„Dorfgemeinschaftshaus“ – Versionsunterschied

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Version vom 5. April 2015, 00:12 Uhr

Symbol der hessischen Dorfgemeinschaftshäuser

Ein Dorfgemeinschaftshaus (DGH) ist ein durch öffentliche Gelder finanziertes Gebäude zur gemeinschaftlichen Nutzung in ländlichen Gemeinden und Dörfern, speziell in Hessen. Ähnliche Einrichtungen kirchlicher Träger sind die Gemeindezentren, weitere Begriffsüberschneidungen gibt es zum Bürgerhaus und Gemeindehaus.

Geschichte des Dorfgemeinschaftshauses

Bereits in den 1920ern entstanden Dorfgemeinschaftshäusern im Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg zur Strukturstärkung im ländlichen Raum. In Hessen übernahm August Franke (SPD) diese Idee und errichtete 1950 das erste hessische DGH in Haldorf. Auch in Bayern in Hirschaid bei Bamberg wurde im September 1950 ein Dorfgemeinschaftshaus mit der Bezeichnung Haus der Bäuerin errichtet. Dieses enthielt laut Hamburger Abendblatt vom 26. September 1950

„… einen sehr gemütlich ausgestatteten Gemeinschaftsraum, eine Bibliothek, Bad und Sauna, Waschküche mit Maschinen, die sich der einzelne Betrieb nicht leisten kann, Trockenraum, Mosterei und Kelterei mit Obstpresse, Schlachtraum mit elektrischer Maschineneinrichtung, Kühlraum, Vorratsraum, Raum mit Sackflickmaschine, eine Backstube mit Teigknetmaschine und elektrischem Backofen.“[1]

Es wurde zum Vorbild für viele weitere Dorfgemeinschaftshäuser. Dies griff der hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn 1951 auf und begann mit der Umsetzung einer großen Sozialreform, dem von ihm propagierten Hessenplan. Die Finanzierung erfolgte paritätisch durch die Gemeinde und das Land.[2] Auch andere Bundesländer folgten dieser Idee und begannen Dorfgemeinschaftshäuser, zum Teil auch Bürgerhäuser genannt, zu errichten. So entstand 1957 das erste Haus in Niedersachsen in Offleben[3] und die Gemeinde Baldramsdorf eröffnete das erste 1956 in Österreich.[4]

Situation in Hessen

Dorfgemeinschaftshaus im Odenwäldischen Hesselbach
Dorfgemeinschaftshaus in Lich/Ober-Bessingen, entstanden durch Umgestaltung der Dorfschule

Die Errichtung von Dorfgemeinschaftshäusern (ländlicher Raum) sowie von Bürgerhäusern (Kleinstädte) waren ein Kernpunkt des zu Beginn der 1950er Jahre aufgestellten sogenannten Hessenplans unter Federführung des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn. Ziel dieser Einrichtungen war zum einen die Schaffung von Räumen für kulturelles Leben, was zum einen schlicht und einfach eine Kneipe bedeuten konnte, im weiteren Sinne vor allem aber Räume für Vereine. Namentlich genannt werden sollten hier die so genannten Landfrauenverbände, die ab Beginn der 1950er Jahre praktisch flächendeckend entstanden und sich von Landwirtschaft und Haushalt über Theater- und Kinobesuche bis hin zur Traditionspflege und Heimatgeschichte mittlerweile vielerorts zu einem selbstbewussten und keinesfalls angestaubten Mittelpunkt des dörflichen Lebens entwickelt haben.

Zum anderen sollten Dorfgemeinschaftshäuser rein praktisch Fortschritt und Modernität in den ländlichen Raum bringen (Gemeinschaftsbäder, Fernsehräume, Gemeinschaftsgefrieranlagen, aber auch Kindergärten und – wo nicht oder nicht mehr vorhanden – schlicht und einfach eine „Kneipe“ als Kommunikationsmittelpunkt).

In der Anfangsphase wurden Dorfgemeinschaftshäuser als eigenständige Komplexe errichtet, ab den 1970er Jahren mit Beginn der Schulreform in Hessen wurden zunehmend leergezogene Dorfschulen durch Um- und Anbauten zu Dorfgemeinschaftshäusern umgebaut. Das einhundertste Dorfgemeinschaftshaus wurde im Juni 1958 in Arnoldshain eingeweiht. Erst 1988 wurde mit dem Auslaufen der 3. Förderperiode des Hessenplans die Errichtung von Dorfgemeinschaftshäusern in Hessen beendet. Heute bestehen in Hessen flächendeckend ca. 1.500 Dorfgemeinschaftshäuser. Ihre Aufgabe hat sich durch den zunehmenden Wegfall einst wegweisend moderner Einrichtungen wie Baderäume, Fernsehräume oder Gemeinschaftsgefrieranlagen, die auch im ländlichen Raum über die Jahre Haushaltsstandard geworden sind, zu einer Institution, ähnlich dem Bürgerhaus entwickelt.[5]

Ausstattung

Sie waren Standort für Gemeinschafts-Waschanlagen, Tiefkühlräume, eine Nähstube und andere Gemeinschaftseinrichtungen sowie Veranstaltungsort für kulturelle und Vereinsaktivitäten sowie Familienfeiern. Oft war auch ein moderneres Backhaus angegliedert oder integriert. Viele Dorfgemeinschaftshäuser waren Standort der Dorfbücherei. Vielfach wurden sie räumlich mit anderen Gemeinschaftseinrichtungen wie Feuerwehrstützpunkten, Kindergärten o. ä. verbunden.

Literatur

  • Heinrich Fischer: Das hessische Dorfgemeinschaftshaus. Ein Weg zur Schaffung sozialer Einrichtungen in Landgemeinden. Wiesbaden 1954
  • Thomas Fuchs: Macht Euch die Stadt zum Bilde! Über die Modernisierung des ländlichen Raumes. Pfaffenweiler 1996
Commons: Dorfgemeinschaftshäuser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. archiv.abendblatt.de (PDF; 2,27 MB)
  2. hersfelder-zeitung.de.dedi25.your-server.de
  3. bueddenstedt.de
  4. baldramsdorf.at
  5. Zivilisations-Aufruestung. In: Die Zeit, Nr. 25/1958