Soziale Frauenschule

Soziale Frauenschule nannte man bestimmte zwischen der Jahrhundertwende und dem Anfang der 1920er-Jahre in Deutschland entstandene Bildungsinstitutionen.

Im Zuge der Frauenbewegung verfolgten sie das Ziel einer beruflichen Ausbildung für Frauen im wohlfahrtspflegerischen Bereich. Ein weiteres Ziel war die Überwindung der Not des Ersten Weltkriegs, von der besonders Frauen betroffen waren, die durch qualifizierte weibliche Kräfte unterstützt werden sollten.[1] Die erste „Sociale Frauenschule“ entstand als Fortentwicklung einer Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen 1908 in Berlin, gegründet von Alice Salomon, die die Schule auch leitete.[2] Sie bot eine breite zweijährige Ausbildung mit theoretischen und praktischen Anteilen nebeneinander. Die Lehrerinnen kamen aus dem Umfeld von Gesundheitsamt und Wohlfahrtsamt und unterrichteten zunächst ehrenamtlich. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es in Deutschland 14 Soziale Frauenschulen.[3]

Beispiele für solche Einrichtungen:

heutiger Name der Schule Ort Gründungsdatum Gründerin
Alice Salomon Hochschule Berlin Berlin-Schöneberg, später Berlin-Hellersdorf 15. Oktober 1908[4] Alice Salomon[5]
Friedrich-Fröbel-Schule
Fachschule für Sozialpädagogik
Mannheim 1916[6] Marie Bernays
Elisabeth Altmann-Gottheiner
Alice Bensheimer
Julie Bassermann
Sozialpädagogisches Institut der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg 1917 Gertrud Bäumer und Marie Baum[7]
Hochschule Esslingen
vormals Soziale Frauenschule des Schwäbischen Frauenvereins
Fachhochschule für Sozialwesen
Stuttgart
später Esslingen
15. September 1917[8] Alice Salomon?
Hochschule für angewandte Wissenschaften München
vormals Soziale Frauenschule München
Fachschule für Sozialpädagogik
München 1919 Frieda Duensing
ab 1921 Anna Heim-Pohlmann
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
Abteilung Aachen
Köln
später Aachen[9]
8. November 1916 Katholischer Deutscher Frauenbund durch Hedwig Dransfeld[10] oder Helene Weber[11]

Entwicklungen in der Zeit des Nationalsozialismus

In Deutschland hatten jüdische Frauen bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten einen hohen Anteil an der Entwicklung der Sozialen Arbeit. In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu drastischen Veränderungen. Die Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit wurde 1933 auf Veranlassung Alice Salomons aufgelöst, der Jüdische Frauenbund bis 1939 liquidiert. Früher als an öffentlichen Schulen und Universitäten kam es zum Ausschluss von Menschen jüdischer Herkunft von den Wohlfahrtsschulen. So wurden an der Sozialen Frauenschule in Berlin unter Leitung von Charlotte Dietrich bis Frühjahr 1934 alle jüdischen Dozentinnen entlassen.[12] Absolventinnen der Schulen, welche „nichtarischer Abstammung“ waren, wurde die staatliche Anerkennung als Wohlfahrtspflegerin durch Erlass verweigert.[13]

Das Berufsbild wurde von der „Wohlfahrtspflegerin“ zur „Volkspflegerin“ umbenannt. Die Tätigkeit hatte im Sinne der NS-Ideologie auf die „Erhaltung“ und „Reinheit“ der „Volksgemeinschaft“ zu zielen.[14]

Einzelnachweise

  1. Klaus Burger: Prüfende Strenge statt blinder Weichherzigkeit. Zur Geschichte der Armut und der Sozialeinrichtungen in Freiburg in: Heiko Haumann, Hans Schadek (Hrsg.): Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau,, Band 3, Theiss, Stuttgart 1996, ISBN 3-8062-0857-3, S. 621
  2. Peter Hammerschmidt (et al.): Der Weg zur Sozialarbeit: Von der Armenpflege bis zur Konstituierung des Wohlfahrtsstaates in der Weimarer Republik. In: Werner Thole (Hrsg.)Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch, S. 140
  3. Peter Hammerschmidt (et al.): Der Weg zur Sozialarbeit: Von der Armenpflege bis zur Konstituierung des Wohlfahrtsstaates in der Weimarer Republik. In: Werner Thole (Hrsg.)Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch, S. 1033, S. 80
  4. Rede von Alice Salomon zur Eröffnung der Sozialen Frauenschule (Memento des Originals vom 17. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.alice-salomon-archiv.de (PDF; 61 kB)
  5. Adriane Feustel/Gerd Koch (Hrsg.): 100 Jahre Soziales Lehren und Lernen: Von der Sozialen Frauenschule zur Alice Salomon Hochschule Berlin. Schibri, 2008.
  6. Gundula Pauli: Marie Bernays (1883–1939) und die „Soziale Frauenschule“ in Mannheim. Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Freiburg 2004, S. 4.
  7. Stephan Larisch, Dieter Röh: Soziale Frauenschule und Sozialpädagogisches Institut Hamburg. Gründung, Krise und Fortbestand zwischen 1917 und 1933. In: Soziale Arbeit, 60 (2011) 9, S. 337–344.
  8. Hochschule Esslingen (Hrsg.): Zwischenbilanz zum 75. Jahre der Gründung der „Sozialen Frauenschule“ in Stuttgart, heute „Fachhochschule für Sozialwesen Esslingen“. Festschrift. 1992, S. 10 (Digitalisat [PDF; 12,0 MB]).
  9. Festschrift der Sozialen Frauenschule Aachen. Schwann, Düsseldorf o. J. [1930]
  10. Geschichte der Abteilung Aachen, katho-nrw.de, abgerufen am 18. Mai 2013.
  11. Soziale Frauenschule Aachen/Frauenschule für Volkspflege (PDF; 341 kB), lambertus.de, abgerufen am 18. Mai 2013.
  12. Sabine Toppe: Verfolgung, Vertreibung, Flucht und Emigration jüdischer Sozialarbeiterinnen im Nationalsozialismus. In: digitales-deutsches-frauenarchiv.de. 10. Mai 2021, abgerufen am 30. März 2024.
  13. Jürgen Meyer-Wilmes: Lieselott Neumark. In: erzbistumberlin.de. Abgerufen am 30. März 2024.
  14. Sandro Bliemetsrieder, Gabriele Fischer, Maximilian Weik: Berufstätig als ‚Mutter des Volkes’ – tiefenhermeneutische Rekonstruktion historischer Quellen. Das Berufsbild der ‚Volkspflegerin’ bei Margarete Junk, Leiterin der ‚Frauenschule für Volkspflege’, Stuttgart, im Spannungsfeld von Antifeminismus und emanzipatorischer Diskurse. In: Verein zur Förderung wissenschaftlicher Publikationen zur Sozialen Arbeit (Hrsg.): wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit. 18 (2017) Rubrik "Geschichte der Sozialarbeit", Standort Feldkirchen. soziales-kapital.at, 2017 (soziales-kapital.at [abgerufen am 1. April 2024]).