Benutzer:Don Garellos/Loose

Wenn Nelly Furtados nahezu unzugängliches Schulwerk Folklore (2003) irgendetwas bewiesen hat, dann, dass diese Sängerin und Songwriterin von heute geschickt und ehrgeizig ist, aber solche besonderen Qualitäten noch nicht gänzlich im Griff hat. In der Weltmusik stümpernd und die Gefahren des sofortigen Erfolges berichtend, gab sie sich selbst nach, ohne sich um die Hörerschaft zu kümmern - und die Hörerschaft antwortete in natura, indem das Album nur gerade eben die Top 40 der US-Charts erreichte, keine Hits hervorgebracht hat und ungefähr ein Viertel davon verkaufte, was ihr mit einem Grammy ausgezeichnetes Debüt tat. Es war eindeutig irgendein Umdenken angebracht und ihr nächstes Album Loose (2006), ungefähr drei Jahre später veröffentlicht, präsentiert mit Sicherheit eine andere Nelly Furtado: eine mit mehr Glamour, mehr Sex Appeal und eine, die bereit für den Dancefloor ist.

Sie borgt sich freizügig bei Gwen Stefanis fabelhaften Ghetto-Verschönerung und ein wenig von Justin Timberlakes schnittigen Retro-80er-Moves auf Justified. Furtado hat nun einen Sound, der straight 2006 ist; mit Haken, die so bequem sind wie die Massenmusik auf MTV, indem sie als Hintergrund für Handywerbungen oder Klingeltönen dienen, vereinigt sie sich mit der hypergesättigten Medienkultur von 2006. Ein möglicherweise entfremdender Schritt für Fans, die gewonnen wurden, wie ihr Debütalbum Whoa, Nelly! 2000 wie nichts anderes erklang. Ganz gleich wie discofreundlich Loose ist - selbst seine ruhigeren Momente, wie das abschließende "All Good Things (Come to an End)" (teilweise von Coldplays Chris Martin mitkomponiert), fühlen sich an wie ideale Songs in chilligen Situationen - bekam Furtado letztendlich keine "Schöner-Schwan-Verschönerung", bei der ihre eigentliche Persönlichkeit abgehauen und weggeworfen worden wäre, dass nur ein Rest von ihr übrig bliebe. Erinnere dich daran, dass Furtado absolut clever ist und so grabschte sie als ihren hauptsächlichen Kollaborateur für Loose Timbaland, einen der absolut besten Produzenten der modernen Musik.

Timbaland steuerte hier alle 12 (außer zwei) Tracks - das Album kommt mit 13 Songs daher, wobei eines eine spanische Version von Juanes' Duett "Te Busque" ist - und er gibt einem Großteil der Musik ein belebendes Feeling, dicht mit Old School Synths, subtilen Sample-Collagen, zermalmenden Bässen, fallenden Gesangsteilen und Beats, die so heftig klingen, dass es sehr behutsames Hören erfordert, um zu erkennen wie behände sie sind. Dies ist nirgens offensichtlicher als im umwerfenden Eröffnungstriptychon von "Afraid", "Maneater" und "Promiscuous", drei Songs, die Furtados Veränderung trompeten und es auch schön überzeugend machen - besonders bei "Maneater" mit seinem rundumlaufenden, Moll-Bass und "Promiscuous" mit seinem Refrain, der wie der altehrwürdige Prince klingt. Das ist Timbaland auf der Höhe und das einzig schwache Glied ist Furtado; ganz gleich wie sie in "Maneater" knurrt oder in "Promiscuous" murmelt - ganz gleich wie viel sie ÜBER Sex singt - sie klingt einfach nicht sexy. Sie klingt, als ob sie versucht, sexy zu SEIN, was nicht viel sinnliche Leidenschaft produziert, aber letztlich ist das ziemlich egal, da sie bei allen heftigen Dancesongs, von denen es eine Vielzahl gibt, bei Timbalands Produktion in den Hintergrund gemixt wurde und als weiteres Instrument dient, das der Musik hilft, einfach als eine stylishe Fläche an Sound zu funktionieren. Furtado kämpft nicht gegen Timbalands Mix, was ihre Cleverness mehr beweist als irgendetwas vom protzigen Folklore; es gibt einen Grund, warum sie Timbaland als Kollaborateurauswählte und sie lässt ihn in der ersten Hälfte der Platte aufblitzen, um die Party in Gang zu bringen. Dann, in der zweiten Hälfte der Platte, beginnt die alte Nelly durchzuscheinen. Sie gelangt dahin die Weltenbummlerin zu spielen mit "No Hay Igual", wo sie geschickt Reggaeton und M.I.A. vermengt, und der weichen Latin-Pop-Ballade "Te Busque". Ihre Worte kommen allmählich in den Vordergrund, wie in "Say It Right" - ein tief nachdenkliches Stück, das auf ihre vorherigen Platten gepasst hätte, wenn es auch keine Timbaland-Produktion ist - oder im süß nachdenklichen "In God's Hands" und dann in "Wait for You", das indisch beeinflusste Teile und eine an "I'm Like a Bird" erinnerte Melodie hat, beide Stränge sind auf eindringliche Art und Weise miteinander verwoben.

Es ist im hinteren Gebiet des Album, als die Paarung Furtado und Timbaland eine unverfälschte Zusammenarbeit scheint, der Nelly der ersten zwei Alben treu bleibend, aber eine abenteuerliche Produktion hinzugebend, die ihren Songs hilft, sich zu öffnen. Ungleich der Musik von Folklore faszinieren die Eigenarten anstatt zu enttäuschen und lösen das Versprechen des Debütalbums ein, als es schien, dass Furtado alles könne. Das besagt, die Musik in der zweiten Hälfte des Albums ist lange nicht so unmittelbar oder fesselnd wie "Maneater" und "Promiscuous", zwei Singles, die in den USA und Großbritannien bereits verdiente Hits waren, bevor Loose überhaupt veröffentlicht wurde. Der Genius der beiden Songs liegt bei Timbaland, der nicht nur den Sound gestaltet, sondern im Letzteren auch Nellys gemurmelte Raps gesanglich in den Schatten stellt. Aber Furtado ist clever genug, ihn hier dominieren zu lassen, da sie weiß, dass Timbaland Nelly Furtado sowohl kreativisch als auch kommerziell mit Loose wiederbelebt hat, so dass es einfach nur gebührend ist, dass er sich in den zwei besten Momenten das Spotlight an sich reißt.

Rating: 4 von 5