Schöllkraut

Schöllkraut

Schöllkraut (Chelidonium majus)

Systematik
Eudikotyledonen
Ordnung: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Familie: Mohngewächse (Papaveraceae)
Unterfamilie: Papaveroideae
Gattung: Chelidonium
Art: Schöllkraut
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Chelidonium
L.
Wissenschaftlicher Name der Art
Chelidonium majus
L.

Das Schöllkraut[1] (Chelidonium majus) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Chelidonium der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae). Bei manchen Autoren ist es die einzige Art mit Unterarten, aber manche Autoren bewerten die Unterarten aus Ostasien als zwei bis drei eigene Arten.

Beschreibung

Habitus, Laubblätter, Blüten und Kapselfrüchte
Blüten
Samen mit Elaiosom
Aus angerissenem Blatt austretender gelber Milchsaft

Vegetative Merkmale

Das Schöllkraut ist eine sommergrüne,[1] zwei- bis mehrjährige, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu 70 Zentimetern erreicht. Sie bildet ein verzweigtes Rhizom. Der Milchsaft ist gelb-orange.

Die wechselständigen Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die grün-graue, durch einen dünnen Wachsfilm wasserabstoßend bereifte Blattspreite ist buchtig eingekerbt. Die Blattunterseite ist heller und leichte behaart (Trichome).

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Mai bis Oktober. Die zwittrigen Blüten sind vierzählig und etwa 2 Zentimeter groß. Die zwei Kelchblätter fallen früh ab. Seine vier Kronblätter sind gelb. Es sind zwölf bis viele freie Staubblätter vorhanden. Zwei Fruchtblätter sind zu einem Fruchtknoten verwachsen. Der Griffel endet in einer zweilappigen Narbe. Die dünne, zweiklappige Kapselfrucht weist eine Länge von etwa 5 Zentimetern auf und enthält wenige bis vieleSamen. Die eiförmigen, schwarzen Samen tragen eine hahnenkammförmige Caruncula.

Die Chromosomenzahl beträgt in Europa 2n = 12,[2] in Japan Chelidonium majus subsp. asiaticum H.Hara 2n = 10 oder 12.

Ökologie

Beim Schöllkraut handelt es sich um einen hygromorphen Hemikryptophyten.[1]

Beim Abbrechen der behaarten Stängel oder Einreißen der Blätter tritt aus gegliederten Milchröhren ein gelb-orangefarbener Milchsaft zum Vorschein. Der giftige Saft hat einen scharfen, bitteren und sehr unangenehmen Geschmack.

Bei schlechtem Wetter sind die Blüten geschlossen und die Blütenstiele senken sich ab. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten (Entomophilie)[1]. Es erfolgt auch Selbstbestäubung.[1]

Die Samen werden durch Ameisen ausgebreitet (Myrmekochorie)[1] und sie werden durch das Caruncula angelockt.

Vorkommen

Ursprünglich ist Schöllkraut in den gemäßigten und warm-temperierten Gebieten Eurasiens sowie im Mittelmeerraum weitverbreitet. Nach Nordamerika wurde es von Siedlern mitgenommen, die es als Heilmittel bei Hautkrankheiten verwendeten und ist dort ein Neophyt.

Diese stickstoffliebende Art wächst gerne in der Nähe von menschlichen Wohnstätten, etwa auf Schuttplätzen, an Wegesrändern, in Robinienbeständen und sogar in Mauerspalten sowie im Gebirge. Das Schöllkraut kommt in der Pflanzengesellschaft Glechometalia vor.

Die ökologischen Zeigerwerte nach Ellenberg für Chelidonium majus sind: L6 = Halbschatten- bis Halblichtpflanze, T6 = Mäßigwärme- bis Wärmezeiger, Kx = indifferentes Verhalten, F5 = Frischezeiger, Rx = indifferentes Verhalten, N8 = ausgesprochener Stickstoffzeiger, S0 = nicht salzertragend.

Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen

Das Schöllkraut enthält eine Reihe von Alkaloiden, von denen über 20 isoliert und chemisch identifiziert wurden.[3] Die wichtigsten sind Berberin, Chelerythrin, Chelidonin, Coptisin, Spartein, Chelidoxanthin und Sanguinarin. Die Alkaloide sind sowohl in den oberirdischen Teilen der Pflanze wie auch in der Wurzel vorhanden. Im Herbst konzentrieren sie sich in der Wurzel, die dann hochgiftig wird.

Schöllkrautextrakte wirken in vitro antiviral, antibakteriell, antimykotisch und schwach zytotoxisch,[3][4] was auf den Gehalt an Chelidonin, Coptisin und Protopin zurückgeführt wird, auch Chelerythrin und Sanguinarin wirken zytotoxisch. In vivo wurde eine schwache Wirkung gegen Influenzaviren festgestellt. Die verschiedenen Chelidonium-Alkaloide, Flavone und Bitterstoffe wirken vor allem auf Leber und Galle: Bei innerlicher Anwendung von Schöllkrautextrakten fördern sie den Gallenfluss, regen die Leberfunktion an und haben eine entkrampfende Wirkung.[5] Schöllkrautextrakte wirken ferner schwach entzündungshemmend (antiphlogistisch) und analgetisch. In der Volksmedizin wird der Saft der Pflanze äußerlich bei Hauterkrankungen wie Warzen[6] verwendet, entweder nativ oder als Salbe („Glaucionsalbe“, lateinisch auch „Glaucina“[7]). Als Wirkprinzip werden eiweißauflösende (proteolytische) und antivirale Mechanismen diskutiert. Der Saft sowie die Salbe wirken stark reizend.

Schöllkrautbestandteile sind ferner im umstrittenen Krebsmittel Ukrain enthalten.

Das Verschlucken der Pflanzenteile führt in größeren Mengen zu schweren Reizungen des Magen-Darm-Traktes. Entsprechend äußern sich die Symptome in Brennen, Schmerzen, Erbrechen, blutigen Durchfällen und Kreislaufstörungen. In schweren Vergiftungsfällen kann es zum Tod durch Kreislaufversagen kommen. Schöllkraut steht auch im Verdacht, toxische Leberschäden (Hepatitis, Cholestase bis hin zum Leberversagen) hervorzurufen.[8]

Etymologie

Der Name „Chelidonium“ wurde erstmals von Dioskurides[9][10] und von Plinius[11] erwähnt. Sie unterschieden zwischen einem „großen Chelidonium“ und einem „kleinen Chelidonium“. Nach Heinrich Marzell[2] leitet sich der Name vom griechischen Wort χελιδών (= chelidon, Schwalbe) ab und bezieht sich darauf, dass das Chelidonium beim Eintreffen der Schwalben zu blühen beginnt. Von den Vätern der Botanik wurde das „kleinere Chelidonium“ als Scharbockskraut (Ficaria verna), das „grosse Chelidonium“ als Schöllkraut (Chelidonium majus) gedeutet.[12][13][14][15][16][17]

Pharmazie- und Botanikgeschichte

Dioskurides und Plinius berichteten, dass die Schwalben mit dem Saft des Chelidonion ihre erblindeten Jungen heilen. Der mit Honig vermischte Saft des „großen Chelidonium“ galt als Mittel gegen „Verdunkelung der Augen“. Die Wurzel sollte, wenn sie gekaut wurde, Zahnschmerz lindern. Mit Weißwein und Anis wurde sie zur Behandlung von Gelbsucht eingenommen. Großes und kleines Chelidonium dienten äußerlich angewendet zur Behandlung von Hauterkrankungen, das „kleine Chelidonium“ aber besonders als äußerlich anzuwendendes Ätzmittel. Diese Indikationen wurden von späteren Autoren übernommen.[18][19][20][21][22][23][24][25][26][27][28][29][30][31][32][33][34]

In seinem Kleinen Destillierbuch (1500) gab Hieronymus Brunschwig erstmals eine sichere Beschreibung des von ihm „Fick wartzen krut“ genannten Scharbockskrauts.

Neben dem Goldenen Frauenhaarmoos und dem Sonnentau diente besonders das Schöllkraut den Alchemisten zur Darstellung der Materia prima bzw. des Aurum potabile. Auswahlkriterium war die gold-gelbe Farbe des Schöllkrautsaftes. Sie interpretierten den Namen „Chelidonium“ als „donum coeli“ - „himelisch gab“.[35]

Trivialnamen

Aus chelidonium entwickelte sich im Althochdeutschen das Wort scheliwurz. Für das Schöllkraut bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Affelkraut (Kärnten, Augenkraut, Blutkraut (Schlesien), Geschwulstkraut (Österreich), Gilbkraut, Goldkreokt (Siebenbürgen), Goldwoort (Unterweser, Göttingen, mittelniederdeutsch), Goldwurz (mittelhochdeutsch), Goldwurzel (Eifel), Goltwort (mittelniederdeutsch), Gotsgab, Grindwurz (bereits 1482 erwähnt), Grosgrau, Guldkreokt (Siebenbürgen), Gutwurz, Herrgottsblatt, Jölk (Altmark), Jülk (Altmark), Lichtkraut, Maikraut, Nagelkraut (Bern), Ogenklar (Ostfriesland), Schälerlkraut (Österreich), Schalerkraut (Linz), Sela (mittelhochdeutsch), Sceli (mittelhochdeutsch), Scellawurz (althochdeutsch), Scelliwurz (althochdeutsch), Scellinwurz (althochdeutsch), Scelworz (mittelhochdeutsch), Schealworz (mittelniederdeutsch), Schelfers (Region an der Hase), Schelaw (althochdeutsch), Schellewort (mittelniederdeutsch), Schellewurz (mittelhochdeutsch), Schellchrut (St. Gallen), Schellkraut, Schellkrokt (Siebenbürgen), Scheltwurz (mittelhochdeutsch), Schelwort (mittelniederdeutsch), Schelwurz, Schielkraut (Schwaben), Schindkrut (Mecklenburg, Rendsburger Apotheke), Schinkrud (Bremen), Schinnefoot (Westfalen), Schinnkraut (Ostpreußen), Schinnkrut (Pommern), Schinnwart, Schinnwatersbläer, Schinkrut (niederdeutsch), Schöllkrut (Mecklenburg), Schöllwurz, Groß Schwalbenkraut, Schwindwurz (Zillertal), Tackenkrut (Lübeck), Truddemälch (Siebenbürgen), Warzenkraut (Österreich) und Würzekrokt (Siebenbürgen).[36]

Quellen

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Chelidonium majus L., Schöllkraut. auf FloraWeb.de
  2. a b Gustav Hegi (Begr.), Friedrich Markgraf (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Band IV, Teil 1, Zweite Auflage, 1958, S. 24-26.
  3. a b Maria L. Colombo und Enrica Bosisio: Pharmacological activities of Chelidonium majus L. (Papaveraceae). Pharmacological Research Band 33, 1996, S. 127-134.
  4. Entwurf des Beurteilungsberichts zu Schöllkraut vom 25. November 2010 (PDF; 527 kB), Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der europäische Arzneimittelagentur (englisch).
  5. Joerg Gruenwald: PDR for Herbal Medicines. Thomson PDR, 2000, ISBN 1-56363-361-2.
  6. ARD: Ratgeber Gesundheit (BR) vom 13. September 2009, daserste.de (Memento vom 9. Februar 2010 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt Warzen: Was hilft wirklich dagegen?
  7. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Seite 2939. Unveränderter Nachdruck der achten verbesserten und vermehrten Auflage, von Heinrich Georges, 1. Band, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1998 (Reprint der Ausgabe Hannover: Hahnsche Buchhandlung, 1913), bei www.zeno.org.
  8. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft „Aus der UAW-Datenbank“: Schwere Leberschäden unter Chelidonium. Dtsch Arztebl 2002; 99(47): A-3211 / B-2707 / C-2523
  9. Julius Berendes: Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, Buch II, Cap. 211, Großes Chelidonium eingescannt bei Digitalisat
  10. Julius Berendes: Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, Buch II, Cap. 212, Kleines Chelidonium eingescannt bei Digitalisat
  11. Naturalis historia (Ausgabe König), Buch VIII, § 98; Buch XXV, § 89, § 172; Buch XXVI, § 24, § 141, § 152.
  12. Otto Brunfels. Contrafeyt Kreüterbuch. Straßburg 1532, S. 132, Schölwurtz Digitalisat
  13. Otto Brunfels: Contrafeyt Kreüterbuch. Straßburg 1532, S. 176, Fygwartzenkraut Digitalisat
  14. Hieronymus Bock: New Kreütter Buch. Straßburg 1539, Buch I, Cap. 33, Schölwurtz Digitalisat
  15. Hieronymus Bock: New Kreütter Buch. Straßburg 1539, Buch I, Cap. 35, Feigblatern Eppich Digitalisat
  16. Leonhart Fuchs: New Kreütterbuch. Straßburg 1543, Cap. 333, Schölkraut Digitalisat
  17. Leonhart Fuchs: New Kreütterbuch. Straßburg 1543, Cap. 334, Feigwartzenkraut Digitalisat
  18. Galen (2. Jh.). De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus. (Nach Kühn 1826, Bd. XII, S. 156.) Chelidonium Digitalisat
  19. Pseudo-Apuleius. (4. Jh.), Druck Rom 1481, Herba Celidoniae Digitalisat.
  20. Avicenna: Kanon der Medizin (11. Jh.). Ausgabe Andrea Alpago, Basel 1556, Band II, Cap. 738 (S, 319) Vena tinctorum Digitalisat Vena tinctorum (=Vena citrina) nach Hermann Fischer. Mittelalterliche Pflanzenkunde. München 1929, S. 264, 305.
  21. Konstantin der Afrikaner (Ibn al-Dschazzar) (11. Jh.). De Gradibus. Druckausgabe Basel 1536, S. 381 Digitalisat.
  22. Macer floridus. (11. Jh.). Druck Basel 1527 Digitalisat
  23. Circa instans. De simplicibus medicinis. (12. Jh.). Druck Venedig 1497, Blatt 195v, Celidonia Digitalisat
  24. Innsbrucker (Prüler) Kräuterbuch. (12. Jh) Friedrich Wilhelm. Denkmäler deutscher Prosa. München 1960, Band I, S. 42-43; Band II, S. 108. Scellewurze soch [Saft]. Clm 536 Digitalisat, Blatt 86r.
  25. Hildegard von Bingen: Physica. (12. Jh.) Buch I, Kapitel 138. Grintwurtz. Buch I, Kapitel 207. Ficaria.
  26. Franz Pfeiffer (Hrsg.). Konrad von Megenberg. Buch der Natur. Stuttgart 1861, S. 390. Digitalisat
  27. Gabriel von Lebenstein (14. Jh.) Kapitel 23. Schelkrawt.Handschriftencensus Digitalisat. No 4-9 sowie No 16 als Digitalisate abrufbar.
  28. Michael Puff: Büchlein von den ausgebrannten Wässern. (15. Jh.) Kapitel 62. Schelwurtz. Druck Augsburg (Johannes Blaubirer) 1481.
  29. Nikolaus Frauenlob: Arzneibuch. (15. Jh.) Celidonia schelkrawtt Handschriftencensus. Frauenlob, Nikolaus: Arzneibuch. Cpg 583, Blatt 10v Digitalisat; Cpg 666, Blatt 118v Digitalisat. Celidonia, schelkrawtt.
  30. Herbarius Moguntinus. Mainz 1484. Cap. 44. Celidonia, Schelwortz Digitalisat
  31. Gart der Gesundheit. Mainz 1485. Ausgabe Augsburg (Schönsperger) 1485. Cap. 9. Apium emorrhoidarum fickblater eppich Digitalisat
  32. Gart der Gesundheit. (Mainz 1485). Ausgabe Augsburg (Schönsperger) 1485. Cap. 85, Celidonia schelwortz Digitalisat
  33. Hieronymus Brunschwig: Kleines Destillierbuch. Straßburg 1500, Blatt 50r, Fick wartzen krut eingescannt bei Digitalisat
  34. Hieronymus Brunschwig: Kleines Destillierbuch. Straßburg 1500, Blatt 106r, Schelwurtz eingescannt bei Digitalisat
  35. Hieronymus Brunschwig: Liber de arte distillandi de compositis. Straßburg 1512, Blatt 27va. Quinta essentia von dem krut genant Celidonia. eingescannt bei Digitalisat.
  36. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 90 (online).
Commons: Schöllkraut (Chelidonium majus) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Schöllkraut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen