Wehrpolitische Vereinigung

Die Wehrpolitische Vereinigung (WPV) war eine von 1928 bis 1932/1933 bestehende rechtsradikale und militaristische Organisation.

Geschichte

Die Wehrpolitische Vereinigung wurde im Sommer 1928 auf Betreiben von Ernst Röhm gegründet. Die Organisation verschrieb sich offiziell der Förderung und Pflege des Wehrgedankens und seiner theoretischen Vertiefung. Offiziell positionierte sie sich zwar als parteipolitisch neutral. Wie Mathias Rösch festgestellt hat, war dies nach Ansicht der beobachtenden Polizeibehörden aber nur eine Fassade („Scheinfassade“)[1], da die Organisation tatsächlich nicht nur eindeutig dem völkischen Lager zuzurechnen war, sondern sie sich auch speziell an die NSDAP eng anlehnte.

Röhm verfolgte mit der Organisation das Ziel, in militärisch orientierten Rechtskreisen Anhänger für die NSDAP zu gewinnen und zumal die Reste der sich seit Mitte der 1920er Jahre infolge der Stabilisierung der Weimarer Republik immer mehr auflösenden parteilich nicht-gebundenen Wehrverbände, insbesondere des Tannenbergbundes (dessen Mitglieder sich aus Enttäuschung über den exzentrischen Führungsstil des Tannenbergbundführers Ludendorff immer mehr zerliefen), aufzufangen.[2] Anhänger der Wehrverbände sollten nach Röhms Überlegung durch die WPV allmählich in die NSDAP überführt werden, ohne sich zunächst direkt und abrupt aus ihren Verbänden lösen zu müssen, wozu viele Angehörige derselben aus alten Anhänglichkeiten wahrscheinlich nicht bereits gewesen wären.[3] Die WPV war demnach offiziell nicht in die NSDAP eingebunden, war effektiv aber so etwas wie eine „nationalsozialistische Sammlungsorganisation für Anhänger der Wehrverbände“, die außerhalb der NSDAP standen.[4]

Tatsächlich schlossen sich der Organisation im Sommer 1928 auch eine signifikante Anzahl von bisherigen Angehörigen des Roßbach-Bundes, des Deutschvölkischen Offiziersbundes (DVOB) und des Wehrwolfs an. In der Gründungsphase fand sich zumal eine Reihe prominenter Führer von bisher unabhängigen Wehrverbänden bereit, in der WPV aktiv mitzuarbeiten, darunter die ehemalige Führer des Münchner DVOB Otto Rösch und Hildolf von Thüngen, der ehemalige Führer der Münchener Altsreichsflagge, Fritz von Kraußer, der frühere Frontbannführer Wilhelm Brückner, der vormalige Herausgeber des Völkischen Kuriers Wilhelm Weiß und der frühere TBB-Führer Konstantin Hierl, zur Mitarbeit in der WPV bereit.[5] Den Kern der WPV bildeten aber die Reste der früher von Röhm geführten Reichskriegsflagge. Die galt insbesondere für eine Reihe von führenden Funktionären derselben, wie Epp, Hierl und Friedrich Haselmayr, die sich der WPV anschlossen.

Röhm wollte mit seiner Organisation eine ideologische Orientierung anbieten, die den etablierten Traditionsverbänden für Offiziere seiner Ansicht nach fehlte. Hierl formulierte die Aufgabe der WPV Ende 1928 damit, dass diese sich der „geistige[n] Bearbeitung des Grenzgebietes zwischen Politik und Kriegsführung“ verschrieben habe.

Röhm hatte die Organisation ursprünglich als Neuauflage der Organisation Reichskriegsflagge geplant, entschied sich dann aber für die beschriebene Form, die, nachdem sie kurzzeitig als „Flaggenklub“ firmierte, als Wehrpolitische Vereinigung aufgestellt wurde.

Die Organisation hielt häufig Vortragsabende ab, in denen Redner zu militärischen Themen sprachen, gefolgt von Diskussionen mit den Besuchern. Themengebiete waren z. B. „wehrpolitische Schulung und Willensbildung“ und „Wiederaufbau eines nationalen Wehrstaates“. Hierl hielt z. B. im Dezember 9128 einen Vortrag mit dem Titel „Vom kommenden Krieg“. Das erste Treffen der Vereinigung fand am 12. Dezember 1928 im Wittelsbacher Garten statt.

Als Teilnehmer von Veranstaltungen der WPV sind u. a. nachweisbar: Wilhelm Brückner, Hermann Esser, Oberst Haselmayr, Rudolf Heß, Heinrich Himmler, Adolf Hitler Ernst Hühnlein, Freiherr von Löffelholz, Otto Rösch, Baldur von Schirach.

Nachdem Röhm sich im Ende 1928 aus dem politischen Leben vorübergehend zurückgezogen hatte und schließlich sogar zum Jahreswechsel für fast zwei Jahre nach Südamerika gegangen war, hielt die WPV an ihren Zielen und Aktivitäten fest. Die Führung der Organisation übernahm an seiner Stelle Konstantin Hierl, der sie von Februar 1929 bis Mitte 1930 führte.

1930 bestand die WPV fast nur noch aus Nationalsozialisten. Die Polizeidirektion München beobachtete anschließend keine neuen Beitritte prominenter Wehrverbandsoffiziere mehr.

Im Jahr 1931 gründete die WPV als Gegenstück zur Internationalen Abrüstungskonferenz in Genf die „Arbeitsgemeinschaft für deutsche Wehrverstärkung“, deren Vorsitz Friedrich Haselmayr übernahm.

Konrad Heiden, der die Nationalsozialisten als Journalist in den 1920er und 1930er Jahren sorgfältig beobachtet hatte, hat die Tätigkeit der WPV 1936 damit beschrieben, dass diese „eine Art privater Generalstabsarbeit für die kommende deutsche Wiederaufrüstung zu leisten“ versucht habe. Von der Vereinigung sei in der Öffentlichkeit nur wenig gesprochen worden. Sie habe aber mit Denkschriften, Entwürfen, Programmen und durch persönliche Verbindung mit Angehörigen der Armee „die erste Brücke“ zur Reichswehr geschlagen. Röhm habe die zahlreichen ihm bekannten Reichswehroffiziere der Garnisonen im vertrauten Kreise versammelt, und militärische Besprechungen abgehalten. Er habe über den Zweck seiner Geschäftigkeit mit der WPV sogar erklärt: „Hitler ist unbedingt der kommende Mann, und ich mache ihm seine Armee.“[6]

Als Abzeichen trugen die Mitglieder ein Emblem, das den Großbuchstaben „W“ auf silbergrauem Rechteck zeigte.

Literatur

  • Mathias Rösch: „Die 'Wehrpolitische Vereinigung'“, in: ders.: Die Münchner NSDAP 1925–1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, 2014, S. 137f. und 284.

Einzelnachweise

  1. Rösch, S. 284.
  2. Rösch: Münchener NSDAP, S. 137.
  3. Rösch: Münchener NSDAP, S. 138.
  4. Rösch: Münchener NSDAP, S. 178.
  5. Rösch: Münchener NSDAP, S. 178f.
  6. Konrad Heiden: Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit, 1936, S. 278.