Gabriel Yared

Gabriel Yared (* 7. Oktober 1949 in Beirut) ist ein libanesischer Komponist. Einen Namen machte er sich vor allem als Filmkomponist von bisher über siebzig Filmkompositionen. 1997 wurde Yared für die musikalische Untermalung von Anthony Minghellas Drama Der englische Patient mit dem Oscar für den besten dramatischen Filmscore ausgezeichnet.

Biographie

Kindheit

Yared wurde 1949 im Libanon geboren und lebte dort bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr. Mit vier Jahren besuchte er eine Jesuitenschule in Beirut. Yared kam zum ersten Mal im Alter von sieben Jahren durch seinen Vater mit der Musik in Berührung, der das musikalische Talent seines Sohnes erkannte und ihn in die Obhut eines Akkordeon-Lehrers gab. Zwei Jahre später entließ ihn sein Musiklehrer, da er Yared alles beigebracht hatte, was er wusste. Yared begann sich daraufhin im Alter von elf Jahren mit Musik-Theorie auseinanderzusetzen und nahm eine halbe Stunde wöchentlich Klavierunterricht. Schnell erkannte Yared, dass er eher ein Talent für das Komponieren und "Lesen" von Musik hatte und mit seiner Kenntniss über eine Vielzahl von Musikinstrumenten begann er selbst Musik zu komponieren.

Drei Jahre später starb Yareds Klavierlehrer und gerade erst 14 Jahre alt übernahm er den Platz seines verstorbenen Mentors als Organist an der Saint Joseph University in Beirut. In der großen musikalischen Bibliothek der Jesuitenschule die er besuchte, war es ihm möglich die Werke der großen Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Robert Schumann und Franz Liszt ebenso zu studieren, wie Dietrich Buxtehude, Johann Pachelbel, Maurice Duruflé, Olivier Messiaen, Jean Langlasi, Charles-Marie Widor und César Frank. Die Alleinarbeit befähigte ihn dazu weiterhin Musik zu komponieren, u. a. mit 14 Jahren einen ersten Piano-Walzer.

Da Yareds Eltern keine musikalische Karriere für ihren Sohn begrüßten, begann er nach seinem Schulabschluß, wo er u. a. Philosophie-Unterricht in Französisch und auch in Arabisch erhalten hatte, das universitäre Studium der Rechtswissenschaft. Dennoch führte er nebenher seine musikalischen Studien fort.

Im Libanon war es schwer an Notenblätter zu gelangen, glücklicherweise erstand Yareds Vater auf seinen Auslandsreisen manchmal welche für seinen Sohn. Zwar hatte Yared niemals von Sergei Prokofiev oder Béla Bartók gehört und kannte kaum Claude Debussy oder Maurice Ravel, trotzdem war er in der Lage 1966 einen mehrstimmigen Refrain zu einem Gedicht von Paul Valéry zu komponieren, sowie ein Piano Trio im Jahr 1968, ein Stück, dass Piano, Violine und Cello als Musikinstrumente beinhaltet. In dieser Zeit waren Yareds musikalische Mentoren vorwiegend die Beatles, Stevie Wonder und Marvin Gaye. Er übte weiterhin an der Kirchenorgel der Saint Joseph University und gab zwei Konzerte.

Nachdem sich Gabriel Yared im Alter von zwanzig Jahren dafür entschieden hatte das Studium der Rechtswissenschaft aufzugeben und sich für eine musikalische Laufbahn zu entscheiden (obwohl er nie eine akademische Musikausbildung erhalten hatte), reiste er 1969 nach Frankreich. Dort war es ihm möglich als nicht immatrikulierter Student am Ecole Normale de Musique dem Unterrricht von Henri Dutilleux und Maurice Ohana zu besuchen. Dutilleux erstaunte Yareds Begabung und animierte ihn dazu die Regeln der Musikkomposition zu erlernen.

Erste Schritte zu einer professionellen Karriere

Am Ende des akademischen Jahres 1971 reiste Yared nach Brasilien um dort seinen Onkel zu besuchen. Aus dem geplanten vierzehntägigen Aufenthalt wurden anderthalb Jahre. In dieser Zeit bat ihn der Präsident der World Federation of light Music Festivals, Augusto Marzagao, einen Song für das Rio "Maracanazinho" Song Festival zu schreiben, der den Libanon repräsentieren sollte. Zwar war es Yared nicht möglich selbst aufzutreten, doch die Künstlerin Gwen Ovens sprang für Yared ein und gewann den Wettbewerb. Yared selbst belegte wenig später beim Vina del Mar Festival in Chile den dritten Platz.

In Brasilien komponierte Yared einen Bossa Nova und nach einem Monat sprach er so gut portugiesisch wie ein Carioca, ein gebürtiger Einwohner Rio de Janeiros. Hier traf Yared auf zeitgenössische Komponisten wie Don Salvador, Ivan Lins, Jorge Bem, Edu Lobe und Ellis Regina. Er unterhielt ein kleines Orchester von sechs Musikern und jede Nacht spielte er mit ihnen im bekanntesten Nachtclub Ipanemas, Number One, die Stücke die er Stunden zuvor komponiert hatte. Er gab ein Konzert mit einem Saxophon-Quartett, angeführt von Paulo Moura in der Cecilia Meres Hall und vollendete für Ivan Lins ein Album als Dirigent.

Der Aufenthalt in Brasilien beeinflusste Yared in seinem späteren musikalischen Schaffen, z. B. für seine Kompositionen zum Score von Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen, oder die Songs die Yared später für Michel Jonasz oder Françoise Hardy schreiben sollte.

Der musikalische Durchbruch

Während Yared eine carte desanove (Brasiliens Äquivalent zur US-amerikanischen Green Card) beantragte um gänzlich nach Brasilien zu ziehen, beschloss er für ein paar Tage in den Libanon zu reisen, um seinen Eltern auf Wiedersehen zu sagen. Doch der Zufall wollte es, dass er nach einem kurzen Aufenthalt in Paris beschloß gänzlich in Frankreich zu verweilen. Er lebte während dieser Zeit mit dem Musikern Gorges und Michel Costa zusammen. Gemeinsam mit den Brüdern versuchte Yared als Songwriter Fuß zu fassen. Zum ersten Mal dirigierte er in dieser Zeit auch ein Orchester, dass aus Streichinstrumenten, Blaskapelle und Chor bestand. Um seine Freunde zu unterstützen berücksichtigte er in seinem Orchester auch Trommeln, Bass und Schlaginstrumente. Die Musiker mit denen Yared im Aufnahmestudio zusammenarbeitete, waren begeistert von seinem Talent als Dirigent und schon bald hatte er einen so guten Ruf, dass er in den nächsten sechs Jahren täglich zwei bis drei Orchester dirigierte und sein Werk als Musikkomponist in Vergessenheit geriet. 1979 hatte Yared als Orchester-Dirigent bereits einen so guten Leumund, dass er seine Karriere eine Zeit lang beendete um mit Julien Falk, einem ehemaligen Lehrer am Conservatoire de Paris, Unterricht zu geben.

Nachdem die Zusammenarbeit mit den Costa-Brüdern zu einem Ende kam, arbeitete Gabriel Yared für Johnny Hallyday und Sylvie Vartan, Enrico Macias, Charles Aznavour und Gilbert Bécaud. Von 1974 bis 1980 schrieb und lernte er, ergriff Chancen und testete Orchester- und rhythmische Kombinationen. Mit dem Geld was Yared verdiente, kaufte er sich klassische Notenblätter und arbeitete weiterhin als Musikkomponist.

Um wie er selbst sagt nicht vom Orchester versklavt zu werden, entschied er, sich 1976 auch als Songwriter zu versuchen. Er arbeitete mit Françoise Hardy zusammen, für die er das Album Star produzierte, dass rhythmische Regie, Orchesterarbeit, Gesangsabstimmung, Songauswahl und Mixing beinhaltete. Er arbeitete weiterhin mit Künstlern wie Michel Jonasz, Michel Fugain und Mina zusammen. In dieser Zeit nahm er Abstand von der Dirigentenrolle und legte mehr Wert auf das Komponieren, Artist Directing, und Produzieren. Er arbeitete verstärkt für die Werbung und komponierte viele Radio- und TV-Jingles. 1980 kreierte er den Jingle zu den TF1-Nachrichten. Außerdem nahm er auch ein Musik-Album auf, auf dem er Gesangsstücke interpretierte.

Karriere als Filmkomponist

Der introvertierte Gabriel Yared war eigentlich nicht dafür geschaffen Filmkomponist zu werden, wie er selbst in Interviews herausstellte. Er sei kein Filmexperte und kein Mann der Bilder, außerdem gehe er nicht ins Kino. Yared ist stark kurzsichtig und aus diesem Grund war es eine harte Zeit für ihn der Allgegenwärtikeit des Bildes auf der Leinwand zu widerstehen. Als Komponist fand er die Bilder in sich selbst, inspiriert durch die Worte und der Magie seiner Einbildungskraft. Trotzdem komponierte er 1975 die Musik für den Film Miss O Ginie ou les hommes fleurs des belgischen Regisseurs Samy Pavel. Seine erste wirkliche Erfahrung mit dem Medium Film hatte er aber bei den Stücken die er 1979 für Jean-Luc Godards Rette sich, wer kann (das Leben) schrieb.

Als Yared mit Françoise Hardy zusammenarbeitete, wurde deren Ehemann Jacques Dutronc auf Yared aufmerksam. Er war für eine Rolle in Godards Film im Gespräch und erwährnte Yareds Namen, als Godard nach einem klassischen Musiker suchte, der Musik-Variationen einer bereits feststehenden Themas entwickeln sollte. Yared traf sich mit Godard, den vier Takte aus einer Oper Amilcare Ponchielis, La Gioconda, fasziniert hatten. Yared sollte die Musikpassage ausfindig machen, dirigieren und Variationen von ihr für Godards Film nachbearbeiten. Yared war aber diesem Engagement abgeneigt und entgegnete dem französischen Regisseur, er solle sich einen Showbusiness Guide kaufen, in dem er die Kontaktadresse eines Dirigenten nachschlagen könnte. Merkwürdigerweise hatte Godard an der Konversation Gefallen gefunden und kontaktierte Yared für ein zweites Treffen. Hier verriet Godard wieder nicht die Kernelemente des Films, doch Gabriel Yared schrieb die Filmmusik auf Basis dessen, was sie schon zuvor abgesprochen hatten, ohne das Yared eine einzige Szene des Films zu Gesicht bekam.

Diese erste Erfahrung hielt Yared für sinnvoll, da sie mit seiner Arbeitsweise einherging und so auch rechtfertigte. Für ihn ist es eine gesunde Einstellung beim Komponieren nicht auf zu viele Elemente festgelegt zu sein bzw. nicht von den Bildern überwältigt zu werden, was die Freiheiten der Kreation und Phantasie erhöht. Von 1979 bis 1983 behielt er diese Grundregeln mit einer bestimmten Sturrheit bei. Gabriel Yared arbeitete in dieser Zeit an seinen Kompositionen nur vor und während des Drehs, selten danach. 1987 wurde er für die Filmmusik in Jean-Pierre Mockys Agent Trouble - Mord aus Versehen für den César, dem französischen Äquivalent zum Oscar nominiert. In den nächsten zwei Jahren wurde er erneut nominiert und gewann den Filmpreis 1989 für die Kompositionen in Bruno Nuyttens Künstlerbiographie Camille Claudel.

Im Laufe der Zeit wurde Yared in seiner Arbeitsweise flexibler. Er entschied sich vor Drehbeginn eines Films sich seiner Filmmusik zu widmen, bevor er sich an irgendwelchen vorhandenen Bildern orientieren musste, sowie vermehrt nach Drehende. Er praktizierte diese Methode bei Jean-Jacques Annauds Film Der Liebhaber, für den er seinen zweiten César gewann und noch mehr bei Anthony Minghellas Filmepos Der englische Patient, mit dem er 1997 den bis dato größten Erfolg seiner Karriere feierte und für seine Filmmusik u. a. mit dem Oscar, dem Golden Globe und einem Grammy ausgezeichnet wurde.

Bei seiner Arbeit verfügt Yared über kein festgelegtes System, keine spezifische Methode. Seine Arbeit variiert, je nach Thema, abhängig von den Einzelpersonen. Wichtig für den Filmkomponisten ist es das Drehbuch zu lesen, die Beziehung zum Regisseur, sowie nach und nach das Verhältnis mit dem Cutter und Soundmixer. Obwohl er dadurch flexibler geworden ist, nähert er sich noch immer rigoros einen Thema, seinen Kompositionen und seiner harmonischen Erfoschung an. Diese Arbeitsweise ist relativ zeitaufwendig und so räumte sich der Filmkomponist ein Jahr, manchmal sogar länger für seine Musikstücke ein. Ein Regisseur der ähnlich arbeitet ist Anthony Minghella, der Yared nach dem großen Erfolg von Der englische Patient auch für seine beiden folgenden Produktionen Der talentierte Mr. Ripley (1999) und Unterwegs nach Cold Mountain (2003) verpflichtete. Für beide Filme wurde Gabriel Yared erneut für den Oscar in der Kategorie beste Filmmusik nominiert, für seine Arbeit an Unterwegs nach Cold Mountain gewann er 2004 den britischen Filmpreis BAFTA.

Misserfolg mit Troja

Nach über siebzig Filmkompositionen hauptsächlich für das französische und US-amerikanische Kino, wurde Gabriel Yared 2004 damit beautfragt die Filmmusik zu Wolfgang Petersens Monumentalfilm Troja zu kreieren. Er arbeitete mit einem Orchester das zusätzlich mit fünfundzwanzig Blechbläser, Percussionspieler und einem stimmgewaltigen Chor ausgestattet war. Nachdem er schon oft Gesangsparts in seinen Filmscores realisiert hatte, u. a. von Künstlern wie Sinead O'Connor, Miriam Stockley oder Ramon Vargaz, setzte er für die Filmusik in Troja die mazedonische Vokal-Solistin Tania Tzarovska ein, die in ihrer Landessprache sang. Die als dunkel, rhythmusgetrieben und kraftvoll bezeichnetete Filmmusik wurde von Kritikern als Höhepunkt im künstlerischen Schaffen Gabriel Yareds bezeichnet, fiel aber tragischerweise bei einer Testvorführung durch. Yared wurde entlassen, der daraufhin einige Ausschnitte aus seinem Filmsoundtrack auf seiner Website veröffentlichte und in einem Kommentar erklärte, dass seine Musik als zu altmodisch empfunden wurde. James Horner wurde als Ersatz für Gabriel Yared kurz vor Filmstart von Troja verpflichtet. Horner verwendete einige von Yareds fertigen Kompositionen, dessen "Retortenmusik" wurde jedoch von der Kritik als "ohne Charakter, dünn und duchsichtig wie ein amerikanischer Kaffee" bewertet.

Nach der musikalischen Untermalung zu Peter Chelsoms Romantikfilm Darf ich bitten? und dem französischen Drama L'avion arbeitet Gabriel Yared derzeit an der Musik von fünf Filmproduktionen, darunter der Film Breaking and Entering, der die vierte Zusammenarbeit mit Regisseur Anthony Minghella darstellt, sowie die deutsche Produktion Das Leben des Anderen, ein Film von Florian Henckel-Donnersmarck mit Ulrich Mühe, Martina Gedeck und Ulrich Tukur in den Hauptrollen.

Der musikalische Autodidakt, der u. a. auch die Musik für Ballett-Aufführungen von Carolyn Carlson oder Roland Petit schrieb, ist der Gründer der Akademie Pléiade, die die Ausbildung und Förderung junger Komponisten zum Ziel hat.

Zitate

"Was wir brauchen, um uns weiterzuentwickeln, ist ein offenes Ohr als Gegenüber. Nicht Akzeptanz um jeden Preis, aber jemand der auch bereit ist, ein Risiko einzugehen - sofern wir nicht ewig dieselben Reflexe vollführen wollen, dieselben Gewohnheiten von Film zu Film. Für jeden Szenen-Typ die entsprechende, passgerechte Musik: für die Liebesszene, für Spannung und so weiter. Diese Art, wie sie in der Vergangenheit praktiziert wurde, hat heute keine Berechtigung mehr. Man muss ein neues Vokabular finden, neue Ausdrucksmöglichkeiten." - Gabriel Yared

Filmmusiken (Auszug)

Auszeichnungen

  • 2004 nominiert für die beste Filmmusik in Unterwegs nach Cold Mountain
  • 2002 nominiert für die beste Filmmusik in Der talentierte Mr. Ripley*
  • 1997 Beste dramatische Filmmusik für Der englische Patient
  • 2004 Beste Filmmusik für Unterwegs nach Cold Mountain (zusammen mit T-Bone Burnett)
  • 2002 nominiert für die beste Filmmusik in Der talentierte Mr. Ripley
  • 1997 Beste Filmmusik für Der englische Patient
  • 2004 nominiert für die beste Filmmusik für Unterwegs nach Cold Mountain
  • 2002 nominiert für die beste Filmmusik in Der talentierte Mr. Ripley
  • 1997 Beste dramatische Filmmusik für Der englische Patient

Weitere

ASCAP Film and Television Music Awards:

  • 1999 beste Filmmusik für einen Top Box Office Film für Stadt der Engel

Australian Film Institute:

  • 1993 nominiert für die beste Filmmusik in Flucht aus dem Eis

Broadcast Film Critics Association Awards

  • 2004 nominiert als bester Komponist für Unterwegs nach Cold Mountain
  • 2000 Beste Filmmusik für Der talentierte Mr. Ripley

César

  • 2004 nominiert für die beste Filmmusik in Bon Voyage
  • 1993 Beste Filmmusik für L'Amant
  • 1989 Beste Filmmusik für Camille Claudel
  • 1988 nominiert für die beste Filmmusik in Agent Trouble - Mord aus Versehen
  • 1987 nominiert für die beste Filmmusik in Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen

Golden Satellite Awards

  • 2004 nominiert für die beste Filmmusik in Unterwegs nach Cold Mountain
  • 1999 nominiert für die beste Filmmusik in Stadt der Engel
  • 1997 Beste Filmmusik für Der englische Patient