„Das Unbewusste“ – Versionsunterschied

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===Unbewusstes und Neurose===
===Unbewusstes und Neurose===


Das Hauptanliegen der Psychoanalyse nach Freud ist die Aufhebung der zwischenmenschlichen [[Illusion]]en (siehe auch: [[Narzisstische Kränkung]]) und die Wiederbewusstmachung jener psychischen Inhalte, die aufgrund von [[Sitten|sittlicher]] Erziehung und/oder erlittener [[Trauma]]ta in das Unbewusste verdrängt wurden. Damit einher geht nach Freud die Behebung des mit der Verdrängung verbundenen [[Neurose|neurotischen]] Leidens und der sinnlosen [[Destruktivität]] des [[Wiederholungszwang]]s. Denn das Verdrängte wirkt im Unbewussten unsichtbar weiter und führt so zu unerwünschtem Verhalten, zwischenmenschlichen Beziehungsstörungen und psychischem Leiden. Erst durch eine Bewusstmachung des Verdrängten vermag der Mensch sich von der Macht seines Unbewussten zu befreien. Das Ziel der Psychoanalyse fasste Freud deshalb in dem bekannt gewordenen Schlagwort zusammen: „Wo Es war, soll Ich werden.“ In einer anderen berühmten Formulierung geht es nach Freud dem Subjekt in der Psychoanalyse darum, „Herr im eigenen Hause zu werden“.
Das Hauptanliegen der Psychoanalyse nach Freud ist die Aufhebung der zwischenmenschlichen [[Illusion]]en (siehe auch: [[Narzisstische Kränkung]]) und die Wiederbewusstmachung jener psychischen Inhalte, die aufgrund von [[Sitten|sittlicher]] Erziehung und/oder erlittener [[Trauma]]ta in das Unbewusste verdrängt wurden. Damit einher geht nach Freud die Behebung des mit der Verdrängung verbundenen [[Neurose|neurotischen]] Leidens und der sinnlosen [[Destruktivität]] des [[Wiederholungszwang]]s. Denn das Verdrängte wirkt im Unbewussten unsichtbar weiter und führt so zu unerwünschtem Verhalten, zwischenmenschlichen Beziehungsstörungen und psychischem Leiden. Erst durch eine Bewusstmachung des Verdrängten und den selbstverantwortlichen Einsatz zugunsten des ES vermag der Mensch sich von der Macht seines meist Es-feindlich geprägten, sein Ich sonst beherrschenden ÜBER-Ichs zu befreien. Das Ziel der Psychoanalyse fasste Freud deshalb in dem bekannt gewordenen Schlagwort zusammen: „Wo Es war, soll Ich werden.“ In einer anderen berühmten Formulierung geht es nach Freud dem Subjekt in der Psychoanalyse darum, „Herr im eigenen Hause zu werden“.


==Die Entdeckung des Unbewussten==
==Die Entdeckung des Unbewussten==

Version vom 15. Februar 2007, 20:04 Uhr

Das Unbewusste ist in der Psychologie jener Bereich der menschlichen Psyche, der dem Bewusstsein nicht direkt zugänglich ist. In tiefenpsychologisch orientierten Therapierichtungen ist die Bewusstmachung unbewusster psychischer Prozesse eine wesentliche Voraussetzung für Veränderung oder Heilung. In der Alltagssprache wird für das Unbewusste auch der Begriff Unterbewusstsein verwendet.

Das Unbewusste bei Freud

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, kommt auf der Grundlage der Erfahrungen, die er mit seinen Patienten machte, zunächst zur Unterscheidung dreier psychischer Bereiche der menschlichen Seele:

  1. Das Bewusste. Seine verschiedenen Inhalte können nach Belieben in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und beiseite gelegt werden; es obliegt der Entscheidungsfreiheit, die im Abendland seit alters her dem Bewusstsein („Geist“) zugeschrieben wird. Freud sieht die Bestimmung des Bewusstseins oder Ich darin, mit seinen Fähigkeiten den eigenen und einer Reihe weiterer angeborener Bedürfnissen zu dienen. (Näheres siehe unter Lustprinzip.)
  2. Das Vorbewusste. Dies sind seelische Inhalte, auf die das Bewusstsein nicht sofort zugreifen kann, die jedoch durch Suchen nach Zusammenhängen auftauchen oder einem „einfallen“ (wie der Name eines länger nicht gesehenen Bekannten, den man auf der Straße trifft).
  3. Das Unbewusste. Trotz willentlicher Anstrengung kann ein seelischer Inhalt nicht direkt bewusst gemacht werden; es bedarf hierzu des Handwerkszeugs der Psychoanalyse: etwa der Freien Assoziation, der Traumdeutung (dem „Königsweg ins Unbewusste“, wie Freud formuliert), der Analyse von Fehlleistungen oder auch, jedoch in der Freudschen Psychoanalyse nicht mehr praktiziert, der Hypnose.

Verdrängung

Nach Freud ist das Unbewusste des erwachsenen Menschen ein System, das vor allem aus verdrängten oder abgewehrten Bewusstseinsinhalten besteht. Das Unbewusste beinhaltet insbesondere die kindlichen Triebwünsche, welche als Lebenstriebe nach dem Lustprinzip agieren. Als Biologe und Befürworter der Evolutionstheorie Darwins entdeckte Freud in diesem Prinzip die sonst kaum noch erkennbare Herkunft oder eigentliche Heimat des Menschen im Reich der Tiere. Im Gegensatz zu diesen (und im Gegensatz zu kleinen Kindern) handelt der Erwachsene in der Regel, seiner abgeschlossenen Erziehung wegen, nach dem Prinzip der „Unlustvermeidung“ (vgl. Realitätsprinzip).

Es, Ich und Über-Ich

Freud kombinierte später die drei oben genannten Bezeichnungen seines ursprünglichen Seelenmodells mit einem erweiteren Konzept, das drei psychische Instanzen namentlich und funktionsmäßig unterscheidet: Es, Ich und Über-Ich. In diesem Modell der Psyche ist das Unbewusste weitgehend identisch mit dem Es (dem Bereich der natürlichen Triebe und Instinkte). Das Über-Ich ist der Sitz der anerzogenen Erfahrungen und Prägungen, v.a. der Ideale, der Moral und des Gewissens. Das Ich ist vor allem die Instanz des Bewusstseins und kann sich reflektierend sowohl mit seinen eigenen Inhalten als auch denen der beiden anderen psychischen Instanzen befassen und zwischen diesen beiden vermitteln. Darüber hinaus ist das Ich die Instanz, in der die Entscheidung über die anschließend ins Vorbewusste verlagerten Abwehrmechanismen gefällt wird; die psychoanalytische Behandlung soll diese Verschiebung wieder bewusst machen und es somit ermöglichen, die einmal gefällte Entscheidung zu revidieren.

Unbewusstes und Neurose

Das Hauptanliegen der Psychoanalyse nach Freud ist die Aufhebung der zwischenmenschlichen Illusionen (siehe auch: Narzisstische Kränkung) und die Wiederbewusstmachung jener psychischen Inhalte, die aufgrund von sittlicher Erziehung und/oder erlittener Traumata in das Unbewusste verdrängt wurden. Damit einher geht nach Freud die Behebung des mit der Verdrängung verbundenen neurotischen Leidens und der sinnlosen Destruktivität des Wiederholungszwangs. Denn das Verdrängte wirkt im Unbewussten unsichtbar weiter und führt so zu unerwünschtem Verhalten, zwischenmenschlichen Beziehungsstörungen und psychischem Leiden. Erst durch eine Bewusstmachung des Verdrängten und den selbstverantwortlichen Einsatz zugunsten des ES vermag der Mensch sich von der Macht seines meist Es-feindlich geprägten, sein Ich sonst beherrschenden ÜBER-Ichs zu befreien. Das Ziel der Psychoanalyse fasste Freud deshalb in dem bekannt gewordenen Schlagwort zusammen: „Wo Es war, soll Ich werden.“ In einer anderen berühmten Formulierung geht es nach Freud dem Subjekt in der Psychoanalyse darum, „Herr im eigenen Hause zu werden“.

Die Entdeckung des Unbewussten

„Hypnotische Séance“, Gemälde von Richard Bergh, 1887

Die historische und anthropologische Forschung zeigt, dass bereits in archaischen Gesellschaften Methoden (teilweise auch zur Behandlung psychischer Störungen) angewendet wurden, in denen Suggestion, d.h. die Beeinflussung des Unbewussten, eine entscheidende Rolle spielt. Beispiele dafür sind etwa der Schamanismus, der Exorzismus, „Geistiges Heilen“ und religiöse Riten.

Gemeinsam ist diesen „magischen“ Behandlungsformen oft auch die Annahme einer ‚unsichtbaren Welt‘ hinter der sichtbaren Alltagswelt, die als Quelle einer geheimen, lebensspendenden Kraft angesehen wird. Eine solche Annahme kann – in gewissem Sinne – als die früheste Form des später u.a. von Freud angenommenen Unbewussten gelten. Den Zugang zu dieser Quelle wieder neu zu erschließen, erachten die Heiler als maßgeblich für den Erfolg einer von ihnen durchgeführten Behandlung. Erst im 18. bis 19. Jahrhundert entwickelten sich aus diesen Praktiken erste systematische Beschäftigung mit dem Unbewussten:

  • Der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815) war der Begründer der ersten „dynamischen Psychiatrie“ (ab 1775). Wie die Heiler der außereuropäischen Kulturen geht er von heilenden Kräften aus (magnetische Ströme, Fluidum, Rapport), die der Arzt im Patienten wieder anregen könne. Diese Kräfte nannte er – in Analogie zu den zeitgenössischen Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität – „tierischen Magnetismus“.
  • Sein Schüler, der französische Artillerieoffizier Marquis de Puységur (1751-1825) entwickelte die Behandlungsform weiter zur Verabreichung eines sogenannten „magnetischen Schlafes“ bzw. der „magnetischen Hypnose“.
  • Der deutsche Arzt und Naturforscher Carl Gustav Carus (1789-1869), ein Freund Goethes, veröffentlichte 1846 das Buch Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Dort entwickelt er die Begriffe des „Unbewußten“ sowie des „Unbewußtseins“, wobei er diese spiritualistisch-romantisch als „göttliche Natur“ deutet.
  • Der französische Neurologe Jean-Martin Charcot (1825-1893) untersuchte am Hôpital Salpêtrière in Paris die „traumatischen Lähmungen“ und erkannte mit Hilfe der Hypnose, dass ihnen keine organischen Störungen zugrunde liegen können: Unter hypnotischer Suggestion ließen sich die Lähmungen beheben. Freud arbeitete 1885-1886 vier Monate an dieser berühmten französischen Klinik.
  • Der französische Philosophieprofessor, Arzt und Psychotherapeut Pierre Janet (1859-1947) war der Gründer eines „neuen Systems der dynamischen Psychiatrie“ (ab 1900). Sein Werk wurde zu einer der Hauptquellen für Freud, Alfred Adler und C. G. Jung.
  • Sigmund Freud (1856-1939) gilt als Entdecker eines wissenschaftlich fundierten Weges zur Erschließung des Unbewussten. Nach anfänglichen Experimenten mit der bei Charcot erlernten Hypnosetechnik distanzierte er sich später von dieser, da die suggestive Behebung psychosomatischer Symptome nicht von Dauer ist, und gründete stattdessen seine eigene Schule, die „Psychoanalyse“. Deren Erfolge beruhen nach Freud zum einen auf der vernunftgemäßen Einsicht, die der Patient im Laufe der Behandlung über die Ursache seiner Erkrankung gewinnt, und zum anderen auf der Möglichkeit, das neurotische Verhalten anhand der Diagnose in therapeutisch wirksamer Weise aus eigener Kraft zu ändern. Freuds Schriften und Einsichten in die psychische Dynamik sowohl der Individuen als auch ganzer Kulturen haben unsere heutige Auffassung vom Menschen grundlegend geprägt.
  • Die von Alfred Adler (1870-1937) entwickelte „Individualpsychologie“ unterscheidet sich von der Psychoanalyse grundlegend durch ihre pragmatische Theorie mit der Betonung der Unteilbarkeit des Individuums und der teleologischen und sozialen Orientierung des Menschen. Mit Freud nahm Adler jedoch an, dass die frühkindlich erlebten Situationen den Lebensstil des Erwachsenen unbewusst beeinflussen. Adlers Lehre hat die Neopsychoanalyse stark mitgeprägt.
  • Die von Carl Gustav Jung (1875-1961) begründete „analytische Psychologie“ weist oberflächlich besehen eine Ähnlichkeit zur Freudschen Psychoanalyse auf. Beide beschreiben die Möglichkeit der (Wieder-)Aufdeckung des Unbewussten durch die tiefenpsychologische Therapie. Jung geht jedoch über Freud hinaus, wenn er zusätzlich zur Annahme eines Unbewussten auch von der Existenz eines sogenannten „kollektiven Unbewussten“ ausgeht. Freud konzipierte seine Theorie des Unbewussten dagegen stärker auf einer individuellen Ebene, ohne dabei allerdings die Existenz kollektiver Erfahrungen (etwa den kollektiv verdrängten „Urvatermord“ in der Urhorde) oder kollektiver Symbole (etwa die berühmten Phallussymbole) zu verneinen. Jedoch besitzt Jungs Konzeption des kollektiven Unbewussten und der Archetypen ein deutlich religiöses Moment, das der Atheist und Religionskritiker Freud kategorisch ablehnte. (Zu weiteren konzeptuellen Unterschieden zwischen Freud und Jung siehe auch den Artikel Traumdeutung.)
  • Üblich ist der Begriff „unbewusst“ außerdem in der psychologischen Generationsforschung. Hier meint er ein verdecktes, meist einschneidendes und traumatisches Ereignis, das über unterschwellige Verhaltensbeeinflussung von einer Generation an die nächste weitergegeben werden kann, ohne dass das Ereignis selbst allgemein offen thematisiert wird. Dies kann sowohl einzelne Familien als auch größere Gemeinschaften betreffen.

Das Unbewusste in der Neurowissenschaft

Die wissenschaftliche Diskussion über das Unbewusste wurde in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem von den empirischen neurowissenschaftlichen Studien von Antonio Damasio[1] sowie durch neurobiologische Forschungsergebnisse, die durch die neuen bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung möglich wurden, wiederbelebt. Dabei erfahren die tiefenpsychologischen Annahmen über die Bedeutung unbewusster Prozesse für das menschliche Erleben und Verhalten eine starke Aufwertung.[2]

Der von Freud ursprünglich angestrebte biologische Zugang zum Unbewussten wird jetzt durch die bildgebenden Verfahren möglich. So formulieren führende Neurowissenschaftler in einem gemeinsamen Manifest: „ Wir haben herausgefunden, dass im menschlichen Gehirn neuronale Prozesse und bewusst erlebte geistig-psychische Zustände aufs Engste miteinander zusammenhängen und unbewusste Prozesse bewussten in bestimmter Weise vorausgehen.“[3]

Literarische Zitate

Der Begriff „unbewusst“ wurde schriftlich nachweisbar zuerst von Goethe 1777 in einem Gedicht gebraucht. Wahrscheinlich war er aber schon vorher im nicht schriftlichen Sprachgebrauch vorhanden.

  • Johann Wolfgang von Goethe: „Wenn man die Kühnheit hat, über das Unbewusste und Unergründliche zu sprechen: so kann man nur dessen Dasein, nicht dessen Tiefe bestimmen wollen.“
  • Jean Paul, Vorschule der Ästhetik. Erste Abteilung, III. Programm, §11-13: „Das Mächtigste im Dichter, welches seinen Werken die gute und die böse Seele einbläset, ist gerade das Unbewusste.“
  • Jean Paul, ebd.: „Übrigens gibt es gar viele Anzeichen, aus denen wir schließen müssen, daß es in jedem Augenblick in uns eine unendliche Menge von Perzeptionen ohne bewusste Wahrnehmung und Reflexion gibt, d.h. Veränderungen in der Seele selbst, deren wir uns nicht bewusst werden, weil diese Eindrücke entweder zu gering und zu zahlreich oder zu gleichförmig sind, so daß sie im einzelnen keine hinreichende Unterscheidungsmerkmale aufweisen. Nichtsdestoweniger können sie zusammen mit anderen ihre Wirkung tun und sich insgesamt wenigstens in verworrener Weise zur Wahrnehmung bringen. So führt die Gewohnheit dazu, auf die Bewegung einer Mühle oder eines Wasserfalls nicht mehr zu achten, wenn wir eine Zeitlang ganz nahe dabei gewohnt haben.“

Zitatnachweise

  1. Antonio R. Damasio: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins, München: List 2000, ISBN 3548601642
  2. Vgl. Christian Gottwald, in: Gustl Marlock/Halko Weiss: Handbuch der Körperpsychotherapie, Schattauer Verlag 2006, S. 119 ff.
  3. Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung, in: Gehirn & Geist, 6/2004.

Literatur

  • Sigmund Freud: Studienausgabe, 10 Bände, Frankfurt am Main: Fischer 1975 ff., darin u.a.: Bd. III: Psychologie des Unbewußten
  • Henry F. Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewussten, Bern: Huber 1973, ISBN 3-456-30577-X, Neuauflage: Zürich: Diogenes 2005, ISBN 3257065035
  • Antonio R. Damasio: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins, München: List 2000, ISBN 3548601642
  • Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung, in: Gehirn & Geist, 6/2004
  • Christian Gottwald, in: Gustl Marlock/Halko Weiss: Handbuch der Körperpsychotherapie, Schattauer Verlag 2006, S. 119 ff.