deutschen Bundestags beheimatete. Es geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück und diente früher der Wasserversorgung der Stadt. Heute enthält es Büro- und Konferenzräume. Es liegt oberhalb des Rheinufers (Stresemannufer) nahe dem Bundeshaus im Ortsteil Gronau mit der Adresse Hermann-Ehlers-Straße 29.

Geschichte

Das in neugotischen Formen gehaltene Wasserwerk wurde ab 1873 von der Rheinischen Wasserwerksgesellschaft am damaligen südlichen Bonner Stadtrand erbaut, um die Stadt mit Rhein-Uferfiltrat zu versorgen; die Eröffnung erfolgte am 1. April 1875.[1] Zunächst bestand es aus einem Maschinenhaus, einem rechtwinklig angebauten Kesselhaus, einem Schornstein, einem Brunnen sowie einem Wohnhaus des Maschinisten[2]. 1891 wurde das Kesselhaus nach Norden hin erweitert.[2] Am 1. April 1900 erwarb die Stadt Bonn die Anlage, die sie um einen zweiten Brunnen, ein Pumpenhaus (das bis heute erhaltene) mit zwei weiteren Kolbenpumpen sowie zwei Verbunddampfmaschinen erweitern ließ.[3] 1912 erfolgte eine Vergrößerung des Kohlenschuppens auf der Pumpstation des Wasserwerks, 1915 und 1919 wurde die Maschinenmeisterwohnung umgebaut. 1952 wurde das Grundstück eingefriedet und zwei Pumpenhäuser sowie ein Brunnenhaus gebaut.[2]

Nachdem Bonn seit Anfang der 1950er Jahre mit Wasser aus der Wahnbachtalsperre versorgt worden war, wurde das Wasserwerk 1958[2] stillgelegt. Es befand sich nunmehr in direkter Nachbarschaft zu den Bonner Bauten des Deutschen Bundestags im und am Bundeshaus. 1965 erwarb die Bundesrepublik Deutschland die beiden Gebäude; in diesem Zuge wurde ein Großteil der technischen Anlagen demontiert. Das Wasserwerk diente noch bis zum Bau eines Ersatzbetriebsgebäudes 1984/85[3] der Wasseraufbereitung für Notreserven. Als der Plenarsaal des Parlaments Ende der 1980er Jahre zur Errichtung eines Neubaus an gleicher Stelle abgerissen wurde, benötigte der Bundestag ein Ausweichquartier. Die Wahl fiel auf das Pumpenhaus des ehemaligen Wasserwerks Gronau zwischen dem Bundeshaus und dem damaligen Abgeordnetenhochhaus Langer Eugen. Es wurde zum Sitzungssaal (sog. Ersatzplenarsaal) umgebaut, zwischen ihm und dem als Besucherzentrum umfunktionierten[4] Maschinen- und Kesselhaus entstand als Verbindungsgang der sogenannte „Löwengang“; das Richtfest fand am 25. September 1985 statt.[5]

Der Ersatzplenarsaal des Bundestags im früheren Pumpenhaus während des Staatsakts für den langjährigen Bundesminister Gerhard Schröder (1990)

Am 9. September 1986 tagte der Deutsche Bundestag erstmals im Alten Wasserwerk.[6][7] In die Zeit der Nutzung des Ersatzplenarsaals fielen die historischen Beschlüsse des Parlaments zur deutschen Wiedervereinigung und der Hauptstadtbeschluss. Das Gebäude hat mit 500 m²[6] etwa die halbe Grundfläche des alten und des neuen Plenarsaals, wodurch die Abgeordneten sehr beengt saßen. Einige Teilnehmer berichten, die Sitzungen seien deshalb außergewöhnlich friedlich gewesen. Nach der Wiedervereinigung wurde die Raumnot durch die zusätzlichen Abgeordneten aus den neuen Bundesländern noch verschärft, weshalb zeitweise Klappstühle aufgestellt werden mussten. Am 29. Oktober 1992 sollte zunächst die letzte Sitzung des Bundestags im Wasserwerk stattfinden; nach technischen Problemen mit dem Neubau des Plenarsaals diente es ihm jedoch erneut vom 24. November 1992 bis zum 10. September 1993 als Tagungsort.[8][9][10] Anschließend wurden dort noch gelegentlich Fraktionssitzungen der im Bundestag vertretenen Parteien abgehalten. Mitte Juni 1996 fand im Wasserwerk eine internationale Tibet-Konferenz unter Beteiligung des Dalai Lama statt.[11][12] Am 16. Oktober 1998 trat der Bundestag mit seiner letzten Sitzung in der 13. Wahlperiode letztmals im Wasserwerk zusammen, da der Plenarsaal im Bundeshaus aufgrund der durch die Bundestagswahl erforderlichen Umbauten zeitweilig nicht zur Verfügung stand.[13]

Im Anschluss an den Umzug des Bundestags nach Berlin übernahm die Stadt Bonn 1999 vom Bund die Nutzungsrechte für die Gebäude und stellte diese dem Internationalen Kongresszentrum Bundeshaus Bonn (heute: World Conference Center Bonn (WCCB)) für eine Kongress- und Veranstaltungsnutzung bereit. 2012 erfolgten eine vollständige Sanierung des Innenbereichs und eine vollständige Überarbeitung des Löwengangs, für das Jahr darauf war eine Fassadensanierung geplant.[4][14]

Der frühere Ersatzplenarsaal während eines Kongresses der Europäischen Volkspartei (2009)

Das Areal von Pumpenhaus, Maschinen- und Kesselhaus sowie Wohnhaus des Maschinisten („Ärztehaus“) wurde 2022 Teil des UN-Campus, der aus dem „Langen Eugen“ und Teilen des Bundeshauses besteht. Für diese Erweiterung des UN-Campus wurden die Nutzungsrechte wieder der Bundesrepublik Deutschland übertragen.[15][16] Bereits seit dem 30. November 2015 stehen die Gebäude nicht mehr für Veranstaltungen des WCCB und auch der weiteren Öffentlichkeit zur Verfügung.[17][18] Zu diesem Datum übernahm die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben die Verwaltung der Liegenschaft.[19] Geplant war, im Plenarsaal die technischen Anlagen und die Bestuhlung zu erneuern sowie Dolmetscherkabinen einzubauen, zudem erfolgte eine 2021 abgeschlossene Außensanierung.[20]

Das Alte Wasserwerk steht als Baudenkmal unter Denkmalschutz[21] und ist eine Station des Geschichtsrundwegs Weg der Demokratie. Die Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Bonn erfolgte am 27. Juni 1985.[22][23]

Kunst am Bau

Am Zugangsbereich zum Wasserwerk befindet sich als Kunst am Bau der (zur Zeit eingelagerte) „Spiegelteich“[24] des Künstlers Adolf Luther aus dem Jahre 1982. Die Arbeit mit dem Titel Integration Wasser-Linsen (Hommage à Monet) besteht aus 16 runden, konvex gewölbten und beweglichen Hohlspiegellinsen auf einem künstlich angelegten Wasserbecken, von denen fünf im Jahre 1990 in Folge der Wiedervereinigung stellvertretend für die neuen Bundesländer ergänzt wurden. Sie stellt eine Erinnerung an die Seerosengemälde des französischen Impressionisten Claude Monet dar.[25][26] Als Supraporte zum Plenarsaal wurde im Wasserwerk 1986 das Ölgemälde Entgegnung (Große Komposition) (1976) von Hann Trier aufgehängt.[27]

Sonstiges

Ab April 2014 war das Wasserwerk Ausstrahlungsort für die ZDF-Sendung Vier sind das Volk mit Wigald Boning als Moderator und Bernhard Hoëcker, Sebastian Pufpaff, Philip Simon, Susanne Pätzold, Kai Magnus Sting sowie Wolfgang Trepper als Politiker.[28]

Literatur

Commons: Altes Wasserwerk – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Eintrag von Elke Janßen-Schnabel zu Denkmalbereich Regierungsviertel in Bonn (Gutachten) in der Datenbank „KuLaDig“ des Landschaftsverbands Rheinland, abgerufen am 24. Juli 2017.
  2. a b c d Eintrag zu Altes Wasserwerk Bonn in der Datenbank „KuLaDig“ des Landschaftsverbands Rheinland (mit Beschreibung des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland, 2005)
  3. a b Landschaftsverband Rheinland, Udo Mainzer (Hrsg.): Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege. Band 38, Köln 1999, ISBN 3-7666-0177-6, S. 178.
  4. a b beyß architekten: Wasserwerk und Pumpenhaus (Referenzblatt) (Memento vom 23. Dezember 2015 im Internet Archive) (PDF)
  5. Karl-Heinz van Kaldenkerken, Oberstadtdirektor Bonn (Hrsg.); Friedrich Busmann: Ausbau der Bundeshauptstadt. 10 Jahre Hauptstadtvereinbarung 1975 – 1985. Bonn 1986, S. 59.
  6. a b Bundestag in Bonn: „Langer Eugen“, „Wasserwerk“ und „Behnisch-Bau“, Deutscher Bundestag
  7. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 10/227 (PDF; 2,0 MB)
  8. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 12/115 (PDF; 2,9 MB)
  9. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 12/122 (PDF; 3,7 MB)
  10. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 12/174 (PDF; 2,0 MB)
  11. Mehr Mut, Der Spiegel, Nr. 24/1996, 10. Juni 1996
  12. China – Tibet, Die Zeit, Nr. 30/1996, 19. Juli 1996
  13. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/248 (PDF; 1,4 MB)
  14. Projects (Memento vom 16. Juni 2016 im Internet Archive), Antonia Petschat
  15. UN-Campus wird erweitert, General-Anzeiger, 30. Mai 2011.
  16. Stellungnahme der Verwaltung: Plenarsaal des Deutschen Bundestages im Alten Wasserwerk (Hermann-Ehlers-Str. 29 / Stresemann-Ufer), Drucksachen-Nr. 1410743ST2
  17. Veranstaltungen in Wasserwerk und Pumpenhaus (Memento vom 17. Juli 2014 im Internet Archive), World Conference Center Bonn; abgefragt am 26. November 2015
  18. Altes Wasserwerk, WDR Lokalzeit aus Bonn
  19. Drucksachen-Nr. 1510087ST6: Stellungnahme der Verwaltung: Beratung der Haushaltssatzung für die Haushaltsjahre 2015/2016 sowie des Finanz- und Investitionsprogramms 2014 bis 2019 und des Haushaltssicherungskonzeptes 2015 bis 2024 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeitsförderung vom 28. April 2015 Online PDF / Online im Bonner Rats- und Informations-System
  20. Altes Wasserwerk wird zur UN-Festung (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), Express, 2. Dezember 2015
  21. Denkmalliste der Stadt Bonn (Stand: 15. Januar 2021), S. 25, Nummer A 870
  22. General-Anzeiger, 10. August 1985, Stadtausgabe Bonn, S. 4.
  23. Stellungnahme der Verwaltung: Plenarsaal des Deutschen Bundestages im Alten Wasserwerk (Hermann-Ehlers-Str. 29 / Stresemann-Ufer), Bonner Rats-Informationssystem, Drucksachen-Nr. 1010758ST2
  24. Bebauungsplan Nr. 6720-1 der Bundesstadt Bonn – Stadtbezirk Bonn, Ortsteil Gronau (Memento vom 13. Juni 2018 im Internet Archive), S. 18
  25. Gabriele Zabel-Zottmann: Skulpturen und Objekte im öffentlichen Raum der Bundeshauptstadt Bonn – Aufgestellt von 1970 bis 1991. Dissertation, Bonn 2012, Teil 2, S. 37. (online PDF; 5,8 MB)
  26. Integration Wasser-Linsen (Hommage an Monet) , Museum der 1000 Orte (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung)
  27. Ute Chibidziura: Bestandsaufnahme Kunst am Bau beim Bund. In: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Kunstwert, Vermögenswert, Denkmalwert. Welchen Wert hat Kunst am Bau? – 11. Werkstattgespräch (Memento vom 23. Dezember 2017 im Internet Archive) (PDF), September 2012, S. 2–10 (hier: S. 8).
  28. Vier sind das Volk (Memento vom 7. April 2014 im Internet Archive)

Koordinaten: 50° 43′ 9,3″ N, 7° 7′ 35,2″ O