Otto Schottenheim

Otto Schottenheim (* 20. Oktober 1890 in Regensburg; † 2. September 1980 ebenda) war ein deutscher Arzt und Politiker (NSDAP). Er war von 1933 bis 1945 Oberbürgermeister von Regensburg.

Leben und Wirken

Otto Schottenheim wurde 1890 in Regensburg als Sohn eines Postbeamten geboren. Er besuchte dort die Volksschule und das Neue Gymnasium und studierte an den Universitäten von Würzburg, Erlangen und München Medizin. 1912 wurde er Mitglied der Burschenschaft der Bubenreuther.[1]

Am Ersten Weltkrieg nahm er als Lazarettarzt teil, trat danach in die Freikorpskompanie „Sengmüller“ ein und beteiligte sich im Mai 1919 an der blutigen Niederschlagung der Räterepublik in Bayern.

Nach der Promotion 1920 ließ sich Schottenheim in Regensburg als praktischer Arzt nieder.[2] Im Jahr 1922 engagierte er sich politisch im rechtsextremen Bund Oberland und später im nationalsozialistischen Verein Lebensborn.

Bereits am 1. April 1929 trat Schottenheim als Mitglied Nr. 122.988 der NSDAP und kurz darauf der SS (Mitgliedsnummer 1.527) bei. Weiterhin wurde er Mitglied in der SA und vielen anderen NS-Organisationen.

Otto Schottenheims Wirken im nationalsozialistischen Regime

Nach der Machtergreifung der NSDAP (Ende Jan. 1633) und nach der Berufung von Franz Ritter von Epp zum Reichskommissar von Bayern (9. März 1633) und der einige Tage später erzwungenen Ablösung der bayerischen Regierung durch Minister der NSDAP wurde in Regensburg der amtierende OberbürgermeisterOtto Hipp am 20. März 1933 unter dem Druck von Tumulten einer vor dem Alten Rathaus versammelten Menschenmenge von der SA aus seiner Wohnung geholt, in das Rathaus gebracht und dort gezwungen, seine Rücktrittserklärung zu unterschreiben. Unter Pfui-Rufen musste er das Rathaus verlassen und wurde in Schutzhaft genommen. Noch am selben Tag bestimmte die örtliche NSDAP unter Kreisleiter Wolfgang Weigert Otto Schottenheim als Nachfolger von Otto Hipp zum kommissarischen Bürgermeister, was vom neuen Innenminister in München bestätigt wurde. Eine Beteiligung des Stadtrates an der Nachfolgeregelung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, weil die NSDAP und die mit ihr koperierende DNVP nach der Kommunalwahl 1929 jeweils im Stadtrat nur ein einziges Mandat hatten gegenüber einer Mehrheit von BVP mit 14, SPD mit 7 und Liberalen mit 4 Mandaten. Diese Zusammensetzung des Stadtrates, die in anderen Städten ähnlich war, wurde von der NSDAP als „unerträglich“ empfunden und hatte zur Folge, dass die Reichsregierung Ende März 1933 das Gleich|Gleichschaltungsgesetz erließ. Nach diesem Gesetz musste die Zusammensetzung aller Stadträte dem Ergebnis der Reichstagswahlen vom März 1933 in der jeweiligen Kommune (ohne KPD) angepasst werden. Wegen des schlechten NSDAP-Ergebnisses bei diese Wahl in Regensburg, erbrachte auch diese Maßnahme – anders als in vielen anderen Städten − mit BVP 12 Sitze, NSDAP 10 Sitze und Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot 1 Sitz, SPD 5 Sitze, keine Mehrheit für die NSDAP im Regensburger Stadtrat. Trotzdem bestätigte der Stadtrat in dieser Zusammensetzung am 29. Mai 1933 den kommissarisch ernannten Bürgermeister Schottenheim als einzigen Kandidaten zum ehrenamtlichen ( ab 1935 berufsmäßig )Oberbürgermeister.[3]

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Im Oktober 1934 ließ sich Schottenheim vom Stadtrat zum berufsmäßigen Oberbürgermeister wählen und gab daraufhin seine Arztpraxis auf. Nach einer anfänglichen Unterbrechung beließ Schottenheim den seit 1925 für die Bayerische Volkspartei amtierenden zweiten Bürgermeister Hans Herrmann im Amt. Zu seinem persönlichen Arbeitsschwerpunkt erwählte Schottenheim die Wehr- und Theaterangelegenheiten sowie die Siedlungsverwaltung. Neben vielen Ausschüssen gehörte er dem Beirat der im Juli 1936 gegründeten  Messerschmitt GmbH an, die in Regensburg ein Flugzeugwerk gründen sollte.In Schottenheims Zeit als NSDAP-Bürgermeister fällt u. a. der Bau der damals nach ihm benannten Schottenheimsiedlung, heute Konradsiedlung und auch der Bauabschluss der Westheimsiedlung.

In der SA stieg er zum Sanitätsbrigadeführer auf.[4] In der SS trug er seit dem 20. April 1944 den Rang eines SS-Brigadeführers.[5] Als Sanitätsoffizier nahm Schottenheim an den ersten Wochen des deutschen Angriffskriegs gegen Polen teil und begrüßte den Angriff mit begeisternden Worten. Schottenheim befürwortete u. a. die Praxis der NS-Zwangssterilisierungen. Am 30. April 1945 wurde Schottenheim gefangen genommen und inhaftiert.

Nachkriegszeit

Im Sommer 1947 wurde Schottenheim im Entnazifizierungsprozess als „Hauptschuldiger“ angeklagt und als solcher zu viereinhalb Jahren Arbeitslager und zum Einzug seines Vermögens verurteilt. Der Argumentation seiner Verteidiger, Schottenheim habe Regensburg durch die kampflose Übergabe an die US-Streitkräfte vor der Zerstörung bewahrt, folgte die Lagerspruchkammer nicht. Die Berufungskammer stufte ihn am 27. August 1948 als „minderbelastet“ ein; nach bereits drei Jahren Haft kam er frei. Im so genannten „Synagogenbrandprozess“ im Jahr 1949 wurde Schottenheim freigesprochen, obwohl er sich nachts am 9. November 1938 schon vor dem Eintreffen der Feuerwehr am Tatort aufgehalten hatte „und mögliche Löscharbeiten an der Synagoge selbst persönlich verhinderte“.[6]

Gedenktafel für Schottenheim bis Mitte 1990er am Gemeinschaftshaus der Siedlervereinigung

In den 1950er Jahren betätigte sich Schottenheim, mittlerweile als sogenannter Mitläufer entnazifiziert, wieder als Arzt. Nachdem der Regensburger Stadtrat eine städtische Pensionszahlung für seine Zeit als Bürgermeister mehrfach abgelehnt hatte, verfügte die Bayerische Landesregierung im Jahre 1955, dass die Stadt dem ehemaligen nationalsozialistischen Bürgermeister Schottenheim eine Pension zu zahlen habe. Dies geschah auf Drängen des zwischenzeitlich für die CSU zum ersten Bürgermeister gewählten Hans Herrmann, der unter Schottenheim von 1933 bis 1945 zweiter Bürgermeister war.[7]

Anfang August 1959 ließ Oberbürgermeister Hans Herrmann am Gemeinschaftshaus der Siedlervereinigung in der Konradsiedlung eine Gedenktafel anbringen. Darin wird das Wirken Schottenheims (und Herrmanns) gewürdigt, ohne das NS-Regime bzw. seine völkisch-rassistische Siedlerpolitik zu thematisieren.[8] Nach dem Abbruch des Gemeinschaftshauses wurde die Tafel renoviert und ins Depot des Historischen Museums gebracht.

Gedenkpolitik

In seinem Nachruf vom September 1980 bezeichnete Oberbürgermeister Friedrich Viehbacher (CSU) seinen Vorgänger Schottenheim als uneigennützigen Mitläufer des NS-Regimes. In den letzten Kriegstagen des April 1945 habe Schottenheim unter Lebensgefahr durch die von ihm angeblich angewiesene bedingungslose Kapitulation die Stadt Regensburg vor der Zerstörung bewahrt. Diese wahrheitswidrige und gefällige Darstellung entspricht im Wesentlichen der Verteidigungsstrategie Schottenheims während seiner Entnazifizierungsverhandlungen.[9] Drei Jahre nach Schottenheims Tod behauptete Robert Bürger, Regensburg vor der Zerstörung gerettet zu haben. Bürgermeister Schottenheim habe dies durch die kurzfristige Bereitstellung eines städtischen LKW ermöglicht. Seit 1992 gilt auch die subjektive Darstellung Bürgers als widerlegt.[10]

Literatur

  • Waltraud Bierwirth und Klaus Himmelstein: Das November-Pogrom 1938 und der lange Weg zu einer neuen Synagoge, Walhallanet Regensburg 2013, ISBN 978-3-9814689-4-6.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 321–322.
  • Berta Rathsam: Der große Irrtum. Dr. med. Schottenheim Mitläufer?, Golddistel Verlag Regensburg 1981.
  • Stefan Maier: Schottenheim. „Die neue Stadt bei Regensburg“ als völkische Gemeinschaftssiedlung (= Regensburger Schriften zur Volkskunde, Band 8), Bamberg 1992, ISBN 3-927392-30-8.

Einzelnachweise

  1. Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 322.
  2. Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz. Kommunalpolitik in Regensburg während der NS-Zeit. (hg. von den Museen und dem Archiv der Stadt Regensburg), 1994, S. 77. Alle biografischen Angaben stammen aus Halter (1994).
  3. Dieter Albrecht: Regensburg im Wandel. Studien zur Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg.: Museen und Archiv der Stadt Regensburg (= Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs. Band 2). Mittelbayerische Verlags-Gesellschaft mbH, Regensburg 1984, ISBN 3-921114-11-X, S. 216, 218–222.
  4. Deutsches Führerlexikon: 1934/1935. Berlin Stollberg, 1934, S. 435.
  5. Axis Biographical Research: Eintrag Otto Schottenheim(siehe unter Waffen-SS)
  6. Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, 1994, S. 189.
  7. Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, 1994, S. 91.
  8. Stefan Maier: Schottenheim. „Die neue Stadt bei Regensburg“, 1992, S. 196.
  9. Robert Werner: SS-Brigadeführer Schottenheim als Retter der Stadt, 2012 (Aufsatz auf regensburg-digital; letzter Aufruf Juli 2012)
  10. Peter Eiser, Günter Schießl: Kriegsende in Regensburg. Revision einer Legende, 2012, S. 111.