„Mohenjo-Daro Siegel 420“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
POV as POV can
Zeile 1: Zeile 1:
{{neutralität}}
[[File:Shiva Pashupati.jpg|thumb|250px|Mohenjo-Daro Siegel 420, 3. Jt.v.Chr.]]
[[File:Shiva Pashupati.jpg|thumb|250px|Mohenjo-Daro Siegel 420, 3. Jt.v.Chr.]]
Das '''Mohenjo-Daro Siegel 420''' wurde in den 1920er Jahren in der Ausgrabungsstätte [[Mohenjo-Daro]] im heutigen [[Pakistan]] gefunden und befindet sich im [[National Musem Delhi]]. Es spielt in der [[Religionswissenschaft|Religionsforschung]] eine bedeutende Rolle, da von einigen Forschern angenommen wird, dass es eine Protoform des [[Hinduismus|hinduistischen]] Gottes [[Shiva]] darstelle, was für die Geschichte des Hinduismus weitreichende Folge hat. Zudem wird dieses Siegel auch als Indiz gedeutet, dass in der [[Indus-Kultur]] bereits [[Hatha Yoga|Yoga]] praktiziert wurde.
Das '''Mohenjo-Daro Siegel 420''' wurde in den 1920er Jahren in der Ausgrabungsstätte [[Mohenjo-Daro]] im heutigen [[Pakistan]] gefunden und befindet sich im [[National Musem Delhi]]. Es spielt in der [[Religionswissenschaft|Religionsforschung]] eine bedeutende Rolle, da von einigen Forschern angenommen wird, dass es eine Protoform des [[Hinduismus|hinduistischen]] Gottes [[Shiva]] darstelle, was für die Geschichte des Hinduismus weitreichende Folge hat. Zudem wird dieses Siegel auch als Indiz gedeutet, dass in der [[Indus-Kultur]] bereits [[Hatha Yoga|Yoga]] praktiziert wurde.

Version vom 16. September 2011, 07:49 Uhr

Mohenjo-Daro Siegel 420, 3. Jt.v.Chr.

Das Mohenjo-Daro Siegel 420 wurde in den 1920er Jahren in der Ausgrabungsstätte Mohenjo-Daro im heutigen Pakistan gefunden und befindet sich im National Musem Delhi. Es spielt in der Religionsforschung eine bedeutende Rolle, da von einigen Forschern angenommen wird, dass es eine Protoform des hinduistischen Gottes Shiva darstelle, was für die Geschichte des Hinduismus weitreichende Folge hat. Zudem wird dieses Siegel auch als Indiz gedeutet, dass in der Indus-Kultur bereits Yoga praktiziert wurde.

Beschreibung

Das Siegel aus Steatit misst 36x36 mm und zeigt eine von Tieren umgebene Person und sechs ungedeutete Schriftzeichen. Die rechte untere Ecke ist abgebrochen.

Die Zentralfigur zeigt eine Person auf einem Thron von vorne, in einer außergewöhnlichen Sitzhaltung, bei der sich die Fersen berühren und die Zehen nach unten schauen, die gespreizten Arme ruhen auf den Knien. Der Kopf wirkt nicht besonders natürlich, vielleicht ein Tierkopf oder Maske, möglicherweise sind aber drei Gesichter abgebildet, wobei zwei auf die Seite schauen. Die Figur trägt ein Hüftband mit herunterhängenden Quasten, die allenfalls auch als ergierter Penis gedeutet werden können. Brust und Arme sind perforiert, was als Armreifen und Brustschmuck gedeutet wird. Die Haartracht oder Kopfbedeckung läuft in zwei nach oben gebogene Hörner aus, der mittlere Teil ist fächerförmig aufgerichtet. Unter dem Thron der Figur werden zwei gehörnte Tiere abgebildet, möglicherweise Gazellen. Links und rechts der Figur sind vier Tiere abgebildet: Elefant, Tiger, Nashorn und Büffel.

Proto-Shiva

Shiva, mittelalterliche Skulptur aus dem Kailasatempel in Ellora.

1931 schlug der Archäologe John Marshall, der die Ausgrabungen von Mohenjo-Daro leitete, vor, dass das Siegel einen Prototyp des historischen Shiva darstelle.[1] Dabei führte er folgende Begründungen an:

  • die gehörnte Haartracht weise wie in Mesopotamien auf eine Gottheit hin
  • die Figur auf dem Siegel ist dreigesichtig; auch Shiva Mahadeva wurde in mittelalterlichen Skulpturen manchmal mit drei Gesichtern dargestellt
  • die Figur sitzt in einer typischen Yogahaltung; Shiva wird Mahayogin (»Großer Yogameister«) genannt
  • die vier Tiere über der Figur deuten auf Pashupati (»Herr der Tiere«) hin, einer Form von Shiva
  • die dreigeteilte Haartracht erinnere an Schivas Waffe, den Dreizack (trishula)
  • Gazellen finden sich auch auf mittelalterlichen Darstellungen von Shivas Thron
  • die Figur könnte ithyphallisch sein; Shiva wird manchmal mit erigiertem Penis (urdhvalinga) dargestellt

Dieser Deutung wurde in der Forschung lange kaum widersprochen und gegenüber anderen Deutungen bevorzugt. In jüngerer Zeit wurde darauf hingewisen, dass das Bild zum Teil überinterpretiert wurde. Zudem ist Pashupati der Beschützer der Haustiere, während das Siegel nur Wildtiere abbildet.[2] Ikonographische Parallelen finden sich zudem nicht nur bei Shiva, sondern auch beim Buddha und bei den Tirthamkaras im Jinismus.

Doris Srinivasan erörtet, dass die Hörnertracht und die Yogastellung auf den göttlichen Charakter hinweise, dass es aber nicht möglich sei, die Figur als Proto-Shiva zu deuten. Das Gesicht der Figur gleiche Rinder- bzw. Büffelmasken der Indus-Kultur, die mittlerweilen Ausgrabungen zu tage gebracht haben.[3] Die moderne Forschung tendiert dazu, in der Figur einen "Büffelgott" zu sehen, ohne diesem eine engere Beziehungen zu einer bestimmten Hindugottheit einzuräumen. Diese Deutung wird unterstützt durch einen Fund des Jahres 1997 in Harappa, das einen Person in geicher Haltung zeigt und daneben einen Mann, der einen Stier bekämpft.

Andere Deutungen, wie dass die Figur den Feuergott Agni darstelle [4], Vishvarupa [5] oder gar die Herrin der Tiere [6] werden von der Forschung nicht anerkannt. Der deutsche Indologe Friedrich Otto Schrader verneinte Marshalls Vorschlag ebenfalls, fand aber deutliche Parallelen zum keltischen Gott Cernunnos, wie er auf dem Kessel von Gundestrup abgebildet ist.[7]

Yoga

Zwei Jahre bevor John Marshall die Deutung als Proto-Shiva hervorbrachte, stellte der bengalische Archäologe Ramaprasad Chanda eine Verbindung des Siegels zum Yoga her.[8] Drei Jahre später identifizierte er die Sitzhaltung als das Bhadrasana.[9]

Der amerikanische Kunstgeschichtler Thomas McEvilley widersprach Marshalls Deutung als Proto-Shiva. Unter Hinzunahme von fünf weiteren Siegeln aus Mohenjo-Daro (Siegel 222 & 235) und Harappa, kam er zum Schluss, dass die Figur im Mulabandhasana sitze [10], wie sie der Yogameister B.K.S. Iyengar im Buch Light on Yoga - Yoga Dipika [11] beschreibt. Diese sechs Siegel zeigen deutlich, dass die Fußsohlen zusammengepresst sind, die Zehen nach unten gerichtet und der Körper auf den Fersen ruht, bei waagrecht nach außen gerichteten Knien. Auch die Armstellung ist bei allen identisch.

Da dieses Mulabandhasana eine sehr schwierige Yogastellung ist, die nur von wenigen Yogameistern beherrscht wird, könne angenommen werden, dass in der Indus-Kultur bereits Yoga praktiziert wurde. Zudem wird die Figur auf einem der Siegel von zwei Adoranten und aufgerichteten Kobras flankiert, was auf den göttlichen Charakter hinweise.[12]

Dieser Deutung wird von Yogaforschern wie Mircea Eliade und Yogameistern wie T.K.V. Desikachar zugestimmt. Einige weniger yogakundige Forscher weisen auch diese Deutung ab, mit der Begründung dass ähnliche Sitzhaltungen im asiatischen Raum alltägliche seien.

Einzelnachweis

  1. Sir John Marshall: Mohenjo-daro and the Indus Civilization; London (1931), vol. I. p. 52-56
  2. Doris Srinivasan: Unhinging Śiva from the Indus Civilization; in Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 1 (1984), p. 82
  3. Doris Srinivasan: Unhinging Śiva from the Indus Civilization; in Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 1 (1984), p. 77-89
  4. B.A. Saletore: Identification of a Mohendjo Daro Figure; in The New Review X (1939), p. 28-35
  5. Buddha Prakash: Ṛgveda and the Indus Valley Civilization; Hoshiapur (1966)
  6. Herbert P. Sullivan: A Re-Examination of the Religion of the Indus Civilization; in History of Religions 4 (1964-64), p. 122
  7. Friedrich Otto Schrader: Indische Beziehungen eines Nordischen Fundes; in ZMDG (1934), p. 185ff.
  8. Ramprasad Chanda: Survival of the Prehistorc Civilization of the Indus Valley; in Memoirs of the Archeological Survey of India 41 (1929), p. 25
  9. Ramprasad Chanda: Sind Five Thousand Years Ago; in Modern Review (1932), p. 158
  10. Thomas McEvilley: An Archeology of Yoga; in RES: Anthropology and Aesthetics 1 (1981) p. 44-77
  11. B.K.S. Iyengar: Light on Yoga; George Allen & Unwin (1966). ISBN 81-7223-501-1. p. 344ff (mit Illustrationen)
  12. Doris Srinivasan: Unhinging Śiva from the Indus Civilization; in Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 1 (1984), p. 81

Literatur

  • Thomas McEvilley: An archeology of yoga , in RES: Anthropology and Aesthetics 1 (1981) p. 44-77.
  • Sir John Marshall: Mohenjo-daro and the Indus Civilization. London (1931), vol. I.
  • Doris Srinivasan: The So-Called Proto-Śiva Seal from Mohenjo-Daro: An Iconological Assessment; in Archives of Asian Art, Vol. 29 (1975/1976), p. 47-58.
  • Doris Srinivasan: Unhinging Śiva from the Indus Civilization; in Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 1 (1984), p. 77-89.