Kloster Paulinzella

Kloster Paulinzella, Ansicht von Südosten
360°-Blick von Westen durch das Schiff (am besten mit Panoramaviewer betrachten)
Historische Grabmale
Blick von Osten ins Mittel- und rechte Seitenschiff
Amtshaus Paulinzella
Zinsboden des Klosters

Das Kloster Paulinzella ist eine ehemalige Benediktinerabtei, gegründet als Doppelkloster in Paulinzella im Rottenbachtal in Thüringen. Die Ruine der Klosterkirche gehört zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken in Deutschland.

Geschichte

Der Ursprung Paulinzellas liegt in einer Einsiedelei, welche zwischen 1102 und 1105 von der sächsischen Adligen Paulina gegründet wurde. Paulina war die Tochter des Truchsessen Moricho (Moritz) vom Hofe des Königs Heinrich IV. Der König hatte Moricho in den Jahren 1068/69 24 königliche Hufen zu Gebstedt geschenkt.[1] Diese Güter überließ Moricho, der gemäß einer weiteren Urkunde[2] ein Bruder des Merseburger Bischofs Werner von Wolkenburg war, vor seinem Eintritt ins Kloster Hirsau[3] seiner Tochter Paulina, die ihren Wohnsitz zuvor in Gatterstädt (bei Querfurt) hatte.[4] Paulina erwarb in der Nähe der Güter außerdem noch die Vorwerke Hengelbach, Liebringen und Nahewindten[5]. Die eigentliche Gründung des ursprünglich Marienzelle genannten Klosters in der frühen fränkischen Siedlungszeit geht einer Legende nach auf einen Reiseunfall Paulinas in dem zuvor unbesiedelten Waldtal zurück.

1106 begannen die Arbeiten am Klosterkomplex. 1107 trat das Kloster gemäß dem Willen seiner Gründerin Paulina, die in jenem Jahr starb, der Hirsauer Reform bei, aus Hirsau kam auch der benediktinische Gründungskonvent für Paulinzella. 1124 wurde die Klosterkirche, die nach dem Vorbild der Abteikirche in Hirsau errichtet worden war, geweiht. 1133 stellten die Benediktinerabteien Paulinzella und Hirsau die ersten Mönche für die Gründung des Klosters Thalbürgel. Das Kloster Paulinzella selbst erreichte rasch reichen Besitz: So befanden sich 19 Dörfer im Eigentum der Abtei, in 52 anderen Orten besaß das Kloster weitere Güter, Rechte besaß Paulinzella insgesamt in über 100 Orten. Ökonomischer Mittelpunkt des Klosters und seiner Dörfer war das heute wüste Vorwerk Neusis zwischen Gösselborn und Hengelbach.[6]

Bereits der dritte amtierende Abt erhielt 1195 vom Mainzer Erzbischof die Inful verliehen. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war Paulinzella ein Doppel-, dann nur noch Mönchskloster. 27 namentlich bekannte Äbte wirkten im Kloster. In der ersten Zeit besaß die Abtei die freie Vogtwahl. Schirmvögte waren die Grafen von Schwarzburg. Von 1133 bis 1153 wurde Sizzo III. genannt. Das Kloster verfügte auch über Leibeigene. Einige adlige und begüterte Familien in der Nähe des Klosters standen in Lehnsverhältnissen. Die Äbte von Paulinzella übten das Patronatsrecht über 24 Kirchen oder Kapellen aus. Insgesamt existierte das Kloster über 400 Jahre lang.

Dann tauschte der Schwarzburger Landmann im Bauernkrieg den Pflug mit den Waffen, um seine Selbständigkeit zu erringen. Dies war mit Einführung der Reformation 1533 durch die Schwarzburger Grafen der Beginn des Untergangs. Johann V. Schidt aus dem Nachbardorf Milbitz war von 1528 bis zur Auflösung 1541/42 der letzte Abt. 1542 war man nach fruchtlosem Widerstand in die weltliche Gerichtsbarkeit übergegangen. Die Güter wurden verpachtet oder von Amtsleuten verwaltet. Heinrich von Schwarzburg-Leutenberg bemächtigte sich des Kirchenschatzes und zog alle Besitzungen des Klosters ein.[7]

Schon während der Bauernkriege war die Benediktinerabtei geplündert worden und im Verlauf der Reformation wurde sie 1542 aufgehoben. Der frühere Klosterbesitz kam 1547 an die Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt. Diese errichteten das aus sieben Orten bestehende Amt Paulinzella, das 1803 um das Amt Ehrenstein vergrößert, aber 1851 dem Amt Stadtilm eingegliedert wurde.

Nach der Aufhebung des Klosters begann ein allmählicher Verfall der gesamten Klosteranlage, die man auch zur Gewinnung von Sandsteinen für Bauzwecke als Steinbruch benutzte. Nach 1600 brannte die gesamte Anlage aus und verkam völlig zur Ruine. 1680 fand eine Erneuerung von Teilen der Klosteranlage statt.

Im 18. Jahrhundert entstand dort auch ein Jagdschloss der Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt. Ab dem späten 18. Jahrhundert begann man mit behutsamen Sicherungsmaßnahmen an der inzwischen von Vertretern der Romantik geschätzten Klosterruine. Die um die Ruine liegende Ansiedlung wurde im 19. Jahrhundert zur Gemeinde Paulinzella erhoben.

Bedeutung für Romanik und Romantik

Kloster Paulinzella nimmt sowohl für die Romanik als auch die Romantik eine bedeutende Stellung ein.

Als romanisches Kirchenbauwerk zählte die Klosterkirchenruine aus dem 12. Jahrhundert schon zu den bedeutendsten Baudenkmälern der einstigen DDR und wurde auf der Zentralen Denkmalliste geführt. Da die Kirche nach dem Vorbild der Hirsauer Kirche erbaut worden war, hat sie seit der völligen Zerstörung der Hirsauer Kirche 1692 große Bedeutung als Beispiel der Hirsauer Reformbewegung im Kirchenbau erlangt.

Um 1800 erlangte die Ruine eine besondere Bedeutung durch eine romantische Hinwendung zur Vergangenheit, die eng mit dem erwachenden deutschen Nationalgefühl verbunden war. Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller waren tief beeindruckt von den malerischen Resten der verfallenen Klosteranlage.

Das lange Zeit Friedrich Schiller zugeschriebene Gedicht wurde am 26. August 1810 von A. E. Hermann verfasst:

Einsam stehn des öden Tempels Säulen,
Efeu rankt am unverschlossnen Tor.
Sang und Klang verstummt, des Uhus Heulen
schallet nun im eingestürzten Chor.
Weg sind Prunk und alle Herrlichkeiten,
schon enteilt im langen Strom der Zeiten
Bischofsring und Siegel, Ring und Stab,
in der Vorwelt ewig offnes Grab.
Nichts ist bleibend, alles eilt von hinnen,
Jammer und erhörter Liebe Glück;
unser Streben, unser Hoffen, Sinnen,
wichtig nur für einen Augenblick.
Was im Lenz wir liebevoll umfassen,
sehen wir im Herbste schon verblassen,
und der Schöpfung größtes Meisterstück
sinkt veraltet in den Staub zurück.

Kirchengemeinde

Regulärer Gottesdienstraum der Kirchengemeinde Paulinzella, die zum Kirchengemeindeverband Singen gehört,[8] ist der Gemeinderaum im Jagdschloss Paulinzella, aber die Klosterruine wird regelmäßig für Freiluftgottesdienste genutzt.[9]

Museum

Im Jagdschloss der Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt gibt es das Museum zur Kloster-, Forst- und Jagdgeschichte. Die Klosterruine selbst ist das ganze Jahr jederzeit kostenlos zu besichtigen.

Kunst

Volkmar Kühn: Kreuzmensch (Vorderseite), Kloster Paulinzella

In der Ruine wurde 2015 eine der Bronzeskulpturen der Serie Mildenfurther Kreuzmensch des Thüringer Künstlers Volkmar Kühn errichtet.[10]

Volkmar Kühn: Kreuzmensch (Rückseite), Kloster Paulinzella

Literatur

  • Hans Schröder: Zur Restaurierung der Klosterruine Paulinzella. In: Bildende Kunst, Berlin, 1/1971, S. 34–38
  • Horst H. Müller: Thüringer Wald und Randgebiete. 5. Auflage. Berlin. Tourist, Berlin 1988, ISBN 978-3-350-00263-4, S. 527–530.
  • Werner Goez: Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Primus-Verl., Darmstadt 1998, ISBN 978-3-89678-701-9, S. 224–232.
  • Dennis Buchert: Das Kloster Paulinzella. Grin Verlag, München/Ravensburg 2008, ISBN 978-3-640-23324-3.

Weblinks

Commons: Kloster Paulinzella – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle 1068–1534, Jena 1905, Nr. 1.
  2. Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle 1068–1534, Jena 1905, Nr. 2.
  3. Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle 1068–1534, Jena 1905, Anmerkung zu Nr. 1.
  4. Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle 1068–1534, Jena 1905, Anmerkung zu Nr. 2.
  5. Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle, 1068–1534: Namens des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. G. Fischer, 1905 (google.de [abgerufen am 21. Juni 2019]).
  6. H. E. Müllerott: Archäologische, historische und naturgeschichtliche Wanderungen um den Singer Berg. Thüringer Chronik-Verlag Arnstadt 1996, S. 26.
  7. L.F. Hesse zitiert von H.E. Müllerott: Paulinzelle, ehemaliges Kloster in der oberen Herrschaft des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt. Sonderdruck aus: Thüringen und der Harz. Band II, Thüringer Chronik-Verlag, Sondershausen 1840/ Arnstadt 1999, S. 263–269.
  8. Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland 8/2013
  9. Gemeinde Rottenbach (Memento vom 8. Januar 2014 im Internet Archive) Abgerufen am 11. Januar 2014.
  10. Daniel Baumbach: MDR-Lebensläufe: Bildhauer Volkmar Kühn (Textarchiv). www.medienspezialist.com, 25. September 2018, abgerufen am 18. Juli 2021.

Koordinaten: 50° 42′ 9″ N, 11° 6′ 16″ O