Giulio Caccini

Giulio Romano Caccini (* 8. Oktober 1551 in Rom; begraben 10. Dezember 1618 in Florenz) war ein italienischer Komponist, Sänger, Gesangslehrer und Instrumentalist, der an der Schnittstelle der Spätrenaissance zum Frühbarock lebte und an der Entwicklung der Oper beteiligt war.

Lebensstationen

Der Römer[1] Giulio Caccini wurde sehr jung in den Knabenchor der Capella Giuliana aufgenommen. John Walter Hill vermutet „mit großer Wahrscheinlichkeit“, Caccini habe bereits als 5-Jähriger (1556) dort begonnen und bereits nach einem Monat in Florenz die Rolle der Psyche in einem Intermedium zu La Cofanaria gesungen.[2] Von Oktober 1564 bis November 1565 war er in Rom Gesangsschüler G. Animuccia's. 1565 sang er in Hochzeitsintermedien Francescos I. de' Medici und Johannas von Österreich. Zu seinen weiteren Lehrern gehört Scipione delle Palle aus Siena (Gesang und Lautenspiel).

Für die ständige Anwesenheit an seinem hauptsächlichen Wirkungsort, dem Hof des Großherzogs Ferdinando I. de' Medici in Florenz, nennt Hill als gesichertes Datum den 29. April 1566. Florenz war zu dieser Zeit eines der wichtigsten Kulturzentren Italiens. 1579 und 1589 war Caccini wieder als Sänger-Solist und Instrumentalist bei Hochzeits-Intermedien am Hof der Familie de’ Medici beteiligt.[3] Caccini spielte Laute, Chitarrone und Doppelharfe und ist auf einem Bild als Spieler der Lira da Braccio dargestellt.[4] Als Mitglied der Camerata Florentina, die ihre Zusammenkünfte im Palazzo des Giovanni de’ Bardi hatte, wird ihm ein großer Anteil an der Erfindung einer neuen Art des Gesanges, der Monodie, die zur Oper führte, zugesprochen.[5]

Als erfolgreicher Gesangslehrer unterrichtete Caccini seine (zweite) Frau Margherita della Scala (die erste, Lucia – ebenfalls Sängerin – starb bald nach der Geburt der ältesten Tochter), sowie seine Töchter Francesca und Settima, und seinen Sohn Pompeo und formte mit ihnen ein berühmtes Gesangsensemble, das Konzertreisen bis an den französischen Königshof in Paris unternahm (September 1604 bis Juni 1605).[6]

Sein nicht weniger bedeutender Bruder war der Bildhauer Giovanni Battista Caccini (* 1556 in Rom; † 1613 in Florenz).

Monodie und Generalbass

Giulio Caccini gilt als einer der Erfinder der Monodie, einem neuartigen solistischen Gesang, der dem Wort und Textsinn diente. Die Singstimme wurde dabei nur von einem Bassinstrument begleitet. Diese neue Art der Begleitung durch ein Tasten- oder Lauteninstrument gab dem Gesang und jeglicher Musik eine feste harmonische Stütze. Damit begann das sogenannte Generalbasszeitalter. Die neue affektbetonte Art zu singen wurde im Hause des Giovanni de’ Bardi besonders gepflegt und weiter entwickelt. Bardi stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Vernio in Florenz, sein Palazzo wurde zum Mittelpunkt für Dichter, Musiker und Gelehrte. Caccini nahm ab den 1570er Jahren an den Diskussionen des so genannten bardischen Kreises teil; er nahm für sich in Anspruch, dabei den „stile recitativo“ erfunden zu haben.

Caccini komponierte viele seiner Sologesänge mit Begleitung einer Theorbe. In sein Hauptwerk Le nuove Musiche nahm er Arien und Madrigale als Beispiele für Komposition und Solo-Vortrag mit Basso continuo auf.

Le nuove Musiche

Titelblatt von Le nuove Musiche (1601)

Das Vorwort zu diesem Gesangs-pädagogischen Werk und seine Beispielsammlung gibt erstmals technische Erklärungen für den virtuosen Gesang. Es gehört zu den frühesten Gesangslehrwerken.

Caccini schreibt darin:

„Da ich mich nun überzeugte, dass Hervorbringungen im Sinne unserer Tage kein anderes Vergnügen bewirken, als dasjenige, was durch Harmonie dem Ohre allein gewährt wird, dass ohne Verständnis der Worte das Gemüt nicht gerühret werden könne, kam der Gedanke, eine Art Gesang, gewissermaßen einer harmonischen Rede gleich, aufzuführen, wobei ich eine gewisse edle Verachtung des Gesanges an den Tag legte, hin und wieder einige Dissonanzen berührte, den Bass aber ruhen ließ, ausgenommen da, wo ich, dem gemeinen Gebrauch zufolge, seiner mit den Tönen der durch Instrumente ausgeführten Mittelstimmen mich bedienen wollte, irgendeinen Affekt auszudrücken, wozu sie allein brauchbar sind.“

Besonders populär daraus wurde das Madrigal Amarilli mia bella, das Bearbeitungen im Fitzwilliam Virginal Book und von Jacob van Eyck erfuhr.

Caccini und die Oper

Caccinis Name ist vor allem mit der Entstehung der Oper verbunden. Von Anfang an gehörte er zum Kreis der Camerata Florentina, einer Gesellschaft von Musikern, Dichtern und Gelehrten, wo er vor allem als praktischer Musiker geschätzt wurde. Als Menschen der Renaissance wollten sie das antike Theater und die Theatermusik der Griechen wiederbeleben. An der von Jacopo Peri verfassten Oper Euridice (1600) arbeitete er mit und schrieb im selben Jahr seine eigene Euridice (1602 uraufgeführt, Libretto von Ottavio Rinuccini, 1562-1621). Mit Blick auf die damalige Entwicklung der Oper und auf seine Gedanken zur Gesangskunst gilt Giulio Caccini als einer der ersten Vertreter des "ariosen Stils" und als einer der Vorbereiter des Belcanto.

Werke

musikalisch

  • La Dafne, begonnen 1595, verschollen, ungeklärt
  • Euridice, Oper 1600, Uraufführung 1602 mit seiner Tochter Francesca als Solistin
  • Il Rapimento di Cefalo, Intermezzo für Singstimme und Basso continuo, Mitarbeit, 1600. Teile daraus von Caccini gedruckt in Le nuove musiche[7]
  • Madrigale und Arien für eine Singstimme und Basso continuo in Le nuove Musiche, Florenz 1602
  • Zahlreiche Arien und Canzonetten in Bibl. Naz. Florenz[8]

theoretisch

  • Le nuove Musiche, Florenz 1601 mehrere Auflagen
  • Fuggilotio Musicale, Venedig 1513
  • Le nuove musiche e nuova maniera di scriverle, Florenz 1614

Die Caccini zugeschriebene Vertonung des Ave Maria, das nur die Worte „Ave Maria“ enthält, gehört heute zum Repertoire vieler Sängerinnen, Sänger und Chöre. Die Komposition, die auch in unzähligen Bearbeitungen für Instrumente vorliegt, stammt allerdings aus der Feder des russischen Gitarristen, Lautenisten und Komponisten Wladimir Fjodorowitsch Wawilow (1925-1973).

Diskografie

  • Euridice; Ensemble Scherzi Musicali, Leitung Nicolas Achten, 2009, Ricercar RIC 269

Literatur

  • Riemann Musiklexikon. 13. aktualisierte Neuauflage, hg. von Wolfgang Ruf. Schott-Verlag, Mainz usw. 2012, ISBN 978-3-7957-0006-5, Bd.1.
  • Danielle Roster: Francesca Caccini (1587 − 1645?). In: Annäherung IX - an sieben Komponistinnen, hg. von Clara Mayer, Furore-Verlag, Kassel 1998, ISBN 3-927327-43-3, S. 7–20.
  • Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Hg. von Friedrich Blume. Bärenreiter-Verlag, Kassel/Basel 1949 ff (= MGG1), Bd. 2, 1952, Artikel Caccini, Giulio.
  • John Walter Hill: Artikel Caccini, Familie. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Hg. von Ludwig Finscher. Bärenreiter-Verlag, Kassel usw. 1994 ff (=MGG2), Personenteil Bd. 3, 2000, Sp. 1531.

Nachweise

  1. Nach John Walter Hill machte Caccinis Vater das Bürgerrecht der Stadt Florenz für sich geltend, woraus sich erklären lässt, dass G. Caccini sich manchmal als Römer, manchmal als Florentiner bezeichnete. S. Hill: MGG2, Personenteil, Artikel Caccini, Familie, Sp. 1531.
  2. Hill, MGG2 Artikel Caccini, Familie, Sp. 1531.
  3. Riemann Musik Lexikon, Personenteil, B. Schott's Söhne/Mainz 1959, Artikel Caccini, Giulio.
  4. Hill: MGG2 Personenteil, Artikel Caccini, Familie, Sp. 1531.
  5. Oliver Schupke: Die Frühgeschichte der Oper, Studienarbeit Berlin.
  6. Danielle Roster: Francesca Caccini, in: Annäherungen IX an sieben Komponistinnen 1998, S. 11.
  7. Nach Riemann Lexikon 2012, Bd.III, S.319.
  8. Nach MGG1, Bärenreiter Kassel und Basel, Bd. 2, 1952, Artikel Caccini, Giulio Sp. 610.