Amt Ortenberg

Amtmann Ludwig Eisenberger mit seiner Frau Margaretha Schwartzin

Das Amt Ortenberg war seit dem Spätmittelalter ein Amt in der Wetterau. Zeitweise bestanden auch zwei Ämter unter dieser Bezeichnung.

Geografische Lage

Das Amt Ortenberg lag in der Wetterau, nordwestlich von Büdingen. Sitz des Amtes war in Ortenberg im heutigen Wetteraukreis in Hessen.

Funktion

In der Frühen Neuzeit waren Ämter eine Ebene zwischen den Gemeinden und der Landesherrschaft. Die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung waren hier nicht getrennt. Dem Amt stand ein Amtmann vor, der von der Landesherrschaft eingesetzt wurde.

Ortschaften

Amtmann Philipp Eisenberger mit seiner Frau Amalia Trechin

Personal

Als größter Anteilseigner des Kondominats ernannte Eppstein-Königstein die Amtsleute und Keller. Die Ernennung bedurfte der Bestätigung durch Hanau.

Amtmann Henn Eisenberger mit seiner Frau Elisabeth von Langsdorff
Jahr Amtmann
1474 Michel Mosbach
1475 Peter Eisenberger
1496/98 Wipprecht von Rosenbach?
1512–1521 Henn Eisenberger
1557–1567 Philipp Eisenberger
1558–1569 Dr. Thomas Eisenberger
1579–1581 Ludwig Eisenberger
1583–1599 Dr. Ludwig Braunfeld
1601–1613 Dr. Georg Terhell
Kilian Immel[7]
Ludwig Geis[8]
vor 1646–1661/62 Georg Ludwig Geis[9]

Territorialgeschichte

Kondominat

Es war zusammen mit dem Ortenberger Schloss ein Kondominat verschiedener Herren aus der Wetterau, deren Nachfolger sich auch im Wetterauer Grafenverein wiederfinden. Ab 1527 war der Hanauer Teil kurpfälzisches Lehen und der Königsteiner Teil ein Lehen von Fulda. 1568 bis 1578 fanden Verhandlungen zwischen den Anteilseignern statt, die schließlich in einer gleichmäßigen Aufteilung des Kondominats enden. Die Verteilung der Anteile des Kondominats gestaltete sich wie folgt:

Zeitraum Herren Bemerkungen
vor 1359 Eppstein 11/16 Trimberg3/16 Isenburg 2/16
1359–1433 Eppstein 11/16 Hanau3/16 Isenburg 2/16
Kauf des trimbergischen Anteils durch Hanau
1433–1438 Eppstein-Münzenberg 11/16 Hanau3/16 Isenburg 2/16
Mit der Eppsteiner Bruderteilung kommt der Eppsteinische Anteil an Eppstein-Münzenberg
1438–1460 Eppstein-Münzenberg 7/16 Cronberg4/16 Hanau3/16 Isenburg 2/16 Verpfändung von 4/16 an Cronberg
1460–1476 Eppstein-Münzenberg 11/16 Hanau3/16 Isenburg 2/16
Auslösung des Cronberger Pfandes durch Eppstein
1476–1505 Eppstein-Münzenberg 7/16 Hanau7/16 Isenburg 2/16
Kauf von 4/16 des Eppsteiner Anteils durch Hanau
1505–1518 Grafschaft Königstein 7/16 Hanau7/16 Isenburg 2/16
Der Eppsteiner Anteil fällt an die Grafschaft Königstein
1518–1535 Grafschaft Königstein 10/16 Hanau4/16 Isenburg 2/16
Die Königsteiner Grafen erwerben das „Trimbergische Viertel“ aufgrund des Werheimer Vertrags von Hanau
1535–1578 Stolberg 10/16 Hanau4/16 Isenburg 2/16 Die Herren von Stolberg erben die Grafschaft Königstein
1578–1601 Stolberg 1/3 Hanau1/3 Isenburg 1/3 Die Beteiligten teilen die Anteile am Kondominat gleichmäßig auf: Jeder besitzt nun 1/3.
Ortswappen von Gelnhaar. Schwarz und weiß: Isenburg; gelb und rot: Hanau. In der Mitte die ehemalige Grenze, der Bleichenbach.

1601 erfolgte eine Realteilung zwischen Hanau, Stolberg und Ysenburg. Dabei kamen die Orte Bergheim, Bleichenbach, Enzheim, Kloster Konradsdorf, Selters und Wippenbach zu Hanau, die Orte Mittel-Seemen, Nieder-Seemen, Ober-Seemen, Ranstadt, Usenborn und Volkartshain zu Stolberg. Die Dörfer Ortenberg (zu 2/3 zu Stolberg und 1/3 Hanau) und Gelnhaar (je zur Hälfte) wurden zwischen Hanau und Isenburg real geteilt. Noch heute spiegelt das Ortswappen von Gelnhaar die Teilung des Dorfes wider. Effolderbach blieb Kondominium, an dem zu gleichen Teilen Isenburg und Stolberg beteiligt waren.

Nach der Realteilung

Stolbergisches Amt Ortenberg

Das stolbergische Amt Ortenberg gehörte zu den Gebieten, in denen das Solmser Landrecht gewohnheitsrechtlich aber nur teilweise rezipiert wurde. Das galt insbesondere für die Bereiche Vormundschaftsrecht, Erbleihe und eheliches Güterrecht. Im übrigen galt das Gemeine Recht.[10] Erst das Bürgerliche Gesetzbuch, das einheitlich im ganzen Deutschen Reich galt, setzte zum 1. Januar 1900 das alte Partikularrecht außer Kraft.

Die Grafen zu Stolberg-Roßla führten den von ihnen 1601 exklusiv übernommenen Anteil als Amt Ortenberg weiter. 1806 trat das Großherzogtum Hessen dem Rheinbund bei und wurde unter anderem damit belohnt, dass es die staatliche Souveränität über die kleineren Herrschaften in seinem Einzugsbereich gewann. Dazu zählte auch der die in der Wetterau gelegenen Besitz der Grafen von Stolberg und damit deren Amt Ortenberg. Bei der Übernahme wurden allerdings die standesherrlichen Rechte der bisherigen Eigentümer gewahrt, die hier weiterhin hoheitliche Rechte in Verwaltung und Rechtsprechung ausübten, sogenannte „Souveränitätslande“. Das Stolberg-Ortenbergische Amt Ortenberg[11] blieb so weiter bestehen.

Hanauisches Amt Ortenberg

Gewohnheitsrechtlich galt in der Grafschaft Hanau-Münzenberg das Solmser Landrecht.[12]

Ab 1601 führte auch die Grafschaft Hanau-Münzenberg, ab 1642 die Grafschaft Hanau, unter der Bezeichnung Amt Ortenberg das von ihr exklusiv übernommene Drittel des Kondominats als eigene Verwaltungseinheit weiter. Dieses fiel 1736 beim Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., aufgrund eines Erbvertrages an die Landgrafschaft Hessen-Kassel (ab 1803: Kurfürstentum Hessen). Dieses kurhessische Amt Ortenberg kam 1806 unter französische Verwaltung, da Frankreich das Kurfürstentum besetzte, weil es sich weigerte, dem Rheinbund beizutreten. Am 11. Mai 1810 schlossen dann das Großherzogtum Hessen und Frankreich einen Staatsvertrag[13] mit dem Frankreich Gebiete, die es 1806 Kurhessen abgenommen hatte, an das Großherzogtum weiter gab. Der im Mai geschlossene Vertrag wurde von Napoléon aber erst am 17. Oktober 1810 unterschrieben.[14] Das hessische Besitzergreifungspatent datiert so erst vom 10. November 1810[15] und umfasste auch das kurhessische Amt Ortenberg. Im Gegensatz zum stolbergischen Amt Ortenberg standen hier aber zwischen der großherzoglichen Regierung und den Untertanen keine Standesherren. Es handelte sich um Dominiallande. So blieb auch dieses Amt Ortenberg zunächst weiter bestehen und führte die Bezeichnung Dominialamt Ortenberg.[11]

Ende

1816 fiel auch der Isenburger Anteil des ehemaligen Kondominats durch Beschluss des Wiener Kongresses an Hessen-Darmstadt.[16] Ab 1820 kam es im Großherzogtum Hessen zu Verwaltungsreformen. 1821 wurden auch auf unterer Ebene Rechtsprechung und Verwaltung getrennt und alle Ämter aufgelöst. Für die bisher durch die Ämter wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben wurden Landratsbezirke geschaffen, für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte.[11] Die beiden Ämter Ortenberg wurden aufgelöst. Deren Verwaltungsaufgaben wurden dem Landratsbezirk Nidda,[11] die Aufgaben der Rechtsprechung dem Landgericht Ortenberg übertragen, allerdings war das Gericht immer noch „gemeinschaftlich zwischen dem Staat und den Herren Grafen von Stollberg-Ortenberg und Stollberg-Gedern“ und Rechtsfälle aus dem standesherrlichen Teil des ehemaligen Amtes wurden in der zweiten Instanz vor der Justizkanzlei zu Büdingen verhandelt,[11] nicht vor dem Hofgericht Gießen.

Das Gebiet des ehemaligen Amtes Ortenberg kam 1832 zum Kreis Nidda. Mit der Märzrevolution 1848 wurde kurzzeitig der Regierungsbezirk Nidda gebildet, 1852 aber der Kreis Nidda restituiert. 1874 kamen die Gebiete des ehemaligen Amtes Ortenberg dann zum Landkreis Büdingen, der mit der Gebietsreform in Hessen 1972 im Wetteraukreis aufging.

Ereignisgeschichte

Im Amt Ortenberg der Grafschaft Hanau kam es 1662 zu einer umfangreichen Hexenverfolgung, der 10[17] oder 11[18] Frauen zum Opfer fielen. Sie wurden alle mit dem Schwert hingerichtet. Eine zentrale Rolle bei der Verfolgung der „Hexen“ hat wahrscheinlich der Hanauer Amtmann Ludwig Geis gespielt.[19]

Amtmänner

Literatur

  • Hartmut Bock: Die Chronik Eisenberger. ISBN 3-89282-040-6, S. 330–345.
  • Friedrich Battenberg: Stolberger Urkunden = Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt 21, DA 1985, Nr. 1150:
  • Karl Ernst Demandt: Die Schreckensjahre von Lindheim nach Dokumenten dargestellt. In: Schriften der Altenstädter Gesellschaft für Geschichte und Kultur e. V. 3. Gießen 1981. Ohne ISBN, S. 73–104.
  • Regenerus Engelhard: Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert. Teil 2, Cassel 1778. ND 2004, S. 796ff.
  • Peter Gbiorczyk: Zauberglaube und Hexenprozesse in der Grafschaft Hanau-Münzenberg im 16. und 17. Jahrhundert. Shaker. Düren 2021. ISBN 978-3-8440-7902-9
  • K. Heusohn: Ortenberg. Burg, Stadt und Landgericht unter der Linde. Ortenberg 1927 (?), insb. S. 9ff.
  • Fried Lübbecke: Hanau. Stadt und Grafschaft. Köln, 1951.
  • Johannes Meichsner: Decisiones diversarum causarum in camera imperiali iudicatarum, Vol. I, F 1603, S. 54–96.
  • Hans Philippi: Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen = Schriften des Hessischen Amts für geschichtliche Landeskunde 23. Marburg 1954, S. 134–144.
  • Regina Schäfer: Die Herren von Eppstein = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau. Wiesbaden 2000.
  • Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893.
  • Tabellae uber alle in der gantzen Grafschaft Hanau-Müntzenberg befindliche so wohl gefreyte Persohnen, als auch frohndbare Unterthanen, Wittweiber, Beysaßen, Junge Mannschafft und Juden etc. sodann alles Zug-Viehe auf das Jahr 1736.

Einzelnachweise

  1. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  2. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  3. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  4. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  5. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  6. Schmidt, S. 25, Anm. 82.
  7. Demandt, S. 83.
  8. Demandt, S. 83.
  9. Georg Ludwig Geis war der Sohn seines Vorgängers, Ludwig Geis (Demandt, S. 83).
  10. Schmidt, S. 108, sowie beiliegende Karte.
  11. a b c d e Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (411–412) (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
  12. Schmidt, S. 105 u. Anm. 26.
  13. Text (in französischer Sprache) in: Schmidt, S. 30ff, Anm. 100.
  14. Schmidt, S. 30.
  15. Schmidt, S. 33.
  16. Zimmermann, S. 767.
  17. Gbiorczyk: Zauberglaube, S. 285.
  18. Gbiorczyk: Zauberglaube, S. 287f.
  19. Gbiorczyk: Zauberglaube, S. 286f.