Germanisches schwaches Verb
Als schwache Verben wird eine von drei Verbalklassen in den germanischen Sprachen, zu denen auch das Deutsche gehört, bezeichnet. Ihr Kennzeichen ist die Bildung der Präteritalformen sowie des Partizips des Präteritums (Partizip II) mithilfe eines Dentalsuffixes. Die anderen zwei Verbalklassen sind die starken Verben und die Präteritopräsentia.
In der Beschreibung der Gegenwartssprache werden diese Verben meistens als regelmäßige Verben bezeichnet, da ihre Formen leichter aus der Nennform abgeleitet werden können als bei den anderen Verbalklassen. Vom sprachhistorischen Standpunkt aus gesehen ist die Bezeichnung als regelmäßig oder unregelmäßig aber weniger sinnvoll, da auch die starken Verben einst eine regelhafte Formenbildung besaßen.
Die schwachen Verben sind in den heutigen germanischen Sprachen weitaus häufiger als die starken. Im Gegensatz zu letzteren sind sie ausserdem noch produktiv, d.h. für Neubildungen geeignet.
Beispiele
Die Bildung der Stammformen schwacher Verben kann an den folgenden Beispielen aus einigen modernen germanischen Sprachen veranschaulicht werden:
Infinitiv | Präteritum | Partizip Präteritum | |
---|---|---|---|
Deutsch | machen | mach-te | ge-mach-t |
lieben | lieb-te | ge-lieb-t | |
Englisch | punch ‘schlagen’ | punch-ed | punch-ed |
say ‘sagen’ | sai-d | sai-d | |
make ‘schlagen’ | ma-de | ma-de | |
Norwegisch | snakke ‘sprechen’ | snakke-t | snakke-t |
kaste ‘werfen’ | kaste-t | snakke-t | |
nå ‘erreichen’ | nå-dde | nå-dd |
Beispiele aus den altgermanischen Sprachen:
Infinitiv | Präteritum | Partizip Präteritum | |
---|---|---|---|
Gotisch | nasjan ‘retten’ | nasi-da | nasi-þs |
salbōn | salbō-da | salbō-þs | |
Althochdeutsch | suochen ‘suchen’ | suoh-ta | gi-suoch-it |
salbōn ‘salben’ | salbō-ta | gi-salbō-t | |
Altisländisch | kalla ‘rufen’ | kalla-þa | kalla-þr |
telia ‘erzählen’ | tal-þa | tal-(e)þr |
Herkunft
Die schwachen Verben sind ein charakteristisches Merkmal der germanischen Sprachfamilie und sind bis auf wenige Ausnahmen nicht aus dem Indogermanischen ererbt. Sie sind also im Germanischen neu geschaffene Ableitungen zu bestehenden Wörtern (Sekundärbildungen).
Dentalsuffix im Präteritum
Die Herkunft des mittels Dentalsuffix gebildeten Präteritums ist eine der großen Kontroversen in der germanischen Sprachgeschichte. Es liegen verschiedene Theorien vor, doch konnte bisher noch keine allgemein anerkannte Erklärung gefunden werden.
Literatur
- Alfred Bammesberger: Der Aufbau des germanischen Verbalsystems. Heidelberg, 1986
- Wilhelm Schmidt: Geschichte der deutschen Sprache. 10. Auflage. Stuttgart 2007. ISBN 3-7776-1432-7.