Magnus-Effekt

Der Magnus-Effekt,[1] benannt nach Heinrich Gustav Magnus (1802–1870), ist ein Phänomen der Strömungsmechanik, das die Querkraftwirkung (Kraft) bezeichnet, die ein rotierender runder Körper (Zylinder oder Kugel) in einer Strömung erfährt. Beschrieben wurde der Effekt bereits 100 Jahre vor Magnus von Benjamin Robins,[2] der die Ursache bereits in der Rotation der Kugel vermutete. Magnus gelang hingegen als Erstem, eine physikalische Erklärung des Effektes zu geben.

Prinzip

Der Klassiker seit Magnus

Ein rotierender Körper (Zylinder oder Kugel) wird im rechten Winkel zur Anströmrichtung abgelenkt.

Magnus erklärte den Effekt als erster[3] anhand der Bernoulli-Gleichung, die eine Relation zwischen Druck- und Geschwindigkeitsfeld einer reibungs-, viskositäts- und wirbelfreien Strömung herstellt. Um das experimentell gefundene Geschwindigkeitsfeld[4] zu beschreiben, überlagerte Magnus zwei Geschwindigkeitsfelder: die symmetrische Umströmung eines nicht rotierenden Zylinders und die wirbelfreie Zirkulationsströmung um einen in ruhender Luft rotierenden Zylinder (Bild rechts). In der Summe ist die Strömungsgeschwindigkeit auf der Seite des Zylinders, die sich mit der Anströmung dreht, größer als auf der anderen Seite und nach Bernoulli der Druck kleiner. Im Bild rechts ist das an der Unterseite der Fall, sodass er eine Abtriebskraft erfährt.

Robins[5] wies den Effekt mit Hilfe von kugelförmigen Geschossen aus Musketen nach, deren Läufe leicht seitlich gebogen waren. Hierdurch rollt die Kugel im Lauf seitlich an der äußeren Seite bezüglich der seitlichen Biegung des Laufes, und die Kugel erhält einen Drall um die Hochachse. Nach Verlassen des Laufes wird die Kugel deutlich zur Seite abgelenkt.

Diese Erklärung für den Magnus-Effekt ist erfolgreich in dem Sinne, dass sie sich noch heute für den allgemeinen Fall des dynamischen Auftriebs in der Standardliteratur der Physik findet.[6][7] Als sehr spezielle Anwendung des Energiesatzes beschreibt die Bernoulli-Relation jedoch nicht Ursache und Wirkung, sondern ausschließlich einen funktionalen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeits- und Druckfeld.

Erweiterungen bei Einbeziehung der Grenzschicht und Viskosität

Lyman Briggs (1959)[8] erweiterte die Theorie von Magnus um den Einfluss der Grenzschicht. Ausschließlich hier entsteht durch Reibung an der Kugeloberfläche eine Zirkulationsströmung. Gleichzeitig löst sich die Luft auf der strömungsabgewandten Seite der Kugel aus der Grenzschicht heraus (Grenzschichtablösung). Dadurch entsteht außerhalb der Grenzschicht eine Strömung, die der Bernoulli-Relation genügt.

Rotiert die Kugel nicht, erfolgt die Grenzschichtablösung symmetrisch. Der Magnus-Effekt entsteht dadurch, dass bei rotierender Kugel die Grenzschichtablösung auf der Seite der Kugel später erfolgt, auf der die Strömung gleichgerichtet mit der Drehrichtung der Kugel ist. Hierdurch erhält die Strömung einen Impuls in Richtung der Seite der Kugel, die entgegen der Strömung dreht. Die Gegenkraft hierzu ist die seitliche Ablenkungskraft der Kugel. Dies verdeutlicht die Skizze rechts: Die Strömung trifft von rechts auf die Kugel und wird nach oben abgelenkt - also beschleunigt. Die Gegenkraft hierzu ist die nach unten gerichtete Kraft auf die Kugel.

Praktische Beispiele

Flettner-Rotor

Die folgenden Beispiele von abgelenkten Flugkörpern werden häufig mit dem Magnus-Effekt in Verbindung gebracht. In allen Fällen treten jedoch verschiedene Effekte gleichzeitig auf. Es ist nicht offensichtlich, in welchem Ausmaß der Magnus-Effekt eine Rolle spielt.

Im Berliner Magnus-Haus kann der Effekt interaktiv erprobt werden, und eine Tafel erläutert den Vorgang:

Geschichte

Magnus erbrachte 1852 den Nachweis des Phänomens rein experimentell und erkannte damit die Ursache für die Bahnabweichung rotierender Geschosse. Angeregt durch die Flugbahnabweichung von Tennisbällen gelang erst 1877 Lord Rayleigh die theoretische Begründung des Effekts.[9] Er schrieb die Entdeckung und Erklärung des Phänomens Magnus zu, obwohl diese bereits etwa 100 Jahre vorher von Robins[10] beschrieben wurde (Barkla und Auchterlonie, 1971).[11] Erst 1959 erweiterte Briggs die bis dahin gültige Erklärung des Phänomens allein über die Bernoulli-Relation, indem er die Grenzschichttheorie einbezog, die Anfang des 20. Jahrhunderts vornehmlich von Ludwig Prandtl entwickelt wurde.

Siehe auch

Literatur

  • G. Magnus: Ueber die Abweichung der Geschosse und über eine auffallende Erscheinung bei rotirenden Körpern. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 28, Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1853, S. 1–28. (Volltext in der Google-Buchsuche)
  • G. Magnus: Ueber die Abweichung der Geschosse und über eine auffallende Erscheinung bei rotirenden Körpern. In: Die Fortschritte der Physik im Jahre 1853. Band 9, Berlin 1856, S. 78–84. (Volltext in der Google-Buchsuche)
  • Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer, Thomas Dorfmüller, Wilhelm T. Hering: Lehrbuch der Experimentalphysik. Band 1: Mechanik, Relativität, Wärme. de Gruyter, 1998, ISBN 3-11-012870-5, S. 545ff. (Fluidmechanische Kräfte an rotierenden Körpern in der Google-Buchsuche)
  • Jearl Walker: Der fliegende Zirkus der Physik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007, ISBN 978-3-486-58067-9, S. 92–94. (Beispiele für Magnus-Effekt in der Google-Buchsuche)
  • Thorsten Kray: Untersuchungen über die Strömungsvorgänge bei rotierenden glatten Kugeln und Fußbällen. Dissertation. Univ. Siegen, 2008, (Volltext auf: d-nb.info).

Einzelnachweise

  1. Magnus, G: Ueber die Abweichung der Geschosse, und: Ueber eine auffallende Erscheinung bei rotirenden Körpern, Königliche Akademie der Wissenschaften, Berlin, 1852 web.
  2. Magnus, 1852: „Robins, der zuerst eine Erklärung der Abweichung in seinen Principles of Gunnery versucht hat, glaubte, daß die ablenkende Kraft durch die Eigendrehung des Geschosses erzeugt werde, und gegenwärtig nimmt man dies allgemein an.“
  3. Magnus, 1852: „Allein wiewohl man seit Robins sich sehr vielfältig bemüht hat zu erklären, wie durch eine solche Rotation eine Abweichung des Geschosses eintreten könne, so hat dies doch selbst den Bemühungen von Euler und Poisson nicht gelingen sollen.“
  4. Magnus 1852, S. 6: „Kleine Windfahnen, die sehr beweglich waren, dienten dazu die Veränderungen des Drucks anzuzeigen, welche während der Rotation des Cylinders in dem Luftstrome stattfanden… Wurde der Cylinder nicht gedreht, so nahmen beide Fahnen die Richtung des Luftstroms an. Sobald der Cylinder aber zu rotiren begann, so wandte sich auf der Seite, wo derselbe sich in gleicher Richtung mit dem Luftstrom bewegte, die Fahne dem Cylinder zu, während sie auf der anderen, wo die Bewegung des Cylinders und des Luftstroms in entgegengesetzter Richtung stattfanden, abgewandt wurde. Es war folglich auf jener Seite ein geringerer, auf dieser ein größerer Luftdruck vorhanden als im Zustand der Ruhe.“
  5. Siehe auch: R. G. Watts, R. Ferrer: The lateral force on a spinning sphere. In: Am. J. Phys. 55(1), 1987, S. 40, doi:10.1119/1.14969.
  6. Z. B.: Lexikon der Physik. Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg 1999, ISBN 3-86025-293-3.
  7. P. A. Tippler: Physik. Spektrum Akad. Verlag,, Heidelberg/ Berlin/ Oxford 1994, ISBN 3-86025-122-8.
  8. L. J. Briggs: Effect of spin and speed on the lateral deflection (curve) of a baseball; and the Magnus Effect for smooth spheres. In: Am. J. Phys. 27, 1959, S. 589, doi:10.1119/1.1934921.
  9. Lord Rayleigh: On the irregular flight of a tennis ball. In: Scientific Papers. I, 344 (1869-81)
  10. B. Robins: New principles of gunnery. Hutton, London 1742.
  11. H. Barkla, L. Auchterlonie: The Magnus or Robins effect on rotating spheres. In: J. Fluid Mech. 47, 1971, S. 437–447, doi:10.1017/S0022112071001150.
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