„Romanische Palatalisierung“ – Versionsunterschied

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Diese Lautwandel haben sich auch außerhalb des romanischen Sprachgebiets in der Aussprache des Lateins als Sprache von Kirche, Schule und Wissenschaft sowie in Entlehnungen daraus niedergeschlagen, weitgehend zum Beispiel im [[Englische Sprache|Englischen]], in Bezug auf ''ce/ci'' (''[[Ceres]]'', ''[[Cisleithanien]]'') und ''ti̯'' (''Station'', ''[[Potential]]'') auch im [[Deutsche Sprache|Deutschen Sprachraume]], kaum dagegen etwa im mittelalterlichen [[Irland (Insel)|Irland]].<ref name=Stotz/>
Diese Lautwandel haben sich auch außerhalb des romanischen Sprachgebiets in der Aussprache des Lateins als Sprache von Kirche, Schule und Wissenschaft sowie in Entlehnungen daraus niedergeschlagen, weitgehend zum Beispiel im [[Englische Sprache|Englischen]], in Bezug auf ''ce/ci'' (''[[Ceres]]'', ''[[Cisleithanien]]'') und ''ti̯'' (''Station'', ''[[Potential]]'') auch im [[Deutsche Sprache|Deutschen Sprachraume]], kaum dagegen etwa im mittelalterlichen [[Irland (Insel)|Irland]].<ref name=Stotz/>

m Deutschen gibt es für die Aussprache des c bei lateinischen Fremdwörtern Merk-Verse wie „Vor o, u, a sprich c wie k“ und die sog. Ka-ze-zi-ko-ku-Regel (Aussprache des c vor den jeweiligen Vokalen).


== Palatalisierung ==
== Palatalisierung ==

Version vom 16. März 2013, 18:20 Uhr

Als romanische Palatalisierung werden mehrere, zum Großteil bereits im Latein der Antike ihren Ausgang nehmende Lautwandel bezeichnet, bei denen die Artikulationsstelle der Laute /k/, /g/, /t/, /d/, /l/, /n/ sich vor vorderen Vokalen und Halbvokalen vom Gaumensegel beziehungsweise von den Zähnen zum harten Gaumen hin verschob. Mitgemeint sind gewöhnlich auch die darauffolgenden Entwicklungen wie Assibilation der betroffenen Plosive zu Affrikaten (/ʧ/, /ʦ/, /ʤ/, /ʣ/) oder deren weitere Vereinfachung zu reinen Sibilanten (/ʃ/, /s/, /θ/, /ʒ/, /z/) in den romanischen Sprachen.[1]

Im Spätlatein entwickelten sich die durch t und c bezeichneten Laute zunächst vor halbvokalischem (< prävokalischem ǐ/ĕ) von reinen Okklusiven zu dentalen bzw. palatalen Affrikaten. Ab dem 5. Jahrhundert ist eine entsprechende Assibilierung von c vor jedem e/i durch Schreibungen wie intcitamento statt incitamento oder dissessit statt discessit belegt. War im Rumänischen, Rätoromanischen, Normannischen, Picardischen und in weiten Teilen Italiens [ʧ] das Ergebnis dieses Lautwandels, so lautete es auf der Iberischen Halbinsel, Oberitalien und dem größten Teil der Galloromaniae [ʦ]; diese Affrikaten wurden im Laufe der Zeit in vielen Gegenden allgemein zu [s/θ/ʃ] vereinfacht. Unterblieben ist die Assibilierung von c im Dalmatischen und den nördlichen Dialekten des Sardischen.[2]

Nach ähnlichem Muster werden gi̯/di̯ und zum Teil auch (i̯)i̯ sowie g vor e/i (sofern es nicht geschwunden ist, wie etwa in it./aprov./kat. trenta, lat. trienta < triginta) zu [ʤ/ʣ] und dann in manchen Gebieten weiter zu [ʒ/z/x];[2] dabei stimmt die Artikulationsstelle zwischen stimmloser und stimmhafter Affrikate nicht immer überein, vgl. lat. centu(m) /kɛntʊ/ > afrz. cent /ʦã(n)t/ > nfrz. /sɑ̃/[1] neben lat. gentes /gɛnteːs/ > afrz. gents /ʤã(n)ʦ/ > nfrz. gens /ʒɑ̃/.

Diese Lautwandel haben sich auch außerhalb des romanischen Sprachgebiets in der Aussprache des Lateins als Sprache von Kirche, Schule und Wissenschaft sowie in Entlehnungen daraus niedergeschlagen, weitgehend zum Beispiel im Englischen, in Bezug auf ce/ci (Ceres, Cisleithanien) und ti̯ (Station, Potential) auch im Deutschen Sprachraume, kaum dagegen etwa im mittelalterlichen Irland.[2]

m Deutschen gibt es für die Aussprache des c bei lateinischen Fremdwörtern Merk-Verse wie „Vor o, u, a sprich c wie k“ und die sog. Ka-ze-zi-ko-ku-Regel (Aussprache des c vor den jeweiligen Vokalen).

Palatalisierung

Für gewöhnlich werden /c/ und /g/ vor Vorderzungenvokalen palatisiert. Das sind in den meisten Sprachen e und i, aber auch das ursprünglich griechische y; Fremdwörter aus dem Griechischen, die vor der Palatalisierung übernommen wurden, haben diese mitgemacht. Da ae und oe, die im klassischen Latein noch Diphtonge waren, schon sehr früh zu [ɛ] und [ø] (vordere Vokale) wurden, wird vor ä und ö (im Deutschen) und ihren graphischen Entsprechungen in anderen Sprachen (meist e, also nicht unterscheidbar) ebenfalls palatalisiert. Die Palatalisierung fand unterschiedliche Ausprägungen in den verschiedenen Sprachen. Da auch Fremdwörter aus dem Lateinischen in nicht-romanischen Sprachen jeweils eigenen Regeln folgen, werden diese hier ebenfalls beispielhaft aufgelistet.


C
(palatalisiert)
G
(palatalisiert)
T
(palatalisiert)
SpracheNotationAusspracheNotationAusspracheNotationAussprache
Italienischc[ʧ]g[ʤ]z[ʦ]
Französischc[s]g[ʒ]t[s]
Spanischc[θ] / [s][A 1]g[x]c[θ] / [s][A 1]
Portugiesischc[s]g[ʒ]ç[s]
Katalanischc[s]g[ʒ]t[t]
Rumänischc[ʧ]g[ʤ]ț[ʦ]
Englischc[s]g[ʤ]t[ʃ]
Schwedischc[s]g[j]t[ɧ]
Deutschz[ʦ]g[g][A 2]t[ʦ]
Anmerkungen
  1. a b vgl. Seseo.
  2. g wird im Deutschen nicht palatalisiert

Kennzeichnung von Ausnahmen

Da durch die romanische Palatalisierung die Orthographien der romanischen Sprachen die gleichen Grapheme für unterschiedlich Phone benutzen, entstehen Probleme bei der Notation von Wörtern, die /c/ und /g/ vor Hinterzungenvokalen palatalisieren bzw. vor Vorderzungenvokalen nicht palatalisieren, also von der Regel abweichen. Dies können schlicht Ausnahmen oder nach der Palatalisierung aufgenommene Fremdwörter sein. In den romanischen Sprachen gibt es verschiedene, in der Strategie aber vergleichbare Methoden, von der Regel abweichende Aussprache zu kennzeichnen. Um vor hinteren Vokalen den Frikativlaut zu erzwingen, kann beispielsweise die Cedille Anwendung finden, und oft wird ein vorderer Vokal zwischengestellt, der nur Kennzeichnungsfunktion hat und selbst nicht ausgesprochen wird. Auffällig ist in folgender Tabelle, dass die spanische und die italienische Sprache dieselbe Konstruktion, nämlich das zwischengestelle h, für genau entgegengesetzte Zwecke einfügen:

ZiellautPortugiesischSpanischKatalanischFranzösischItalienischRumänisch
BeschreibungIPA
c vor a palatalisiert[sa]
[t͡sa]
[ʃa]
[t͡ʃa]
[θa]
ça
tsa
cha, xa
tcha
sa
tsa

cha
za
ça
tsa
xa
txa
ça
tsa
cha
tcha
sa
za

cia
sa
ța
șa
tsia
c vor e nicht palatalisiert[ke]quequequequecheche
c vor i nicht palatalisiert[ki]quiquiquiquichichi
c vor o palatalisiert[so]
[t͡so]
[ʃo]
[t͡ʃo]
[θo]
ço
tso
cho, xo
tcho
so
tso

cho
zo
ço
tso
xo
txo
ço
tso
cho
tcho
so
zo

cio
so
țo
șo
tsio
c vor u palatalisiert[su]
[t͡su]
[ʃu]
[t͡ʃu]
[θu]
çu
tsu
chu, xu
tchu
su
tsu

chu
zu
çu
tsu
xu
txu
çou
tsou
chou
tchou
su
zu

ciu
su
țu
șu
tsiu
g vor a palatalisiert[χa]
[ʒa]
[d͡ʒa]

ja
dja
ja
[D 1]

ja
tja

ja


gia
[D 2]
ja
dja
g vor e nicht palatalisiert[ge]gueguegueguegheghe
g vor i nicht palatalisiert[gi]guiguiguiguighighi
g vor o palatalisiert[χo]
[ʒo]
[d͡ʒo]

jo
djo
jo

[D 1]

jo
tjo

jo


gio
[D 2]
jo
djo
g vor u palatalisiert[χu]
[ʒu]
[d͡ʒu]

ju
dju
ju

[D 1]

ju
tju

jou


giu
[D 2]
ju
dju
Anmerkungen
  1. a b c Im kanarischen und südamerikanischen Spanisch können y oder ll diesen Lautwert annehmen, siehe Yeísmo.
  2. a b c Das h kann vom eigentlichen Lautwert [h] nah an das [χ] herankommen.

Die Aussprache im Auslaut

Am Wortende ist die Aussprache der Buchstaben c und g nicht einheitlich in den romanischen Sprachen. Zumeist ist die lateinische Lösung erhalten geblieben, nämlich der Auslautklang wie vor einem hinteren Vokal (a, o, u):

  • Latein sic [sɪk] „so“,
  • Katalanisch Montjuïc [munʒu'ik], ein Berg bei Barcelona,
  • Rumänisch vă rog [vɘ'rog] „bitte“.

Aber es gibt Ausnahmen von dieser Regel:

  • Katalanisch Puig [put͡ʃ], ein Familienname.

Vergleichende Tabelle

CDeutschItalienischFranzösischSpanisch
LateinOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAussprache
centrumZentrum[ˈʦɛntʀʊm]centro[ˈʧɛntro]centre[sɑ̃ːtʀ]centro[ˈθen̪tɾo] / [ˈsen̪tɾo][C 1]
occidensOkzident[ˈɔkʦidɛnt]occidente[otʧiˈdɛnte]occident[ɔksidɑ̃]occidente[okθiˈðente] / [oksiˈðente][C 1]
GDeutschItalienischFranzösischSpanisch
LateinOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAussprache
genusGenus[ˈɡɛnʊs]genere[ˈʤɛnere]genre[ʒɑ̃ʁ]género[ˈxeneɾo ]
regioRegion[ʀeˈɡi̯oːn]regione[re'ʤone]région[ʁeʒjɔ̃]región[reˈxjon]
TDeutschItalienischFranzösischSpanisch
LateinOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAusspracheOrthographieAussprache
optioOption[ɔpˈʦi̯oːn]opzione[op'ʦjone]option[ɔp.sjɔ̃]opción[opˈθjon] / [opˈsjon][C 1]
Anmerkungen
  1. a b c vgl. Seseo.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Reinhard Kiesler, Einführung in die Problematik des Vulgärlateins, Tübingen 2006, p. 46.
  2. a b c Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters. Dritter Band: Lautlehre, München 1996, ISBN 3 406 40362 X, §§ 151/156 (a); §§ 167/173/175 (b); § 152 (c).