„Sprache“ – Versionsunterschied

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* [[John Lyons]]: ''Die Sprache.'' Beck, München 1992 (4. Auflage) ISBN 3-406-09400-7
* [[John Lyons]]: ''Die Sprache.'' Beck, München 1992 (4. Auflage) ISBN 3-406-09400-7
* Helmut Martinetz: ''Sprache und Sprechen, die Brückenbauer auf der Bühne des Alltags. Lassen Sie Ihre Stimme erklingen.'' Lit Verlag, Münster 2006 (Reihe: ''Studien zur Linguistik'' Bd. 13) ISBN 3-8258-9496-7.
* Helmut Martinetz: ''Sprache und Sprechen, die Brückenbauer auf der Bühne des Alltags. Lassen Sie Ihre Stimme erklingen.'' Lit Verlag, Münster 2006 (Reihe: ''Studien zur Linguistik'' Bd. 13) ISBN 3-8258-9496-7.
* [[Colin McGinn]]: '''''Bedeutung'''''. Kap. 12 seines Buches ''Das innere Auge'' – Von der Macht der Vorstellungskraft. Primus, Darmstadt 2007 S. 163–179 ('''Zum ''konstituierenden'' Verhältnis von ''[[Vorstellung|Vorstellen]] und Sprache''''')
* [[Colin McGinn]]: '''''Bedeutung'''''. Kap. 12 seines Buches ''Das innere Auge'' – Von der Macht der Vorstellungskraft. Primus, Darmstadt 2007 S. 163–179 ('''Zum ''konstituierenden'' Verhältnis von ''[[Vorstellung|Vorstellen]] und Sprache''''')
* {{Literatur|Autor=Uwe Petersen|Titel=Sprache als wissenschaftlicher Gegenstand, philophisches Phänomen und Tat|Verlag=Königshausen und Neumann.|Ort=Würzburg|Jahr=2008|ISBN=978-3-8260-3792-4}}
* Steven Pinker: ''Words and Rules'': The Ingredients of Language. 1999 (''Worte und Regeln'': Die Natur der Sprache. Spektrum, Heidelberg 2000 ISBN 978-3-8274-0297-4)
* Steven Pinker: ''Words and Rules'': The Ingredients of Language. 1999 (''Worte und Regeln'': Die Natur der Sprache. Spektrum, Heidelberg 2000 ISBN 978-3-8274-0297-4)
* Guenther Witzany: ''Natur der Sprache – Sprache der Natur.'' Sprachpragmatische Philosophie der Biologie. Königshausen & Neumann, Würzburg 1993 ISBN 3-88479-827-8
* Guenther Witzany: ''Natur der Sprache – Sprache der Natur.'' Sprachpragmatische Philosophie der Biologie. Königshausen & Neumann, Würzburg 1993 ISBN 3-88479-827-8

Version vom 30. März 2010, 18:17 Uhr

Das Wort Sprache hat zwei eng aufeinander bezogene wörtliche Bedeutungen: Zum einen bezeichnet es (ohne Plural) ein beim Menschen in seinen Grundstrukturen biologisch vorgegebenes Zeichensystem sowie die Fähigkeit, dieses zu gebrauchen; zum anderen bedeutet Sprache (mit Plural) die konkrete Ausformung eines solchen Zeicheninventars (wie beispielsweise die deutsche, die französische oder die spanische Sprache). Weiters kann das Wort Sprache in übertragener Bedeutung das gesamte Ausdrucksvermögen mittels anderer Signal- und Zeichensysteme (wie z. B. die Körpersprache) meinen oder auch das Mitteilen von Inhalten und Botschaften mittels anderer Medien, die über kein fest definiertes Zeicheninventar verfügen (wie etwa die Sprache der Bilder oder der Musik).

Die Sprache wird für das Instrument zum Erfüllen einer kommunikativen Absicht und zudem (beim Menschen) für das Medium des Denkens gehalten. Hinsichtlich der Entstehung werden – auf den Menschen bezogen – natürliche Sprachen von konstruierten Sprachen (Plansprachen und formale Sprachen) unterschieden. Die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der menschlichen Sprache generell beschäftigt, ist die Linguistik oder Sprachwissenschaft; Sprache und Sprachverwendung sind zum Teil aber auch Inhalt anderer Wissenschaften wie Psychologie, Neurologie, Philosophie oder Kognitionswissenschaft.

Menschliche Sprache

Funktion von Sprache

Der Sprache können zwei verschiedene Grundfunktionen zugeschrieben werden:

  1. Sprache ist eine Form der Verständigung zwischen Menschen: Sprache in diesem Sinne bezeichnet die aus Wörtern bestehende, also verbale Kommunikation und damit die erfolgreichste Kommunikationsform des Menschen, neben nonverbalen Kommunikationsformen wie der Körpersprache. Sie wird akustisch durch Schallwellen (Lautketten) oder visuell-räumlich durch Gebärden (vgl. Gebärdensprache) oder haptisch durch taktile Gebärden oder durch Lormen übertragen. Mit der Schrift (vgl. Schriftsprache) ist eine Kommunikation zwischen Personen möglich, die einander weder sehen noch hören können. Sprache verfügt über einen Wortschatz, welcher semantische Informationen enthält und eine Grammatik, welche die Wörter in Beziehung zueinander setzt. Das kleinste Element einer Sprache ist das Wort, die Geste oder der Ausruf. Damit kann man nur dann erfolgreich kommunizieren, wenn man sich darauf verlassen kann, dass beim Hörer das gleiche (oder fast gleiche) Wissen wie beim Sprecher vorhanden ist. Insofern sind Wörter immer willkürlich gewählte Symbole für eine damit ebenso willkürlich verbundene Vorstellung. Exemplarisch ist die Definition von Edward Sapir (1921): „Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen“.[1]
  2. Sprache ist ein Medium des Denkens und der Weltauffassung schlechthin: Diese Definition, wie sie zuerst Wilhelm von Humboldt vorlegte, geht davon aus, dass Sprache für alle komplexeren Tätigkeiten und Denkvorgänge des Menschen unverzichtbar ist. Sprache ist damit nicht erst ein "nachträgliches" Mittel zur Verständigung zwischen Menschen, sondern jede Auffassung von Dingen und Sachverhalten in der Welt ist schon sprachlich strukturiert. Dinge und Sachverhalte werden durch die sprachliche Auffassung der Welt in Sinnzusammenhänge gebracht, ohne die dem Menschen keine Orientierung in der Welt möglich wäre. Der Mensch lebt demnach nicht zunächst wie das Tier in einer sinnlich aufgefassten Welt, über die er sich erst nachträglich und gelegentlich mittels Sprache verständigt, sondern er lebt "in der Sprache". Es macht sein Menschsein aus, dass er die Dinge stets in einen sprachlichen Zusammenhang bringt. Dieser Ansatz richtet sich auch gegen die Auffassung von Sprache als ein Instrument der Kommunikation (Martin Heidegger, Ernst Cassirer, Hans-Georg Gadamer).

Weiters existiert eine an die Semiotik (Zeichenlehre) anknüpfende Definition von Sprache. Diesbezüglich hat Ferdinand de Saussure Sprache als Zeichensystem konzipiert und das Sprachzeichen als zwingende Verbindung von Lautbild (signifiant = das Bezeichnende) und Vorstellung (signifié = das Bezeichnete), also als etwas Mentales gefasst.

Wissenschaftliche Untersuchung von Sprache

  • Natürliche Sprachen

Die Wissenschaft, die sich mit allen Aspekten von Sprache und Sprachgebrauch sowie mit einzelnen konkreten Sprachen befasst, ist die Linguistik oder Sprachwissenschaft. Dabei untersucht die Allgemeine Linguistik die menschliche Sprache als System und allgemeine Prinzipien, Regeln und Bedingungen von Sprache. Die Angewandte Linguistik behandelt Themen, die in Zusammenhang mit dem konkreten Gebrauch von Sprache stehen. Die Historische Linguistik befasst sich mit der Entwicklung und der genetischen Verwandtschaft von Sprachen, mit der Entwicklung und Veränderung von einzelnen Sprachelementen sowie mit Sprachwandel generell. Die Vergleichende Sprachwissenschaft erarbeitet Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Sprachen, klassifiziert sie nach bestimmten Kriterien und versucht Sprachuniversalien, also Eigenschaften, die alle oder sehr viele Sprachen gemeinsam haben, zu eruieren.

Innerhalb der Sprachwissenschaft existiert eine Vielzahl von größeren und kleineren Teilgebieten, die sich mit speziellen Aspekten von Sprache befassen, so etwa mit gesprochener und geschriebener Sprache, mit dem Zusammenhang zwischen Sprache und Denken, Sprache und Realität oder Sprache und Kultur. Annahmen über eine Ursprache der Menschheit sind vorwiegend spekulativ; hiermit befasst sich das Teilgebiet der Paläolinguistik. Der Gebrauch von Sprache unter normativen Aspekten wird beschrieben in Wörterbüchern (Rechtschreibwörterbüchern, Stilwörterbüchern etc.) und in Gebrauchsgrammatiken.

Zu den wissenschaftlichen Disziplinen, die sich besonders intensiv mit der Wirkung, kreativen Entfaltung und dem Sinn der Sprache auseinandersetzen, gehören – neben bestimmten linguistischen Teilgebieten – auch die Rhetorik, die Literaturwissenschaft, die Sprachphilosophie (als Teildisziplin sowohl der Philosophie als auch der Sprachwissenschaft) und die Ethnologie.

  • Formale Sprachen

Entgegen den natürlichen Sprachen sind formale Sprachen mit Mitteln von Logik und Mengenlehre beschreibbar (aufzählbare Menge der Basisausdrücke, Regeln der Komposition, wohlgeformte Ausdrücke). Die Beschreibungsprinzipien der formalen Logik werden auch auf die natürliche Sprache angewendet; Pionierarbeit hat dazu der amerikanische Logiker Richard Montague geleistet. Eine vollständige Rekonstruktion ist allerdings nicht möglich. Denn auch die Logik ist aus der natürlichen Sprache abgeleitet. Letztlich müssen wir alles in der natürlichen Sprache austragen (Wittgenstein).

Einzelsprachen

Sprachen der Welt

Hauptartikel: Einzelsprache

Im speziellen Sinn meint das Wort Sprache eine bestimmte Einzelsprache wie Deutsch, Japanisch oder Swahili etc. Die gesprochenen Sprachen der Menschheit werden gemäß ihrer genetischen Verwandtschaft in Sprachfamilien gegliedert. Jede einzelne Sprache wird dabei auch anhand der so genannten Language Codes nach den ISO 639 Teilnormen international eindeutig klassifiziert.

Einzelsprachen werden vielfach mit etwas Lebendigem verglichen, das entsteht, sich entwickelt und verändert und letztlich wieder vergeht. Lebendigkeit ist hier jedoch in übertragener Bedeutung zu verstehen und steht für eine Vielfalt von Funktionen.

Was als eine eigenständige Einzelsprache und was als Dialekt einer solchen gilt, ist nicht immer klar zu entscheiden. Von den heute rund 6500 gezählten Einzelprachen – laut National Geographic seien 2005 weltweit sogar 6912 Sprachen aktiv verwendet worden[2] – sind mehr als die Hälfte vom Aussterben bedroht, da sie kaum noch gesprochen und häufig auch nicht mehr an Kinder weitergegeben werden. Man vermutet, dass daher in den nächsten 100 Jahren ein großer Teil der heute noch vorhandenen Sprachen verschwinden wird. Derzeit werden die häufigsten 50 Sprachen von rund 80 % der Menschheit als Muttersprache (bzw. von rund 90 % auch als Zweitsprache) gesprochen, alle anderen (noch) existierenden Sprachen von den restlichen 20 bzw. 10 % der Menschen.[3] Verschiedene Einrichtungen wie etwa die Gesellschaft für bedrohte Sprachen unterstützen die Beschäftigung mit und die Dokumentation von bedrohten Sprachen, die zum Erbe der Menschheit zählen und sich zum Teil durch Eigenschaften auszeichnen, die nur an ihnen zu studieren sind.

Nicht mehr verwendete Sprachen, also tote Sprachen, hinterlassen in der Regel Spuren in Nachfolgesprachen wie beispielsweise das Latein in den romanischen Sprachen (Italienisch, Französisch, Rumänisch etc.). Solche Reste können aber auch vorhanden sein, wenn noch vor dem Aussterben einer jeweiligen Sprache Ausdrücke in andere als in die Nachfolgesprachen übernommen wurden (so etwa Wörter wie Wein, Fenster, Mauer, Schule, Keller u. a. m. aus dem Lateinischen in das damalige Althochdeutsche).

Aus ethnologischer und soziolinguistischer Sicht werden die vom Menschen im Alltag verwendeten Sprachen hinsichtlich ihrer Entstehung in natürlich entstandene ethnische Sprachen und in bewusst ausgearbeitete, also konstruierte Plansprachen geteilt. Eine ethnische oder Volks- bzw. Stammessprache (wie das Spanische, das Englische, aber auch wie das Aymara, Yoruba oder Tok Pisin usw.) kann dabei von sehr unterschiedlich vielen Menschen (vielen Millionen bis nur wenigen Dutzenden) gesprochen werden. Ein Beispiel einer typischen und auch weit verbreiteten Plansprache ist Esperanto, das jedoch weit von der Etablierung als Weltsprache entfernt ist.

Ethnische Sprachen und Plansprachen können auch nahe beieinander liegen. Dies etwa im Falle des Deutschen der Bibelübersetzung von Martin Luther. Diese Varietät des Deutschen stellt insofern eine Plansprache dar, da es sich um eine konstruierte Form handelte, die allerorten verstanden werden sollte. In der Folge wurde diese "geplante" Variante des Deutschen letztlich zur Verkehrssprache und wird heute als natürliche Sprache wahrgenommen. Varianten von ethnischen Sprachen werden im Zuge von sprachpolitischen Maßnahmen oftmals auch heute zu einer Varietät nach Plan "vereinheitlicht" wie es etwa im Falle des Ladinischen in Südtirol/Norditalien vorliegt.

Sprache und Tiere

Hauptartikel: Tiersprache

In den ersten Lebensjahren wird beim menschlichen Säugling der Kehlkopf (Larynx) abgesenkt. Nur wenige Tiere können ähnliches und dann Lautfolgen wie Menschen bilden, ggf. also sprachliche Äußerungen von Menschen nachahmen (Papagei, Robbe, Delfin).

Tiere kennen festgelegte Signalsysteme. Beispielsweise wird der Schwänzeltanz der Bienen oft Bienen- oder sogar Tanzsprache genannt; es ist allerdings fraglich, ob und ggf. wieweit in dem damit gemeinten, real instinktiv geregelten Signalverhalten eine Ähnlichkeit zur menschlichen Sprache besteht. Ob Vögel, Delfine oder Primaten eine der menschlichen Lautsprache ähnliche oder gar gleiche Sprache kennen und sogar mit ihrer Hilfe wechselseitig kommunizieren, wird diskutiert. Es handelt sich hier allem Anschein nach lediglich um einen eingliedrigen und einseitigen Signalgang zwischen Sender und Empfänger wie Tierhalter ihn sich bei der Dressur beispielsweise von Hunden zunutze machen.

Üblicherweise gemeinte Sprache von uns Menschen ist dagegen dreifach gegliedert: wir können aus bedeutungsunterscheidenden, selbst nichts bedeutenden Lauten (erste Gliederungsebene) bedeutungstragende Einheiten oder Morpheme bilden (zweite Gliederungsebene) sowie aus Wortformen dann Wortgruppen (Phrasen) und Sätze aufbauen (dritte Ebene). Wenn ein Tier zwanzig Laute bilden kann, so kann es stimmlich potentiell zwanzig unterschiedliche Signale bilden. Menschliche Sprache zeichnet sich dagegen durch eine hochdifferenzierte Variabilität stimmlicher Laute und Lautfolgen aus, für die es überdies unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten gibt, wie schon Wilhelm von Humboldt hervorhob. Dabei kommt hinzu, dass Menschen auch noch verstehen oder äußern können, was sie zuvor nie gehört haben, also nicht einfach gelernt haben können und deswegen bloß imitieren.

Konstruierte und formale Sprachen

Auch in der Informatik wird von Sprachen gesprochen. Die dann Formale Sprachen genannten Systeme stellen mathematische Modelle von Sprachen dar, die besonders in der theoretischen Informatik, vor allem bei der Berechenbarkeitstheorie und dem Compilerbau Anwendung finden. Programmiersprachen wie ALGOL, Fortran, COBOL, BASIC, C, C++, Ada, LISP, Prolog, Java, Perl und viele weitere beruhen auf sowohl theoretischen wie pragmatischen Überlegungen.

Eine entfernt vergleichbare Bestrebung in der Philosophie war das Projekt des Orthosprachenprogramms des Logikers und Mathematikers Paul Lorenzen, das die Konstruktion einer eindeutigen und methodisch aufgebauten Wissenschaftssprache zum Ziel hatte, aber selbst „in der methodischen Philosophie höchst umstritten“ war.[4]

Sprache und Denken

Sprache als Medium des Denkens

Viele Medientheorien – vor allem die technischen – fassen Sprache nicht als Medium, sondern als Kommunikationsinstrument auf, d. h. als neutrale Ermöglichungsbedingung für die eigentlichen Medien. Sprache dient solchen Auffassungen nach lediglich der Repräsentation oder auch Übermittlung mentaler Entitäten (Konzepte, Begriffe), wobei letztere als unabhängig von der Sprache gedacht werden. Man spricht deshalb von Repräsentationsmitteln.

In Tradition von Wilhelm von Humboldts Sprachtheorie lässt sich allerdings auch eine Medienauffassung konstruieren, deren Kernaussage lautet, dass geistige Prozesse erst durch die Medialität ermöglicht werden. Das heißt die menschliche Mentalität wird in ihrem heutigen Umfang erst durch Zeichenhandlungsprozesse, die sowohl ein Welt- als auch Ich-Bewusstsein konstituieren, ermöglicht. Die Sprache nimmt hierbei eine rahmenbestimmende Rolle ein. Wird also Sprache als Medium begriffen, ist schon das menschliche Bewusststein medial geprägt. Es wäre daher stets von der Sprache her zu beurteilen, wie sich neue Medien auf den Menschen auswirken können. Die Leistungsfähigkeit und Einflusskraft neuer Medien wären also von der strukturellen Beschaffenheit des Sprachmediums abhängig.

Sprache und politische Macht

Es wurde wiederholt versucht, diese Hypothese im Kontext der Machtstrukturen von Sprache politisch einzusetzen. Das Einfordern „politisch korrekter“ Formulierungen wird manchmal damit begründet, dass wer beispielsweise eine sexistische Sprache verwende, auch zu sexistischem Denken tendiere. Ob durch Sprachreformen wie das Binnen-I anstelle des generischen Maskulinums tatsächlich Bewusstseinsänderungen oder gar aktuelle politische Ziele zu erreichen wären, ist aber umstritten. Wahrscheinlicher ist, dass Sprachreformen im Prozess eines allgemeineren Bewusstseinswandels eine signifizierende und bekräftigende Wirkung ausüben können. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass Sprache zur Einschüchterung und zum Erhalt bestimmter Machtstrukturen eingesetzt wird (z. B. Mobbing, Denunziation, Demütigung). Als Unterdrückungsmechanismen in der mündlichen Kommunikation stellte Berit Ås die fünf Herrschaftstechniken heraus. Der Verweis auf solche Wirkungen bestehender Sprachregelungen kann es erlauben, einen solchen Zusammenhang überhaupt erst thematisierbar zu machen.

Umstritten ist jedoch die These, dass die Wortwahl die Empfindungen beziehungsweise Auffassungen ändere. Der Psychologe Steven Pinker betrachtete zum Beispiel die so genannte „euphemism treadmill“ (Euphemismus-Tretmühle) – den Effekt, dass euphemistische Neologismen alle negativen Assoziationen der Wörter aufnahmen, die sie ersetzten. Ein deutsches Wort in diesem Zusammenhang ist das euphemistische Wort „Restrukturierung“, welches das Wort „Schließung von Betrieben und Einrichtungen“ ersetzen sollte und den negativen Charakter übernahm. Ebenso wird gesagt, dass die Assoziationen mit beispielsweise den Wörtern „Behinderter“ oder „Azubi“ sich bei vielen Menschen nicht von denen unterscheiden würden, die früher „Krüppel“ und „Lehrling“ hatten. Beispielsweise wäre das Wort „behindert“ schon bald nach seiner Einführung in den Alltag ebenso für viele Menschen zum Schimpfwort mutiert wie einst „bresthaft“.

Es ist in der Historischen Linguistik auch festgestellt worden, dass Wörter aus dem Sexual- und Fäkalbereich (also aus Bereichen, die in praktisch allen Kulturen ein Tabu darstellen) in den meisten Sprachen nach jeweils nur wenigen Generationen durch andere ersetzt werden, denen dann bald wieder das gleiche Schicksal droht. Bei Schriftsprachen ist dies, genau wie der allgemeine Sprachwandel, etwas verlangsamt.

Ein bekanntes Beispiel aus der Literatur für den Versuch, durch Einfluss auf die Sprache Einfluss auf das Denken der Bevölkerung auszuüben, ist der 1949 veröffentlichte Roman „1984“ von George Orwell. In diesem Werk wird ein fiktives diktatorisch herrschendes Regime beschrieben, das eine vorgeschriebene konstruierte Sprache namens „Neusprech“ einsetzt, um die Kommunikation und das Denken der Bevölkerung in enge, kontrollierte Bahnen zu lenken.

Ein anderes Literaturbeispiel, das explizit mit der Sapir-Whorf-Hypothese spielt, ist „Die Kriegssprachen von Pao“ von Jack Vance (ISBN 3-404-21184-7). Um einen besiegten Planeten kontrollieren zu können, werden dessen Völker in Händler, Bauern, Krieger und Wissenschaftler unterteilt, die jeweils nur die eigens für sie konstruierte Sprache lernen und sprechen dürfen.

Literatur

Aufsätze

  • Uwe Jürgens: Die Evolution der Sprache. In: Biologie in unserer Zeit Bd. 36, Nr. 6, 2006, ISSN 0045-205X, S. 362 – 368
  • Julia Fischer: Zur Evolution der menschlichen Sprache - ein Vergleich der Kommunikation von Mensch und Tier. In: Naturwissenschaftliche Rundschau Bd. 62, Nr. 8, 2009, ISSN 0028-1050, S. 397 – 405


Bücher

  • Ruth Berger: Warum der Mensch spricht: Eine Naturgeschichte der Sprache. Eichborn, Frankfurt 2008 ISBN 978-3-8218-5687-2.
  • Ludwig Börne: Bemerkungen über Sprache und Stil. (1826) In: Sämtliche Schriften. hrsgg. von Rippmann, Inge und Peter, Bd. II, Melzer, Düsseldorf 1964 und Melzer, Dreieich 1977 als TB-Ausgabe
  • Haig A. Bosmajian: The Language of Oppression. Univ. Press of America 1983 ISBN 0-8191-3186-5
  • Karl Bühler: Sprachtheorie. Fischer, Stuttgart 1934
  • David Crystal: Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. Campus, Frankfurt 1995 ISBN 3-88059-954-8
  • Johanna J. Danis, RHS: Reden, Hören, Sprechen. München 2002 ISBN 3-925350-77-2
  • Donald Davidson: Seeing Through Language. In: Truth, Language, and History. Oxford Univ. Press, Oxford 2005 ISBN 0-19-823756-1
  • Ekkehard Felder (Hg.): Sprache. Berlin, Heidelberg: Springer 2009, ISBN 978-3-642-00341-7
  • Steven Roger Fischer: Eine kleine Geschichte der Sprache. 2., ungekürzte Ausgabe. 2004. München: DTV.
  • Harald Haarmann: Kleines Lexikon der Sprachen. Von Albanisch bis Zulu. Beck, München ISBN 3-406-47558-2
  • Martin Heinze et al. (Hrsg.): Sagbar – Unsagbar. Philosophische, psychoanalytische und psychiatrische Grenzreflexionen. Parodos, Berlin 2006 ISBN 3-938880-01-5
  • Wilhelm von Humboldt: Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus. Philo, Berlin 2004 ISBN 3-8257-0068-2
  • Peter Janich: Logisch-pragmatische Propädeutik. Ein Grundkurs im philosophischen Reflektieren. Velbrück, Weilerswist 2001 ISBN 3-934730-37-X
  • Friedrich Kambartel und Pirmin Stekeler-Weithofer: Sprachphilosophie. Probleme und Methoden. Reclam, Stuttgart 2005 ISBN 978-3-15-018380-9
  • Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen: Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens. BI, Mannheim 1967 (BI-HTB 227/227a); 2., verb. u. erw. Aufl. 1973 u.d.T.: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. ISBN 3-411-05227-9 Nachdruck 1990, 1992; Metzler, Stuttgart 1996; engl.: Logical Propaedeutic. Pre-School of Reasonable Discourse. (Trans. H. Robinson) University Press of America, Lanham 1984
  • Volker Ladenthin (Hrsg.): Goethe. Über Sprache. gata, Eitorf 1999
  • Kuno Lorenz: Elemente der Sprachkritik. Eine Alternative zum Dogmatismus und Skeptizismus in der Analytischen Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt 1970 (Reihe Theorie)
  • John Lyons: Die Sprache. Beck, München 1992 (4. Auflage) ISBN 3-406-09400-7
  • Helmut Martinetz: Sprache und Sprechen, die Brückenbauer auf der Bühne des Alltags. Lassen Sie Ihre Stimme erklingen. Lit Verlag, Münster 2006 (Reihe: Studien zur Linguistik Bd. 13) ISBN 3-8258-9496-7.
  • Colin McGinn: Bedeutung. Kap. 12 seines Buches Das innere Auge – Von der Macht der Vorstellungskraft. Primus, Darmstadt 2007 S. 163–179 (Zum konstituierenden Verhältnis von Vorstellen und Sprache)
  • Uwe Petersen: Sprache als wissenschaftlicher Gegenstand, philophisches Phänomen und Tat. Königshausen und Neumann., Würzburg 2008, ISBN 978-3-8260-3792-4.
  • Steven Pinker: Words and Rules: The Ingredients of Language. 1999 (Worte und Regeln: Die Natur der Sprache. Spektrum, Heidelberg 2000 ISBN 978-3-8274-0297-4)
  • Guenther Witzany: Natur der Sprache – Sprache der Natur. Sprachpragmatische Philosophie der Biologie. Königshausen & Neumann, Würzburg 1993 ISBN 3-88479-827-8

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach John Lyons, 4. Auflage, 1992, S. 13.
  2. National Geographic, Planet Erde 2008, Unsere Welt im Wandel: Zahlen, Daten, Fakten, S. 87
  3. Liste der Sprachen mit mindestens 20 Millionen Sprechern von Ernst Kausen Abgerufen am 9. Dezember 2009.
  4. so Peter Janich in seiner Logisch-pragmatischen Propädeutik von 2001 auf S. 13
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