Ferrari 156/85

Ferrari 156/85

Konstrukteur:Italien Scuderia Ferrari
Designer:Harvey Postlethwaite
Vorgänger:Ferrari 126C4
Nachfolger:Ferrari F1/86
Technische Spezifikationen
Chassis:Verbundwerkstoff Monocoque
Motor:120° V6-Turbo (1,5 Liter)
Länge:4292 mm
Breite:2135 mm
Höhe:1080 mm
Radstand:2762 mm
Gewicht:548 kg
Reifen:Goodyear
Benzin:Agip
Statistik
Fahrer:Italien Michele Alboreto
Frankreich René Arnoux
Schweden Stefan Johansson
Erster Start:Großer Preis von Brasilien 1985
Letzter Start:Großer Preis von Australien 1985
StartsSiegePolesSR
16212
WM-Punkte:82
Podestplätze:10
Führungsrunden:k. A. / tba

Der Ferrari 156/85 war ein Formel-1-Rennwagen, der von der Scuderia Ferrari in der Weltmeisterschaft 1985 eingesetzt wurde. Die Fahrer waren Michele Alboreto (Nr. 27) und René Arnoux (Nr. 28), der wegen eines Zerwürfnisses mit Enzo Ferrari nach dem ersten Rennen für den Rest der Saison durch den Schweden Stefan Johansson ersetzt wurde. Ferrari erzielte mit dem 156/85 zwei Siege, eine Pole-Position und zwei schnellste Rennrunden und belegte mit 82 Punkten, wie schon im Vorjahr, den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung.

Entwicklung und Design

Der 156/85 übernahm einige bewährte Komponenten des Vorjahresmodells Ferrari 126C4. Das Fahrgestell, das Monocoque aus Verbundwerkstoffen (das nun mit Borfasern verstärkt wurde) und die Federung blieben weitgehend unverändert,[1] aber Motor und Aerodynamik wurden vollständig überarbeitet.

Die erste Neuerung im Bereich Aerodynamik war die Entwicklung einer neuen Karosserielinie, die wegen ihrer Form als „Coca-Cola-Flaschen-Design“ bezeichnet wurde. Diese Art der Gestaltung beeinflusste den gesamten Luftstrom um das Fahrzeug (insbesondere im Bereich der Hinterräder) positiv.[2] Das neue Design der Seitenkästen begünstigte außerdem die Wirksamkeit der Wärmetauscher, Wasser- und Ölkühler.

Eine weitere Neuheit war der große Heckdiffusor, in den die Endrohre der Auspuffanlage mit der Funktion eines Venturi-Rohrs eingebaut waren.[3] Dieses Schema ermöglichte eine bessere thermische Abstrahlung und bot die Möglichkeit der Montage kürzerer und daher leichterer Systeme. Da der Diffusor ziemlich weit unter das Fahrzeugheck reichte und die Endrohre auf der Fahrzeugunterseite austraten, war eine Auspuffanlage mit deutlich kürzeren Endrohren möglich, um Gewicht einzusparen.

Die große Neuerung im Bereich Motor war die endgültige Abkehr von (seit 1980 verwendeten) den oben montierten KKK-Turboladern und Auspuffanlagen und dem darunter befindlichen Einlasstrakt.[4] Mit diesem neuen Konzept entsprach Ferrari dem der meisten anderen Hersteller: die Auspuffanlagen und die Turbolader unten, während der gesamte Ansaugtrakt über das „V“ der Zylinderbänke verlegt wurden.

Dieser neue V6 leistete fast 800 PS (rund 900 in der Qualifikation). Mitte der Saison wurde eine noch stärkere Entwicklungsstufe eingeführt, die jedoch gleichzeitig die Ursache für die schlechte Zuverlässigkeit des Autos in der Endphase der Meisterschaft war. Tatsächlich litt diese Version unter Überhitzungsproblemen infolge eines unzureichenden Ölkreislaufsystems, außerdem traten Probleme bei den Turboladern auf.[4][5] Gleichzeitig konnte aber das quer eingebaute Getriebe dank der Verwendung spezieller Metalllegierungen kompakter und leichter gestaltet werden.[3]

Des Weiteren wurden erstmals CAD-Technologien bei einem Ferrari F1 eingesetzt. Die Zusammenarbeit mit Aermacchi[4] ermöglichte eine genaue Vorausberechnung der Aerodynamik. Das verwendete CAD-Programm war vom Finite-Elemente-Typ, das heißt, der Körper ist idealerweise in viele kleine Segmente unterteilt, die sich individuell berechnen und anpassen lassen. Wenn Änderungen an den Basisdaten dieser Segmente vorgenommen werden (z. B. die Belastung der Federung oder Veränderungen an der Karosserie-Verkleidung), lassen sich mit dem Programm schnell diese Punkte identifizieren und ändern.[6]

Rennhistorie

Für die Saison 1985 wurde die Fahrerpaarung Alboreto/Arnoux erneut bestätigt. Aber schon nach dem Großen Preis von Brasilien, dem ersten Rennen der Saison, kam es zu einem Fahrerwechsel: Am 17. April wurde bekannt gegeben, dass René Arnoux aus „gesundheitlichen Gründen“ beschlossen habe, im Einvernehmen mit Enzo Ferrari zu kündigen.[7] Sein Platz wurde von dem Schweden Stefan Johansson eingenommen.

Das Ergebnis aus Brasilien (Pole und 2. Platz für Alboreto) hatte Ferraris Wettbewerbsfähigkeit bewiesen und Alboretos erneuter zweiter Platz in Portugal führte ihn an die Spitze der Punktwertung. Nach einem doppelten Ausfall in San Marino (Alboreto Zündung, Johansson führte das Rennen bis 3 Runden vor Schluss an und schied dann wegen Benzinmangel aus) und einem erneuten zweiten Platz Alboretos in Monaco, folgte der erste Doppelsieg in Kanada (Johansson wurde Zweiter).

Das hervorragende Auftreten der Ferraris wurde auch in den folgenden Rennen bestätigt, in denen die Fahrer drei Podestplätze eroberten. Ein weiterer Sieg Alboretos beim deutschen Grand Prix, als er Alain Prost im McLaren-TAG-Porsche im direkten Zweikampf besiegen konnte, führte ihn mit fünf Punkten Vorsprung auf Prost erneut an die Spitze der Weltmeisterschaft.

Nach dem Grand Prix von Österreich (Alboreto 3. Johansson 4.) und dem Großen Preis von Holland (Alboreto 4. Johansson Motorschaden) büßten die Ferrari 156/85 so sehr an Zuverlässigkeit ein, dass Alboreto bei den letzten vier Rennen der Saison nicht ins Ziel kam und Prost die Meisterschaft mit 20 Punkten Vorsprung gewann. Der Grund für den starken Leistungsabfall lag hauptsächlich in den Änderungen, die Ferrari im Laufe der Saison am Motor vorgenommen hatte. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass die Zuverlässigkeit verloren ging, weil die Ölrückgewinnungspumpen des neuen Motors unzureichend waren und dazu neigten, das Öl zu emulgieren, und plötzlich auch die KKK-Turbolader nicht mehr wie vorher funktionierten. Einige Modifikationen am Fahrwerk wie zum Beispiel bei der Befestigung der vorderen Stoßdämpfer am Rahmen waren ebenfalls nicht erfolgreich.

Als „groteskes Sinnbild“ dieser Situation kann wohl der belgische Grand Prix gelten: Das Rennen war für den Juni angesetzt, nach dem Qualifying, in dem Alboreto die Pole-Position erzielte, wurde der Grand Prix jedoch auf September verschoben, weil der Asphalt mehrfach aufgebrochen war. Als die Scuderia im September, gerade in der Ferrari-Krisenzeit auf die Rennstrecke zurückkehrten, um am Grand Prix teilzunehmen, waren sowohl das weiterentwickelte als auch das beim ersten Mal verwendete Auto (wohl wegen der inzwischen geleisteten Entwicklungsarbeit der anderen Teams) viel zu langsam und weit von den Bestzeiten entfernt.[8] Wenn der Grand Prix im Juni gelaufen wäre, hätte Alboreto wahrscheinlich um den Sieg kämpfen können.

Bewertung

Als Alain Prost am Ende der Saison gefragt wurde, wann er sich sicher war, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, antwortete er (sinngemäß): „Als Ferrari anfing, ihre Motoren selbst zu zerstören.“ Tatsächlich war die Zuverlässigkeit der Ferraris in den letzten Jahren eine der Stärken des Teams gewesen, und die zahlreichen Ausfälle stellten daher einen eher ungewöhnlichen Umstand dar.[9]

Zehn Jahre später erinnerte sich Michele Alboreto an diese Saison und erzählte eine Anekdote über Enzo Ferrari: Nach dem Ferrari-Sieg in Deutschland, bei dem Motorenlieferant Porsche einen Sieg von Prost (McLaren) feiern wollte, begannen die Probleme für Ferrari. Die Teile, die unerklärlicherweise zu brechen begannen, stammten von deutschen Unternehmen, die McLaren-TAG-Porsche mit denselben Komponenten (insbesondere den KKK-Turboladern) versorgten. Die Komponenten wurden untersucht, aber es konnten keine Mängel gefunden werden, und dann entstand der Verdacht, dass sie niedrigere Qualitätsstandards hatten als die, die an Ron Dennis’ Team geliefert wurden.

Bei einem Treffen mit Alboreto und dem damaligen Sportdirektor Marco Piccinini wurde Enzo Ferrari sehr wütend und sagte: „Legen Sie diese Teile in einen Korb und werfen Sie sie weg! Jetzt rufe ich in Amerika an und möchte morgen früh ein paar neue Stücke hier haben!“ Obwohl Piccinini ihn darauf hinwies, dass es „aus heiterem Himmel und ohne Prüfung“ nicht möglich sei, eine bewährte Komponente gegen eine völlig neue auszutauschen, bestellte Ferrari die amerikanischen GARRETT-Turbolader, die innerhalb weniger Wochen eintrafen. Das Resultat waren vier aufeinanderfolgende Ausfälle.[10] Da der Motor von Anfang an für die Verwendung der deutschen KKK-Turbolader konstruiert und entwickelt wurde, war es in der verbleibenden Saison einfach unmöglich, ihn an die neuen Komponenten anzupassen.

Galerie

Ergebnisse

FahrerNr.12345678910111213141516PunkteRang
Formel-1-Saison 1985822.
Italien M. Alboreto2722DNF213DNF213413*DNFDNFDNFDNF
Frankreich R. Arnoux284
Schweden S. Johansson86*DNF224DNF94DNF5DNFDNF45
Legende
FarbeAbkürzungBedeutung
GoldSieg
Silber2. Platz
Bronze3. Platz
GrünPlatzierung in den Punkten
BlauKlassifiziert außerhalb der Punkteränge
ViolettDNFRennen nicht beendet (did not finish)
NCnicht klassifiziert (not classified)
RotDNQnicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQin Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
SchwarzDSQdisqualifiziert (disqualified)
WeißDNSnicht am Start (did not start)
WDzurückgezogen (withdrawn)
HellblauPOnur am Training teilgenommen (practiced only)
TDFreitags-Testfahrer (test driver)
ohneDNPnicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJverletzt oder krank (injured)
EXausgeschlossen (excluded)
DNAnicht erschienen (did not arrive)
CRennen abgesagt (cancelled)
 keine WM-Teilnahme
sonstigeP/fettPole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursivSchnellste Rennrunde
*nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
()Streichresultate
unterstrichenFührender in der Gesamtwertung
Commons: Ferrari 156/85 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Piero Casucci: Profili Quattroruote: Ferrari F1 1977–1985. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1985, S. 67.
  2. Piero Casucci: Profili Quattroruote: Ferrari F1 1977–1985. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1985, S. 65–66.
  3. a b La Stampa (Zeitschrift): Ecco il bolide di Alboreto. La Stampa, 5. Mai 1985, S. 29.
  4. a b c Piero Casucci: Profili Quattroruote: Ferrari F1 1977–1985. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1985, S. 66.
  5. Piero Casucci: Profili Quattroruote: Ferrari F1 1977–1985. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1985, S. 70.
  6. La Stampa (Zeitschrift): Anche la Formula 1 nasce con l'elettronica. La Stampa, 22. Februar 1985, S. 17.
  7. La Stampa (Zeitschrift): René Arnoux divorzia dalla Ferrari. Hrsg.: La Stampa. 17. April 1985, S. 31.
  8. Umberto Zapelloni, Luca Dal Monte: Ferrari. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 2010, S. 100.
  9. Piero Casucci: Profili Quattroruote: Ferrari F1 1977–1985. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1985, S. 71.
  10. Michele Alboreto: Bevi il nocino, ti fa bene. In: Fascicolo Ferrari che gente vol. 6. allegato al n° 92 di Ruoteclassiche. Editoriale Domus, Rozzano (MI) 1995, S. 96–97.