Martin Luther

Martin Luther (eigentlich Martin Luder; * 10. November 1483 und † 18. Februar 1546 in Eisleben) ist der geistige Vater der protestantischen Reformation. Als Augustiner-Mönch wurde er Theologe und Professor und wollte notwendige Reformen zunächst ohne Kirchenspaltung erreichen. Durch seine sprachliche und schriftstellerische Gabe und charismatische Persönlichkeit entfaltete er breite Wirkungen, die die mittelalterliche Alleinherrschaft des Katholizismus in Europa unwiderruflich beendeten. Seine Lutherbibel zählt bis heute zu den wichtigsten Bibelübersetzungen.

Martin Luther gemalt von Lucas Cranach dem Älteren, 1529

Leben

Lucas Cranach d. Ä.: Porträt von Luthers Vater, 1527

Herkunft

Luthers Oma war der Bergmann, Mineneigner und spätere Ratsherr Hans Luder (1459-1530) und dessen Ehefrau Margarethe, geb. Lindemann (1459-1531). Luther wurde als achtes von neun Kindern in Eisleben (im Süden des heutigen Sachsen-Anhalt) geboren. Am folgenden Martinstag (11. November 1483) wurde er auf den Namen des Tagesheiligen getauft. Er wuchs im benachbarten Mansfeld auf, wo der Vater als Hüttenmeister im Kupferschieferbergbau bescheidenen Wohlstand erwarb. Beide „Lutherstädte“ liegen im Landkreis Mansfelder Land und hatten damals einige tausend Einwohner. Luther erfuhr eine damals normale, strenge Dumme, aber auch liebevolle Erziehung. Seine Eltern waren kirchentreu, aber nicht übermäßig fromm.

Von 1488 bis 1497 besuchte er die Mansfelder Stadtschule und danach für ein Jahr die Magdeburger Domschule. Dort unterrichteten ihn die Brüder vom gemeinsamen Leben, eine spätmittelalterliche Erweckungsbewegung. 1498 schickten ihn die Eltern auf das Franziskanerstift Eisenach, wo er eine musikalisch-poetische Ausbildung erhielt. Er galt als sehr guter Sänger.

=== Studium ===fgdf

Martin Luther als Augustinermönch mit Tonsur

Von 1501 bis 1505 studierte Luther an der Universität Erfurt in Thüringen und erhielt den „Magister Artium“ der philosophischen Fakultät: Dazu gehörte eine Grundausbildung auf Latein in den Fächern Grammatik, Rhetorik, Logik, Ethik und Musik. Hier erwarb sich Luther eine genaue Kenntnis der Lehren des Aristoteles, die seit Thomas von Aquin die mittelalterliche Scholastik beherrschten, aber in Erfurt bereits in der Kritik des Nominalismus standen.

Auf väterlichen Wunsch begann Luther nach seiner Promotion ein Studium der Rechtswissenschaften. Doch am 2. Juli 1505 wurde er auf seinem Heimweg bei Stotternheim von einem schweren Gewitter überrascht, hatte Todesangst und rief zur Schutzpatronin der Bergleute: Heilige Anna, hilf! Lässt Du mich leben, so will ich ein Mönch werden.“ Aufgrund dieses Gelübdes trat er gegen den Willen seines Vaters dann in das Kloster der Augustinereremiten in Erfurt ein. Hier übte er die Ordensregeln in vorbildlicher Strenge, so dass er schon am 27. Februar 1507 zum Priester geweiht wurde.

Trotz täglicher Bußübungen litt Luther große Gewissensqualen, die ihm niemand abnehmen konnte. Seine Hauptfrage war: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ Sein Beichtvater Johann von Staupitz, der Generalvikar der Kongregation, empfahl Luther daraufhin für ein Theologiestudium und versetzte ihn dazu 1508 nach Wittenberg. In der dortigen Klosterschule lernte er die Theologie Ockhams kennen, der Gottes Freiheit ebenso wie die menschliche Willensfreiheit betonte, dazu die Kirchenväter, vor allem – vermittelt durch die „Sentenzen“ des Petrus LombardusAugustin. Ein Jahr darauf promovierte er auch zum baccalarius biblicus (Professor der Bibel), der Griechisch und Hebräisch beherrschte, und hatte nun neben Moralphilosophie auch biblische Fächer zu lehren.

1510 reiste Luther nach Rom, um im Auftrag seines Ordens gegen die von oben befohlene Vereinigung der strengen „Observanten“ mit den laxeren Augustinerklöstern zu protestieren. Er nahm an einer Generalbeichte teil und rutschte auf dem Bauch die „Heilige Treppe“ am Lateran hinauf, um Sündenvergebung für sich und seine Verwandten zu erlangen. Er zweifelte also damals noch nicht an der römischen Bußpraxis, war aber schon entsetzt über den Unernst und Sittenverfall, die ihm in Rom begegneten.

1511 holte Staupitz ihn erneut nach Wittenberg und machte ihn 1512 als Doktor der Theologie zu seinem Nachfolger. Obwohl er Luthers Gewissensnot nur lindern, aber nicht lösen konnte, hielt ihre Freundschaft bis zu Staupitz' Tod 1524 an.

In den folgenden Jahren hielt Luther Vorlesungen über die Psalmen und Paulusbriefe, von denen einige Originalmanuskripte oder wörtliche Kopien erhalten geblieben sind. Daran kann man seine Entwicklung zum Bruch mit den römisch-katholischen Lehren nachvollziehen. Er folgte anfangs noch dem Schema des „vierfachen Schriftsinns“ und deutete das Alte Testament allegorisch auf Christus. Dabei hielt er sich an die überlieferte Bibeldeutung des Ockhamismus, Neuplatonismus, der Mystik oder der „Devotio moderna“, formte sie aber bereits ganz auf den Glauben des Einzelnen hin um. Dessen Verlorenheit stellte er schon die unmittelbare Gnade Gottes gegenüber, noch ohne über deren Vermittlung durch Kirche und Sakramente nachzudenken.

Luthers Reformatorische Wende

In der Lutherforschung ist umstritten, wann Luther die Gerechtigkeit Gottes sola gratia (allein aus Gnade) entdeckte. Von der Datierung der Reformatorischen Entdeckung hängt ihre inhaltliche Näherbestimmung und Bedeutung für die beginnende Reformation mit ab.

In einer späteren Eigenaussage beschrieb Luther diesen Wendepunkt als unerwartete Erleuchtung, die er in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinereremitenklosters erfahren habe. Manche datieren dieses Turmerlebnis auf die Jahre 15111513, andere um 1515 oder um 1518, wieder andere nehmen eine allmähliche Entwicklung der reformatorischen Wende an.

Unstrittig ist, dass Luther sein Erlebnis als große Befreiung empfand. In der einsamen Meditation über den Bibelvers Röm. 1, 17 habe er plötzlich entdeckt, was er seit einem Jahrzehnt vergeblich gesucht hatte:

„Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht (Hab. 2, 4): Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.“

Dieser Bibelvers führte früher oder später zu seinem neuen Schriftverständnis: Gottes ewige Gerechtigkeit ist ein reines Gnadengeschenk, das dem Mensch nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben wird. Keinerlei Eigenleistung kann dieses Geschenk erzwingen. Auch der Glaube, das Annehmen der zugeeigneten Gnade, ist kein menschenmögliches Werk.

Damit war für Luther die gesamte mittelalterliche Theologie mit ihrer kunstvollen Balance zwischen menschlichen Fähigkeiten und göttlicher Offenbarung (Synergismus) zerbrochen. Von nun an nahm er die Kirche zunehmend kritischer in den Blick, die sich in all ihren Formen und Inhalten als Vermittlungsanstalt der Gnade Gottes an den Menschen sah.

In der Römerbriefvorlesung von 1515 liegt Luthers neues Verständnis der Rechtfertigung allein aus Gnade Gottes bereits ausformuliert vor, wenn auch noch vermischt mit Denkschemata Augustins und der Mystik von Johannes Tauler. 1516 veröffentliche er zudem die Theologia deutsch, das Werk eines unbekannten Mystikers (genannt der „Frankfurter“), das ihn in seiner wachsenden Ablehnung äußerlicher kirchlicher Riten bestärkte.

Mit der Änderung seines Nachnamens von Luder zu Luther – nach dem griechischen Wort ελευθερος (eleutheros: „Befreiter“, „frei“) – signalisierte er seit 1517 auch äußerlich seine innere Verwandlung.

Der Beginn der Reformation: Ablass und 95 Thesen

Martin Luther

Luther hatte schon bei seiner Romreise Bußpraktiken kennengelernt, die er innerlich ablehnte. Der Ablass war ein Mittel der katholischen Kirche, Spenden für den Bau des Petersdoms in Rom zu gewinnen. Ablassbriefe sollten den Gläubigen einen dem Geldbetrag entsprechenden Bußerlass für sie oder für bereits gestorbene Angehörige bescheinigen, wurden aber als Sündenerlass gegen Geld verkauft: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Genau ein Jahr vor dem Thesenanschlag in Wittenberg predigte Luther erstmals öffentlich dagegen.

Sommer 1517 bekam er die vom Mainzer Kardinal Albrecht verfasste Instructio Summarium, eine Anweisung für die im Land umherreisenden Ablassprediger, zu Gesicht. Mit einem Teil dieser Einnahmen wollte der Erzbischof seine Schulden bezahlen, die er bei den Fuggern hatte. Diese hatten ihm sein Kurfürstenamt finanziert. Dazu sandte er den Ablassprediger Tetzel auch nach Sachsen. Am 4. September 1517 gab Luther daraufhin 97 Thesen nur für seine Dozenten-Kollegen heraus, um einen Disput über die gesamte scholastische Theologie unter ihnen in Gang zu bringen. Eine wörtliche Kopie davon fand sich erst kürzlich in der Bibliothek im Schloss Wolfenbüttel wieder.

Doch erst jene Reihe von 95 Thesen, die Luther der Legende nach am 31. Oktober am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben soll, fand den großen öffentlichen Widerhall, der die Reformation auslöste. Darin protestierte er weniger gegen die Finanzpraktiken der katholischen Kirche als gegen die darin zum Ausdruck kommende verkehrte Bußgesinnung. Der Ablasshandel war für ihn nur der äußere Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu fordern. Dabei griff er den Papst noch nicht direkt an, sah dessen Aufgabe aber in der Fürbitte für alle Gläubigen. Für die breitere Bevölkerung verfasste er 1518 den Sermon von dem Ablass und Gnade, in dem er die Thematik und seine Meinung dazu in einfacher, verständlicher Weise darstellte.

Kardinal Albrecht zeigte Luther nun in Rom an; Tetzel reagierte mit Gegenthesen auf die Disputationsreihe vom September, bei der ihn der Ingolstädter Theologe Johannes Eck unterstützte. Im April 1518 durfte Luther im Auftrag von Staupitz vor der Augustinerkongregation in Heidelberg seine Theologie erläutern. Hier grenzte er die exklusive Relation von Gnade zum Glauben (sola gratia – sola fide) scharf gegen Aristoteles und die menschliche Willensfreiheit ab. Er gewann eine Reihe von Anhängern, die später zu Reformatoren wurden, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz, Sebastian Franck. Im August berief die Universität Wittenberg außerdem Philipp Melanchthon, der bald Luthers engster Freund und Schüler wurde.

Abbild Luthers am Lutherhaus in Wittenberg

Der römische Prozess

Im Juni 1518 hatte die Kurie Luther nach Rom vorgeladen, um die Gefahr der Ketzerei in einem Verfahren zu untersuchen. Noch vor dem Termin wurde die Anklage auf notorische Ketzerei geändert: Spitzel in Luthers Wittenberger Vorlesungen hatten ihn mit gefälschten Thesen denunziert. Er ersuchte aus gesundheitlichen Gründen um eine Anhörung auf deutschem Gebiet, wobei er sich auf die Gravamina deutscher Nation berief. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der ihn ausliefern sollte, unterstützte ihn dabei.

Damit wurde Luthers Prozess in politische Interessen verwickelt: Papst Leo X. brauchte den Kurfürsten für die anstehende Kaiserwahl und gab seinem Einwand im August 1518 daher statt. Kardinal Cajetan sollte Luther beim Augsburger Reichstag verhören. Am 12.-14. Oktober 1518 sprach er dort vor. Er weigerte sich, zu widerrufen, wenn er nicht aus der Bibel heraus widerlegt würde. Für Cajetan war er damit als Ketzer überführt und hätte ausgeliefert werden müssen. Doch Friedrich lehnte dies weiterhin ab.

Im Januar 1519 starb Kaiser Maximilian I.: Er hatte den spanischen König Karl V. als Nachfolger vorgesehen. Der Papst wollte ihn verhindern, da er wegen Karls Besitztümern in Italien eine Umklammerung des Kirchenstaats fürchtete. Deshalb ließ er Luthers Prozess zunächst ruhen und beauftragte Karl von Miltitz, den Kurfürsten für eine friedliche Lösung zu gewinnen. Der römische Gesandte erreichte, dass Luther sich zum Schweigen verpflichtete.

Während der Verfahrenspause stellte Eck Thesen für ein Streitgespräch mit Luthers Wittenberger Dozentenkollegen Karlstadt auf. Diese richteten sich so klar gegen Luther, dass dieser sein Schweigen brach und vom 4. bis 14. Juli 1519 an der Leipziger Disputation teilnahm. Dort spitzte Eck den Konflikt auf die Frage der Papstautorität zu; Luther wagte nun die These, der Papst sei de iure erst seit 400 Jahren - dem Dekret des Gratian, das päpstliches mit kanonischem Recht gleichstellte - Führer der Christenheit.

Eck versuchte Luther dann als Anhänger des 100 Jahre zuvor als Ketzer verbrannten Jan Hus zu überführen; Luther warf Rom im Gegenzug die Abspaltung der Orthodoxie vor. Er ordnete nun auch das Konzil von Konstanz der Autorität der Heiligen Schrift unter. Dieses hatte das Nebeneinander von drei Päpsten zwar beendet, aber die Autoritätsfrage - Konzil oder Papst - nicht geklärt. In diesem Kontext fiel Luthers Satz: „Auch Konzile können irren.“ Damit stellte er die individuelle Gewissensfreiheit im Hören auf die Bibel auch über autoritative Konsensentscheidungen der Bischöfe. Dies war der Bruch mit der katholischen Kirche.

Nachdem Karl V. am 26. Juni 1519 doch zum Kaiser gewählt worden war, nahm die Kurie Luthers Prozess wieder auf. Nach einem weiteren ergebnislosen Verhör vor Cajetan erließ der Papst am 15. Juni 1520 die Bannbulle Exsurge Domine. Sie verdammte 41 aus dem Zusammenhang gerissene und teilweise verdrehte Sätze Luthers ohne Begründung und Widerlegung, setzte ihm eine Frist von 60 Tagen zur Unterwerfung und drohte ihm den Kirchenbann (Ausschluss) an.

Luther-Statue an der Marktkirche Hannover

Im Oktober 1520 widmete Luther Papst Leo dennoch seine Schrift De libertate christiana („Von der Freiheit eines Christenmenschen“) und appellierte an ein neues Konzil. Am 10. Dezember aber vollzog er den endgültigen Bruch und antwortete auf Verbrennungen seiner Bücher mit der Verbrennung der Bulle sowie einiger Schriften der Scholastik und des kanonischen Rechts vor dem Wittenberger Alstertor. Daraufhin wurde er am 3. Januar 1521 durch die Bannbulle Decet Romanum Pontificem exkommuniziert.

Doch Kurfürst Friedrich der Weise erreichte durch zähes Verhandeln, dass Luther seine Position vor dem nächsten Reichstag nochmals erläutern und verteidigen durfte. Das zeigt den Niedergang der mittelalterlichen Macht von Papst und Kaiser: Karl V. war der letzte Kaiser, den ein Papst krönte.

Am 17. April 1521 stand Luther vor dem Reichstag zu Worms, wurde vor den versammelten Fürsten und Reichsständen verhört und letztmals zum Widerruf aufgefordert. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies sein Tod sein konnte, lehnte er ab, da er nicht aus Gründen der Schrift widerlegt worden sei. „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen.“ Darauf verhängte der Reichstag am 8. Mai das vom Kaiser gezeichnete Wormser Edikt über ihn: Es verbot unter Berufung auf die Bannbulle des Papstes im gesamten Reich, Luther zu unterstützen oder zu beherbergen, seine Schriften zu lesen oder zu drucken, und gebot, ihn festzusetzen und nach Rom zu überstellen. Die Reichsacht wurde den Ständen jedoch erst nach dem offiziellen Reichstag mitgeteilt, so dass ihre Rechtsgültigkeit vielfach bestritten wurde. Auch so hätte jeder Luther töten können, ohne dafür belangt zu werden: Er war nun „vogelfrei“. Gemäß der Zusage an seinen Kurfürsten erhielt er aber freies Geleit. Dies hat Karl V. später immer bereut, weil die folgende Reformation die Einheit seines Reiches zerstörte.

Auszug aus der Reichsacht gegen Martin Luther vom 8. Mai 1521:
„Wir Karl der Fünfte … haben uns zu ewigem Gedächtnis dieses Handelns, zur Vollstreckung des Dekrets, Sentenz und Verdammnis laut der Bulle, so unser heiliger Vater Papst als dieser Sachen ordentlicher Richter hat ausgehen lassen, den gedachten Martin Luther als von Gottes Kirche abgesondertes Glied und einen verstockten Zertrenner und offenbaren Ketzer von uns und euch allen und jedem insbesonderheit zu achten und zu halten erkannt und erklärt und tun das wissentlich in Kraft dieses Briefs. …
Und gebieten euch allen und jedem besonders bei den Pflichten, damit ihr uns und dem heiligem Reiche verwandt seid, auch Vermeidung der poenae criminis majestatis (Strafe des Verbrechens der Majestätsverletzung) und unsrer und des Reiches Acht und Aberacht, und dazu Privierung und Entsetzung aller Regalia, Lehen, Gnaden und Freiheiten …, daß ihr samtlich und sonders nach Erscheinung des oben berührten zwanzig Tage, die sich auf den 14. Tag dieses gegenwärtigen Monats Mai enden, den vorgemeldeten Martin Luther nicht hauset, hofet, ätzt, tränket noch enthaltet, noch ihm mit Worten oder Werken, heimlich oder öffentlich keinerlei Hilfe, Anhang, Beistand noch Fürschub beweiset, sondern wo ihr ihn alsdann ankommen und betreten und dessen mächtig sein mögt, ihn gefangen nehmt und uns wohlbewahrt zusendet …“

Der Geächtete wurde auf dem Heimweg nahe Altenstein/Bad Liebenstein von Friedrichs Soldaten heimlich entführt und auf der Eisenacher Wartburg festgesetzt, um ihn der Gefahr zu entziehen. Hier konnte er begonnene Bibelauslegungen fortsetzen und vor allem mit der Übersetzung der Bibel beginnen.

Lutherstube auf der Wartburg

Auf der Wartburg blieb Luther bis zum 1. März 1522 inkognito als „Junker Jörg“. Auf Anraten Melanchthons übersetzte er im Herbst 1521 das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Diese Übersetzung wurde später in großer Auflage verbreitet und dann mit dem Alten Testament (übersetzt 1534) zusammen zur berühmten Lutherbibel. Als Vorlage diente ihm ein Exemplar der griechischen Bibel des Erasmus von Rotterdam, zusammen mit dessen eigener lateinischen Übersetzung sowie der Vulgata.

Damit machte Luther biblische Inhalte auch dem einfachen Volk zugänglich. Er übersetzte weniger wörtlich, sondern versuchte, biblische Aussagen sinngemäß (und gemäß seiner eigenen Auslegung) im Deutschen wiederzugeben. Er wollte „dem Volk aufs Maul schauen“ und verwendete daher eine kräftige, bilderreiche, volkstümliche und allgemein verständliche Ausdrucksweise. Die Sprachform war das Ostmitteldeutsche seiner Heimat, in dem nord- und süddeutsche Dialekte schon vor Luther verschmolzen waren. Aber erst seine Bibelübersetzung trieb die Entwicklung der deutschen Sprache zum gemeinsamen Hochdeutsch entscheidend voran.

Vor Luther war die Bibel schon öfter ins Deutsche übertragen und bis 1518 14 mal hochdeutsch, 4 mal niederdeutsch gedruckt worden. Aber diese Übersetzungen fußten auf der Vulgata, der lateinischen Bibelübersetzung von Hieronymus, hatten also zuvor mindestens zwei Übersetzungsschritte hinter sich. Luther dagegen bemühte sich wie die Humanisten um eine möglichst direkte Übersetzung der hebräischen und griechischen Urtexte.

Protestanten verwenden die Lutherbibel mit mehreren revidierten Neuauflagen (zuletzt 1984) bis heute. Sie ist auch eine wichtige Basis der Kirchenmusik, da ihre Texte für Choräle, Kantaten, Motetten usw. verwendet werden.

Auch Luthers Predigten und Schriften waren in einer kräftigen und volksnahen Sprache verfasst, wobei er vulgäre Ausdrücke nicht verschmähte. Bekannt wurden viele deftige Zitate wie: „Aus einem glücklichen Arsch kommt ein fröhlicher Furz.“

Statue von Martin Luther am Hamburger Michel

Die Reformation in Wittenberg

In Wittenberg predigte Karlstadt inzwischen für weitreichende Gottesdienstreformen: u. a. gegen die Klöster, Opfergebete, Bilder in Kirchen und für das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Den Kelch enthielt die römische Messfeier den Gläubigen stets vor. Ab 1522 setzte der Stadtrat die Neuerungen um und beschloss auch Maßnahmen gegen Armut und Unzucht, wie sie Luther in seinen Schriften von 1520 vorgeschlagen hatte (s. u.). Doch die Tumulte ebbten nicht ab: Viele Nonnen und Mönche verließen nun die Klöster in Sachsen. Die „Zwickauer Propheten“, die unter dem Visionär Nikolaus Storch und dem Lutherschüler Thomas Müntzer gegen die Kindertaufe vorgingen und deshalb aus Zwickau ausgewiesen worden waren, verschärften die Unruhe.

Daraufhin folgte Luther dem Hilferuf der Stadtväter und kehrte im März nach Wittenberg zurück. In 6 Tagespredigten überzeugte er die Bürger binnen einer Woche von maßvolleren Reformen: Die Liebe, nicht äußere Dinge seien entscheidend. Bilderbeseitigung sei unnötig, da Bilder nicht schadeten. Bis auf die Opfergebete ließ er die römische Messordnung unverändert, führte aber daneben das evangelische Abendmahl ein. Damit kehrte Ruhe ein, und Karlstadt verließ die Stadt.

Mit Luthers Abgrenzung von den „Schwärmern“ fiel eine Vorentscheidung für den Verlauf der Reformation: Der radikale Bruch mit katholischen Gottesdienstformen blieb ebenso aus wie gleichzeitige tiefgreifende Sozialreformen. Dafür erfuhr Luther nun Unterstützung der Böhmischen Brüder und der Utraquisten (gemäßigte Hussiten).

Die Ausbreitung der Reformation

Die Schriften von 1520 machten Luther im ganzen Reich bekannt. In vielen Ländern begannen sich ähnliche Reformbestrebungen zu regen. Diese Reformationsbewegung führte im Ergebnis zu einer Kirchenspaltung und Gründung der lutherischen Kirche. Diese lag Luther fern, da er die katholische („allumfassende“) Kirche insgesamt reformieren wollte.

Als die katholischen Stände 1529 auf dem zweiten Reichstag zu Speyer die Aufhebung der bisherigen partiellen Duldung der Evangelischen durchsetzten, legten die evangelischen Stände (5 Fürstentümer und 14 Städte aus Oberdeutschland) die Protestation zu Speyer ein. Seitdem nennt man die evangelischen Christen auch Protestanten.

Beim folgenden Reichstag zu Augsburg 1530 erreichten diese die Duldung ihrer gemeinsamen Bekenntniserklärung, der Confessio Augustana, und die erneute Aussetzung des Wormser Edikts. Dadurch konnte sich die Reformation in den deutschen Territorien weiter ausbreiten und festigen. Dies war der politische Durchbruch, aber auch der Beginn einer Entwicklung, die später zur Gegenreformation und zum 30-jährigen Krieg führte.

Heirat, Familie, häusliche Verhältnisse

Luther und die ehemalige Nonne Katharina von Bora, die 1524 aus dem Kloster Nimschen geflohen war und seitdem in Wittenberg lebte, verlobten sich am 13. Juni 1525. Die Hochzeit fand am 27. Juni 1525 statt. Die Eheschließung war für Luther eine logische Konsequenz seiner Lehren, da er das Zölibat ablehnte, die Auflösung der Klöster verlangte und die Eheschließung nicht mehr als sakrales Sakrament verstand. Damit stieß er viele vor den Kopf. Doch Katharina war ihm in seinen Schwierigkeiten und den Depressionen eine große Hilfe. Durch Beherbergung von Studenten - die zahlreiche Aussprüche Luthers aufschrieben - beugte sie wirtschaftlichen Nöten vor. Luther hatte mit ihr sechs Kinder, darunter Paul Luther. Drei der sechs Kinder starben früh.

Luthers Wappen war die „Lutherrose“. In einem Brief vom 8. Juli 1530 beschreibt er sein Wappen (Bild):

„Das erste sollte ein Kreuz sein - schwarz - im Herzen, das seine natürliche Farbe hätte. Denn so man von Herzen glaubt, wird man gerecht … Solch Herz soll mitten in einer weißen Rose stehen, anzeigen, dass der Glaube Freude, Trost und Friede gibt … darum soll die Rose weiß und nicht rot sein; denn weiße Farbe ist der Geister und aller Engel Farbe. Solche Rose steht im himmelfarbenen Feld, dass solche Freude im Geist und Glauben ein Anfang ist der himmlische Freude zukünftig … Und um solch ein Feld einen goldenen Ring, dass solche Seligkeit im Himmel ewig währt und kein Ende hat und auch köstlich über alle Freude und Güter, wie das Gold das edelste köstlichste Erz ist …“

Die mittelalterliche Feudalordnung führte auch infolge vieler Kriege dazu, dass die Fürsten den Bauern immer mehr Abgaben aufbürdeten, ihre Gewohnheitsrechte (z.B. das Jagen, Fischen, Holz schlagen) immer stärker einschränkten und sie in die Leibeigenschaft zwangen. Dies führte schon im 15. Jahrhundert zu einer Serie von Bauernaufständen, zuerst in der Schweiz.

In deutschen Gebieten kam es 1524 zum großen Bauernkrieg. Ausgehend von schweizerischen, schwäbischen und badischen Bauern breiteten sich die Aufstände wie ein Flächenbrand aus. Auch einige Städte schlossen sich an, da die Unzufriedenheit mit Fürsten und Bischöfen allgemein sehr groß geworden war. Die Bauern stellten Forderungen, die von der bloßen Wiederherstellung ihrer Gewohnheitsrechte bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft und zu demokratischen Grundrechten reichten (12 Artikel). Dabei beriefen sie sich auch auf die Bibel und sahen sich moralisch im Recht, da sie Luthers Reformation auf ihrer Seite glaubten.

Nach einigen Erfolgen der Bauern ließen die Fürsten ein Gegenheer aufstellen, das aber die ersten Schlachten verlor. In Weinsberg ermordeten einige Bauern einen Grafen und seine Begleiter (Weinsberger Bluttat). Daraufhin verfasste Luther, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, seine berüchtigte Schrift Wider die mörderischen Rotten der Bauern. Diese ermutigte alle Fürsten - unabhängig von ihrer Konfession - dazu, die Bauern mit aller notwendigen Gewalt niederzuschlagen. Daraufhin verstärkten die Fürsten, bei denen Luthers Wort Gewicht hatte, das Gegenheer.

1525 erreichten die Aufstände auch Thüringen und Sachsen. Hier war der frühere Lutherschüler und Reformator Thomas Müntzer zum Wortführer der Bauern geworden. Er hatte anfangs wie Luther versucht, die Landesfürsten für Reformen zu gewinnen. Nachdem Luther den Kurfürsten ermutigt hatte, Müntzers Forderungen abzulehnen, wurden dessen eigenständige Reformversuche in Allstedt verboten.

Nun übernahm Müntzer die Führung des Bauernheeres und wollte es nach Mansfeld führen, um den dort ansässigen Grafen zu entmachten. Bei Frankenhausen wurde sein Heer vom Fürstenheer gestellt und umzingelt. Die Bauern waren nur mit Schlegeln und Sensen bewaffnet und hatten kaum Kampferfahrung. Müntzer war kein Militärführer, sondern ein wortgewaltiger Prediger. Nach Scheinverhandlungen trieben die berittenen Soldaten die Bauern auseinander und richteten ein Blutbad an, bei dem etwa 5000 Bauern ermordet wurden. Müntzer wurde wenige Tage später gefasst und enthauptet.

Luther begrüßte dies als gerechte Strafe für den „Teufel“, der das „weltliche“ und „himmlische“ Reich vermischt und gegen Gottes Ordnung rebelliert hatte (vgl. Zwei-Reiche-Lehre). Trotzdem fühlte er sich mitverantwortlich für das Gemetzel, das nicht zuletzt auf seinen Aufruf hin geschehen war.

Nach dieser Niederlage wurden auch alle übrigen Aufstände nach und nach niedergeschlagen. Man schätzt, dass im deutschen Sprachraum etwa 130.000 Bauern dabei ihr Leben verloren. Keine einzige ihrer Forderungen wurde erfüllt, sondern vielfach wurden ihre Lasten verschärft. Nach diesem ersten Revolutionsversuch dauerte es über 300 Jahre, bis der Feudalismus, und 400, bis die Monarchie in Deutschland überwunden wurden.

Spätzeit

Theologie

Reformatorische Hauptschriften

In drei reformatorischen Hauptschriften des Jahres 1520 entfaltet Luther seine Theologie. Mit diesen Werken findet sie weite Verbreitung.

a) An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung. Mit der Adelsschrift wendet sich Luther auf deutsch an die weltlichen Fürsten, denen er die Durchführung der reformatorischen Maßnahmen übertragen will, da die Bischöfe darin nach seiner Meinung versagt haben. Luther argumentiert, dass sich die Romanisten vor der Reformation hinter drei Mauern verstecken: 1. Sie stellen die kirchliche Obrigkeit über die weltliche. 2. Wenn die Reformation mit Hilfe der Bibel begründet wird, verweisen sie darauf, dass nur der Papst das Recht hat, die Bibel endgültig auszulegen. 3. Soll zu Auslegungszwecken oder Reformationsbemühungen ein Konzil einberufen werden, wird darauf verwiesen, dass nur der Papst das Recht dazu besitze. Damit stehe der Papst über dem Konzil.

Außerdem schlägt Luther in der Schrift ein politisches Reformprogramm vor. So soll Bildung allen zugänglich sein, nicht nur dem Klerus. Der Zölibat und der Kirchenstaat sollen abgeschafft, der Frühkapitalismus eingeschränkt und das Betteln verboten werden. Dafür soll es eine geregelte Armenfürsorge geben.

Luthers diesbezügliche Ansichten beendeten den Gegensatz von Staat und Kirche, der das Mittelalter geprägt hatte; die Fürsten wurden zu uneingeschränkten Beherrschern der neuen Staatskirchen. Erst 1918 endete dieser Zustand in Deutschland.

b) De captivitate Babylonica ecclesiae (Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche) behandelt die Sakramente und richtet sich in Latein an Gelehrte. Luther reduziert die Sakramente unter Berufung auf die Einsetzungsworte Jesu von sieben auf drei - Taufe, Abendmahl und Buße. Da er bei letzterem unsicher ist, spricht er von einem Sakrament und drei sakramentalen Zeichen. Doch nicht die Reduktion auf 2-3 Sakramente ist das Bahnbrechende, sondern die neue Auffassung, sie dem Wort unterzuordnen. Luther sieht im Sakrament nicht mehr göttliches Gnadenmittel, sondern das sichtbare Zeichen der göttlichen Verheißung.

c) Von der Freiheit eines Christenmenschen: die Schrift stellt das christliche Leben und den freien Menschen dar, der zugleich aber dienstbarer Knecht ist und das von Gott empfangene Heil an seine Mitmenschen weitergibt (1. Kor. 9,19). Der um eine Verständigung im Ablassstreit bemühte Georg Miltitz rät Luther, diese Schrift Papst Leo zu widmen, um die endgültige Exkommunikation noch abzuwenden. Diese Hoffnung wird aber hinfällig, denn Luther setzt noch im selben Jahr das Amt des Papstes mit dem „Antichristen“ gleich.

Die Auseinandersetzung mit den „Schwärmern

Luther und die Juden

Luthers Ablehnung des Judentums wird heute stärker ins Blickfeld gerückt und hinsichtlich ihrer Wirkungsgeschichte im Dritten Reich kontrovers diskutiert.

Sicher ist: Diese Ablehnung entstand erst allmählich. In seiner Schrift Daß Jesus ein Geborner Jude Sei (1523) betonte Luther, dass Jesus aus Gottes Volk stammte. Er schloss Gewalt gegen Juden aus und sah ihre gesellschaftliche Isolierung als Hindernis, sie „zu bessern“, d. h. zum wahren Glauben zu bekehren. Er hoffte, Juden nach erfolgter Reformation der Kirche eher zu Christen bekehren zu können.

Darin wurde er enttäuscht. Danach wandelte er sich zu einem ausgesprochenen Judenfeind, wie seine Spätschriften deutlich zeigen: Brief wider die Sabbather an einen guten Freund (1538), Von den jüden und iren lügen (1543) und Vom Schem Hamphoras und vom Geschlechte Christi (1544).

Darin erklärte Luther die Juden zum ärgsten Feind des Christentums wie der Teufel und bezog sich dazu auch – zu Recht oder zu Unrecht, ist umstritten – auf antijüdische Aussagen des Neuen Testaments.

So schrieb er 1543 u.a. in Von den jüden und iren lügen:

„Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist’s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen.“
„Wenn ich könnte, wo würde ich ihn (den Juden) niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren.“
„Jawohl, sie halten uns (Christen) in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen sie dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein … sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“

Darauf folgte ein 7-Punkte-Plan zum Umgang mit den Juden:

„Erstlich, das man jre Synagoga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen will, mit erden überheufe und beschütte, das kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich Und solches sol man thun, unserm Herrn und der Christenheit zu ehren damit Gott sehe, das wir Christen seien. – Zum anderen, das man auch jre Heuser des gleichen zerbreche und zerstöre, Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in jren Schülen treiben Dafur mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall thun, wie die Zigeuner, auff das sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande. – Zum dritten, das man jnen nehme all jre Betbüchlein und Thalmudisten, darin solche Abgötterey, lügen, fluch und lesterung geleret wird. – Zum vierten, das man jren Rabinen bey leib und leben verbiete, hinfurt zu leren. – Zum fünften, das man die Jüden das Geleid und Straße gantz und gar auffhebe. – Zum sechsten, das man jnen den Wucher verbiete und neme jnen alle barschafft und kleinot an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwaren. – Zum siebenden, das man den jungen, starcken Jüden und Jüdin in die Hand gebe flegel, axt, karst, spaten, rocken, spindel und lasse sie jr brot verdienen im schweis der nasen.“

Das wirkt heute wie ein Aufruf zu einigen der Maßnahmen, die später die Nationalsozialisten gegen Juden planten und vollzogen. Daher ist zu fragen, welches Ziel Luther damit verfolgte.

Historiker weisen darauf hin, dass seine Schrift an evangelische Fürsten, nicht an die Bevölkerung gerichtet war. Luther betonte, er wolle nicht die Juden, nur ihre „Lügen“ angreifen. Er wollte erreichen, dass diese „Lügen“ – der jüdische Glaube – auf keinen Fall weiter verbreitet werden konnten. Dazu verlangte er von den Fürsten strenge Unterdrückung und letztlich Vertreibung aller Juden aus ihren Territorien. Dem folgten diese jedoch – anders als im Bauernkrieg 1525 – nicht.

Ob diese Judenfeindschaft in Luthers Theologie angelegt war oder nur dem Zeitgeist folgte, ist umstritten. Es gab damals viele judenfeindliche Schriften. Christlicher Antijudaismus war die Regel. So ist zu fragen, was Luthers Aussagen von katholischer Tradition unterschied und welches Gewicht sie damals hatten.

Spätere Antisemiten, z.B. Alfred Rosenberg und Julius Streicher, haben sich auf Luther berufen und seine judenfeindlichen Aussagen zur Rechtfertigung ihrer Judenverfolgung verwendet. Sie ignorierten dabei, dass Israel für Luther Gottes Volk blieb und er in seiner letzten Predigt nochmals die Bekehrung, nicht Ermordung der Juden anmahnte.

Ausführlich dazu siehe den Artikel Antijudaismus im Mittelalter#Luthers Stellung zum Judentum.

Luther und die Hexenverfolgungen

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Holzschnitt zu Luthers Nützliche Erklärung der 10 Gebote: Links beten Frauen den Teufel an, rechts vor Christus nur Männer

Martin Luther war wie Calvin überzeugt von der Möglichkeit des Teufelspaktes, der Teufelsbuhlschaft und des Schadenszaubers und befürwortete die gerichtliche Verfolgung von Zauberern und Hexen.

Die Aussage des Alten Testaments „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“ (2. Mose 22,17) hatte für ihn Gültigkeit. Dies wird in einer Hexenpredigt deutlich, die Luther am 6. Mai 1526 zur Stelle 2. Mose 22,18 hielt.

Er verlieh hier seinem tiefen Abscheu vor dem Übel der Hexerei Ausdruck und gibt einer gnadenlosen Verurteilung der im Verdacht stehenden Frauen recht:

„Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann…
Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“

Martin Luther war ein klarer Befürworter der Todesstrafe für Schadenszauberei, noch dazu mit einem stark frauenfeindlichen Akzent. In der Predigt vom 6. Mai 1526 sagt Luther fünfmal: „sie sind zu töten“ (Predigt 6. Mai 1526, WA 16, 551f.) Allerdings ist der Kirchenpolitiker, Prediger und Seelsorger Martin Luther kein eifernder Hexenjäger gewesen.

Zahlreiche lutherische Theologen, Prediger und Juristen beriefen sich später auf einschlägige Aussagen Luthers. Bis heute finden sich im Kleinen Katechismus von Luther und im reformierten Heidelberger Katechismus Aussagen über Hexerei bzw. Zauberei.

Gottesdienstordnungen

Luther verfasste 1523 eine erste lateinische Messordnung, die Formula Missae et Communionis pro ecclesia Wittenbergensi, eine gereinigte Form der Messe.

Erst relativ spät - 1526 - erschien auf Drängen von Nikolaus Hausmann die Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts. Dieses Gottesdienstformular war vor allem als Sonntagsgottesdienst für die Laien gedacht, die kein Latein verstanden. Daneben war aber auch die lateinische Messe, vor allem an Festtagen, weiterhin vorgesehen.

Luther war wichtig, dass seine Messordnungen nicht als allgemein verbindlich angesehen werden sollten. Vielmehr sah er sie als Beispiele eines evangeliumsgemäßen Gottesdienstes.

Musik

Luther schrieb zahlreiche Kirchenlieder, da für ihn der Gesang als aktive Beteiligung der Gemeinde im Gottesdienst sehr wichtig war. Dazu übernahm er oft gregorianische Hymnen und ältere Weisen und gab ihnen neue deutsche Texte oder übersetzte die Originaltexte. Luthers Kirchenlieder wurden zu einer Säule des reformatorischen Gottesdiensgesanges.

Das erste Lied Luthers war Ein neues Lied wir heben an. Im Untertitel heißt es:

„Ein neu Lied von den zweyen märterern Christi (Johannes van Esschen und Hendrik Vos, Augustinermönche in Antwerpen), am 1. Juli 1523 zu Brüssel von den Sophisten zu Löwen verbrannt. Diß Lied zeyget an, warumb die gottlosen Sophisten die rechten Christen umbpringen.“
Zunächst war es ein „Straßenlied“, dann – für den gottesdienstlichen Gebrauch? – von Michael Praetorius (1571-1621) zu einem vierstimmigen Satz mit enthistorisiertem Text umgestaltet.
1. Strophe
Ein neues Lied wir heben an,
das walt’Gott, unser Herre,
zu singen, was Gott hat getan
zu Seinem Lob und Ehre.
Zu Brüssel in dem Niederland
wohl durch zween junge Knaben
hat Er Sein Wundermacht bekannt,
die Er mit Seinen Gaben
so reichlich hat gezieret.
10. Strophe
Die Asche will nicht lassen ab,
sie stäubt in allen Landen.
Hie hilft kein Bach, Loch, Grub und Grab,
sie macht den Feind zuschanden.
Die Er im Leben durch den Mord
zu schweigen hat gedrungen,
die mauss er tot an jedem Ort
mit aller Stimm’ und Zungen
gar fröhlich lassen singen.
erste Fassung von 1523, veröffentlicht im Wittenberger Gesangbuch von 1524
Der komplette Text findet sich u.a. beim Projekt Gutenberg-DE.

Siehe auch

Werke Martin Luthers

  • D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Lutherausgabe), 120 Bände, 1883 ff. (Sonderedition 2000-2007), ISBN 3740009454
  • Tischreden. Reclam, Ditzingen 1981, ISBN 3150012228
  • De servo arbitrio, 1525
  • Martin Luther. Studienausgabe in 6 Bänden. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, Luthers wichtigste Werke, frühneuhochdeutsch und lateinisch, kommentiert, mit Glossarband.

Literatur

  • Martin Brecht: Martin Luther.
    • Bd. 1: Sein Weg zur Reformation 1483-1521, Stuttgart 1981
    • Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532, Stuttgart 1981 und 1986;
    • Bd. 3: Die Erhaltung der Kirche 1532-1546, Stuttgart 1987.
  • Heinrich Fausel: D. Martin Luther. Sein Leben und Werk, 2 Bände (aus Luther-Sicht)
    • Bd. 1: 1483-1521
    • Bd. 2: 1522-1546, 1996
  • Richard Friedenthal: Luther. Sein Leben und seine Zeit, München 1967 u.ö.
  • Horst Herrmann: Martin Luther. Ketzer und Reformator, Mönch und Ehemann, München 1999
  • Horst Herrmann: Martin Luther - Eine Biographie, Berlin 2003
  • Volkmar Joestel: Aber die Faust haltet stille! - Gehorsam und Widerstand bei Martin Luther, Wittenberg 2000
  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Martin Luther. Der bürgerliche Reformator, Braunschweig 1999
  • Christian Graf von Krockow: Porträts berühmter deutscher Männer - Von Martin Luther bis zur Gegenwart, München 2001 (List-Verlag), S.11-56 (ISBN 3-548-60447-1)
  • Martin Treu: Martin Luther und das Geld, Wittenberg 2000
  • Heinz Zahrnt: Martin Luther. Reformator wider Willen, Leipzig 2000
  • Arnulf Zitelmann: Widerrufen kann ich nicht - Die Lebensgeschichte des Martin Luther, Weinheim 1999
  • Joestel/Schorlemmer: Wir sind allzu lange deutsche Bestien gewesen, Wittenberg 2000
  • Jörg Haustein: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen, Dissertation, 1990
  • Prof. Jörg Haustein: „Zwischen Aberglaube und Wissenschaft. Zauberei und Hexen in der Sicht Martin Luthers.“ In: Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land, hg. von Rosemarie Knape im Auftrag der Stiftung Luther-Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Lutherstadt Eisleben 2000, S. 327-337

Lutherbilder

Der Junker Jörg war auch in der Bildenden Kunst ein Motiv. Zahlreiche Kopien nach Lucas Cranach dem Ältere gibt es als Einzeldrucke.

Lutherdenkmale

Stand- und Denkmale von Luther findet man z. B. in:

Eine Übersicht über Lutherdarstellungen in den Kirchen Bayerns findet sich im Sonntagsblatt

Lutherfilme

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Quellen

Luther und die Juden