„Zum ewigen Frieden“ – Versionsunterschied

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==== 2. Das Völkerrecht soll auf einem ''Föderalismus'' freier Staaten gegründet sein.====
==== 2. Das Völkerrecht soll auf einem ''Föderalismus'' freier Staaten gegründet sein.====


Da Staaten analog zu den Menschen im zwischenstaatlichen Naturzustand im Krieg miteinander stehen, muss auch hier Frieden bedeuten, in einen Rechtszustand überzugehen. Dieser kann nach Kant nur durch einen ''Völkerbund'' verwiklicht werden. Die Alternative eines ''Völkerstaat'' hält er für widersprüchlich: Da Staaten nichts anderes als die Rechtsordnung und Regierungsinstanz der Bürger sind, und diese Ordnung republikanisch sein muss, um dem Frieden zuträglich zu sein, würde ein Völkerstaat in diese wesentliche Funktion der Einzelstaaten eingreifen. Das widerspräche nicht nur dem 5. Präliminarartikel; dadurch würde nicht nur die äußere, sondern auch die innere Freiheit der Staaten eingeschränkt und ihr republikanischer Charakter kompromittiert.<ref>Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, 237.</ref> Insofern die Bürger der Einzelstaaten unter der Rechtsordnung des Völkerstaats stünden, wäre damit der Einzelstaat auch aufgehoben und alle Völker zu einem verschmolzem. In einem Völkerbund bleiben die Einzelstaaten bestehen, und ihre Souveränität im Inneren wird nicht und im Äußeren kaum eingeschränkt.
Da Staaten analog zu den Menschen im zwischenstaatlichen Naturzustand im Krieg miteinander stehen, muss auch hier Frieden bedeuten, in einen Rechtszustand überzugehen. Dieser kann nach Kant nur durch einen ''Völkerbund'' verwirklicht werden. Die Alternative eines ''Völkerstaat'' hält er für widersprüchlich: Da Staaten nichts anderes als die Rechtsordnung und Regierungsinstanz der Bürger sind, und diese Ordnung republikanisch sein muss, um dem Frieden zuträglich zu sein, würde ein Völkerstaat in diese wesentliche Funktion der Einzelstaaten eingreifen. Das widerspräche nicht nur dem 5. Präliminarartikel; dadurch würde nicht nur die äußere, sondern auch die innere Freiheit der Staaten eingeschränkt und ihr republikanischer Charakter kompromittiert.<ref>Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, 237.</ref> Insofern die Bürger der Einzelstaaten unter der Rechtsordnung des Völkerstaats stünden, wäre damit der Einzelstaat auch aufgehoben und alle Völker zu einem verschmolzem. In einem Völkerbund bleiben die Einzelstaaten bestehen, und ihre Souveränität im Inneren wird nicht und im Äußeren kaum eingeschränkt.


Eine Einschränkung ihrer Souveränität widerspricht zwar den Streben der Regierungen der Einzelstaaten, ihre Macht durch Eroberung auszuweiten, dennoch sieht Kant die Möglichkeit eines Völkerbunds. Gerade in der Annerkentnis eines [[Kriegsrecht]]s, zu der die Staaten ja durch keine äußere Instanz genötigt werden können,<ref>Kersting, Wolfgang: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, Suhrkamp, Frankfurt 1997, S. 266.</ref> zeige sich – selbst wo sie nur als Lippenbekenntnis erfolge – die erforderliche „größere, obzwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen“. Da Staaten Rechtsstreitigkeiten durch Kriege austragen können, ohne damit die Rechtsfrage klären zu können, kann ein Friedensvertrag nur ein Friede auf Zeit sein. Kant entwirft dagegen die Idee eines „Friedensbundes“, in dem die sich verbündenden Staaten wechselseitig zu „Erhalt und Sicherung“ ihrer jeweiligen Freiheit verpflichten, aber eben ohne sich damit allgemeinen Gesetzen zu unterwerfen. Der Völkerbund ist für Kant eine Minimallösung, die im Gegensatz zum Völkerstaat über keine gemeinsmae Rechtsordnung und über keine Zwangsmöglichkeiten zur Sicherung des Friedens verfügt. Der freie Föderalismus kann jedoch als „Surrogat der bürgerliches Gesellschaftsbundes“ zumindest deren erstes Prinzip umsetzen. Zu seiner Verwirklichung benötigt dieser Völkerbund daher republikanische Staaten als Ausgangspunkt:
Eine Einschränkung ihrer Souveränität widerspricht zwar den Streben der Regierungen der Einzelstaaten, ihre Macht durch Eroberung auszuweiten, dennoch sieht Kant die Möglichkeit eines Völkerbunds. Gerade in der Annerkentnis eines [[Kriegsrecht]]s, zu der die Staaten ja durch keine äußere Instanz genötigt werden können,<ref>Kersting, Wolfgang: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, Suhrkamp, Frankfurt 1997, S. 266.</ref> zeige sich – selbst wo sie nur als Lippenbekenntnis erfolge – die erforderliche „größere, obzwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen“. Da Staaten Rechtsstreitigkeiten durch Kriege austragen können, ohne damit die Rechtsfrage klären zu können, kann ein Friedensvertrag nur ein Friede auf Zeit sein. Kant entwirft dagegen die Idee eines „Friedensbundes“, in dem die sich verbündenden Staaten wechselseitig zu „Erhalt und Sicherung“ ihrer jeweiligen Freiheit verpflichten, aber eben ohne sich damit allgemeinen Gesetzen zu unterwerfen. Der Völkerbund ist für Kant eine Minimallösung, die im Gegensatz zum Völkerstaat über keine gemeinsmae Rechtsordnung und über keine Zwangsmöglichkeiten zur Sicherung des Friedens verfügt. Der freie Föderalismus kann jedoch als „Surrogat der bürgerliches Gesellschaftsbundes“ zumindest deren erstes Prinzip umsetzen. Zu seiner Verwirklichung benötigt dieser Völkerbund daher republikanische Staaten als Ausgangspunkt:

Version vom 23. Oktober 2017, 11:10 Uhr

Die Altersschrift Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (erste Auflage 1795 (zit. als A) 104 S., zweite, erweiterte Auflage 1796 (zit. als B), 112 S.) gehört zu den bekanntesten Werken des deutschen Philosophen Immanuel Kant. Moderne Bedeutungen des Begriffs Frieden gehen entscheidend auf die hier vorgestellte Theorien zurück.

In Form eines Friedensvertrages wendet Kant seine Moralphilosophie (vgl. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Kategorischer Imperativ) auf die Politik an, um die Frage zu beanworten ob und wie dauerhafter Frieden zwischen den Staaten möglich wäre. Dazu müssen von der Vernunft geleitete Maximen eingehalten werden, die aus den zugrundeliegenden Begriffen entwickelt werden. Für Kant ist Frieden kein natürlicher Zustand zwischen Menschen, er muss deshalb gestiftet und abgesichert werden. Die Gewährung des Friedens erklärt Kant zur Sache der Politik, die andere Interessen dabei der kosmopolitischen Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe; denn so heißt es im Anhang: „Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten.“ Immanuel Kant: AA VIII, 380[1]

Bekannt geworden sind die Ideen des Völkerrechts, das die Verbindlichkeit der zwischenstaatlichen Abkommen fordert, und die Ausrichtung des Friedens als völkerrechtlichen Vertrag. In den Internationalen Beziehungen wird „Zum ewigen Frieden“ den liberalen Theorien zugeordnet. Die Charta der Vereinten Nationen wurde wesentlich von dieser Schrift beeinflusst.[2]

Aufbau des Werkes

Der Aufbau des Werkes benutzt als Gestaltungsmittel die Form eines Vertrages. Damit wird suggeriert, Politiker könnten den Text als Blaupause für eine entsprechende Vereinbarung zwischen Staaten verwenden. Der Text ist in zwei Hauptabschnitte, zwei Zusätze sowie einen Anhang gegliedert – so als sei er das Ergebnis einer Verhandlung. Die Präambel enthält sogar den Hinweis auf eine salvatorische Klausel, dass also im Streitfall über eine Detailregelung die übrigen Regelungen ihre Gültigkeit nicht verlieren und der strittige Punkt im Geiste des gesamten Vertrages neu zu regeln sei. Diese könnte auch ironisch verstanden werden, wie Karl Jaspers meint.[3] Hierfür spricht auch Kants humorvoller Hinweis, dass der Titel der Schrift aus der Anregung auf „dem Schilde jenes holländischen Gastwirths, worauf ein Kirchhof gemalt war“ (Präambel) entstanden sei. Tatsächlich wendet sich Kant mit seiner salvatorischen Klausel auch gegen eine mögliche Zensur der Schrift als staatsgefährend.

Der erste Abschnitt beinhaltet sechs Präliminarartikel; diese sind als Verbotsgesetze formuliert, da sie notwendige Bedingungen für einen ewigen Frieden darstellen. Im zweiten Abschnitt werden drei Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten formuliert, durch die ein geordnetes Rechtssystem für die vertragschließenden Staaten gefordert wird. Hier bereitet Kant sehr knapp die erst später (1797) veröffentlichte Rechtslehre in der Metaphysik der Sitten vor. Ewiger Frieden kann demnach nur in einer republikanischen Rechtsordnung herrschen. Angeschlossen sind zwei Zusätze, in denen Kant formuliert, welche Bedingungen für den ewigen Frieden zu beachten sind. Auch wenn es manchmal kriegerische Rückfälle gebe, sagt Kant, so sei dennoch der ewige Frieden das teleologische Ziel der Geschichte. Zur Durchsetzung des ewigen Friedens könne es strategisch manchmal sinnvoll sein, dass Regierungshandeln nicht öffentlich stattfinde. Den Abschluss der Schrift bilden die beiden Abschnitte des Anhangs, in dem Kant fordert, dass Politik die Moral beachte und ein republikanisch entstandenes Recht unter keinen Umständen gebrochen werden dürfe; Politik und Rechtspraxis benötigen, so Kant, die Überwachung durch die Öffentlichkeit.

Inhalt

Die sechs Präliminarartikel

Die Präliminarartikel stellen Bedingungen dar, die erfüllt sein sollten, damit Frieden zwischen Staaten dauerhaft und nachhaltig möglich ist. Sie sind als Verbotsartikel formuliert, die das Handeln der Staaten im Interesse des Friedens enschränken. Kant erläutert, dass die Präliminarartikel 1, 5 und 6 strikte und absolute Voraussetzungen eines dauerhaften Friedens sind, während Artikel 2, 3 und 4 regulativ seien, deren Umsetzung und Einhaltung also erst mit dem Friedenschluss erfolgen muss und eine Verzögerung (etwa durch Abrüstung, Entlassung abhängiger Staaten in Autonomie mit bloßer Personalunion bei eigener Gesetzgebung und Rechtsprechung, Rückzahlung von Anleihen) oder sogar durch einen Bestandschutz eingeschränkt sind.Immanuel Kant: AA VIII, 347[4]

1. „Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“

Im ersten der sechs Präliminarartikel geht es Kant um den Unterschied zwischen echtem und unechtem Frieden. Ein Friedenschluss, der nicht die Kriegsgründe beseitigt, sei ein bloßer Waffenstillstand; Frieden sollte ohne Vorbehalte geschlossen werden. Das verlangt, dass möglicherweise noch bestehende, aber unbekannte oder zurückgehaltene Ansprüche der Konfliktparteien mit dem Friedenschluss als erledigt gelten sollen.

2. „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“

Der zweite Präliminarartikel unterscheidet zwischen dem Territorum eine Staates, der eine Habe darstellt, vom Staat selbst als einer autonomen Gesellschaft, deren Autonomie und deren Regierungsbefugnis über die Mitglieder der Gesellschaft sich durch einen gedachteten Gesellchaftsvertrag begründet, durch den er sich zu einer moralischen Person vereinigt hat. Der Verkauf eines solchen Staates habe nach Kant die „Aufhebung der Existenz des Staates als moralische Person“, also eine Entwürdigung der im Staat lebenden Menschen zur Folge, was der Idee des zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrages widerspräche. Damit ist auch der Truppenverkauf, durch den Bürger in die Gewalt eines anderen Staates gegeben werden, nicht vereinbar. Der Staat und seine Bürger sind unveräußerlich.

3. „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“

Im dritten Präliminarartikel plädiert Kant für die Abschaffung stehender Heere. Nach Kant führen diese zur wechselseitigen Bedrohung und somit zum Wettrüsten zwischen den Staaten, bis die Kosten des Heeresunterhalts die Kosten eines Angriffskrieges übersteigen. Eine Berufsarmee stellt nach Kant eine Entwürdigung der Berufssoldaten dar, sofern diese als Werkzeug zum Töten betrachtet würden. Nur eine bloß zur Verteidigung ausgelegte Staatsbürgerarmee sei mit friedlichen Zielen vereinbar.

4. „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“

In vierten Präliminarartikel spricht sich Kant gegen Kriegskredite aus. Die Verfügbarkeit der Mittel die erhöhe die Bereitschaft, einen Krieg zu beginnen, insbesondere dadurch, dass sich durch ein Kreditsystem mit wechselseitiger Verschuldung die Menge beliebig erhöhen lässt und so auf den Kriegserfolg und damit die Niederlage eines anderen Staates ein Spekulationsgeschäft angestellt würde. Dritte Staaten müssten eine solche Anleihe zwischen Staaten von vornherein als Angriffsbündnis verstehen. Kriegskredite zwischen Staaten seien also weder zu geben noch zu nehmen.

5. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.“

Der fünfte Präliminarartikel formuliert ein Prinzip der Nichteinmischung, wonach nicht in die Verfassung oder Regierung eines Staates eingegriffen werden darf: Die Souveränität eines Staates müsse in jedem Fall respektiert werden. Für eine Intervention kann es nach Kant keine Rechtsgrundlage geben, solage dieser nicht die Rechte eines anderen verletzt. Bloße innere Unruhe oder wahrgenommenes Unrecht innerhalb des Staates hingegen stellt nach Kant keine Verletzung der Rechte eines anderen Staates dar. Der Friedensbruch durch die Intervention wiegt schwerer als der Skandal der Gesetzlosigkeit im Inneren eines Staates. Nur im Falle eines so weit fortgeschrittenen Bürgerkrieges, in dem sich ein Staat klar gespalten hat und die Teile jeweils intern eine staatliche Ordnung garantieren, ist es Dritten erlaubt, Partei zu ergreifen.

6. „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.“

Der letzte Präliminarartikel formuliert schließlich eine Kriegsordnung. Er verbietet den Staaten, im Kriege Mittel in Anspruch zu nehmen, die das Vertrauen auf einen möglichen Friedenschluss nachhaltig zerstören. Die Anwendung der aufgezählten „unehrenhaften Mittel“ zerstören die wechselseitige moralische Achtung, so dass ein Krieg von Kampfhandlungen zur Durchsetzung von Interessen in einen Vernichtungskrieg umschlagen kann. Ein Krieg dient nach Kant zur Entscheidung von Ansprüchen, die beide Parteien behaupten. Dabei befinden sich beide Parteien auf der gleichen Ebene. Bei einem Verstoß gegen die Kriegsordnung kann nun keine übergeordnete Instanz im Sinne eines Bestrafungskrieges eingreifen, so dass die Kriegsparteien, die sich einen solchen Verstoß vorwerfen, in einen Vernichtungskrieg geraten, der nicht anders als durch die Vernichtung einer Partei entschieden werden kann.

Die drei Definitivartikel

Ziel der Definitivartikel ist es, die Friedensordnung zu bestimmen. Es handelt sich also nicht um Voraussetzungen des Friedens, sondern um notwendige Betimmungen der Form, die er annehmen muss. Da für Kant Frieden nicht bloß die Abwesenheit aktiver Feindseligkeiten ist, bedarf der Frieden einer Ordnung, die die moralischen Personen (z.B. Menschen und Staaten) in klare Verhältnisse bringt, in denen jeweilige Rechte geschützt und wechselseite Verletzungen und Ansprüche auf Basis dieser Rechtsordnungen entschieden werden können. Außerhalb einer solchen bürgerlichen Ordnung herrscht auch zwischen Personen, die sich gegenseitig keinen Schaden de facto zufügen, kein Friede, da ihre Sicherheit nicht wechselseitig garantiert ist. Nur durch den Eintritt in eine gemeinsame Ordnung, in der sich beide einer Obrigkeit unterstellen, garantieren sie sich wechselseitig ihre Sicherheit. Der Naturzustand zwischen den Menschen ist also nach Kant rechtlich betrachtet ein Kriegszustand.

Den Definitivartikeln liegt laut Kant das Postulat zugrunde, dass alle Menschen zum Zwecke des Friedens Teil einer bürgerlichen Ordnung sein müssen. Nach Art der in Rechtsverhältnissen stehenden moralischen Personen lassen sich dabei drei Rechtssysteme unterscheiden: das Staatsbürgerrecht (zwischen Bürgern eines Staates und diesem Staat), das Völkerrecht (zwischen Staaten) und das Weltbürgerrecht (in etwa Menschenrechte, als Rechte zwischen Menschen und Staaten, denen sie nicht angehören). Diese drei Rechtsordnungen sind es, die die Definitivartikel jeweils beschreiben.

1. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.

Die Forderung nach einer republikanischen Verfassung leitet Kant aus drei Prinzipien ab, die die Glieder der Gesellschaft als Menschen, Untertanen und Staatsbürger bestimmen: Freiheit, Unterordnung unter das Gesetz, und Gleicheit vor dem Gesetz. Das erste Prinzip fordert die „Freiheit der Glieder einer Gesellschaft“, das zweite die „Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung“, das dritte „die nach dem Gesetz der Gleichheit [aller Glieder der Gesellschaft] (als Staatsbürger) gestiftete Verfassung.“ Die Freiheit ist dabei definiert als das Vermögen, im eigenen Handeln nur dem eigenen Willen zu folgen, wo diese nicht ausdrücklich durch das Gesetz untersagt wird, das allgemein und ohne Ausnahme gelten soll. Nach Kant darf kein Teil der Gesellschaft, also auch nicht die Obrigkeit, über dem Gesetz stehen: „Niemand darf davon ausgenommen sein; alle, auch die Mitglieder einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft, sind davon betroffen“ (Gerhardt, 85). Aus diesen Prinzipien leitet sich die republikanische Form der Verfassung her. Nach Kant ist ein Staat mit republikanischer Verfassung ein friedlicher Staat, da alle Staatsbürger die Folgen ihrer Entscheidungen (als Regierende und Gesetzgeber) gemeinschaftlich tragen.

Kant sieht sich genötigt, die republikanische Form der Verfassung zu spezifizieren: Die Autonomie sieht er nicht durch eine allgemeine Demokratie verwirklicht, sondern durch das Bestehen einer Verfassung, die repräsentative Beteiligung der Bürger an Regierung und Gesetzgebung, zumindest aber an der Entscheidung über Krieg und Frieden, garantiert. Daraus ergibt sich auch die Forderung nach Gewaltenteilung. In seiner hier kurz angerissenen Lehre der Herrschafts- und Regierungsformen. Nach Kant kann unabhängig von der Form der Beherrschung (Demokratie, Aristokratie / Oligarchie oder Autokratie / Monarchie) (Herrschergewalt) nach der möglichen Art der Machtausübung im Staat zwischen Republikanismus und Despotie unterschieden werden. In der Despotie sind Gesetzgebung und Regierung in einer Hand, so dass Missbrauch von Macht nicht verhindert wird: die Regierung folgt dem Interesse der Herrschenden. Selbst in einer nicht-republikanischen Demokratie ist das nicht ausgeschlossen, in einer konstitutionellen Monarchie aber gegeben. Nur die republikanische Form folgt den drei Prinzipien und ist nach Kant tauglich für den ewigen Frieden, da hier eine Kontrolle der Macht durch Trennung von Exekutive und Legislative erfolgt. „Der Republikanismus ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt von der gesetzgebenden“.

Vielleicht auch um der Zensur und Benachteiligungen durch die preußischen Behörden zu entgehen, nennt Kant Übergangsformen, die eine Annäherung an das Ziel der Republik darstellen, und zählt dazu ausdrücklich die Regierung Friedrich II., insofern dessen Maxime „er sei bloß der oberste Diener des Staats“ als Repräsentation aller Bürger und Unterordnung unter das Gesetz verstanden werden könne. „Man kann daher sagen: je kleiner das Personale der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je größer dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republikanism, und sie kann hoffen, durch allmähliche Reformen sich dazu endlich zu erheben.“

Kants Entwurf eines republikanisch verfassten Staates ähnelt dem heutigen repräsentativ-demokratischen Rechtsstaat („Gemeint ist die liberale Demokratie, so wie wir sie heute verstehen, also eine rechtlich verfasste, parlamentarische Staatsordnung“[5]).

2. Das Völkerrecht soll auf einem Föderalismus freier Staaten gegründet sein.

Da Staaten analog zu den Menschen im zwischenstaatlichen Naturzustand im Krieg miteinander stehen, muss auch hier Frieden bedeuten, in einen Rechtszustand überzugehen. Dieser kann nach Kant nur durch einen Völkerbund verwirklicht werden. Die Alternative eines Völkerstaat hält er für widersprüchlich: Da Staaten nichts anderes als die Rechtsordnung und Regierungsinstanz der Bürger sind, und diese Ordnung republikanisch sein muss, um dem Frieden zuträglich zu sein, würde ein Völkerstaat in diese wesentliche Funktion der Einzelstaaten eingreifen. Das widerspräche nicht nur dem 5. Präliminarartikel; dadurch würde nicht nur die äußere, sondern auch die innere Freiheit der Staaten eingeschränkt und ihr republikanischer Charakter kompromittiert.[6] Insofern die Bürger der Einzelstaaten unter der Rechtsordnung des Völkerstaats stünden, wäre damit der Einzelstaat auch aufgehoben und alle Völker zu einem verschmolzem. In einem Völkerbund bleiben die Einzelstaaten bestehen, und ihre Souveränität im Inneren wird nicht und im Äußeren kaum eingeschränkt.

Eine Einschränkung ihrer Souveränität widerspricht zwar den Streben der Regierungen der Einzelstaaten, ihre Macht durch Eroberung auszuweiten, dennoch sieht Kant die Möglichkeit eines Völkerbunds. Gerade in der Annerkentnis eines Kriegsrechts, zu der die Staaten ja durch keine äußere Instanz genötigt werden können,[7] zeige sich – selbst wo sie nur als Lippenbekenntnis erfolge – die erforderliche „größere, obzwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen“. Da Staaten Rechtsstreitigkeiten durch Kriege austragen können, ohne damit die Rechtsfrage klären zu können, kann ein Friedensvertrag nur ein Friede auf Zeit sein. Kant entwirft dagegen die Idee eines „Friedensbundes“, in dem die sich verbündenden Staaten wechselseitig zu „Erhalt und Sicherung“ ihrer jeweiligen Freiheit verpflichten, aber eben ohne sich damit allgemeinen Gesetzen zu unterwerfen. Der Völkerbund ist für Kant eine Minimallösung, die im Gegensatz zum Völkerstaat über keine gemeinsmae Rechtsordnung und über keine Zwangsmöglichkeiten zur Sicherung des Friedens verfügt. Der freie Föderalismus kann jedoch als „Surrogat der bürgerliches Gesellschaftsbundes“ zumindest deren erstes Prinzip umsetzen. Zu seiner Verwirklichung benötigt dieser Völkerbund daher republikanische Staaten als Ausgangspunkt:

„Denn wenn das Glück es so fügt: daß ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu einer Republik (die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt sein muß) bilden kann, so gibt diese einen Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, um sich an sie anzuschließen, und so den Freiheitszustand der Staaten, gemäß der Idee des Völkerrechts, zu sichern, und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten.“ Immanuel Kant: AA VIII, 356[8]

Tasächlich scheint Kant aber statt dessen vielmehr eine „Weltrepublik“, die alle Menschen in eine einheitliche Rechtsordnung aufnehmen würde, als logischen Fluchtpunkt des Friedens anzusehen. Da eine solche allerdings erfordern würde, dass die Staaten in ihr aufgehen, wiederspräche das sowohl deren Eigeninteresse als auch der Idee eines Völkerrechts.

3. Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.

Der dritte Definitivartikel handelt von dem Recht der Hospitalität (Gastfreundschaft). Hierbei, so sagt Kant, hat ein Fremder ein Besuchsrecht für ein anderes Land und kann sich dort aufhalten, ohne dass man ihm feindselig gesinnt sein dürfe, solange er sich selbst rechtmäßig verhalte. Ein Mensch, der fremdes Staatsgebiet betrete, dürfe auch nicht ausgewiesen werden, sofern dies zu seinem Leid geschehe, es sei denn er habe sich feindselig gegen den fremden Staat verhalten. Der Fremde habe allerdings kein Gastrecht, auf das er Anspruch erheben könne, sondern nur ein Besuchsrecht, welches jeder Mensch beanspruchen kann, da kein Mensch ein Vorrecht auf bestimmte Orte der Erde habe.

Durch die Nutzung von Transport- und Kommunikationsmitteln rücken auch weit entfernte Teile der Erde zusammen (Globalisierung) und können friedlich in Beziehung zueinander treten, z. B. Handel treiben. Diese Globalisierung berge durch den deutlich erhöhten Strom von Menschen durch verschiedene Staaten ein großes Risiko: Wenn nun an einem Ort ein Recht verletzt wird, sei dies auf der ganzen Welt zu spüren und könne den Frieden bedrohen. Kant kritisiert hier auch den Kolonialismus, mit dem die europäischen Staaten ihr Gastrecht missbrauchten.

Aus diesen Gründen sei eine Ergänzung der bereits in jedem Staat festgelegten Menschenrechte durch das Weltbürgerrecht notwendig. Erst so sei ein ewiger Frieden möglich.

Zusätze

Erster Zusatz: Von der Garantie des ewigen Friedens

Die Teleologie müsse man sich, so ergänzt Kant, bei der Natur hinzudenken, um die Geschichte zu verstehen. Kant umreißt kurz die Menschheitsgeschichte: Zuerst lebten die Menschen in einem Naturzustand als kriegerische Jäger und Ackerbauern. Der Ausbau des Handels befriedete sie bereits teilweise. Doch es entbrannten immer wieder Kriege. Diese würden irgendwann zwangsläufig zum Frieden führen, da sie den Zusammenschluss der Menschen zu Staaten förderten und in der Zukunft die Bildung eines Völkerbunds bewirken würden. Handel und Diplomatie würden sich immer mehr zu friedlichen Mitteln der Konfliktbewältigung entwickeln. Die Friedfertigkeit sei dabei keine moralische Pflicht; sie entstünde vielmehr dadurch, dass sich Menschen gegenseitig zu Zwangsgesetzen verpflichteten, um sicherer leben zu können. Die Natur führe automatisch zum Recht:

„Das, was diese Gewähr (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die große Künstlerin Natur (natura daedala rerum), aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen, […]“

Immanuel Kant: AA VIII, 360[9]

Dem Menschen sei also von Natur aus vorbestimmt, in Konflikte zu geraten und Kriege zu führen. Jedoch entwachse aus jedem noch so schwerwiegenden Konflikt eine größere Eintracht, welche dem Menschen selbst entspringe und welche nach unbestimmter Zeit zwangsläufig im "ewigen Frieden" ihren Endzustand erreiche.

Zweiter Zusatz: Geheimer Artikel zum ewigen Frieden [nur B]

Kant befürwortet hier den Einsatz von Geheimartikeln für den Fall, dass Vereinbarungen der Würde einer der abschließenden Parteien abträglich seien. So sollten beispielsweise Herrscher die Philosophen in ihre Herrschaftstätigkeit einbeziehen. Dies könne auch geheim erfolgen.

Anhänge

Über die Misshelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Absicht auf den ewigen Frieden

Kant untersucht im ersten Anhang den scheinbaren Widerspruch zwischen Moral und Politik. Er kommt zu dem Schluss, dass es diesen Widerspruch nicht gebe und dass die Politik mit der Moral Hand in Hand gehen müsse, wenn es einen Fortschritt zum Besseren gebe, wovon er in seiner Schrift ausgeht.

Die Moral habe in jedem Fall eine praktische Bedeutung. Es reiche in einem Staat jedoch nicht aus, wenn Einzelne pflichtgemäß leben wollten; die Mehrheit der Menschen müsse dies wollen. Ein Herrscher allerdings habe die höchste Pflicht und spüre diese auch. Für ihn komme es darauf an, klug zu handeln und dem Volk ein Mitspracherecht einzuräumen, damit er von ihm Moral lerne. Die Moral sei kein politisches Mittel, sondern ein politischer Zweck. Ein moralisch handelnder Politiker gebe sich die Maxime, Schlechtes zu reformieren. Der reformistische Weg benötige naturgemäß eine Reifungszeit. Revolutionen vollzögen sich demgegenüber häufig zu schnell, und die Urheber einer fehlgeschlagenen Revolution müssten dann die Bestrafung, die in den Gesetzen des alten Staates dafür vorgesehen war, hinnehmen.

Praktizierende Juristen hielten immer die gegenwärtige Verfassung für die beste, schreibt Kant. Wenn sie aber über Gesetzgebung entschieden, dann bliebe zu vieles aus der alten Verfassung bestehen. Praktizierende Juristen des Despotismus würden eine neue Verfassung nach folgenden Grundsätzen erarbeiten: 1. Eigenmächtige Besitznehmungen des Herrschenden, 2. Leugnung von Verantwortung für Schlechtes, 3. Teile und herrsche (vgl. Divide et impera).

Die Bosheit der Menschen komme nicht aus ihnen selbst, sondern resultiere aus einer noch nicht vollständig entwickelten Kultur. In einem Staat schwäche sich Bosheit jedoch ab, da sich die Menschen gegenseitig auf rechtmäßiges Handeln verpflichteten. Der Begriff des Rechts sei für den Menschen sowohl privat als auch öffentlich bedeutsam. Kant wirft die rhetorische Frage auf, was höher stehen solle: der Zweck (als moralische Gesinnung) oder die Freiheit (Handle so, dass du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden – der Zweck mag sein welcher er wolle)? Letzteres müsse vorangehen, schließt Kant, da es eine unbedingte Notwendigkeit für das Rechtsprinzip sei. Wie genau man aber zum ewigen Frieden gelange, sei ungewiss. Je weniger Menschen den ewigen Frieden als Zweck verfolgten, desto näher seien sie ihm. Das liege am gemeinsamen Willen, eine rechtlich verfasste Gesellschaft zu schaffen. Gesetze würden nicht dazu erlassen, Wohlstand oder Glückseligkeit zu schaffen, sondern um das Recht auf Freiheit und Gleichheit eines jeden zu wahren. Politik könne sich ohne Moral also gar nicht entwickeln.

Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts

Aus dem Grundsatz, dass jeder Rechtsanspruch öffentlich bekannt sein müsse, um nicht Unrecht zu sein, zieht Kant folgenden Schluss, der einen Blick nicht auf seine Moral, sondern auf seinen Rechtsbegriff zulässt:

  1. Im Staatsrecht sei der Widerstand gegen die Staatsgewalt (selbst bei einer Tyrannis) Unrecht, weil ein Aufstandsrecht nicht Bestandteil einer Verfassung sein kann.
  2. Im Begriff des Völkerrechts sei der Begriff der Publizität (Öffentlichkeit) bereits enthalten. Völkerrecht dürfe nicht auf Zwangsgesetzen beruhen (wie das Staatsrecht), sondern auf einer freien Verbindung von Staaten in der Absicht, untereinander den Frieden zu erhalten. Es gebe allerdings Fälle, in denen die öffentliche Äußerung von Absichten dem damit angestrebten Ziel zuwiderlaufe: a) wenn ein Herrscher eine Abmachung mit einem anderen Staat zum Schutze seines Volkes nicht einzuhalten gedenke; b) bei einem geplanten Präventivschlag gegen ein zu mächtig werdendes Nachbarland; c) bei der geplanten Unterwerfung eines separatistischen Landes(teils). Völkerrecht und Moral stimmten aber überein, wenn der Rechtsbund der Staaten beabsichtige, Kriege zu verhindern. Trotzdem würden oftmals Verträge mit mächtigeren und größeren Staaten günstiger ausgelegt. Mit der Moral als Ethik, ist die Politik leicht einverstanden, aber ihre Bedeutung als Rechtslehre streite sie allzu oft ab. Vielmehr sollten Recht und Moral in allen Gesetzen gleichermaßen gültig sein, wo die Publizität dem Zweck des Gesetzes nicht zuwiderlaufe.

Rezeption

Bereits Johann Gottlieb Fichte maß der Schrift Kants in einer Rezension eine große Bedeutung in „wissenschaftlicher Rücksicht“ bei.[10] Ein öffentlich-rechtlich gesicherter Friede war für ihn nicht nur ein „frommer Wunsch“, sondern eine „notwendige Aufgabe der Vernunft“.[11]

Julius Ebbinghaus schrieb 1929: „Wer sich durch Kants Metaphysik der Sitten in den Bedingungszusammenhang einführen läßt, auf dem die Möglichkeit einer sittlichen Beurteilung des Krieges beruht, der bemerkt bald, daß er zu all den Gleisen quer zu liegen kommt, in denen sich die öffentliche Meinung der Gegenwart bewegt [...] und man muß die moderne Höllenpredigt gegen den Krieg weit hinter sich lassen, wenn man zu den Sternen emporgelangen will, an denen sich das Licht der pax kantiana entzündete“.[12]

Karl-Otto Apel bescheinigt der Friedensschrift auch am Ende des 20. Jahrhunderts eine „weltgeschichtliche Aktualität“.[13] Den Grund dafür sieht Ernst-Otto Czempiel in der aktuellen politischen Geschichte: „Die Demokratisierungsprozesse in Osteuropa und der GUS folgten genau dem Kantischen Script: Die Demokratie breitet sich von selbst aus, weil sie das Herrschaftssystem ist, das die gesellschaftlichen Anforderungen nach wirtschaftlicher Wohlfahrt und herrschaftlicher Partizipation, natürlich auch nach Frieden, optimal, wenn auch nicht maximal, erfüllt.“[14]

Trotz der anerkannten Vision Kants wertet Ludger Kühnhardt seinen Entwurf als unrealistisch und pädagogisches Ideal. Insbesondere fehle die Beschreibung des Weges zu dem schönen Ziel.[15] Allerdings stellt er auch fest: „Kant dürfte erfreut darüber gewesen sein, wenn er gewußt hätte, daß die Themen, die er in seinen drei Definitivartikeln in den Mittelpunkt der Suche nach einer dauerhaften Friedensordnung gestellt hat, auch zwei Jahrhunderte nach seiner Publikation Schlüsselfragen der Politik in den Staaten und zwischen den Staaten geblieben sind.“ [16]

Über die Vision und den normativen Anspruch hinaus gibt es Kant-Interpreten, die in der Friedensschrift die Grundlegung zu einer Theorie der Politik sehen. So stellt Volker Gerhardt fest: „Merkwürdig ist nur, daß diese Ausweitung des Problembestandes über Ethik und Recht hinaus auf das weite Feld der realen Politik von den Kant-Interpreten bislang kaum beachtet worden ist. Deshalb ist ihnen auch entgangen, daß hier - unter den Voraussetzungen der Vernunftkritik - eine Theorie der Politik entworfen wird.“[17] Ähnlich ist das Werk nach Otfried Höffe „nicht nur Friedenstraktat, sondern eine systematische Philosophie der Politik, verstanden als Theorie von Recht und Staat“[18] Dagegen negiert Georg Geismann den moralischen Anspruch und hält die Schrift stattdessen (mit Fichte und Ebbinghaus) für im „wesentlichen Rechtslehre, genauer: apriorische Rechtslehre“, d.h. Kant verzichtet für ihn gänzlich auf den moralischen Zeigefinger und gründet seine Schrift allein auf die Vernunft.[19]

Ausgaben

  • Über den Gemeinspruch: 'Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis'; Zum ewigen Frieden, ein philosophischer Entwurf. Mit Einleitung, Anmerkungen, Bibliographie, Verzeichnis der Vorarbeiten, Personen- und Sachregister, hrsg. von Heiner Klemme, Meiner Hamburg 1992, ISBN 978-3-7873-1030-2
  • Zum ewigen Frieden und andere Schriften. Fischer, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-596-90021-3
  • Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. hrsg. von Rudolf Malter, Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-001501-8
  • Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-518-27014-1 (Leseprobe; PDF; 168 kB)
  • Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors. hrsg. von Karl-Maria Guth, Hofenberg, Berlin 2016, ISBN 978-3-8430-2116-6

Literatur

  • Otfried Höffe (Hrsg.): Immanuel Kant, zum ewigen Frieden. 3. bearbeitete Aufl. Akademie Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005103-1
  • Volker Marcus Hackel: Kants Friedensschrift und das Völkerrecht. Duncker und Humblot, Berlin 2000, ISBN 3-428-10206-1
  • Klaus Dicke, Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.): Republik und Weltbürgerrecht: Kantische Anregungen zur Theorie politischer Ordnung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Böhlau, Weimar/Köln/Wien 1998, ISBN 3-412-13996-3
  • Bernd Rolf: Völkerbund oder Weltrepublik? Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“. In: Philosophieunterricht in NRW 30 (1997), 15–29.
  • Wolfgang Beutin et al.: Hommage à Kant. Kants Schrift "Zum ewigen Frieden". von Bockel Verlag, Hamburg 1996, ISBN 3-928770-61-6.
  • Matthias Lutz-Bachmann, James Bohman (Hrsg.): Frieden durch Recht. Suhrkamp, Frankfurt 1996, ISBN 978-3-518-28869-6
  • Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden": eine Theorie der Politik. Darmstadt: WBG 1995 ISBN 3-534-03214-4

Einzelnachweise

  1. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA VIII, 380.
  2. Konstantin Pollok: Die Vereinten Nationen im Lichte Immanuel Kants Schrift Zum ewigen Frieden, Sic et Non 1996; Lothar Brock: Wozu brauchen wir heute die Vereinten Nationen? Bilanz und Perspektiven der Weltorganisation (Bundeszentrale für politische Bildung) (abgerufen am 22. Oktober 2017)
  3. Karl Jaspers: Kants ”Zum Ewigen Frieden“. In: Karl Jaspers:, Philosophie und Welt, Piper, München 1958, 97-135, 131.
  4. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA VIII, 347.
  5. Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden": eine Theorie der Politik. Darmstadt 1995, S. 89.
  6. Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, 237.
  7. Kersting, Wolfgang: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, Suhrkamp, Frankfurt 1997, S. 266.
  8. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA VIII, 356.
  9. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA VIII, 360 / Zum Ewigen Frieden, Erster Zusatz.
  10. Johann Gottlieb Fichte: „Rezension“ zu Kants Schrift Zum ewigen Frieden (Philosophisches Journal 4/1796), in: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, herg. von R. Lauth und H. Jacob, Abt. I, Werke Band 3, Stuttgart 1966, 219.
  11. Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts (1796/1797), in: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, herg. von R. Lauth und H. Jacob, Abt. I, Werke Band 3, Stuttgart 1966, 323.
  12. Julius Ebbinghaus: Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage (1929), abgedruckt in: Gesammelte Aufsätze, Vorträge und Reden. WBG, Darmstadt, 24-25.
  13. Karl-Otto Apel: Kants „Philosophischer Entwurf: Zum ewigen Frieden“ als geschichtsphilosophische Quasi-Prognose aus moralischer Pflicht. Versuch einer kritisch-methodologischen Rekonstruktion der Kantschen Konstruktion aus der Sicht einer transzendental-pragmatischen Verantwortungsethik, in: Reinhard Merkel, Roland Wittmann (Hrsg.): »Zum ewigen Frieden«. Grundlagen, Aktualität und Aussichten einer Idee von Immanuel Kant, Frankfurt 1996, 91-124, 92.
  14. Ernst-Otto Czempiel: Europas Wegweiser zum Frieden. Über Immanuel Kant und die Aktualität seiner strategischen Konzepte, in: Frankfurter Rundschau, Ostern 1995, ZB3.
  15. Ludger Kühnhardt: Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bouvier, Bonn 1996, 175.
  16. Ludger Kühnhardt: Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bouvier, Bonn 1996, 181.
  17. Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf 'Zum ewigen Frieden'. Eine Theorie der Politik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, 6-7.
  18. Otfried Höffe: Einleitung. Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, in: Otfried Höffe (Hrsg.): Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, Akademie, Berlin 1995, 5-29, 22
  19. Georg Geismann: Warum Kants Friedenslehre für die Praxis taugt und warum die Friedenslehren von Fichte, Hegel und Marx schon in der Theorie nicht richtig sind, in: Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.): Der Vernunft-Frieden. Kants Entwurf im Widerstreit, Königshausen & Neumann, Würzburg 1996, 37–51, 37.