„Knochenmühle“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Fotothek df rp-a 0730046 Meißen-Buschbad. Buschmühle, Fahrzeug mit Knochen beladen.jpg|mini|Fahrzeug mit Ladung Knochen für die [[Buschbad#Die Buschmühle|Buschmühle]], 1980]] |
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== Gewinnung von Knochenmehl == |
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Knochenmühlen gibt es seit der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]]. Im beginnenden 19. Jahrhundert, als die traditionelle [[Dreifelderwirtschaft]] durch moderne agrarische Bewirtschaftung unter Einsatz von [[Düngemittel]]n ersetzt wurde, wurde Knochenmehl als Dünger im industriellen Maßstab hergestellt. Knochenmehl eignet sich aufgrund seiner Mineralhaltigkeit und chemischen Zusammensetzung gut als Pflanzendünger. |
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Um 1828 gab es im [[Rheinland]] 29 Knochenmühlen, davon die meisten im [[Bergisches Land|Bergischen Land]]. Üblicherweise wurden diese durch [[Wasserkraft]] angetrieben. |
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Die Knochenmühle Narborough war eine Wassermühle am Fluss Nar im Westen der englischen Grafschaft [[Norfolk]]. Die ausgegrabenen Überreste von Friedhöfen und Grabstätten aus Hamburg wurden in der Mühle von Kings Lynn zu landwirtschaftlichem Dünger verarbeitet. Ähnlich makaber klingt der Text einer Eintragung in einem ökonomischen Lexikon des 19. Jahrhunderts: |
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In der Mühle von Kings Lynn in England wurden die ausgegrabenen Überreste von Friedhöfen und Grabstätten aus Hamburg. Ein ökonomisches Lexikon aus dem Jahr 1853 vermerkt: „In England, Belgien und Frankreich ist bis jetzt das Düngen mit Knochenmehl am allgemeinsten und die Engländer haben noch bis in die neueste Zeit ganze Schiffsladungen Knochen aus Deutschland, selbst 1816 von dem [[Schlacht bei Waterloo|Schlachtfelde bei Waterloo]], geholt [...].“<ref>Wilhelm Hoffmann (Hrsg.): Allgemeine Enzyklopädie für Kaufleite, Fabrikanten … Leipzig 1853. Stichwort „Knochen“.</ref> Die Knochen wurden teilweise über Hunderte von Kilometern mittels Karren antransportiert (z. B. aus [[Ostpreußen]] zur Bücheler Knochenmühle bei [[Kürten]])<ref>[https://rmdz.de/node/465]</ref> und anschließend bis zu zwei Jahre zum Trocknen gelagert. Die so abgelagerten und anschließend gemahlenen Knochen wurden teilweise auch als Hühnerfutter verwertet, das [[Tierfett|Knochenöl]] war in der [[Feinmechanik]] sehr begehrt. |
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⚫ | Ab 1900 wurde das Knochenmehl nach und nach durch das [[Thomasmehl]] ersetzt, das bei der Stahlproduktion anfällt. In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] förderten die Machthaber im Sinne ihres Konzepts der [[Autarkie]] eigenproduzierte Düngemittel und Knochenmühlen wurden erneut eingesetzt.<ref>Elisabeth Vaupel: ''Wertvolle Knochen. Ein Thema im Schulunterricht der NS-Zeit.'' In: ''Kultur & Technik'' 3/2017, S. 54–59 ([https://www.researchgate.net/publication/325589508_Kinder_sammelt_Knochen_Lehr-_und_Propagandamittel_zur_Behandlung_des_Themas_Knochenverwertung_an_deutschen_Schulen_im_Dritten_Reich PDF]).</ref> Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] schlossen fast alle Knochenmühlen. |
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{{Zitat|… In England, Belgien und Frankreich ist bis jetzt das Düngen mit Knochenmehl am allgemeinsten und die Engländer haben noch bis in die neueste Zeit ganze Schiffsladungen Knochen aus Deutschland, selbst 1816 von dem [[Schlacht bei Waterloo|Schlachtfelde bei Waterloo]], geholt, um sie in England zu Knochenmehl zu verarbeiten und teuer zu verkaufen|ref=<ref>Wilhelm Hoffmann (Hrsg.): Allgemeine Enzyklopädie für Kaufleite, Fabrikanten … Leipzig 1853. Stichwort „Knochen“.</ref>}} |
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Ab 1900 wurde das Knochenmehl durch das [[Thomasmehl]] ersetzt, das beim [[Thomas-Verfahren|Thomasstahl-Verfahren]] anfiel. |
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=== Erhaltene historische Knochenmühlen === |
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Die Knochen wurden teilweise über Hunderte von Kilometern mittels Karren antransportiert (z. B. aus [[Ostpreußen]] zur Bücheler Knochenmühle bei [[Kürten]]) und anschließend bis zu zwei Jahre zum Trocknen gelagert. Die so abgelagerten und anschließend gemahlenen Knochen wurden teilweise auch als Hühnerfutter verwertet, das [[Tierfett|Knochenöl]] war in der [[Feinmechanik]] sehr begehrt. |
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⚫ | In [[Westfalen]] sind noch wenige Knochenmühlen erhalten, darunter die [[Knochenmühle (Fretter)|Knochenmühle in Fretter]] bei Finnentrop, die [[Knochenmühle (Mühlhofe)|Knochenmühle Meinerzhagen-Mühlhofe]] und die Knochenmühle in [[Isingheim]]. Im Erzgebirge die [[Dorfchemnitz (Zwönitz)#Sehenswürdigkeiten|Knochenstampfe Dorfchemnitz]]. |
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⚫ | [[Datei:Jewish prisoners forced to work for a Sonderkommando 1005 unit pose next to a bone crushing machine in the Janowska concentration camp.jpg|mini|Ehemalige Zwangsarbeiter der Sonderaktion 1005 demonstrieren die Funktion einer Knochenmühle im [[Zwangsarbeitslager Lemberg- |
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== NS-Vernichtungsstätten == |
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⚫ | [[Datei:Jewish prisoners forced to work for a Sonderkommando 1005 unit pose next to a bone crushing machine in the Janowska concentration camp.jpg|mini|Ehemalige Zwangsarbeiter der [[Sonderaktion 1005]] demonstrieren die Funktion einer Knochenmühle im [[Zwangsarbeitslager Lemberg-Janowska]], August 1944.]] |
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Als die Spuren der [[Aktion Reinhardt|Ermordung der Juden im besetzten Polen]] beseitigt werden sollten, wurden dafür auch Knochenmühlen verwendet. Für die Zerkleinerung der Knochen der in der [[Tötungsanstalt Hartheim]] getöteten und anschließend verbrannten Opfer setzte man eine elektrische Knochenmühle ein.<ref>[https://www.bizeps.or.at/die-toetungsanstalt-hartheim/ Die Tötungsanstalt Hartheim], Webseite www.bizeps.or.at, abgerufen am 3. August 2017</ref><ref>{{OoeGeschichte |pfad=archiv/epochen/nationalsozialismus/orte-des-terrors/hartheim |autor=Josef Goldberger, Cornelia Sulzbacher |titel=Hartheim |abruf=2022-08-07}}</ref> |
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Wenn körpereigenes Knochenmaterial während einer Operation zerkleinert und wiederverwendet werden soll, kommen chirurgische Knochenmühlen zum Einsatz. |
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== Begriffsübertragung == |
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* Die zeitgenössische Beschreibung der außerordentlich verlustreichen [[Schlacht um Verdun]] (1916) als „Knochenmühle“ hat sich bis heute im Sprachgebrauch gehalten. |
* Die zeitgenössische Beschreibung der außerordentlich verlustreichen [[Schlacht um Verdun]] (1916) als „Knochenmühle“ hat sich bis heute im Sprachgebrauch gehalten. |
Aktuelle Version vom 13. Mai 2024, 08:32 Uhr
In einer Knochenmühle werden menschliche oder tierische Knochen durch Mahlen oder Stampfen zerkleinert. Knochenmühlen sind heute hauptsächlich in Krematorien in Gebrauch. Im vor allem 19. Jahrhundert wurden überwiegend Tierknochen zerkleinert, das gewonnene Knochenmehl wurde als organischer Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Der Begriff Knochenmühle findet im übertragenen Sinne Verwendung für in besonderem Maße aufreibende bis zerstörerische Lebenssituationen.
Gewinnung von Knochenmehl
![](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f8/Bone_crusher.jpg/220px-Bone_crusher.jpg)
![](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9a/Leipzig_-_Goerdelerring_-_20Schulmuseum_in_10_ies.jpg/220px-Leipzig_-_Goerdelerring_-_20Schulmuseum_in_10_ies.jpg)
Knochenmühlen gibt es seit der frühen Neuzeit. Im beginnenden 19. Jahrhundert, als die traditionelle Dreifelderwirtschaft durch moderne agrarische Bewirtschaftung unter Einsatz von Düngemitteln ersetzt wurde, wurde Knochenmehl als Dünger im industriellen Maßstab hergestellt. Knochenmehl eignet sich aufgrund seiner Mineralhaltigkeit und chemischen Zusammensetzung gut als Pflanzendünger.
Um 1828 gab es im Rheinland 29 Knochenmühlen, davon die meisten im Bergischen Land. Üblicherweise wurden diese durch Wasserkraft angetrieben. In der Mühle von Kings Lynn in England wurden die ausgegrabenen Überreste von Friedhöfen und Grabstätten aus Hamburg. Ein ökonomisches Lexikon aus dem Jahr 1853 vermerkt: „In England, Belgien und Frankreich ist bis jetzt das Düngen mit Knochenmehl am allgemeinsten und die Engländer haben noch bis in die neueste Zeit ganze Schiffsladungen Knochen aus Deutschland, selbst 1816 von dem Schlachtfelde bei Waterloo, geholt [...].“[1] Die Knochen wurden teilweise über Hunderte von Kilometern mittels Karren antransportiert (z. B. aus Ostpreußen zur Bücheler Knochenmühle bei Kürten)[2] und anschließend bis zu zwei Jahre zum Trocknen gelagert. Die so abgelagerten und anschließend gemahlenen Knochen wurden teilweise auch als Hühnerfutter verwertet, das Knochenöl war in der Feinmechanik sehr begehrt.
Ab 1900 wurde das Knochenmehl nach und nach durch das Thomasmehl ersetzt, das bei der Stahlproduktion anfällt. In der Zeit des Nationalsozialismus förderten die Machthaber im Sinne ihres Konzepts der Autarkie eigenproduzierte Düngemittel und Knochenmühlen wurden erneut eingesetzt.[3] Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen fast alle Knochenmühlen.
Erhaltene historische Knochenmühlen
In Westfalen sind noch wenige Knochenmühlen erhalten, darunter die Knochenmühle in Fretter bei Finnentrop, die Knochenmühle Meinerzhagen-Mühlhofe und die Knochenmühle in Isingheim. Im Erzgebirge die Knochenstampfe Dorfchemnitz.
NS-Vernichtungsstätten
![](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/65/Jewish_prisoners_forced_to_work_for_a_Sonderkommando_1005_unit_pose_next_to_a_bone_crushing_machine_in_the_Janowska_concentration_camp.jpg/220px-Jewish_prisoners_forced_to_work_for_a_Sonderkommando_1005_unit_pose_next_to_a_bone_crushing_machine_in_the_Janowska_concentration_camp.jpg)
Als die Spuren der Ermordung der Juden im besetzten Polen beseitigt werden sollten, wurden dafür auch Knochenmühlen verwendet. Für die Zerkleinerung der Knochen der in der Tötungsanstalt Hartheim getöteten und anschließend verbrannten Opfer setzte man eine elektrische Knochenmühle ein.[4][5]
Bestattungswesen
Nach der Kremierung von Leichen verbleiben z. B. Knochen. Nachdem große metallische Bestandteile (z. B. künstliche Gelenke) ausgesondert wurden, werden die verbliebenen Überreste in einer Trommel durch große Stahlkugeln zu Totenasche zerkleinert, die danach in Urnen abgefüllt werden kann.
Medizin
Wenn körpereigenes Knochenmaterial während einer Operation zerkleinert und wiederverwendet werden soll, kommen chirurgische Knochenmühlen zum Einsatz.
Begriffsübertragung
- Die zeitgenössische Beschreibung der außerordentlich verlustreichen Schlacht um Verdun (1916) als „Knochenmühle“ hat sich bis heute im Sprachgebrauch gehalten.
- Der Volksmund verwendet gelegentlich die Bezeichnung „Knochenmühle“ für Orte, an denen sehr anstrengende Arbeit geleistet wird.[6]
- Im Volksmund als Knochemiehl (Knochenmühle) wurden auch die Triebwagen der ersten kommerziellen deutschen Straßenbahn-Linie der Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG) bezeichnet. Der Antrieb über Zahnräder, die Spurweite von 1000 mm, die aus Holz gefertigten Räder mit Radreifen aus Stahl und die fehlende Federung führten zu unruhigen Laufeigenschaften und der Bezeichnung Knochemiehl.
Literatur
- Herbert Nicke: Bergische Mühlen, Martina Galunder Verlag, Wiehl, 1998, ISBN 3-931251-36-5
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Hoffmann (Hrsg.): Allgemeine Enzyklopädie für Kaufleite, Fabrikanten … Leipzig 1853. Stichwort „Knochen“.
- ↑ [1]
- ↑ Elisabeth Vaupel: Wertvolle Knochen. Ein Thema im Schulunterricht der NS-Zeit. In: Kultur & Technik 3/2017, S. 54–59 (PDF).
- ↑ Die Tötungsanstalt Hartheim, Webseite www.bizeps.or.at, abgerufen am 3. August 2017
- ↑ Josef Goldberger, Cornelia Sulzbacher: Hartheim. In: ooegeschichte.at. Virtuelles Museum Oberösterreich, abgerufen am 7. August 2022.
- ↑ Duden online: Knochenmühle, siehe Bedeutung 2.